Dieser Artikel wurde von einem im Ausland lebenden ukrainischen Sozialisten verfasst.
Das autoritäre Regime von Wolodymyr Selenskyj feierte letzte Woche den zehnten Jahrestag des rechtsextremen Putsches in Kiew im Jahr 2014, der für Millionen Menschen in der Ukraine und die gesamte Menschheit so schreckliche Folgen hatte.
Dieser Putsch und der darauf folgende Krieg, der bereits hunderttausende ukrainische Todesopfer gefordert hat, wurden vom US-amerikanischen und deutschen Imperialismus bewusst angezettelt, um ein Marionettenregime an die Macht zu bringen, das bereit ist, die Ukraine ihrer direkten Kontrolle zu unterstellen.
Die Verschwörer in Washington und Berlin gewannen die Unterstützung der Oppositionsparteien gegen das pro-russische Regime von Wiktor Janukowitsch, darunter die neofaschistische Partei Swoboda, die offen die Taten der Nazi-Kollaborateure von Stepan Banderas Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) unterstützt. Nach dem Putsch wurde Swoboda die erste neofaschistische Partei seit dem Zweiten Weltkrieg, die in eine europäische Regierung eintrat.
Den Imperialisten war vollkommen bewusst, dass der von ihnen vorbereitete Putsch zu einer militärischen Eskalation mit Russland führen würde. Sie versuchten überhaupt nicht, sie zu vermeiden, sondern hielten eine solche militärische Eskalation für notwendig, um ihre Ziele zu erreichen.
Der Putsch provozierte die russische Annexion der Krim im März 2014 und den Bürgerkrieg im Donbas, in dem zwischen 2014 und 2022 3.400 Menschen ums Leben gekommen sind. Danach wurde die Ukraine von der Nato bis an die Zähne bewaffnet und mit jährlichen Militärübungen trainiert.
Die USA und die Nato haben außerdem die ukrainischen Streitkräfte und rechtsextreme Gruppierungen systematisch bewaffnet und ausgebildet, zuerst unter dem Poroschenko- und danach unter dem Selenskyj-Regime. Selbst im Vorfeld des offenen Kriegs, der im Februar 2022 ausbrach, haben die imperialistischen Mächte und die Kiewer Regierung eng mit Neonazi-Elementen wie dem Asow-Bataillon zusammengearbeitet, um in der Ostukraine einen indirekten Krieg gegen Russland zu führen.
Alle diese Tatsachen widerlegen eindeutig die Behauptungen der US-Propaganda, das Putin-Regime sei im Februar 2022 plötzlich, unerwartet und „unprovoziert“ in die Ukraine einmarschiert.
Obwohl Putins Invasion eine verzweifelte Reaktion auf die Nato-Erweiterung war, rechtfertigt dies weder das Vorgehen des Putin-Regimes, noch ändert es etwas an seinem reaktionären Charakter. So wie das Selenskyj-Regime für die Interessen der ukrainischen Oligarchie spricht, so spricht das Putin-Regime für die Interessen der russischen Oligarchie. Beide sind aus der Zerstörung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie und die Wiedereinführung des Kapitalismus hervorgegangen und stehen der Arbeiterklasse zutiefst feindlich gegenüber.
Unmittelbar nach dem Putsch sah sich die ukrainische Arbeiterklasse Angriffen auf ihre sozialen und demokratischen Rechte ausgesetzt. Es kam zu Brandanschlägen auf Parteizentralen, zu physischer Gewalt gegen Parteimitglieder und zum Verbot von Parteien. Das neue Regime schränkte tagtäglich das Recht ein, abweichende Meinungen zu äußern und sich friedlich und ohne Angst vor faschistischen Angriffen zu versammeln. Preise, Ungleichheit und Armut stiegen exponentiell. Die Politik der Poroschenko- und danach der Selenskyj-Regierung kam der Oligarchie zugute, verschärfte die Ungleichheit und stürzte immer mehr Arbeiter in tiefste Armut.
Mit dem Putsch verstärkten sich auch die Bestrebungen des Staats, die Faschisten der OUN aus dem Zweiten Weltkrieg und ihres paramilitärischen Flügels, der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), zu rehabilitieren. Die Kommunistische Partei und kommunistische Symbole wurden verboten, die faschistischen Kräfte rehabilitiert und ihre Verbrechen verherrlicht oder verharmlost. Das neue Regime begann, die historischen Fakten zu verfälschen und die Schulbücher für seine eigenen Zwecke umzugestalten. Es benannte Straßen um und zerstörte Denkmäler, darunter viele von ukrainischen Führern der Oktoberrevolution und der trotzkistischen Linken Opposition gegen den Stalinismus.
Eines der zerstörten Denkmäler war dem Bolschewiken Witali Primakow gewidmet, dem Adoptivsohn des berühmten ukrainischen Schriftstellers Mychailo Kozubynskyj. Primakow war Mitglied des Militärischen Revolutionären Komitees, das den Oktoberaufstand im Jahr 1917 organisierte. Während des Bürgerkriegs wurde er Befehlshaber der ukrainischen Roten Kosaken und später Mitglied der Linken Opposition.
Denkmäler und Straßen, die an Jewgeniia Bosch erinnern, einer Führerin der Bolschewiki und Mitglied der Linken Opposition in der Ukraine, sowie an Wladimir Antonow-Owsejenko, Teilnehmer am bewaffneten Oktoberaufstand in Petrograd und sowjetischer Militärkommandant, der die Erklärung der 46 unterzeichnet hatte, wurden umbenannt bzw. zerstört. Auch eine Büste des bekannten deutschen Revolutionärs und Antimilitaristen Karl Liebknecht wurde zerstört.
Gleichzeitig wurde eine Welle von Angriffen auf die historische Wahrheit über den Sieg der Sowjetbevölkerung über Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg entfesselt. Die Regierung versuchte systematisch, die Rote Armee in den Augen der ukrainischen Bevölkerung nicht als Befreier, sondern als Besatzer der Ukraine darzustellen. Dabei hat die überwältigende Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung Vorfahren, die in den Reihen der Roten Armee gegen den Faschismus gekämpft haben!
Mit Beginn des Kriegs im Februar 2022 begann die Regierung überall in der Westukraine Denkmäler für sowjetische Soldaten, ihre Grabstätten und die Grabstätten der Opfer ukrainischer bürgerlicher Nationalisten zu zerstören.
Das alles zielte darauf ab, das kollektive Gedächtnis, das Gedächtnis der Arbeiterklasse zu zerstören, die Geschichte und die Wahrheit über die Errungenschaften der Oktoberrevolution und des Kampfs der Linken Opposition gegen den Stalinismus zu unterdrücken.
Gerade in dieser Geschichte muss man nach den Wurzeln der Ereignisse von 2014 und des Kriegs in der Ukraine suchen. All diese Ereignisse können nur als direkte Folge der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie im Jahr 1991 verstanden werden, die zur Gründung der bürgerlichen Ukraine führte.
Die Wiedereinführung des Kapitalismus war der Höhepunkt von Stalins Verrat am internationalistischen Programm der Oktoberrevolution von 1917. In der Ukraine bildete diese nationalistische Reaktion die Grundlage für die Politik der Zwangskollektivierung und der daraus resultierenden Hungersnot, die Millionen Todesopfer forderte, und für die Perversion der bolschewistischen Nationalpolitik, die die kulturellen und nationalen Bestrebungen der Ukraine unterdrückte und die Einheit der Völker innerhalb der Sowjetunion untergrub.
Mit der Wiedereinführung des Kapitalismus in der Sowjetunion tauchten bürgerliche Nationalisten auf, auch in der Ukraine. Im September 1989 wurde die „Ukrainische Volksbewegung für Perestroika“ gegründet, die nationale Zwietracht zwischen der russischen und der ukrainischen Arbeiterklasse schürte und zum Separatismus aufrief. Auf dem Gebiet der Westukraine begannen bürgerliche ukrainische Nationalisten nicht nur damit, Denkmäler für Lenin und sowjetische Soldaten niederzureißen. Unter dem Deckmantel des Kampfs gegen den Stalinismus rehabilitierten sie auch die OUN und die UPA (Organisation Ukrainischer Nationalisten und Ukrainische Aufständische Armee), die mit den Nazis kollaborierten und Frauen, alte Männer und Kinder ermordeten. Sie verherrlichten sie, indem sie Bandera Denkmäler errichteten und Straßen nach ihm benannten. Zu dieser Zeit begannen auch die Schikanen und Angriffe auf russischstämmige Arbeiter, Kommunisten und Angehörige des Komsomol, der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei.
Bürgerliche ukrainische Nationalisten waren überall an diesen Schikanen beteiligt und gingen nicht nur mit Gewalt gegen ethnische Russen, sondern auch gegen die russische Sprache vor, sodass viele Russen gezwungen waren, die Westukraine zu verlassen.
Nach der Auflösung der Sowjetunion nahm das, was in den 1980ern begann, noch weiter an Fahrt auf, besonders unter der Präsidentschaft von Wiktor Juschtschenko, der nach der von den USA unterstützten „Orangen Revolution“ an die Macht kam. Seine Regierung förderte nicht nur die Verherrlichung von Faschisten, sondern verlieh auch Nazi-Kollaborateuren wie Roman Schuchewitsch den Titel „Held der Ukraine“.
Doch egal wie stark der Propaganda- und Geschichtsfälscherapparat sein mag, das Proletariat der Ukraine wird ihn früher oder später zerstören und nicht nur den Kampf um die historische Wahrheit gewinnen, sondern auch den gegen den bürgerlichen ukrainischen Nationalismus und dessen Diener.
Bereits jetzt wächst jeden Tag die Zahl derer, die mit diesem Krieg nicht einverstanden sind, und der Menschen, die erkennen, dass die Ursachen des Kriegs die Auflösung der Sowjetunion, der ultrarechte Putsch im Februar 2014 und die Nato-Erweiterung sind. Immer mehr Menschen erwachen aus der jahrzehntelangen Starre. Zu ihnen gehören nicht nur die ukrainischen Arbeiter, die von Selenskyjs autoritärem Regime lediglich zu Kanonenfutter bestimmt wurden, sondern auch die, die bereits im Krieg sind. Sie blicken auf die Regierung in Kiew und erkennen, welches Schicksal ihnen bevorsteht. Sie sind bereits mit Ungerechtigkeit konfrontiert und beginnen darüber nachzudenken, wofür sie kämpfen und sterben.
Einige von ihnen glauben immer noch, dass sie, sobald sie diesen Krieg gewonnen haben, die Regierung, die sie in den Krieg geschickt hat, stürzen werden. Andere sind schon bereit, vom Schlachtfeld zu desertieren oder ihre Waffen gegen „ihr“ Regime zu richten. Und diese Stimmung existiert nicht nur in der ukrainischen Arbeiterklasse, sondern auch in der russischen, die sich letztlich in der gleichen Situation befindet wie die ukrainische.
Früher oder später wird dieser Krieg zu einer sozialen Explosion führen. Doch ohne eine unabhängige Arbeiterpartei und eine revolutionäre Führung kann die ukrainische und russische Arbeiterklasse nicht gewinnen. Vor allem kann sie nicht siegreich sein, wenn sie nicht zu den internationalistischen Traditionen der großen proletarischen Oktoberrevolution zurückkehrt. Die Wiederbelebung dieser Traditionen ist nur durch einen Kampf für den orthodoxen Trotzkismus möglich, den Marxismus des 21. Jahrhunderts, der die bolschewistischen Traditionen verkörpert. Deshalb müssen sozialistisch gesinnte Arbeiter und Jugendliche, die diesen Krieg ablehnen, für den Aufbau von ukrainischen und russischen Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale kämpfen!
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