Am 12. April stürmten Hunderte von Polizisten den Palästina-Kongress in Berlin, der dem Protest gegen den israelischen Völkermord in Gaza gewidmet war. Es kam zu Szenen, die an die Taten von Nazi-Sturmtruppen erinnerten. Die Polizei schaltete dem Kongress den Strom ab, verhaftete mehrere Organisatoren und löste die Versammlung auf, nur zwei Stunden, nachdem sie begonnen hatte.
Ein Hauptredner der Konferenz sollte der britisch-palästinensische Chirurg und Rektor der Universität von Glasgow, Dr. Ghassan Abu-Sittah, sein. Abu-Sittah sollte auf dem Kongress „über die 43 Tage berichten, die ich in den Krankenhäusern in Gaza verbracht habe, sowohl im Shifa als auch im al-Ahli Krankenhaus“. Der Chirurg wurde bei seiner Ankunft in Deutschland sofort am Flughafen festgenommen und etwa dreieinhalb Stunden lang von der Polizei verhört.
Sein Reisepass wurde beschlagnahmt, und wie er berichtete, wurde ihm mitgeteilt, dass er „nicht nach Deutschland einreisen dürfe und dass dieses Verbot den ganzen April über gelten werde“. Darüber hinaus wurde er gewarnt, dass er gegen deutsches Recht verstoße, wenn er versuchen würde, über einen Internet-Link oder per Video auf dem Kongress in Berlin zu sprechen. Dann würde ihm eine Geldstrafe oder eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr drohen. Seinen Pass erhielt er erst auf der Gangway zum Flugzeug wieder, das ihn aus Deutschland entfernte. Mit anderen Worten: Ein angesehener und renommierter Chirurg, der über die katastrophale Lage in den von israelischen Bombardements zerstörten Krankenhausruinen in Gaza berichten wollte, wurde wie ein gewöhnlicher Krimineller behandelt!
Die Sozialistische Gleichheitpartei hat die Unterdrückung des Kongresses in einem Video ihres Vorsitzenden und Spitzenkandidaten für die Europawahlen auf das Schärfste verurteilt. Der Angriff war nur der extremste Ausdruck der drakonischen Art und Weise, wie der deutsche Staat auf jeglichen Widerstand gegen den israelischen Völkermord in Gaza reagiert.
Seit Monaten führt die deutsche Regierung massive Polizeieinsätze gegen Demonstrationen von Gruppen und Organisationen, die gegen den Genozid in Gaza protestieren. Immer vor Beginn einer Demonstration zwingt die Polizei die Organisatoren, einen langen Katalog der verbotenen anti-israelischen Slogans, Transparente und Plakate zu verlesen. Auch werden Flugblätter, die bei den Protesten verteilt werden, sorgfältig kontrolliert und immer wieder von der Polizei beschlagnahmt.
Auch bei einer pro-palästinensischen Demonstration am 29. März am Berliner Hauptbahnhof war das brutale Vorgehen der Polizei wieder zu beobachten.
Sefa ist ein junger Student in Berlin, der sich aktiv an den Protesten beteiligt und an der Demonstration am Hauptbahnhof teilnahm. Er sprach mit der WSWS über die Geschehnisse:
„Ich war bei dem Protest dabei und gehörte zu den Demonstrierenden, die die Polizei mit extremer Gewalt aus dem Bahnhof zu entfernen versuchte. Sie packten und würgten mich. Viele wurden abgeführt, darunter auch Frauen und junge Leute. Ich habe bereits eine Strafanzeige wegen eines Protestes erhalten. Wann immer ich ein Plakat hochhalte, versuchen sie [die Polizei], es zu packen und mir wegzunehmen.“
„Ich habe schon an einer früheren Demonstration an der Berliner Universität der Künste (UdK) teilgenommen, bei der Studierende die Namen und das Alter der in Gaza getöteten Kinder und Babys verlesen haben. Die Medien und Politiker haben unsern Protest sofort aufgegriffen, um uns als Antisemiten zu denunzierten. Es ist derzeit sehr schwer, in Deutschland zu protestieren, ohne dass man verhaftet wird oder dass die Medien einen verteufeln.“
Nicht nur die Polizei, auch die Medien gehen mit Härte gegen Andersdenkende vor.
Am 8. April wurde die Reporterin Helen Fares vom Südwestrundfunk (SWR) fristlos entlassen. Die 29-jährige Journalistin syrischer Herkunft war Moderatorin der SWR-Talkshow „MixTalk“. Ihre Entlassung hatte jedoch nichts mit ihrer Arbeit für den Sender zu tun. Stattdessen wurde Fares gefeuert, weil sie entsprechend der Politik der Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) im Internet zum Boykott von Produkten aufgerufen hatte, deren Unternehmen mit der israelischen Wirtschaft zusammenarbeiten. In anderen Beiträgen hatte Fares auf ihrem privaten Instagram-Kanal mit 100.000 Followern Israel als „Apartheidstaat“ bezeichnet, der „Genozid“ begeht.
Wie in Deutschland inzwischen üblich, wurde Fares sofort Opfer einer koordinierten Beschimpfungskampagne und als Antisemitin denunziert. Fares weigerte sich, sich von der Willkür ihres Arbeitgebers einschüchtern zu lassen, und veröffentlichte ein neues Video: „Die deutschen Medien versuchen, alle Stimmen zum Schweigen zu bringen, die sich für Palästina einsetzen. Deshalb müssen wir uns noch mehr und noch lauter zu Wort melden.“ Die Behauptung, ihr Boykottaufruf sei antisemitisch, weist sie vehement zurück.
„Ich möchte eine Sache wirklich klarstellen“, erklärte sie. „Wir sind nicht antisemitisch, indem wir Produkte eines Unternehmens boykottieren, das ein Land unterstützt, gegen das derzeit der Internationale Strafgerichtshof wegen des Vorwurfs eines Völkermords ermittelt, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.“
Fares beschrieb dann, wie der SWR vor den Forderungen rechtsextremer und zionistischer Kräfte kapitulierte, die ihre Entlassung gefordert und sogar ihre Abschiebung verlangt hatten. Ihre Absicht, so Fares, sei es gewesen, ihre Solidarität mit Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zum Ausdruck zu bringen. „Das schließt Tausende und Abertausende jüdische Menschen ein, und diese Menschen haben uns ausdrücklich gebeten, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um Druck auf die israelische Regierung auszuüben, damit sie ihre Handlungen in Palästina einstellt. Denn diese Handlungen schüren Antisemitismus, weil die Menschen die israelische Regierung mit den Vertretern des gesamten jüdischen Volks gleichsetzen.“
In derselben Woche, in der Fares entlassen wurde, gab die Universität Köln bekannt, dass sie ihre Einladung an die jüdische US-Philosophin Nancy Fraser zur Übernahme einer Professur wiederrufe, weil Fraser Israel kritisiert hatte.
Begründet wurde die Ablehnung mit Frasers Unterschrift unter dem Offenen Brief „Philosophy for Palestine“ vom vergangenen November. Darin hatten führende Philosophieprofessoren aus Nordamerika, Lateinamerika und Europa öffentlich und unmissverständlich ihre „Solidarität mit dem palästinensischen Volk“ zum Ausdruck gebracht und „das andauernde und rasch eskalierende Massaker [angeprangert], das in Gaza von Israel und mit voller finanzieller, materieller und ideologischer Unterstützung unserer eigenen Regierungen verübt wird“.
Mehrere führende Akademiker kritisierten darauf die Entscheidung, Fraser eine Professur zu verweigern. Sie forderten, Frasers Ausladung durch die Universität zu Köln zurückzuziehen. Zu den Akademikern, die die Entscheidung als Angriff auf die Freiheit des Denkens bezeichneten, gehören der führende Historiker und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz und 22 weitere prominente Wissenschaftler, darunter die Soziologen Stephan Lessenich und Hartmut Rosa sowie der Philosoph Axel Honneth.
In einer weiteren drakonischen Maßnahme, die darauf abzielt, die Unterstützung für den israelischen Völkermord zu zementieren und eine Grundlage für die Abschiebung von dessen Gegnern zu schaffen, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Vorschläge für neue Kriterien für diejenigen gemacht, die in Zukunft die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben können.
Wie der Spiegel berichtet, schlägt Faeser vor, dass Menschen, die die Staatsbürgerschaft beantragen, neben den üblichen Fragen zu Recht, Geschichte und Verfassung künftig auch Fragen zum Verhältnis Deutschlands zu Israel beantworten müssen.
Faesers Vorschläge stehen im Einklang mit Bedingungen, die der CDU-SPD-Koalitionsvertrag in Hessen im November festgeschrieben hat, sowie mit einem Gesetz, das Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) im Dezember 2023 hat verabschieden lassen.
In beiden Fällen werden solche Kriterien für Migranten aufgestellt, die in Deutschland eingebürgert werden wollen, wie Faeser sie jetzt bundesweit einführen will. Der Deutschen Welle sagte Tamara Zieschang, die Existenz Israels sei deutsche Staatsräson, und dies müsse auch konkrete Taten zur Folge haben.
Diese außerordentlich diskriminierende Maßnahme richtet sich eindeutig gegen die muslimische Community in Deutschland und gegen Menschen aus muslimischen Ländern, die nach Deutschland einwandern wollen. Sie spielt voll und ganz der AfD in die Hände, die seit langem gegen muslimische Migranten agitiert und in Geheimtreffen die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland fordert.
Aus Angst vor dem wachsenden Widerstand der Bevölkerung gegen das Massaker in Gaza und gegen die Gefahr eines neuen Weltkriegs tritt die Ampel demokratische Grundrechte mit Füßen und lässt ihrer Polizei freie Hand. Ihre Maßnahmen und Schritte der letzten Zeit werden gemeinhin mit rechtsextremen, diktatorischen Regimen in Verbindung gebracht.