Autoarbeiter fordern einen Vollstreik, während UAW und Biden den Ausverkauf planen

Arbeiter des Jeep-Werks von Toledo

Unter den Autoarbeitern in den USA wächst der Widerstand gegen die selektive Streikpolitik der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW). Stattdessen fordern sie einen branchenweiten Streik aller 150.000 Arbeiter von GM, Ford und Stellantis (Big Three).

Nachdem letzten Freitag die nationalen Tarifverträge der Big Three ausgelaufen waren, rief UAW-Präsident Shawn Fain die Arbeiter in zweieinhalb Werken zum Streik auf: im Stellantis-Jeepwerk in Toledo, im GM-Werk in Wentzville nahe St. Louis und in der Endmontage sowie der Lackiererei des Michigan-Fertigungswerks von Ford in einem Vorort von Detroit.

Ein Arbeiter in Toledo erklärte gegenüber der WSWS: „Die Vorstandschefs zeigen vor der ganzen Welt unverhohlen ihre Arroganz und Gier. Aber wenn man weniger als zehn Prozent der Arbeiter zum Streik aufruft, erlaubt man ihnen, noch mehr Geld scheffeln.“

„In den Fabriken, in denen noch gearbeitet wird, herrscht große Frustration, weil die Arbeiter dort zu den 97 Prozent der Mitgliedschaft gehören, die für Streik gestimmt haben. Gleichzeitig ermöglicht es der ‚Stand-up-Streik‘ [Steh-auf-Streik] dem Management, jeden aus irgendeinem Grund zu entlassen, weil es mit dem abgelaufenen Tarifvertrag praktisch keinen Schutz gibt. Jeder Arbeiter in diesen Werken könnte zum Opfer werden, weil das Management die bestbezahlten Arbeiter entlassen und die Betriebe mit Zeitarbeitern für 16 Dollar pro Stunde füllen will.“

„Dies ist der günstigste Moment in der Geschichte seit Jahrzehnten, um den Big Three und der UAW-Bürokratie unsere Forderungen bekannt zu machen. Wir müssen die Arbeiter darüber informieren, was passiert, mit ihnen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene in Kontakt treten, und uns zu einem vollständigen Streik zu erheben, um ihnen zu zeigen, wie stark wir sind.“

Ein Autoarbeiter der dritten Generation im GM-Fertigungswerk Flint erklärte: „Fain hat diesen ,Engpass-Streik‘ mit dem Sitzstreik in Flint in den 1930ern verglichen. Das ist eine Beleidigung, weil die Sitzstreikbewegung die gesamte Produktion zum Erliegen gebracht und das Privateigentum von GM beschlagnahmt hat. Sie haben GM in die Knie gezwungen, und das war die Geburtsstunde der UAW.“

„Diese dumme Streikstrategie spaltet und schwächt uns vorsätzlich. Wir müssen uns nicht von der UAW-Bürokratie sagen lassen, wann wir in den Streik treten, und erst recht nicht, wann wir damit aufhören müssen. Das müssen wir Arbeiter selbst entscheiden. Wir müssen gemeinsam streiken und nicht aufhören, bis wir bekommen, was uns zusteht.“

„Die Vorstandschefin von GM, Mary Barra, hat im Jahr 2022 28,9 Millionen Dollar verdient, das ist 630-mal soviel wie ein durchschnittlicher Autoarbeiter. Wir sind diejenigen, die ihre Profite erarbeiten. Aber sie behauptet, das Unternehmen würde Bankrott gehen, wenn sie unsere Forderungen erfüllt. Es ist Zeit, dass wir uns zur Wehr setzen und gewinnen.“

Ein Arbeiter des Ford-Fertigungswerks in Chicago äußerte seine Unterstützung für einen branchenweiten Streik: „Alle sollten streiken, nicht nur ein Werk. Steht mit euren Kollegen da draußen. Wir gehören zusammen. Wir wollen alle die gleichen Rechte, also führen wir den gleichen Kampf.“

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Einer der mehr als 500 Arbeiter des Batteriewerks Clarios in Toledo (Ohio), deren 40-tägiger Streik von der UAW-Bürokratie verraten wurde, fügte hinzu: „Wozu soll das führen, wenn man nur fünf bis zehn Prozent der Belegschaft zum Streik aufruft? Das ist kein ,historischer Streik‘, sondern einer der lahmsten der Geschichte. Damit wird kein Druck auf die Unternehmen ausgeübt. Fain kümmert sich um die Konzerne, nicht um die Mitglieder. Es muss einen Vollstreik geben.“

Die Wall Street hat die wirkungslosen Aktionen der UAW weitgehend ignoriert, und die Aktienkurse der Automobilkonzerne stiegen nach Beginn des Streiks am Freitag sogar. Laut Analysten haben die Unternehmen große Mengen von Fahrzeugen aus den nun bestreikten Werken auf Lager gelegt.

Am Sonntag berichtete Reuters, ein Streik könnte GM sogar dabei helfen, anhaltende technische und operative Probleme bei Elektrofahrzeugen und Batterien zu lösen. Sam Fiorani, Vizepräsident für globale Fahrzeugprognosen bei AutoForecast Solutions, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur: „Ein Produktionsstopp könnte es GM ermöglichen, Engpässe zu beseitigen. GM könnte die Produktion schneller steigern, sobald die Fabriken wieder laufen.“

Die Konzerne haben die isolierten Streiks genutzt, um in die Offensive zu gehen. Ford erklärte am Freitag, aufgrund des Teilstreiks in Warren würden im übrigen Werk vorübergehend 600 Arbeiter entlassen werden. GM warnte zudem, dass es die Produktion in seinem Montagewerk Fairfax in Kansas wahrscheinlich einstellen werde, weil es durch den Ausstand in Wentzville zu einem Mangel an Teilen in Fairfax kommen wird. Gemäß den ausgelaufenen Tarifverträgen erhalten diese Arbeiter keine zusätzliche Arbeitslosenhilfe und wahrscheinlich auch keine staatliche Arbeitslosenhilfe, weil die Entlassungen auf eine Arbeitsniederlegung zurückgehen. Fain erklärte, diese Arbeiter würden „nicht ohne Einkommen bleiben“. Allerdings wird das kümmerliche UAW-Streikgeld von 500 Dollar pro Woche kaum den Verlust ihrer Arbeitsplätze ausgleichen.

Fain drohte zwar, in weiteren Werken zum Streik aufzurufen, wich in der CBS-TV-Sendung „Face The Nation“ am Sonntag aber der Frage aus, wie weit der Streik ausgeweitet werden soll, und erklärte nur: „Wir sind bereit, zu tun, was immer wir tun müssen.“ Fain behauptete zwar, das Angebot einer 21-prozentigen Lohnerhöhung über vier Jahre von Stellantis sei ein „No-Go“, doch am Samstag erklärte die UAW, die Verhandlungen seien „einigermaßen“ produktiv. Allerdings hat sie den Arbeitern keine Einzelheiten darüber mitgeteilt, welche ihrer Forderungen die UAW bereits aufgegeben hat.

Vor allem aber hat Fain erneut die Pläne für einen massiven Stellenabbau heruntergespielt, welche die Autokonzerne im Rahmen der Umstellung auf Elektrofahrzeuge durchführen wollen. Auf die Bitte der Moderatorin Margaret Brennan, die Behauptung des Ford-Vorstandschefs zu kommentieren, Elektrofahrzeuge würden 40 Prozent weniger Arbeiter erfordern, wiederholte Fain sein Mantra, man brauche einen „gerechten Übergang“ zu Elektrofahrzeugen und betonte: „Die Arbeitnehmer dürfen nicht auf der Strecke bleiben.“

Tatsächlich hat die UAW bereits der Vernichtung von zehn- wenn nicht hunderttausenden Arbeitsplätzen in der Autoindustrie zugestimmt. Sie strebt lediglich eine Einigung an, die es dem UAW-Apparat erlaubt, seine finanziellen und institutionellen Interessen zu wahren, darunter das Eintreiben von Mitgliedsbeiträgen von den Arbeitern der neuen Elektrofahrzeugwerke, die nur Armutslöhne erhalten werden.

Die Biden-Regierung hat bereits angekündigt, Anfang der Woche die amtierende Arbeitsministerin Julie Su und ihren Chefberater Gene Sperling nach Detroit zu schicken, um „ihre volle Unterstützung“ für eine Einigung zur Beendigung des Streiks anzubieten. Sie sind sich der weit verbreiteten Opposition gegen Biden durchaus bewusst. Er war letztes Jahr dafür verantwortlich, den Streik der Eisenbahner zu verbieten und ihnen einen konzernfreundlichen Tarifvertrag aufzuzwingen. Deshalb versuchte Fain zu leugnen, dass sich das Weiße Haus in den Tarifkampf einmischt. Doch die Vertreter des Weißen Hauses kommen nicht wegen der Automesse nach Detroit.

Tatsächlich stand Fain in regelmäßigem Kontakt mit dem Weißen Haus, und zwar nicht wegen der Bedingungen des neuen Tarifvertrags – auf den man sich bereits geeinigt hat –, sondern um die Frage zu diskutieren, wie der Widerstand der Belegschaften gebrochen werden kann. Wie der ehemalige UAW-Präsident Bob King letzte Woche kurz vor Auslaufen des Tarifvertrags gegenüber einem Detroiter Nachrichtensender erklärte: „Fain hat immer wieder gesagt, dass er keinen Streik will, sondern eine Einigung. Aber wissen Sie, er kann eine Einigung aushandeln, und dann vor die Mitglieder treten, aber wenn es nicht ratifiziert wird, was nützt das?“

Die betrügerische Streikstrategie zielt darauf ab, die Arbeiter zu spalten, sie zu Opfern von Schikanen zu machen und ihren kollektiven Widerstand zu brechen. Das ist der Plan der Autokonzerne, der Biden-Regierung, des UAW-Apparats und ihrer pseudolinken PR-Kräfte bei den Democratic Socialists of America (DSA). Doch die Arbeiter entwickeln ihre eigene Strategie.

Am Sonntagabend nahmen Arbeiter der Autokonzerne und Zulieferer in den USA, Mexiko und weiteren Ländern an einem Forum teil, das vom Autoworkers Rank-and-File Committees Network organisiert wurde. Sie diskutierten über den Aufruf „Mobilisiert die Belegschaften für einen Vollstreik der Automobilarbeiter!“, der am Samstag von Will Lehman veröffentlicht wurde, einem Mack-Trucks-Arbeiter aus Pennsylvania, der letztes Jahr als sozialistischer Kandidat für das Amt des UAW-Präsidenten kandierte.

Lehman erklärte: „Damit es zu einem branchenweiten Streik kommt – was die Arbeiter wollen –, müssen wir als Belegschaften ihn selbst organisieren und vorbereiten.“ Er rief die Arbeiter dazu auf, Aktionskomitees in allen Fabriken zu bilden, Führungspersönlichkeiten aus der Belegschaft zu wählen und am Fließband, während der Pausen und nach der Arbeit miteinander zu sprechen.

„Diese Aktionskomitees werden Arbeitern die Möglichkeit geben, miteinander zu kommunizieren und Informationen auszutauschen, die uns von der Bürokratie vorenthalten werden. Sie werden uns einen Mechanismus bieten, mit dem wir uns über verschiedene Werke und Unternehmen hinweg über das Netzwerk der Aktionskomitees der Autoarbeiter verbinden können. Sie werden uns auch die Möglichkeit geben, uns mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Mexiko, Kanada und anderen Ländern über die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees zusammenzuschließen.“

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