Pressekonferenz in London: Warnungen vor einer Auslieferung von Julian Assange

WikiLeaks-Gründer Julian Assange „könnte innerhalb weniger Tage in einem Flugzeug in die USA sitzen.“ So lautete die eindringliche Warnung seiner Frau Stella am Donnerstag zu Beginn einer Pressekonferenz der Free Press Association in London. Neben ihr traten der WikiLeaks-Redakteur Kristinn Hrafnsson und die Direktorin von Reporter ohne Grenzen, Rebecca Vincent, auf.

Assange, ein australischer Staatsbürger, wird wegen Verstoßes gegen den amerikanischen Espionage Act angeklagt und könnte zu 170 Jahren Haft verurteilt werden, weil er amerikanische Kriegsverbrechen und andere Menschenrechtsverletzungen, vor allem während der Kriege in Afghanistan und dem Irak, aufgedeckt hat. Nächsten Dienstag und Mittwoch wird er in einer Anhörung vor dem britischen High Court beantragen, Berufung gegen die Anordnung zu seiner Auslieferung einlegen zu dürfen.

Rednertribüne und Publikum, darunter auch Reporter, bei der Veranstaltung der Free Press Association in London am 15. Februar 2024

Stella erklärte: „Es ist die letzte Anhörung. Wenn sie nicht zu Julians Gunsten ausgeht, gibt es in diesem Rechtssystem keine Möglichkeit, beim Supreme Court oder irgendwo anders Berufung einzulegen.“ Eine Entscheidung zu Assanges Gunsten würde zu einer vollständigen Berufungsverhandlung zu einem bislang unbekannten Zeitpunkt führen.

Hrafnsson fasste zusammen, was auf dem Spiel steht, und erklärte, Assanges Auslieferung hätte „finstere und ernste Folgen für die Pressefreiheit weltweit.“ Wenn Assange durch die USA strafrechtlich verfolgt werden kann, dann „ist kein Journalist irgendwo... sicher. Wir erleben weltweit einen schleichenden Angriff auf die Pressefreiheit. Es ist wie eine Krankheit. ... Julian Assange war der Hiobsbote.“

Hrafnsson wies auf den britischen National Security Act hin, der letzten Dezember verabschiedet wurde, und der „sehr stark vom amerikanischen Espionage Act inspiriert ist.“

Stella erklärte gegenüber den Reportern, wenn die Richter gegen Assange entscheiden, werde er „vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Berufung einlegen und einen Antrag nach Regel 39 stellen, um eine Auslieferung zu stoppen. Außerdem wird er einen vollständigen Antrag stellen, in dem alle Punkte genannt werden, die wir in den letzten Jahren vorgebracht haben, dass Julians Menschenrechte jahrelang umfassend und systematisch verletzt wurden.“

Sie warnte jedoch: „Regel 39 wurde in letzter Zeit häufig in den Medien erwähnt. Wir alle kennen die Haltung der Regierung in Bezug auf Abschiebungen. Und das ist natürlich ein Grund zu großer Sorge.“

Die britische Regierung hat in Zusammenhang mit ihrer Politik der Abschiebung von Asylbewerbern nach Ruanda Möglichkeiten in Erwägung gezogen, ihre Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention zu umgehen oder gänzlich zu ignorieren.

Stella fügte hinzu, die Richter des High Court „können ihre Entscheidung am selben Tag [nach dem Abschluss der Anhörung am Mittwoch] verkünden und dann erklären, ihre schriftliche Entscheidung werde zu gegebener Zeit veröffentlicht – das ist schon passiert. Wir machen uns natürlich große Sorgen, dass die Entscheidung sofort getroffen werden könnte und dass das Innenministerium ihn dann sehr schnell ausliefern würde.“

Hrafnsson erklärte: „Manche wurden vom Gerichtsgebäude... direkt zum Flughafen gebracht, wo sie an Bord eines Auslieferungsflugzeugs ausgeflogen wurden.“

Es wurden weitere Einzelheiten zu den missbräuchlichen Bedingungen geschildert, unter denen Assange im Auftrag der US-Regierung im Vereinigten Königreich festgehalten wird.

Stella erklärte, Julian sei noch immer nicht die Erlaubnis erteilt worden, persönlich vor Gericht zu erscheinen, wie er es beantragt hat, damit er „um Klärung bitten und sich vor Gericht mit seinen Anwälten beraten kann.“ Dieser Antrag wurde bereits bei seiner letzten öffentlichen Anhörung abgelehnt, zu der er „wie ein Zuschauer per Videoschalte Zugang hatte.“ Das letzte Mal durfte Assange das Gefängnis Belmarsh „am 6. Januar 2021“ verlassen, und auch nur zu seinem Gerichtstermin.

Im Gefängnis Belmarsh wird er „mehr als 22 Stunden am Tag“ in einer drei Mal zwei Meter großen Zelle festgehalten. Über Weihnachten war er eine Woche lang krank und „konnte erst nach der Intervention des [australischen] Hochkommissars tatsächlich einen Arzt konsultieren. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich, geistig und körperlich. Sein Leben ist mit jedem Tag, den er im Gefängnis verbringt, in Gefahr.“

Vincent fügte hinzu, sie sei während eines Besuchs bei Assange nach dessen Erkrankung „sehr besorgt über seinen Gesundheitszustand [gewesen]. Zu diesem Zeitpunkt hat er so stark gehustet, dass er sich eine Rippe gebrochen und starke Schmerzen hatte. Seine Situation ist jetzt ziemlich schlimm.“

Sie beschrieb seine anhaltende Inhaftierung und Auslieferung als „Frage von Leben und Tod“ und verwies auf die Erklärung der UN-Sonderberichterstatterin für Folter, Dr. Alice Edwards, die letzte Woche in einer Erklärung vor „schrecklichen Folgen für Herrn Assanges Gesundheit und Wohlbefinden“ gewarnt hatte.

Laut Edwards ist es „sehr wahrscheinlich, dass jede Form von Isolations- und Einzelhaft, vor allem längere Einzelhaft, irreparable Auswirkungen auf Herrn Assanges psychische und potenziell auch auf seine physische Gesundheit haben wird.“

In den USA wären die Bedingungen sogar noch viel schlimmer. Stella verurteilte die Heuchelei der „so genannten Zusicherungen der USA“, dass Assange gut behandelt werde. Sie erklärte, das diene dem High Court als Vorwand, um die ursprüngliche Entscheidung gegen die Auslieferung wegen des hohen Selbstmordrisikos aufzuheben.

Sie verwies auf die „falsche Berichterstattung“, die nicht nur „irreführend“, sondern auch „bösartig“ sei und erklärte: „Das sind keine Zusicherungen. Erstens sind sie an Bedingungen geknüpft. Sie halten die USA nicht davon ab, irgendetwas zu tun. Tatsächlich erlauben sie den USA, ihn unter den gleichen Bedingungen festzuhalten, die ihn nach Ansicht von [Berufungsrichterin Vanessa] Baraitser in den Selbstmord treiben würden...

Wer entscheidet, unter welchen Bedingungen Julian leben wird, wenn er in die USA ausgeliefert wird? Die Geheimdienste. Genau die gleichen Geheimdienste, die bereits geplant hatten ihn zu ermorden.

Und glauben Sie wirklich, dass ein Mensch das überleben kann, nachdem er dreizehn Jahre lang misshandelt und gefoltert wurde?“

Stella verwies auch auf die jüngste Behandlung von Joshua Schulte, der angeblich die Quelle hinter den Leaks „Vault 7“ über die Cyberspionage-Werkzeuge der CIA war, die 2017 von WikiLeaks veröffentlicht wurden. Schulte „wurde gerade zu 40 Jahren Haft verurteilt. Man muss mal darüber nachdenken, was das bedeutet. So geht die Mafia vor.“

Vor und während seines Prozesses wurde er „unter ,besonderen administrativen Maßnahmen‘ festgehalten – ein Euphemismus für Folter.“

Hrafnsson erklärte, auch WikiLeaks selbst würde „in seiner Arbeit in den USA behindert. Anwälte haben WikiLeaks-Mitarbeitern geraten, nicht in die USA zu reisen.“

Als Grund nannte er die Erklärung des ehemaligen CIA-Direktors Mike Pompeo, WikiLeaks gelte als „nichtstaatlicher feindlicher Geheimdienst.“ Hierbei handele es sich um eine „gut durchdachte juristische Definition, von der wir jetzt wissen, dass sie so verfasst wurde, um den Plan zu rechtfertigen, Julian Assange zu entführen oder zu ermorden.“

In seinen abschließenden Bemerkungen betonte Hrafnsson den Kampf für ein „sofortiges“ Ende des Verfahrens und verwies auf die „Bestrafung durch einen Prozess“, die Assange durch den „offensichtlich bewussten Versuch, ihn zu zermürben“ durch jahrelange Verfahren und Misshandlung erleiden musste.

„Der ursprüngliche Antrag auf Berufung ging im September 2022 bei den Gerichten ein. Der zuständige Richter Swift brauchte zehn Monate, um zweieinhalb Seiten ohne Argumente zu veröffentlichen, die einfach nur besagten: ,Ich habe das alles gelesen und sehe keinen Grund für eine Berufung.‘ Und jetzt, acht Monate später, sind wir hier...

Das gibt einem ein Gefühl für den Zeitrahmen. Fünf Jahre. Während er im Gefängnis schmachtet und langsam stirbt.“

Assanges Anhörung beginnt am Dienstagmorgen (20. Februar). Die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site rufen ihre Leser und Unterstützer dazu auf, sich mit uns an den Protesten vor dem Royal Courts of Justice im Zentrum von London zu beteiligen.

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