Perspektive

Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wirft Netanjahu „Ausrottung“ und „Mord“ an Zivilisten vor

Am Montag beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant.

IStGH-Ankläger Karim Khan warf der israelischen Führung vor, „Ausrottung“ und „Mord“ an Palästinensern zu betreiben. Dies sei Teil eines „gemeinsamen Plans, Hunger als Kriegsmethode und andere Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung des Gazastreifens als Mittel zur ... kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung des Gazastreifens einzusetzen“.

Ruinen in Gaza, Dezember 2023 [Photo by Tasnim News Agency / CC BY-SA 4.0]

Bei der Bekanntgabe der Anklage warf der Staatsanwalt Netanjahu und Gallant „die folgenden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor: „Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung als Kriegsverbrechen“, „vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwerer Verletzungen des Körpers oder der Gesundheit ... oder grausame Behandlung als Kriegsverbrechen“, „vorsätzliche Tötung ... oder Mord als Kriegsverbrechen“ sowie „Ausrottung und/oder Mord ..., auch im Zusammenhang mit Todesfällen durch Aushungern“.

Der Staatsanwalt erklärte: „Wir sind der Auffassung, dass die angeklagten Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen eines weit verbreiteten und systematischen Angriffs gegen die palästinensische Zivilbevölkerung im Rahmen der staatlichen Politik begangen wurden. Diese Verbrechen dauern nach unserer Einschätzung bis heute an.“

Neben Netanjahu und Gallant beantragte Khan auch Haftbefehle gegen Führer der Hamas, was zweifellos auf den Druck der kapitalistischen Regierungen und der Unterstützer Israels zurückzuführen ist. Die wichtigste politische Bedeutung des Antrags auf Haftbefehle ist jedoch klar: Der Staat Israel ist ein kriminelles Regime.

Die Anklagen geben den weltweiten Massenprotesten, die in den letzten sieben Monaten ausgebrochen sind und von der herrschenden Klasse und den Medien bösartig verleumdet wurden, voll und ganz Recht. Demonstranten wurden verprügelt, verhaftet und des „Antisemitismus“ beschuldigt, weil sie eines der größten Kriegsverbrechen der Neuzeit anprangern und zu stoppen versuchen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte zu den Vorwürfen: „Mit welcher Dreistigkeit wagen Sie es, die Monster der Hamas mit den Soldaten der IDF, der moralischsten Armee der Welt, zu vergleichen?“

Diese „moralischste Armee der Welt“ hat die meisten Häuser, Schulen und Krankenhäuser im Gazastreifen zerstört, ebenso wie jede einzelne Universität. Ihre Anführer haben die Zivilbevölkerung des Gazastreifens als „Tiere“ bezeichnet und erklärt: „Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben.“. Sie bekräftigten ihre Absicht, eine kollektive Bestrafung gegen eine „ganze Nation“ durchzuführen.

So viel zur „moralischsten Armee der Welt“.

Die US-Regierung reagierte wütend auf die Vorwürfe des IStGH-Anklägers. In einer Erklärung wird Biden wie folgt zitiert: „Der Antrag des IStGH-Anklägers auf Haftbefehle gegen israelische Führer ist empörend. Und lassen Sie mich eines klarstellen: Was auch immer dieser Staatsanwalt andeuten mag, es gibt keine Gleichwertigkeit - keine - zwischen Israel und der Hamas. Wir werden immer an der Seite Israels stehen, wenn die Sicherheit des Landes bedroht ist.“

Es gibt in der Tat keine Gleichwertigkeit. Die Palästinenser leben unter entsetzlichen Bedingungen der Unterdrückung und illegalen Besetzung durch Israel. Und selbst wenn man den Unterdrücker, Israel, und die Unterdrückten, die Palästinenser, gleichsetzt, hat Israel für jeden bei den Angriffen vom 7. Oktober getöteten Israeli inzwischen 40 Bewohner des Gaza-Steifens getötet.

Bidens Verurteilung des Internationalen Strafgerichtshofs folgte keine 24 Stunden nach seiner Rede am Morehouse College in Georgia, wo er erklärt hatte: „Ich habe zu einem sofortigen Waffenstillstand aufgerufen, um die Kämpfe zu beenden.“ Bidens Reaktion auf die Anklage der Staatsanwaltschaft macht eines deutlich: Seine Kritik an der Netanjahu-Regierung ist nichts weiter als ein zynischer Versuch der Schadensbegrenzung, mit dem letztlich der Völkermord im Gazastreifen unterstützt wird.

Die Bemühungen der US-Regierung, die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft zu widerlegen, bestehen aus einer Absurdität nach der anderen.

„Die Vereinigten Staaten haben schon lange vor dem aktuellen Konflikt deutlich gemacht, dass der IStGH in dieser Angelegenheit nicht zuständig ist“, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums Matthew Miller. Dies ist nicht wahr. Im Jahr 2021 entschied der Internationale Strafgerichtshof, dass „der Gerichtshof seine strafrechtliche Zuständigkeit für die Situation im Staat Palästina ausüben kann“, was sowohl den Gazastreifen als auch das Westjordanland einschließt, nachdem Palästina 2015 das Römische Statut angenommen hatte.

Das Weiße Haus unterstützt allerdings ein Verfahren des IStGH gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen des Ukraine-Krieges, obwohl weder die Ukraine noch Russland das Römische Statut unterzeichnet haben.

Auf die Frage, wer für die Feststellung, ob Israel Kriegsverbrechen begangen hat, zuständig ist, antwortete Miller absurderweise: „Israel.“ Das hieße, dass die Straftäter entscheiden sollten, ob sie der Straftat schuldig sind oder nicht.

Miller erklärte weiter, dass die Anklage „die laufenden Bemühungen um ein Waffenstillstandsabkommen gefährden könnte, mit dem die Geiseln aus dem Gazastreifen befreit würden und mehr humanitäre Hilfe ins Land käme“. Die Hamas hat jedoch bereits die von den Vereinigten Staaten vorgeschlagenen Bedingungen für die Freilassung der Geiseln im Gegenzug für einen Waffenstillstand akzeptiert, was wiederum von Israel abgelehnt wurde.

Führende Vertretern der Demokratischen und der Republikanischen Partei flankierten Bidens Stellungnahme gegen den IStGH. Der Republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses Mike Johnson drohte damit, den Internationalen Strafgerichtshof zu sanktionieren, was selbst einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen würde.

Die US-Vertreter verteidigen nicht nur Israel. Ihre Reaktionen ist auch ein Eingeständnis, dass sie sich selbst der Beihilfe und Unterstützung aller von der Staatsanwaltschaft aufgeführten Verbrechen schuldig gemacht haben. Johnson äußerte diese Besorgnis ausdrücklich und warnte: „Wenn der Internationale Strafgerichtshof israelische Führer bedrohen darf, könnten unsere die nächsten sein.“

In der Tat. Das gesamte politische Establishment der Vereinigten Staaten, darunter Johnson und Biden, macht sich der Finanzierung, Durchführung durch Aufrüstung und politischen Rechtfertigung eines Völkermords schuldig.

Zum Abschluss der Anklageschrift erklärt der Staatsanwalt: „Wenn wir nicht unsere Bereitschaft zeigen, das Gesetz gleichmäßig anzuwenden, wenn es als selektiv angewandt angesehen wird, schaffen wir die Voraussetzungen für seinen Zusammenbruch ...“

Dieser Zustand ist keine ferne Eventualität, sondern eine greifbare Tatsache. Die imperialistischen Mächte morden und foltern überall auf der Welt ungestraft. Sie handeln selbstgerecht und missachten das Völkerrecht auf Schritt und Tritt.

Auch wenn der IStGH sicherlich moralisches Gewicht hat, wird er keinen Einfluss auf die Politik der imperialistischen Regierungen haben. Es ist fast fünf Monate her, dass der Internationale Gerichtshof Israel aufgefordert hat, das Töten und Aushungern palästinensischer Zivilisten einzustellen. Seitdem wurden Zehntausende Palästinenser ermordet und der gesamten Bevölkerung wurde Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung verweigert.

Arbeiter und junge Menschen sollten keine Illusionen in die Vereinten Nationen oder andere bürgerliche Institutionen des internationalen Rechts haben, um den Völkermord in Gaza zu stoppen.

Das kann nur durch die Massenmobilisierung der Arbeiterklasse geschehen, die gemeinsam mit jungen Menschen in der ganzen Welt die Führung im Kampf gegen Zionismus, Imperialismus und das kapitalistische System übernimmt.

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