Deutsch-europäischer Kriegseinsatz im Roten Meer

Am Donnerstag entsandte die Deutsche Marine die Mehrzweckfregatte „Hessen“ ins Mittelmeer, um einen europäischen Kriegseinsatz im Roten Meer vorzubereiten. Die Pläne für die Mission „Eunavfor Aspides“ der Europäischen Union (EU) sehen vor, luftgestützte Frühwarnsysteme und mehrere europäische Kriegsschiffe in die Region zu verlegen, um deutsche und europäische Handelsschiffe zu eskortieren und Angriffe der im Jemen operierenden schiitischen Huthi-Miliz abzuwehren. Der Einsatz zielt darauf ab, die israelische Regierung während ihres Genozids im Gaza-Streifen zu unterstützen, und ist Teil des Bestrebens der imperialistischen Mächte, den Nahen Osten neu aufzuteilen und zu plündern.

Fregatte Hessen bei der Seeversorgung mit dem Flugzeugträger USS Eisenhower [Photo: Mass Communication Specialist 2nd Class Gina K. Wollman, USN, Public domain, via Wikimedia Commons]

Das operative Hauptquartier der multinationalen EU-Mission Aspides wird in der griechischen Stadt Larissa liegen und unter Führung eines griechischen Admirals stehen. Einem Bericht der streitkräftenahen Website Marineforum zufolge hatten sich bereits während eines informellen Treffens der EU-Verteidigungsminister am vergangenen Freitag sieben EU-Staaten bereit erklärt, Kriegsschiffe oder Flugzeuge für die Mission bereitzustellen. Neben der deutschen Fregatte „Hessen“ ist dort die Rede von den Fregatten „Hydra“ (Griechenland), „Louise Marie“ (Belgien), „HNLMS Tromp“ (Niederlande) – sowie der französischen „Languedoc“ und der italienischen „Virginio Fasan“, die sich bereits jetzt unter jeweils nationalem Kommando im Roten Meer befinden.

Wie die Tagesschau am Donnerstag berichtete, stehen die Planungen für den EU-Militäreinsatz inzwischen „kurz vor dem Abschluss“. Mehreren Diplomaten zufolge soll bereits am heutigen Freitag ein schriftliches Beschlussverfahren zur Einrichtung der Operation begonnen werden. Der formale Beschluss der Mission wird spätestens beim EU-Außenministertreffen am 19. Februar erwartet und soll noch in diesem Monat vom Bundestag genehmigt werden. Zu diesem Zeitpunkt soll die deutsche Fregatte das Mittelmeer jedoch bereits durchquert und den Suezkanal erreicht haben.

Bei der „Hessen“ handelt es sich um das kampfstärkste Schiff der Bundeswehr. Ihre Bewaffnung ist geeignet, neben Seezielen und U-Booten auch Flugzeuge und andere Luftziele zu bekämpfen. Sie verfügt über Marschflugkörper mit einer Reichweite von bis zu 160 Kilometern, mit denen auch Ziele in den Anrainerstaaten des Roten Meeres angegriffen werden können. Das Radarsystem der „Hessen“ kann bis zu 1000 Ziele in einem Umkreis von 400 Kilometern gleichzeitig erfassen.

Die deutsche Marine nimmt damit erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg an einem heißen Seekrieg teil. Nur wenige Tage zuvor hatten die Vereinigten Staaten Luftangriffe auf sieben Orte im Irak und in Syrien ausgeführt und gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich Huthi-Rebellen im Jemen bombardiert. Die Miliz blockiert und beschießt seit mehreren Monaten Lieferungen an Israel. Wie die Neue Zürcher Zeitung berichtet, nehmen 90 Prozent der Containerschiffe, die das Seegebiet bislang passierten, infolgedessen den Umweg um den afrikanischen Kontinent in Kauf, wodurch sich die Transportkosten zwischen Südostasien und Europa mehr als vervierfacht haben.

Sicherheitspolitische Insider sprechen offen aus, dass die europäischen Streitkräfte vorsätzlich in einen Kriegseinsatz entsendet werden, bei dem Töten und Sterben auf der Agenda stehen. So erklärte Markus Kaim, Analyst der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), gegenüber der Zeitung Welt: „Bei der Operation Aspides ist die Eskalationsgefahr groß. Es ist eine Illusion, dass die Fregatte der Bundeswehr nicht unter Beschuss geraten wird und sich nicht verteidigen muss.“ Es handle sich um einen „äußerst gefährlichen Einsatz“ für die Marinesoldaten.

Der verantwortliche Vizeadmiral und Marineinspekteur Jan Christian Kaack stellte gegenüber Welt sogar einen „schweren Waffengang“ in Aussicht, der für das Kriegsschiff „der gefährlichste Einsatz seiner Geschichte“ werden könne. Im Gespräch mit dem YouTube-Kanal der Bundeswehr erklärte Kaack, dass darüber hinaus „sofort Marineinfanteristen an Bord von Handelsschiffen“ stationiert werden müssten. Der „Einsatz der Marine im Roten Meer“ sei „erweiterte Landes- und Bündnisverteidigung“, rechtfertigte Kaack dies gegenüber der Presse.

Tatsächlich dient die Operation Aspides nicht der „Verteidigung“, sondern der offensiven Unterstützung Israels gegen die Blockade der Huthi-Milizen, die mehrfach ein Ende der Belagerung des Gaza-Streifens gefordert haben und westlichen Geheimdiensten zufolge vom Iran unterstützt werden.

Zugleich dient die militärische Absicherung des westlichen Güterverkehrs der Durchsetzung imperialistischer Wirtschaftsinteressen. Der Bericht in Marineforum weist darauf hin, dass „die europäischen Reeder den Weltmarkt dominieren“ und von der „Verlängerung der Transportwege direkt betroffen“ sind: „Vier der zehn größten Containerreedereien sind europäische Unternehmen: im Jahr 2023 betrieben sie 2360 von 3632 Schiffen.“

Neben der gewaltsamen Aufrechterhaltung der europäischen Handelsbeziehungen und der Rückendeckung für Tel Avivs Genozid im Gaza-Streifen zielt der Einsatz drittens darauf ab, unabhängig von den Vereinigten Staaten an der Neuaufteilung des Nahen Ostens teilzunehmen. Während die EU-Mission angeblich keine „proaktiven Einsätze“ wie die US-Bombardements vorsieht, soll der Einsatz der europäischen Einheiten durch einen „Austausch der Lagebilder“ eng mit der Flugzeugträgerkampfgruppe der US Navy im Roten Meer abgestimmt werden.

Die Differenzen zwischen dem militärischen Vorgehen der USA und demjenigen der EU sind dabei nicht moralisch, sondern taktisch motiviert. So zeigte sich ein nicht namentlich genannter „hochrangiger Bundeswehr-Offizier“ gegenüber der Wirtschaftswoche „nicht überzeugt davon, dass die offensive Taktik der USA wirklich Früchte trägt“. Die Huthi-Kämpfer und ihre Waffenlager seien mobil, weit verteilt und und gut versteckt: „Ein Kämpfer schießt eine Rakete ab und verschwindet dann wieder, daran ändern die US-Angriffe nichts.“ Nicht Angriff sei deshalb die beste Verteidigung, sondern „Verteidigung ist die beste Verteidigung“.

Wie der Marineforum-Bericht hinzufügt, sei die EU-Mission auch darauf ausgelegt, den Interessen „europäischer Partner unter den arabischen Nationen“ wie „Abu Dhabi oder Djibouti“ Rechnung zu tragen. Er schlussfolgert: „Aspides ist eine Chance für die EU, als Sicherheitsarchitekt auch im maritimem Bereich in Erscheinung zu treten. Die EU hat in der Region aus ihren Einsätzen Atalanta und Agenor Kompetenzen, Infrastrukturen und vielfältige Beziehungen in den arabischen Raum aufgebaut. Darauf ließe sich aufbauen.“

In einer Rede anlässlich der „63. Historisch-Taktischen Tagung der Marine“ am 11. Januar schwor Marineinspekteur Jan Christian Kaack die versammelten Admirale auf eine Zeit der „Weltunordnung“ ein, die von „einem massiven Umbruch mit beunruhigenden Effekten und in atemberaubender Geschwindigkeit“ geprägt sei. Die von der Bundesregierung ausgerufene „Zeitenwende“ sei „in vielerlei Hinsicht disruptiv“ und erfordere „sofortiges Handeln“, um „im besten Clausewitz‘schen Sinne die Initiative zurückzuerlangen“.

Mit Blick auf die Rolle der USA sagte Kaack: „Die Nachrichtendienste gehen übereinstimmend davon aus, dass die Taiwanfrage in dieser Dekade ‚einer Lösung‘ zugeführt wird. Die möglichen Auswirkungen auf die Präsenz unseres wichtigsten Verbündeten sollten klar sein.“ Deutschland bleibe daher ein „Zeitraum von ungefähr sechs bis acht Jahren“, um die Rolle der USA einzunehmen und einen Krieg gegen Russland vorzubereiten: „Niemand stellt mehr in Frage, dass Krieg auch für uns wieder unmittelbare Realität werden kann.“

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