„Wir werden ihm alle gemeinsam helfen und dafür sorgen, dass der Krieg beendet wird“

Ukrainische Flüchtlinge sprechen über den Krieg und den Kampf für die Befreiung Bogdan Syrotjuks

Am vergangenen Donnerstag sprachen Reporter der World Socialist Web Site mit ukrainischen Flüchtlingen vor dem „Ukraine Ankunftszentrum TXL“ in Berlin Tegel. Sie diskutierten über die Kampagne zur Befreiung von Bogdan Syrotjuk, einem sozialistischen Kriegsgegner, der vom Selenskij-Regime inhaftiert wurde, und über den nun schon seit über zwei Jahre andauernden Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine.

In Deutschland leben über eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine, mehr als in jedem anderen Land außer Russland. Im „Ankunftszentrum“ leben die Flüchtlinge, die überwiegend aus der Arbeiterklasse stammen, unter menschenverachtenden Umständen, die die NATO-Kriegspropaganda über die angebliche Verteidigung von „Demokratie“ und „Menschenrechten“ in der Ukraine Lügen strafen.

Die meisten Flüchtlinge sind traumatisiert. Viele Frauen sind ohne ihre Männer nach Deutschland gekommen, um wenigstens den Kindern ein Leben ohne Krieg zu ermöglichen, und kämpfen nun hier ums Überleben. Männer über 16 Jahren dürfen die Ukraine wegen der Kriegsmobilisierung nicht mehr verlassen.

Die überwältigende Mehrheit der Flüchtlinge will vor allem ein Ende des Kriegs. Viele unterstützten die Kampagne der WSWS zur Befreiung Bogdans und die Forderung nach einer Vereinigung der russischen und ukrainischen Arbeiter.

Andrei* ist 17 Jahre alt und kommt aus Saporischschja im Süden der Ukraine. Er und seine Familie sind in einem Hotel in Tegel untergebracht, weil sie noch immer keine Wohnung bekommen haben. Seine Mutter arbeitet als Reinigungskraft und sein Vater als Lieferant. Beide hätten es schwer, meinte Andrei, unter anderem, weil sie noch kein Deutsch können.

Die Familie war 2023 aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, um zu verhindern, dass er und sein kleiner Bruder einzogen werden. Inzwischen werden selbst Jugendliche, die 16 oder 17 Jahre alt sind, in den Krieg gezwungen.

Viele seiner Freunde seien noch in der Ukraine, erzählt Andrei. Sie überleben zwar, „aber die Bombardierungen sind natürlich heftig“. Die Ukrainer, so Andrei, wollten vor allem, dass der Krieg endlich vorbei sei.

Als die WSWS ihn auf die Verhaftung Bogdans ansprach, sagte Andrei: „Wenn ein Mann gegen den Krieg ist, da stimme ich ihm natürlich zu. Da würde ich auch gerne mitmachen. Ich weiß zwar nicht, wie die Leute, die das jetzt vielleicht sehen, darauf reagieren werden. Aber alle stimmen überein, dass wir demjenigen helfen, der gegen den Krieg ist. Wir werden ihm alle gemeinsam helfen und ihn unterstützen und dafür sorgen, dass der Krieg beendet wird.“

Andrei war zwar beeinflusst von der Kriegspropaganda der ukrainischen Regierung und der NATO, war aber von der Perspektive beeindruckt, dass sich die Arbeiter der Ukraine und Russlands gegen den Krieg zusammenschließen können und müssen. „Nun, das ist es, was ich mir erhoffe, wenn die Arbeiter sich zusammenschließen. Wenn sie sich zusammenschließen, wird es gut sein.“

Larissa* kommt aus Dnjepr (Dnipro) im Osten der Ukraine und hat dort als Kosmetikerin gearbeitet. Sie ist mit ihrer Tochter seit sechs Monaten in Berlin. Sie floh aus der Ukraine, nachdem ihre Mutter bereits hergekommen war, um ihrem Kind ein besseres Leben zu ermöglichen. „Es ist schwer, mit einem kleinen Kind in dieser Situation da zu sein. Ich will seine Psyche nicht belasten. Ich möchte, dass es mit einem gesunden Geist aufwächst. Außerdem würde es ihm nicht schaden, andere Perspektiven kennenzulernen und zu sehen.”

Ihr Mann ist noch in der Ukraine. Die Lage dort sei nun sehr schwierig. „Der Strom fällt permanent aus. Es ist schwer für die Menschen, in so einer Umgebung, in so einer Situation zu arbeiten. Jeden Tag heulen Sirenen, jeden Tag gibt es Kämpfe am Dnjepr, in Saporischschja, in Charkiw. Das ist die ganze heiße Zone, da passiert jeden Tag etwas.“

Larissa berichtete, dass es innerhalb der Ukraine selbst auch sehr viele Flüchtlinge gibt. „Nicht jeder kann ins Ausland reisen, nicht jeder hat die Möglichkeit, zu gehen. Die Leute kommen aus den Nachbarstädten, sie versuchen, irgendwie für sich selbst zu sorgen.“

Ausführlich beschrieb Larissa auch die schrecklichen Bedingungen, unter denen Geflüchtete nun in der Unterkunft in Tegel leben müssen. „Es herrschen komplett unhygienische Zustände, jeder ist ständig krank, das heißt, die Kinder sind ständig krank, man braucht ständig Medizin. Bei den Mahlzeiten bekommen alle dasselbe, ohne dass auf Kinder, Alte oder die Allergien einzelner geachtet wird.“

„Mein Kind hat zum Beispiel Allergien. Ich bin schon zum Arzt gegangen, habe Atteste mitgenommen, habe gezeigt, dass ich zumindest etwas brauche, zumindest einen separaten Behälter, damit ich mich selbst reinigen und für das Kind kochen kann. Ich habe jeden Monat einen bestimmten Betrag für das Essen abzugeben. Aber mein Kind isst dort nicht. Also muss ich zusätzliche Ausgaben schultern, ich muss einkaufen.“

Die meisten Menschen leben hier seit zwei Jahren und die Situation wird immer aussichtsloser, berichtet Larissa. „Hier leben Leute wie wir, mit Kindern, deren Kinder Deutsch lernen, die selbst Deutsch lernen, um in der Zukunft zu arbeiten, eine Wohnung suchen, alle notwendigen Dokumente sammeln – wir sitzen und warten. Es gibt eine unübersichtliche Warteschlange.“

Auch sie drückte vor allem den Wunsch aus, dass der Krieg beendet wird. „Wir alle leben mit der Hoffnung, dass der Krieg eines Tages zu Ende geht. Wer will schon Krieg? Niemand. Alle wollen Frieden.“ Larissa stimmte zu, dass der Krieg in erster Linie ein Krieg ist, der im Interesse der ukrainischen und russischen Oligarchen, sowie der NATO-Mächte geführt wird: „Das war leider schon immer so in der ganzen Geschichte. Auch wenn man sich ansieht, was die Leute an der Spitze für eigene Ziele haben. Da ist vieles, was wir gar nicht wissen.”

Angesprochen auf die Verhaftung Bogdans und den Zustand der angeblichen „Demokratie“ in der Ukraine erklärt sie: „Um Ihnen etwas ganz klar zu sagen: Menschen, die eine eigene Meinung haben, die werden immer irgendwie in ein Schema gepresst. Die werden irgendwie verurteilt, mit solchen Menschen passiert etwas. Leider. Niemand nimmt auf unsere Meinung Rücksicht. Es gibt nur einen Aktionsplan, nach dem alles abläuft. Wir sind einfach nur Opfer dessen, was passiert.“

Tatjana* ist eine Arbeiterin aus Charkiw. Tatjana lebt mit ihrem Kleinkind seit drei Monaten in einem Flüchtlingsheim. Davor war sie sechs Monate im Flüchtlingslager Tegel – bis zum Brand Anfang März, durch den sie all ihre Sachen verloren hat. „Mein Kind lief da raus und hatte nichts an“, berichtet sie. „Nur eine Hose, eine Sporthose, ein Sportshirt und eine Mütze. Das war alles, was wir noch hatten. Unsere Pässe und Dokumente sind alle verbrannt.“

Inzwischen hat sie zwar neue Dokumente erhalten und auch neue Kleidung vom Jobcenter bekommen, doch noch immer kann sie keine Wohnung finden. „Sie teilen einem einfach keine Unterkunft zu. Sie sagen, dass man in der Warteschlange steht. Man fragt, in welcher Warteschlange man ist. Das entscheidet der Computer, sagen sie. Du kannst im Computer nachschauen. Aber man kann da nichts nachschauen. Es ist irgendein System, das alles bestimmt.“

Sie sei ursprünglich nach Berlin gekommen, „weil ich ein kleines Kind zu retten habe. Wir sind eine Grenzstadt, wir wohnen sehr nah an der Grenze (zu den von Russland beanspruchten Gebieten).“ Zu Beginn des Krieges habe ein russisches Flugzeug eine Bombe auf einen naheliegenden Kindergarten geworfen. „Unsere Fenster flogen raus und auch die Türen sind alle [durch die Explosion] raus gesprengt worden. Glücklicherweise waren meine Mutter und mein Mann auf der anderen Seite der Wohnung, sonst hätten sie in die Luft geschleudert werden können.” Danach sei sie mit ihrem Kind geflohen.

Früher habe sie in der Ukraine als Näherin gearbeitet, berichtet Tatjana. Ihr Mann, der noch in der Ukraine ist, habe vor dem Krieg als Türmacher gearbeitet, müsse jetzt aber von Arbeit zu Arbeit wechseln. Bislang sei er „zum Glück“ noch nicht eingezogen worden.

Ausführlich beschreibt sie, wie das Selenskij-Regime ukrainische Männer in den Krieg zwingt: „Es ist schrecklich. Sie werden einfach mit Gewalt auf der Straße entführt. Und warum? Weil es Menschen gibt, die bewusst in den Krieg wollen, während andere vielleicht nicht bereit sind. Außerdem gibt es schon viele Informationen, wie es an der Front ist: Es gibt nicht genug Waffen. Wir müssen alles selbst kaufen. Soldaten sagen, dass sie 200.000, 300.000 oder 400.000 Hryvnia [4.600 bis 9.200 Euro] brauchen. Alles müssen sie selber kaufen. Bei uns hat niemand so viel Geld.“

Sie stimmt zu, dass es in der Ukraine keine Demokratie gibt: „Im Moment ist das so. Früher war natürlich alles anders, wenn auch nicht zu hundert Prozent, aber jetzt gibt es überhaupt keine Demokratie und niemand hat irgendwelche Rechte.“

„Männer werden einfach auf der Straße aufgegriffen, sie werden in Autos und Kleinbusse gedrängt, um zu kämpfen. Es kämpfen Arbeiter aus allen Berufsgruppen, aber die Militärpolizei steht auf der Straße und fängt die Leute ab. Warum ist das so? Sollten dann nicht alle kämpfen? … Und die Reichen kämpfen natürlich nicht an der Front.“

Als die WSWS-Reporter sie auf die Perspektive der Vereinigung der ukrainischen und russischen Arbeiter ansprechen, für die Bogdan kämpft, und erklären, dass der Krieg im Interesse der russischen und ukrainischen Oligarchie und der imperialistischen Mächte geführt werde, aber nicht im Interesse der Arbeiter beider Länder, entgegnet Tatjana:

„Da ist etwas Wahres dran, an dem, was du sagst, aber es ist auch so, dass die Leute in Russland in den Krieg ziehen, obwohl sie es nicht müssten. Ich verstehe, dass manche von ihnen auch gezwungen werden. Aber weil sie sagen, sie sind unsere Brüder. Wir sind um 4:30 Uhr am Morgen aufgewacht, und sie haben angefangen, uns zu bombardieren. Warum sind sie zu uns gekommen, um zu kämpfen? Ich kann das nicht verstehen. Sie [die Arbeiter beider Länder] waren keine Feinde. Aber nun wird es lange dauern, bis die Ukraine vielleicht irgendwie wieder auf die Beine kommt, weil so viele Kinder, Ehemänner und Söhne getötet wurden. Es ist schwer zu vergessen, zu verstehen, zu verzeihen.”

Die WSWS-Reporter unterstrichen zum Ende der Diskussion, dass der gegenwärtige Krieg letztlich ein Ergebnis der Zerschlagung der Sowjetunion durch den Stalinismus sei, und die sozialistischen Traditionen der Arbeiterklasse, die sowohl in Russland als auch der Ukraine sehr lang seien, wiederbelebt werden müssten. Auch in der russischen Arbeiterklasse existiere Opposition gegen den Krieg, und die Junge Garde der Bolschewiki-Leninisten, die Bogdan Syrotjuk leite, habe Mitglieder in der Ukraine, Russland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die für die Vereinigung der Arbeiter gegen den Krieg kämpfen. Tatjana war sehr offen dafür, diese Perspektive weiter zu diskutieren, und bedankte sich herzlich für die Diskussion.

Angesprochen auf den Genozid in Gaza und die Kriegsvorbereitungen gegen China betonte sie zum Ende. „Natürlich bin ich gegen jeden Krieg. Absolut gegen jeden Krieg. Und gegen jeden oligarchischen Präsidenten, der einen Stellvertreterkrieg befürwortet, wie wir ihn haben.“

Die Diskussionen mit den Flüchtlingen machen deutlich, dass es eine rasch wachsende Opposition gegen den Krieg und das Selenskij-Regime in der ukrainischen Arbeiterklasse gibt, ihr aber eine sozialistische Perspektive fehlt. Gerade aus diesem Grund wurde Bogdan Syrotjuk, der für diese Perspektive kämpft, verhaftet. Dies macht es umso wichtiger, die Kampagne zu seiner Befreiung so breit wie möglich bekannt zu machen und eine sozialistische Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse aufzubauen.

Unterschreibt die Petition, um seine Freilassung zu fordern! Teilt die Informationen über seinen Fall in allen sozialen Netzwerken und diskutiert mit Freunden und Kollegen. Nehmt Kontakt mit uns auf und schließt euch dem Kampf für Bogdans Freiheit an! Mehr Informationen finden sich unter: wsws.org/freebogdan.

*Name von der Redaktion geändert

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