Baerbocks Kriegsbesuch in Kiew

Am gestrigen Dienstag traf die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu einem Überraschungsbesuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein. Gleichzeitig stattete Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den in Lettland stationierten Kampffliegern der deutschen Luftwaffe einen Besuch ab. Heute befindet er sich in Litauen, wo die Bundeswehr die permanente Stationierung von 5000 Kampftruppen plant.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, links, und der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba treffen sich am 21. Mai 2024 in Kiew [AP Photo/Efrem Lukatsky]

Die Reisen unterstrichen vor allem zwei Dinge: die Nato eskaliert den Krieg gegen Russland trotz der wachsenden Gefahr einer nuklearen Eskalation immer weiter. Und der deutsche Imperialismus, der bereits im 20. Jahrhundert zwei massenmörderische Kriege gegen Russland geführt hat, und dabei auch das Ziel verfolgte, die Ukraine zu unterjochen, steht dabei erneut an der Spitze.

In einem Statement kurz nach ihrer Ankunft verwies Baerbock auf die dramatische Lage an der Front. Die Lage habe „sich mit den massiven russischen Luftangriffen auf die zivile Infrastruktur und mit der brutalen russischen Offensive im Raum Charkiw noch einmal dramatisch zugespitzt“, warnte sie. Nur um dann zu erklären, dass Berlin und die Nato ihre Kriegsunterstützung massiv ausweiten müssten.

U.a. stellte die Außenministerin Kiew mehr Unterstützung für die Verteidigung des Luftraums in Aussicht. „Um die Ukraine vor dem russischen Raketen- und Drohnenhagel zu schützen, braucht sie dringend mehr Luftabwehr“, so Baerbock. Deshalb habe sie zusammen mit Pistorius eine globale Initiative für mehr Luftverteidigung initiiert. Diese habe mittlerweile fast eine Milliarde Euro eingebracht, aber mehr sei notwendig.

„Wir arbeiten intensiv daran, dass das noch mehr wird“, erklärte sie. „Wir drehen jeden Stein mehrfach um und sind selbst mit einer zusätzlichen Patriot-Einheit vorangegangen. Wir müssen jetzt alle Kräfte bündeln, damit die Ukraine bestehen kann, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer auch in Zukunft selbstbestimmt leben können. Und damit Putins Truppen nicht bald vor unseren eigenen Grenzen stehen.“

Die verlogene und völlig absurde Propaganda dient dazu, die Nato-Kriegsoffensive gegen Russland in der Ukraine zu eskalieren und ein direktes Eingreifen des Militärbündnisses vorzubereiten.

Bereits Anfang Mai hatte der französische Präsident Emmanuel Macron gegenüber dem Economist erklärt, er würde im Falle eines Zusammenbruchs der ukrainischen Frontlinien französische Truppen in die Ukraine schicken. Seitdem gab es Berichte, laut denen sich britische und französische Truppen bereits in die Ukraine befinden. Ende vergangener Woche stellte dann US-Generalstabschef Charles Q. Brown gegenüber der New York Times die Entsendung von Nato-Truppen in die Ukraine in Aussicht.

Auch die von Baerbock und Pistorius verfolgten Pläne für die Ausweitung der Luftverteidigung sind darauf ausgerichtet, ein direktes Eingreifen der Nato in den Konflikt vorzubereiten. In einer fraktionsübergreifenden Initiative haben sich in den vergangenen Tagen wiederholt Vertreter von CDU/CSU, FDP und Grünen für den Einsatz von Nato-Soldaten bei der Flugabwehr in der Ukraine stark gemacht. Die Pläne sehen vor, dass Nato-Truppen von den Grenzen der Ukraine zu Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien aus Flugkörper über der Ukraine abschießen.

So stellte etwa FDP-Mann Marcus Faber, der als möglicher Nachfolger von Marie-Agnes Strack-Zimmermann an der Spitze des Verteidigungsausschusses gehandelt wird, fest, dass „der Luftraum über den ukrainischen Grenzregionen“ im Prinzip „durch Luftverteidigungssysteme auf Nato-Territorium geschützt werden“ könnte. Unter der Voraussetzung, dass die nötige Munition langfristig gesichert sei, halte er „das für möglich“.

Besonders aggressiv gebärden sich Baerbocks Parteikollegen von den Grünen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger sprach sich dafür aus, „Systeme zur Luftverteidigung so an den Grenzen der Anrainerstaaten zu stationieren, dass die westlichen Teile der Ukraine mit geschützt werden können“. Und der Vorsitzende des Europaausschusses und notorische Kriegstreiber Anton Hofreiter forderte, „Flugabwehr über der Ukraine von Polen und Rumänien aus sollte man langfristig nicht ausschließen“.

Offenbar wurden genau diese Pläne in Kiew diskutiert. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Baerbock erklärte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba, die „Partner der Ukraine“ sollten „die Möglichkeit in Betracht ziehen“, russische Raketen von ihrem Gebiet aus abzuwehren. Es gebe keinen gesetzlichen oder moralischen Grund und auch kein Sicherheitsargument, das „unseren Partnern beim Abschuss russischer Raketen über der Ukraine von ihrem Territorium aus im Weg steht“, fügte er provokativ hinzu.

Tatsächlich riskieren das Selenskyj-Regime in der Ukraine und seine Nato-Unterstützer mit ihrer ständigen Eskalation des Kriegs eine atomare Konfrontation. In seiner Rede zum 79. Jahrestag des Siegs der Roten Armee über Nazi-Deutschland am 9. Mai erklärte Putin, Russland werde alles tun, „um einen globalen Konflikt zu vermeiden, doch gleichzeitig lassen wir uns von niemandem bedrohen. Unsere strategischen Streitkräfte sind immer in Kampfbereitschaft.“

Trotz der Warnungen aus Moskau sind die imperialistischen Mächte gewillt, den Krieg zu eskalieren. „Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine, auch weil es unser bester Selbstschutz ist“, prahlte Baerbock in Kiew. „Nicht nur für die Ukraine, sondern auch für unsere europäische Friedensordnung haben wir seit Beginn des russischen Angriffskriegs 34 Milliarden Euro an Hilfe bereitgestellt. Und wir wissen, auch hier braucht es mehr.“

Wen will Baerbock, die als deutsche Außenministerin seit mehr als zwei Jahren den Krieg gegen Russland anheizt und im Nahen Osten Israels Völkermord an den Palästinensern unterstützt, für dumm verkaufen? Im Ukrainekrieg ist nicht Moskau der Hauptaggressor, sondern die imperialistischen Mächte. Mit der systematischen militärischen Einkreisung Russlands seit der Auflösung der Sowjetunion hat die Nato die reaktionäre Intervention des Putin-Regimes erst provoziert. Nun eskaliert sie den Konflikt immer weiter, um ihre räuberischen Interessen durchzusetzen.

Den imperialistischen Mächten geht es in der Ukraine nicht um „Selbstschutz“ und „Frieden“, sondern um die Errichtung einer regelrechten Kriegsordnung, die neben der Kontrolle der Ukraine das Ziel verfolgt, ganz Russland auf den Status einer Halbkolonie herabzudrücken und ihre Vorherrschaft über die rohstoffreiche und geostrategisch zentrale eurasische Landmasse herzustellen.

Dabei prescht der deutsche Imperialismus, der bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg das Ziel verfolgt hat, sich die Ukraine einzuverleiben, aggressiv vor. Am 11. und 12. Juni wird in Berlin eine sogenannte Wiederaufbau-Konferenz Ukraine (Ukraine Recovery Conference) stattfinden. Laut dem Eckpunktepapier der Bundesregierung soll es neben der Stärkung der deutschen Industrie in der Ukraine auch um die „stärkere Integration der Ukraine in den (Rohstoff-) Handel der EU im Rahmen des EU Critical Raw Materials Act“ gehen.

Mit anderen Worten: Deutschland will sich neben den zentralen Bereichen der ukrainischen Wirtschaft – das Papier nennt u.a. Energie und Landwirtschaft – die enormen Vorkommen an Eisen, Titan und Lithium unter den Nagel reißen, die zum Teil im vom Russland kontrollierten Donbass liegen.

Besonders deutlich zeigt sich der reaktionäre Charakter des Kriegs in der Natur des Selenskyj-Regimes selbst. Die Ukraine ist ein Polizeistaat und die Bevölkerung steht unter Kriegsrecht. Wahlen finden nicht mehr statt. Selenskyj, dessen Amtszeit formell einen Tag vor Baerbocks Besuch am 20. Mai endete, regiert de facto als Diktator. Es handelt sich um ein rechtsextremes Regime, das brutal gegen die wachsende Opposition unter ukrainischen Arbeitern und Jugendlichen gegen den Krieg vorgeht.

Am 25. April wurde der sozialistische Kriegsgegner und Führer der Jungen Garde der Bolschewiki-Leninisten, Bogdan Syrotjuk, in seiner Heimatstadt Perwomaisk im Süden der Ukraine verhaftet. Er wird wegen Hochverrats angeklagt, obwohl sein einziges Vergehen darin besteht, dass er für die Einheit der ukrainischen, russischen und internationalen Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Kriegspolitik kämpft.

Die World Socialist Web Site ruft all ihre Leser dazu auf, die Petition für die Freilassung Bogdans unter wsws.org/freebogdan zu unterschreiben. Der politische Schauprozess gegen ihn muss gestoppt werden! Gleichzeitig muss die Eskalation des Kriegs durch die Nato beendet werden, bevor sie zu einem umfassenden Krieg der imperialistischen Mächte gegen Russland und zu einer atomaren Katastrophe führt. Das erfordert den Aufbau einer sozialistischen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse gegen Faschismus und Krieg.

Im aktuellen Video der Sozialistischen Gleichheitspartei im Europawahlkampf geht es genau darum. Verbreitet es und registriert Euch hier, um diese zentralen politischen Fragen und Aufgaben am 23. Mai um 19:00 Uhr mit uns zu diskutieren.

Wie der Ukrainekrieg gestoppt und ein Atomkrieg verhindert werden kann ● Europawahl 2024
Loading