Der Fall Samuel Alito: Biden und die Demokraten schützen faschistische Putschunterstützer am Obersten Gerichtshof der USA

Richter Samuel Alito (rechts), Richter Clarence Thomas und seine Frau Virginia „Ginni“ Thomas (im Hintergrund) am Obersten Gerichtshof in Washington am 18. Dezember 2023 [AP Photo/Jacquelyn Martin]

„Auch wenn wir vielleicht nie mit völliger Sicherheit wissen werden, wer der Gewinner der diesjährigen Präsidentschaftswahlen ist, so ist doch die Identität des Verlierers völlig klar. Es ist das Vertrauen der Nation in den Richter als unparteiischen Hüter der Rechtsstaatlichkeit.“

John Paul Stevens, Richter am Obersten Gerichtshof, in seiner abweichenden Meinung zum Urteil Bush vs. Gore (2000)

Die jüngsten Enthüllungen, dass Richter Samuel Alito vom Obersten Gerichtshof an seinem Wohnsitz Flaggen gehisst hat, die mit dem faschistischen Putschversuch vom 6. Januar 2021 assoziiert werden, haben bestätigt, was viele Amerikaner bereits wussten: Der Oberste Gerichtshof ist eine illegitime Institution, die von Richtern dominiert wird, die mehrheitlich von der extremen Rechten ernannt wurden.

Wie in den Jahren vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861–65 wird die Dominanz extrem reaktionärer Kräfte über einen ganzen Regierungszweig zu einem wichtigen Faktor in der Entwicklung massenhafter Opposition gegen das gesamte politische System. Dieses System wird heute nicht mehr von der „Sklavenmacht“ kontrolliert, sondern von der Macht der Kapitalisten, der Konzerne und des militärisch-industriellen Komplexes.

Der Vergleich mit dem Obersten Gerichtshof vor dem Bürgerkrieg, der 1857 das berüchtigte Urteil im Verfahren Dred Scott vs. Sandford fällte (laut dem Schwarze keine Bürger der Vereinigten Staaten werden können, unabhängig davon, ob sie Sklaven sind oder nicht), ist in einem wichtigen Punkt unpassend: Anders als in den 1850ern wurden die heutigen Richter mehrheitlich von Präsidenten ernannt, die die Wahlen verloren hatten. Dazu gehören Alito und der Oberste Richter John Roberts, die von George W. Bush ernannt wurden, und Brett Kavanaugh, Amy Comey Barrett und Neil Gorsuch, die von Donald Trump ernannt wurden.

Der älteste und senilste Richter des Gerichtshofs, Clarence Thomas, ist auch der korrupteste. Er hat schamlos Bestechungsgelder von rechtsextremen Milliardären wie Harlan Crow angenommen. Sowohl Alito als auch Thomas haben feige ihre Ehefrauen für ihr eigenes reaktionäres Handeln verantwortlich gemacht.

Alito, dessen selbstgefällige und impertinente Präsenz am Obersten Gerichtshof seine Verachtung für demokratische Prinzipien physisch versinnbildlicht, wird von den Demokraten und der Biden-Regierung geschützt. Sie befürchtet, dass der Widerstand gegen die Kontrolle der Konzerne über alle drei Zweige der Regierung explodieren und ihre Pläne zur Eskalation des Völkermords in Gaza und des Kriegs gegen Russland in der Ukraine stören wird.

Das Hauptanliegen von Biden und den Demokraten ist, dass nichts ihr Bündnis mit faschistischen Republikanern stören soll, die die unbegrenzte Finanzierung der Ukraine im Stellvertreterkrieg gegen Russland unterstützen. Beispielhaft dafür war die jüngste Entscheidung der Demokraten im Repräsentantenhaus, die Absetzung des christlichen Nationalisten und Putschunterstützers Mike Johnson von seinem Posten als Sprecher des Repräsentantenhauses zu verhindern.

Politico veröffentlichte einen Artikel mit der Schlagzeile „Biden hat nicht die Absicht, die Alito-Kontroverse anzufassen, nicht einmal mit der Kneifzange“. Darin hieß es: „Führende Demokraten haben nicht die Absicht, Berichte zu untersuchen, laut denen Richter Samuel Alito vom Obersten Gerichtshof nach der Wahl 2020 eine auf dem Kopf stehende amerikanische Flagge vor seinem Haus gehisst hatte.“

Politico stellt fest:

Joe Biden will darüber nicht einmal reden. Angesichts der zunehmenden Forderungen der Parteibasis nach einer Reaktion auf das Verhalten mehrerer konservativer Richter und nach Reformen des Obersten Gerichtshofs hüllen sich der Präsident und das Weiße Haus in Schweigen.

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, erklärte, die Regierung wolle sich „nicht mit den spezifischen Maßnahmen“ in Bezug auf Alito „befassen“. Dazu gehört die Frage, ob er in zwei anhängenden Fällen wegen Befangenheit zurücktreten sollte, die mit dem Putschversuch vom 6. Januar in Zusammenhang stehen. Das Weiße Haus konnte sich lediglich zu der Stellungnahme durchringen, die „amerikanische Flagge sollte respektiert werden“.

Führende Demokraten im Kapitol haben Bidens „leben und leben lassen“-Haltung gegenüber dem von Faschisten dominierten Obersten Gerichtshof unterstützt. So erklärte der Vorsitzende des Justizausschusses des Senats, Richard Durbin (Illinois), gegenüber Politico, die Demokraten würden keine Anhörungen wegen Alitos Rolle am 6. Januar durchführen: „Ich glaube nicht, dass das irgendetwas bringen wird.“

Die Kolumnistin Jennifer Rubin von der Washington Post schrieb am Sonntag:

Der Verfassungswissenschaftler Laurence Tribe erklärte als Reaktion auf Durbins leere Worte, es gehe nicht mehr nur um „Sam Alitos Anstiftung zu dem Aufstand, sondern um den unerlaubt abwesenden Senator Durbin... Er hat keine Entschuldigung dafür, dass er jetzt keine Anhörungen wegen Alito abhält.“

Am Freitag interviewte die MSNBC-Moderatorin Katy Tur den Vorsitzenden der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, zu den Enthüllungen rund um Alito. Dabei kam es zu folgendem Dialog:

Tur: Wenn die amerikanische Öffentlichkeit den Demokraten die Kontrolle über das Repräsentantenhaus gibt und wenn die amerikanische Öffentlichkeit den Demokraten erlaubt, die Kontrolle über den Senat zu erhalten, und wenn die amerikanische Öffentlichkeit auch Joe Biden erlaubt, das Weiße Haus zu behalten, würden Sie dann etwas wegen Richter Samuel Alito unternehmen? Ihn vielleicht sogar anklagen?

Jeffries: Jetzt spannen wir doch bitte nicht den Pflug vor die Ochsen.

Die Demokraten haben mit keinem Wort erwähnt, dass Franklin Delano Roosevelt versucht hat, den damals von Konservativen dominierten Gerichtshof mit regierungsfreundlichen Richtern zu besetzen, als dieser in den 1930ern alle Bemühungen um Sozialreformen abblockte. Obwohl der Kongress die Umbesetzung verhinderte, verstand der Gerichtshof Roosevelts Botschaft und hörte damit auf, die Reformen der Regierung zu blockieren. Dabei erkannte er an, dass die Reformen notwendig waren, um eine soziale Revolution abzuwenden.

In der Presse wurde viel über Alitos Rolle berichtet, die er bei der Ausarbeitung und schnellen Zusammenstellung einer rechten Mehrheit für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 2022 zur Abschaffung des Rechts auf Abtreibung im Fall Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization spielte. Alitos Rolle als einer der wichtigsten Verschwörer des Putschversuchs am 6. Januar genießt jedoch wenig Aufmerksamkeit. Die Flaggen, die Alito an seinem Haus gehisst hatte, waren nicht nur Ausdruck seiner persönlichen politischen Ansichten. Er hat damit der extremen Rechten auch seine Bereitschaft signalisiert, sie am Obersten Gerichtshof zu repräsentieren.

Die Details wurden von den Mainstreammedien und dem demokratisch kontrollierten Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses über den 6. Januar totgeschwiegen und sind daher eine Aufarbeitung wert.

Am Morgen des 6. Januar 2021 beantragte Trumps Anwältin, Sidney Powell, bei Richter Alito eine einstweilige Verfügung, um die offizielle Auszählung der Stimmen im Wahlmännerkollegium am folgenden Tag einzustellen. Dieser Ersatzplan erlangte entscheidende Bedeutung, als Trumps Vizepräsident Mike Pence sich weigerte, Trumps Plan zu unterstützen, die Auszählung zu unterbrechen, indem er alternative Wahllisten von Wahlleuten aus umkämpften Bundesstaaten akzeptierte. Powells Antrag wurde als Teil einer Klage eingereicht, die führende republikanische Kongressabgeordnete wegen der Bestätigung des Wahlergebnisses angestrengt hatten.

Obwohl Powells Antrag am 6. Januar erfolgte und von Alito (dem zuständigen Richter für den Bundesgerichtsbezirk, in dem die Republikaner ihre Klage eingereicht hatten) sofort als juristisch haltlos hätte zurückgewiesen werden müssen, weigerte sich Alito eine Entscheidung zu fällen, die Powells Antrag auf eine Verzögerung der Bestätigung abgelehnt hätte.

Powell selbst gab später zu, dass Alitos Verzögerung die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi dazu zwang, die gemeinsame Sitzung des Kongresses in der Nacht vom 6. Januar erneut einzuberufen. Dabei handelte es sich nicht nur um einen symbolischen Akt, wie die Medien behaupteten. Powell selbst erklärte später gegenüber der rechtsradikalen Presse: „Sie [Pelosi] hat [durch den elektronischen Datendienst des Obersten Gerichtshofs] eine Mitteilung erhalten, als wir unseren Antrag stellten. Sie musste die Wiedereinberufung des Kongresses beschleunigen, damit die Abstimmung stattfinden konnte, bevor Richter Alito eine einstweilige Verfügung hätte verhängen können.“

Erst am Morgen des 7. Januar, nachdem der Putsch eindeutig gescheitert war, lehnte Alito Powells Antrag formell ab. Alitos Entscheidung, Powells Antrag in der Schwebe zu lassen, gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen des Putschversuchs vom 6. Januar.

Alito selbst ist eine unbedeutende Figur: ein Karrierist, in dessen College-Jahrbuch von 1972 steht, er wolle „irgendwann einen Sitz am Obersten Gerichtshof wärmen“. Er war nicht einmal die erste Wahl von George W. Bush, als durch den Tod von Sandra Day O’Connor ein Sitz am Obersten Gerichtshof frei wurde. Er wurde erst nominiert, nachdem Bushs Versuch, Harriet Miers zu ernennen, im Jahr 2005 gescheitert war. Vier Demokraten stimmten für die Ernennung von Alito.

Es könnte nicht offensichtlicher sein, dass der Oberste Gerichtshof eine Bastion der politischen Reaktion ist. Laut einer aktuellen Umfrage ist der Rückhalt des Obersten Gerichtshofs in der Bevölkerung auf den historischen Tiefststand von 34 Prozent gesunken. In den kommenden Wochen wird er darüber entscheiden, ob Trump wegen seiner Versuche angeklagt werden kann, durch den Putschversuch vom 6. Januar im Amt zu bleiben, und ob die Regierung Teilnehmer des Putsches strafrechtlich verfolgen kann.

Die Demokraten haben sich unermüdlich dafür eingesetzt, die Beteiligten an dem Putschversuch zu schützen, darunter Alito, Thomas und dutzende Senatoren und Kongressabgeordnete, die vor dreieinhalb Jahren dafür gestimmt hatten, die Auszählung der Stimmen im Wahlmännerkollegium zu verzögern. Für die Demokraten ist die Wahrung der „Legitimität“ der Institutionen des amerikanischen Kapitalismus von grundlegender Bedeutung, auch wenn sich die Putschisten darauf vorbereiten, erneut in die Wahlen von 2024 einzugreifen.

Die herrschende Klasse Amerikas hat mit der bürgerlichen Demokratie gebrochen. Im Dezember 2000, nur wenige Tage bevor der Oberste Gerichtshof sein berüchtigtes Urteil im Fall Bush vs. Gore fällte und die Auszählung der Stimmen in Florida beendete, um dem Wahlverlierer George W. Bush den Sieg zuzusprechen, erklärte der Vorsitzende der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site David North bei einer Versammlung im australischen Sydney:

Die Entscheidung dieses Gerichts wird zeigen, wie weit die amerikanische herrschende Klasse bereit ist, die traditionellen, bürgerlich demokratischen und verfassungsmäßigen Normen zu brechen. Ist sie bereit, Wahlfälschung zu sanktionieren, Stimmen zu unterdrücken und einen Kandidaten ins Weiße Haus zu bringen, der das Amt durch offensichtlich illegale und antidemokratische Methoden errungen hat?

North fuhr fort:

Das wichtigste Dogma all jener, die die Lebensfähigkeit des Marxismus bezweifelt oder bestritten haben, die große Landmasse, an der alle Hoffnungen auf die soziale Revolution zerschellt sind, waren die Vereinigten Staaten. Wenn der Kapitalismus irgendwo auf der Welt in Schwierigkeiten geriet, war letztlich immer Onkel Sam da, um ihm wieder heraus zu helfen... Was jetzt in Amerika stattfindet, signalisiert das Ende eines langen Zeitraums, in dem die Angelegenheiten des Weltkapitalismus ruhig der Führung des US-Imperialismus anvertraut werden konnten. Die Vereinigten Staaten werden nicht länger in der Lage sein, diese Rolle zu spielen. Doch egal wie lange sie sich hinzieht: die Präsidentschaftswahl 2000 stellt ein neues Stadium in der Krise des US- und damit des Weltimperialismus dar.

Alitos schamlose öffentliche Unterstützung für den Faschismus und die Bestrebungen der Demokraten, Alito, Thomas und den Rest der Hintermänner des Putsches zu schützen, bestätigen die Richtigkeit dieser Analyse.

Loading