Perspektive

Was steht hinter dem Versuch, Kriegsgegner an der RUB zu zensieren?

Am 17. Juli verabschiedete die FachschaftsvertreterInnenkonferenz (FSVK) der Ruhr-Universität Bochum unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine Resolution, die dazu aufruft, Kriegsgegner und Sozialisten zu zensieren und vom Campus zu verbannen. Die Resolution fordert die Universitätsleitung auf, Veranstaltungen der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) zu verbieten und „diesen Gruppen“ „keine Ressourcen“ bereitzustellen und „keine Plattform“ zu geben, da ihre Standpunkte „nichts auf dem Campus der RUB zu suchen haben“.

Ruhr-Universität Bochum [Photo by Tuxyso / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0]

Der Angriff richtet sich gegen eine gut besuchte Veranstaltung der IYSSE an der RUB, auf der die Ursachen des Ukrainekriegs beleuchtet und eine sozialistische Perspektive zur Beendigung des Kriegs diskutiert wurde. Diese Perspektive der internationalen Verbrüderung, die sich sowohl gegen das Putin-Regime als auch gegen die Nato-Aggression richtet, diffamiert die FSVK als „dichotome prorussische Propaganda“ und sogar als „Aufruf zur Gewalt“.

Die Lügen und Verdrehungen, mit denen das Gremium seine Forderung begründet, hatten die IYSSE schon vor der Abstimmung in einer Stellungnahme umfassend widerlegt. Doch das Präsidium der FSVK verbot es IYSSE-Vertretern, diese Stellungnahme auch nur an die Delegierten auszuteilen. Stattdessen schloss die FSVK die studentische Öffentlichkeit kurzerhand von der Debatte aus und führte die Abstimmung hinter verschlossenen Türen durch.

Ein Haufen Studierendenvertreter, von denen viele den Jugendorganisationen der Regierungsparteien angehören, wollen ihre Karriere befördern, indem sie sich hinter dem Rücken der Studierenden zur Polizeitruppe der Regierung aufschwingen und jede kritische Diskussion des irrwitzigen Kriegskurses unterdrücken. Während hunderttausende junge Menschen aus Russland und der Ukraine abgeschlachtet werden und auch hier die Gesellschaft den Erfordernissen des Kriegs untergeordnet wird, soll Kritik daran verboten werden.

Die Bedeutung dieses Beschlusses geht daher weit über die Mauern der Universität hinaus, sie steht in den übelsten Traditionen des deutschen Militarismus. Die Karrieristen der FSVK wollen eine linke Studierendengruppe verbieten, weil sie den Kriegs- und Aufrüstungswahnsinn ablehnt und für eine sozialistische Perspektive zur Beendigung des Kriegs eintritt. Angesichts der enormen Opposition gegen die Eskalation des Kriegs soll jeder mundtot gemacht werden, der sich dem Massenschlachten entgegenstellt.

Dabei ist das ganze Gerede von „Freiheit“ und „Demokratie“, die in der Ukraine verteidigt würden, längst widerlegt. Die Nato und Deutschland haben Putins reaktionären Krieg bewusst provoziert und eskalieren ihn täglich weiter, um ihre eigenen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen durchzusetzen. Für diese Ziele sind sie bereit, hunderttausende junge Ukrainer und Russen auf den Schlachtfeldern zu opfern und sogar einen Atomkrieg in Kauf zu nehmen.

Die Bundesregierung knüpft dabei direkt an die deutschen Kriegsziele in den beiden Weltkriegen an und will sich die ukrainischen und russischen Bodenschätze einverleiben. Sie hat die gesamte Rüstungsindustrie darauf ausgerichtet, Waffen und Munition in die Ukraine zu liefern, um so viele russische Soldaten so schnell wie möglich umzubringen. 78 Jahre nachdem die bedingungslose Kapitulation Deutschlands die schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte beendete, dürsten die deutschen Eliten nach Revanche und lassen wieder deutsche Panzer gegen Russland rollen.

Jeder gesellschaftliche Bereich wird diesem Wahnsinn untergeordnet. Während der Gesundheitshaushalt im letzten Jahr bereits um zwei Drittel gekürzt wurde und der neue Haushaltsentwurf Kürzungen beim Bafög von hunderten Millionen vorsieht, wird der Rüstungshaushalt immer weiter in die Höhe getrieben.

Angesichts der verbreiteten Opposition gegen diesen Kriegskurs wird er immer offener mit autoritären Mitteln durchgesetzt. Friedensaktivisten wie Heinrich Bücker werden vor Gericht gestellt und der Staatsapparat und die Geheimdienste gegen Kriegsgegner mobilisiert. Schon im Jahr 2018 hatte der Verfassungsschutz die SGP erstmalig als „linksextremistisch“ in seinem Bericht aufgeführt, weil sie sich „gegen vermeintlichen Nationalismus, Imperialismus und Militarismus“ einsetze. Im aktuellen Bericht greift der Geheimdienst die trotzkistische Partei an, weil sie „das bei Jugendlichen vorhandene humanitäre Engagement“ zu „Widerstand gegen Militarismus“ entwickle.

Die Universitäten sind dabei zu wichtigen Schlachtfeldern geworden. Wie vor den beiden Weltkriegen sollen sie in Zentren des Militarismus und der Kriegspropaganda verwandelt werden. Die IYSSE haben dieser Entwicklung schon vor Jahren den Kampf angesagt. An der Berliner Humboldt-Universität haben sie aufgezeigt, wie die Professoren Herfried Münkler und Jörg Baberowski die Verbrechen des Imperialismus verharmlosen, um neue Verbrechen vorzubereiten.

Schon als Baberowski in Februar 2014 im Spiegel erklärte, dass Hitler nicht grausam und der Holocaust das gleiche gewesen sei, wie Erschießungen im russischen Bürgerkrieg, gab es in ganz Deutschland keinen einzigen Professor, der dieser bodenlosen Geschichtsklitterung öffentlich entgegengetreten wäre. Stattdessen wurden die IYSSE von dutzenden Professoren angegriffen, weil sie Baberowski für diese Aussagen kritisierten. Zur gleichen Zeit konnten wir aber enorme Unterstützung unter Studierenden mobilisieren. Das StuPa der HU, die Asten der TU Berlin, FU Berlin, Bremen, Magdeburg, Wien und vielen weiteren Universitäten solidarisierten sich mit unserem Kampf gegen militaristische Ideologie.

Die Opposition unter Studierenden ist seither nicht geringer geworden, aber die Kriegspropaganda umso heftiger. Baberowskis Verteidigung der Nazis ist mittlerweile offizielle Regierungslinie. Zurzeit veranstaltet die deutsche Botschaft in Estland in Zusammenarbeit mit dem „Estonian Institute of Historical Memory“ eine sogenannte „Sommerschule“, die sich explizit gegen „den Mythos“ wendet, „dass Deutschland allein den Zweiten Weltkrieg begonnen hat“. Der russische Überfall auf die Ukraine wird als Fortsetzung des „kriminellen Wegs“ der Sowjetunion im Weltkrieg dargestellt!

Auch an der Ruhr-Universität wird die Kriegstrommel gerührt. Professor Jörg Schimmelpfennig, langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, ist „Senior Research Fellow“ am German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), einem militärischen Thinktank der Bundeswehr. Dort hetzt er in Vorträgen und Strategiepapieren gegen „den Traum einer regelbasierten Weltordnung“ und plädiert stattdessen für die massive Aufrüstung der Bundeswehr. Frieden, so der Professor, könne nur militärisch durchgesetzt werden.

Die FSVK erklärt den Studierenden jetzt unverhohlen, dass sie gefälligst fressen sollen, was ihnen da aufgetischt wird. Sie stellt sich in die schlimmsten Traditionen des Kaiserreichs und der Nazis, wenn sie Kriegsgegner unterstellt, sie würden Propaganda für den Feind machen. Denn das ist ihr zentrales Argument gegen die IYSSE: weil wir das Kriegsnarrativ der Nato in Frage stellen und aufzeigen, wie der deutsche Militarismus an seine historischen Linien anknüpft, verbreiteten wir „dichotome prorussische Propaganda“, so die FSVK. Schon Karl Liebknecht wurde der Vorwurf gemacht, er mache gemeinsame Sache mit dem russischen Zaren, weil er sich mutig mit einer internationalen sozialistischen Perspektive gegen das Massenschlachten des Ersten Weltkriegs stellte.

Dass die Mitglieder der FSVK vom gleichen Geist beseelt sind, macht auch ihr hysterischer Antikommunismus deutlich. Unsere positive Bezugnahme auf die Oktoberrevolution in Russland und auf die deutsche Revolution wollen sie ebenso verbieten wie den Aufruf zur Verbrüderung der Soldaten und zur sozialistischen Weltrevolution.

Das letzte Mal, dass sozialistische und antimilitaristische Positionen vom Campus verbannt wurden, war zwischen 1933 und 1945. Damals wurden die Mitglieder der trotzkistischen Bewegung, der wir angehören, zu hunderten abgeurteilt und in Konzentrationslager gesperrt, weil sie zum Sturz Hitlers und zur Verhinderung des Kriegs aufgerufen hatten. Doch sie ließen sich nicht brechen und setzten ihren Widerstand selbst in den Lagern weiter fort.

Damals konnten sich die Nazis auf eine breite Anhängerschaft unter Studierenden stützen. Die Karrieristen und Möchtegern-Schirachs der FSVK müssen ihre Zensurpläne heute hinter verschlossenen Türen beschließen, weil sie wissen, dass die große Mehrheit der Studierenden nach den Erfahrungen des Faschismus und des Holocaust diese militaristische und autoritäre Politik entschieden ablehnt.

Wir lassen uns von der FSVK daher in keiner Weise einschüchtern, sondern rufen alle Studierenden auf, gegen den Zensurversuch zu protestieren und den Lakaien der Bundesregierung entgegenzutreten. Lasst nicht zu, dass Sozialisten vom Campus verbannt werden, und schließt Euch unserem Kampf gegen Krieg an! Macht mit bei den IYSSE!

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