Perspektive

Die Arbeiterklasse muss den Kampf gegen den Gaza-Genozid aufnehmen und demokratische Rechte verteidigen

Auf der ganzen Welt werden Studierendenproteste niedergeknüppelt. Das zeigt, dass jetzt die Arbeiterklasse gegen Krieg und Polizeidiktatur intervenieren muss.

Die Proteste gegen den Völkermord entwickeln sich international und trotzen einer polizeilichen Unterdrückung, die den Segen aller großen Parteien hat. Diese Woche haben Akademiker an der New School in New York City ihr eigenes Camp errichtet, und Professoren an der Universität von Wisconsin haben die Arbeit niedergelegt, um die Studierenden zu verteidigen. Auch Schüler der Oberstufe nehmen in großer Zahl an den Demonstrationen teil. Auch überall in Europa, von Großbritannien bis Deutschland, reißen die Proteste nicht ab.

Teilnehmer der Pro-Palästina-Kundgebung in Detroit (Michigan) am 28. Oktober 2023

Auch die Unterdrückung der Studierenden ist eine internationale Erscheinung. Jede kapitalistische Partei in jedem Land verleumdet diese Studierenden als „antisemitisch“, obwohl unter den Verhafteten Hunderte Juden sind. Die Polizei hat große Teile von Großstädten wie New York, Chicago und Los Angeles in waffenstarrende Heerlager verwandelt. Die deutsche Polizei hat den Palästinakongress in Berlin aufgelöst und mehrere Zeltlager –vor dem Bundestag und an der Freien Universität – brutal angegriffen. Dasselbe passiert in vielen anderen europäischen Ländern.

Inzwischen hat „Genocide Joe“ Biden für die nächste Phase des Völkermords grünes Licht erteilt. Israel hat mit dem Angriff auf Rafah begonnen, wo über eine Million Menschen aus dem Gazastreifen Zuflucht suchen. Sie können nirgendwo hin, und Zehntausende könnten getötet werden.

Die Angriffe auf die Proteste gegen den Genozid zeigen die Übereinstimmung zwischen imperialistischer Außen- und Innenpolitik. Der Völkermord selbst ist Bestandteil der globalen Konterrevolution, die grundlegende demokratische Rechte aushebelt und Massenmord als legitimes Mittel der Politik normalisiert.

Dieselben imperialistischen Mächte, die den Völkermord in Gaza unterstützen, riskieren in ihrem Stellvertreterkrieg gegen Russland den nuklearen Holocaust. Großbritannien rüstet die Neonazis in der Ukraine mit Langstreckenraketen aus, um tief in Russland zuzuschlagen. Der französische Präsident Emmanuel Macron schlägt ungeniert vor, Nato-Soldaten an der Front einzusetzen. Sie betrachten die beiden Konflikte als zwei Fronten in ein-und-demselben anwachsenden Weltkrieg, und eine dritte Front bereiten sie gegen China vor.

Die Arbeiterklasse muss sich am Kampf gegen den imperialistischen Krieg beteiligen. Der sozialistische Autoarbeiter Will Lehman sagte auf der Maikundgebung am vergangenen Wochenende:

Wir Arbeiter müssen als Klasse handeln und die Verbindung ziehen: Der Kampf gegen Ausbeutung ist derselbe Kampf wie derjenige gegen den Krieg. Diese Verbindung wird klarer sichtbar, wenn wir die Frage stellen: In wessen Klasseninteresse wird der Krieg geführt? Und wessen Klasseninteressen dient die Ausbeutung der Arbeiter?

Die herrschende Klasse verdient an diesen Kriegen Unsummen. Aber die Arbeiter der Welt sind gezwungen, die Kosten zu tragen, und sie und ihre Kinder werden ins Militär gezwungen. In der Ukraine und in Palästina sind schon Hunderttausende Arbeiter und Arme umgekommen.

Um Geld für den Krieg locker zu machen, wird die arbeitende Bevölkerung massiv angegriffen. Amerikanische Konzerne haben seit Anfang letzten Jahres eine Million Entlassungen angekündigt. Sie setzen den technischen Fortschritt und die künstliche Intelligenz als Hauptwaffe ein, um die Arbeitsplätze zu zerstören. Macron hat das Ende der „Friedensdividende“ nach dem Kalten Krieg verkündet. Deutsche Politiker sind dabei, das Land wieder „kriegstüchtig“ zu machen und offen die Rückkehr der allgemeinen Wehrpflicht zu verlangen. Die herrschende Klasse der USA plant massive Angriffe auf die Sozialversicherung, um die endlose Ausweitung ihres Billionen-Dollar-Kriegshaushalts zu finanzieren.

Die Arbeiterklasse ist mit ihrer Arbeit die Quelle allen Reichtums, sie ist durch die globale Produktion über nationale Grenzen hinweg vereint, und ihre Interessen laufen dem imperialistischen Krieg diametral zuwider. Die Arbeiterklasse ist die mächtigste gesellschaftliche Kraft der Welt. Sie muss in die Lage versetzt werden, die Kriege zu beenden, die mit ihrem Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung verbunden sind.

Die herrschende Klasse fürchtet die Studierendenproteste, weil sie weiß, dass sie die Arbeiterklasse aufrütteln können. Eine Erklärung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) von letzter Woche hat zu internationalen Streiks aufgerufen, um ein Ende der Polizeiangriffe zu erzwingen. Das Statement hat den wachsenden Zorn der Massen zum Ausdruck gebracht.

Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang eine Streikabstimmung von akademischen Hilfskräften an der Universität von Kalifornien. Sie sind bei der United Auto Workers (UAW) Local 4811 organisiert. Die UAW vertritt 48.000 graduierte Studierende in ganz Kalifornien. Die Abstimmung ist ein Zeichen dafür, dass die Erkenntnis wächst, dass der Kampf gegen den Völkermord mit Methoden des Klassenkampfs geführt werden muss.

Das Streikvotum von UAW-Mitgliedern verdeutlicht auch, dass eine Intervention von Industriearbeitern jetzt notwendig ist. Zehntausende von UAW-Mitgliedern sind Studierende, die eine hochgradig ausgebeutete Schicht von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften an den Universitäten bilden. Aber in der UAW sind auch Hunderttausende Arbeitskräfte organisiert, die in Fabriken und Rüstungsbetrieben schuften. Die gesamte UAW-Mitgliedschaft muss einen Streik fordern und ihn zum Ausgangspunkt für eine breitere Gegenoffensive der gesamten Arbeiterklasse machen.

Ein Arbeiter von General Motors (GM) in Flint sagte: „Jetzt ist die Arbeiterklasse an der Reihe. Sie muss das  business as usual stoppen und wirkliche Veränderungen fordern. (...) Einen Sitzstreik in Flint wie damals würde man heute als terroristisch denunzieren, weil er die Produktion stoppen würde.“ Der Arbeiter schloss: „Dieses neue Prinzip ist selbst eine Art Terrorismus gegen die Arbeiterklasse. Wir müssen die Macht zurückerobern, indem wir die Produktion stoppen und zeigen, wer hier wirklich bestimmt.“

Die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen Krieg erfordert einen Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie, denn sie befürwortet Krieg und Kapitalismus. Die UAW, die nur durch die Wut an der Basis zum Streiken gezwungen wird, hat die Streikabstimmung hinausgezögert, um Zeit zu gewinnen. Sie hat damit deutlich gemacht, dass sie die Proteste – wie zuvor schon an der Northwestern University – mit einem korrupten Ausverkauf abwürgen will.

Die Bürokratie versucht verzweifelt, zu verhindern, dass sich die Studierendenbewegung mit der Arbeiterklasse zusammenschließt. Das enorme Potenzial, das sich daraus ergibt, zeigt sich in mehreren Streikabstimmungen der jüngsten Zeit, so die Abstimmung der Dozenten an der Universität von Michigan (UM), der Autoarbeiter bei Daimler Trucks und Anfang dieser Woche im Stellantis Presswerk in Warren, nahe Detroit. Aber die Bürokratie widersetzt sich den Streikforderungen der Belegschaft. Sie erzwingt immer wieder den Ausverkauf, wie sie es bei Daimler schon getan hat und bei UM und im Warren-Presswerk zu tun versucht.

Seit Monaten schaffen es die UAW-Bürokraten und alle Gewerkschaftsbürokraten, ihre angebliche „Unterstützung“ für einen Waffenstillstand im Gaza mit eiserner Loyalität für „Genocide Joe“ und die Demokraten zu verbinden. UAW-Präsident Shawn Fain diniert mit Milliardären und Kriegstreibern im Weißen Haus. Sein Vorbild ist die Art und Weise, wie die Gewerkschaften im Zweiten Weltkrieg die Kriegsproduktion unterstützten. Letzte Woche legte Fain sogar sein Veto gegen einen Vorschlag ein, die Gewerkschaft von ihren Investitionen in Israel zu trennen, wie der Payday Report berichtet.

Objektiv wächst jedoch der Widerstand gegen den Krieg. Die Unterstützung der UAW für Joe Biden löst unter den Mitgliedern große Wut aus, und immer lauter wird die Forderung, diese Unterstützung zu beenden. Was die Studierenden in Kalifornien besonders wütend macht, ist die Rolle der Funktionäre von Local 4811, die der prügelnden Polizei Zutritt zum Protestcamp an der UCLA gewährt haben.

Vor allem aber fürchtet die Bürokratie, dass schon der Ausbruch eines lokalen Streiks eine viel breitere Bewegung auslösen könnte. Aber genau das muss geschehen.

Arbeiterinnen und Arbeiter müssen die Streikabstimmung in Kalifornien als Aufruf zum Handeln verstehen. Die Arbeiterklasse muss sich erheben, um ihre eigene Antwort auf den Krieg zu geben. Gegen den unvermeidlichen Widerstand der Gewerkschaftsbürokraten muss sie Urabstimmungen und Streikkomitees organisieren, um Arbeitskampfmaßnahmen vorzubereiten. Dies gilt nicht nur für die Autoarbeiter, sondern auch für andere Produktionsarbeiter, Hafenarbeiter, Eisenbahner, Beschäftigte im Gesundheitswesen, Lehrkräfte und viele andere.

Die Studierendenbewegung ist der Vorbote einer tiefgreifenden revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse. Der imperialistische Krieg hat seine Ursache in der tiefen Krise des kapitalistischen Weltsystems, und dieses System reagiert auf seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ruin, indem es alles auf Krieg und Diktatur setzt.

Die einzig fortschrittliche Lösung für diese Krise besteht darin, dass die Arbeiterklasse die Macht übernimmt. Sie muss die Kriegstreiber und die Wall Street enteignen, alle Ressourcen zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse verwenden und die willkürlichen und überholten nationalen Spaltungen, die zu Kriegen führen, überwinden.

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