Nach der gezielten Tötung des Hisbollah-Kommandanten Fuad Shukr und des Hamas-Führers Ismail Haniyeh traf General Michael Kurilla, der Oberbefehlshaber des US Central Command, dem die US-Truppen im Nahen Osten unterstehen, am Wochenende in der Region ein, um Militäroperationen zu planen.
Nach Israels dreister Ermordung von Shukr im Libanon und Haniyeh in Teheran haben die libanesische Miliz Hisbollah und die iranische Regierung angekündigt, als Vergeltung Ziele in Israel anzugreifen. Jetzt steht die gesamte Region am Rande eines Kriegs.
Washington und seine imperialistischen Nato-Verbündeten haben die Region in Brand gesetzt, indem sie Israels Völkermord in Gaza und sein Programm gezielter Tötungen unterstützt haben. Jetzt verschärfen sie den militärischen Druck auf den Iran, den Libanon und die gesamte Region noch weiter. Am Freitag verlegte das Pentagon ein Jagdgeschwader sowie mehrere Kreuzer und Zerstörer in die Region, um die beiden Marinekampfgruppen zu ergänzen, die bereits dort sind. Am Sonntag erklärten US-Regierungsvertreter, General Kurilla würde eine Koalition aus Truppen der USA, der Nato und der Verbündeten im Nahen Osten zusammenstellen, um Vergeltungsmaßnahmen des Iran und der Hisbollah zu verhindern.
Vertreter der USA und Israels erklärten gegenüber Axios, Kurilla werde die Reise benutzen, um „zu versuchen, die gleiche internationale und regionale Koalition zu mobilisieren, die Israel gegen einen Angriff des Iran verteidigt hat“, nachdem Israel im April dieses Jahres die iranische Botschaft in Syrien bombardiert hatte. Dabei wurden mehrere hohe iranische Regierungsvertreter getötet. Kurilla wird nach Jordanien und in mehrere Ölscheichtümer am Persischen Golf reisen.
Im April hatten US-amerikanische, britische und französische Truppen sowie regionale Verbündete der USA, darunter Jordanien, das israelische Regime beim Abschuss der Raketen unterstützt, die der Iran auf Ziele in Israel abfeuerte. Obwohl der Iran US-Regierungsvertreter im Vorfeld des geplanten Angriffs warnte und nur eine relativ kleine Salve älterer Raketen abfeuerte, hat er die kombinierte Abwehr Israels und seiner imperialistischen und regionalen Verbündeten fast überwältigt. Allein Israel feuerte Raketen im Wert von über einer Milliarde Dollar ab, um die iranischen Ziele abzuschießen.
US-Regierungsvertreter warnten, Angriffe des Iran oder der Hisbollah könnten schon am Montag erfolgen, und erklärten, sie „rechnen mit einem iranischen Vergeltungsschlag, der nach demselben Schema ablaufen wird wie der Angriff auf Israel am 13. April – aber möglicherweise in größerem Umfang. Auch die Hisbollah im Libanon könnte daran beteiligt sein.“ Sie sind außerdem „besorgt, dass es schwieriger sein könnte, die gleiche internationale und regionale Koalition zu mobilisieren, die Israel bei dem früheren iranischen Angriff verteidigt hat, weil Haniyehs Ermordung in Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas“ und Israels Völkermord in Gaza steht.
In Regierungskreisen und in Kreisen der Wirtschaft der Nato-Staaten ist man sich darüber im Klaren, dass die Ermordungen von Shukr und Haniyeh einen regionalen Flächenbrand auszulösen drohen. Die Fluggesellschaften Delta, United, Lufthansa und Aegean Airlines haben Flüge nach Israel ausgesetzt, und Nato-Staaten wie Frankreich und Italien haben Warnungen herausgegeben, ihre Bürger sollten Reisen in den Nahen Osten vermeiden oder von dort in ihre Heimatländer zurückkehren.
Angesichts der Unterstützung Washingtons für Israels Völkermord in Gaza und für die gezielten Tötungen sind die Behauptungen, die militärische Eskalation im Nahen Osten diene „defensiven“ Zielen, eklatante politische Lügen.
Der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater, Jonathan Finer, erklärte am Sonntag in der CBS-Sendung „Face the Nation“: „Das übergeordnete Ziel ist es, die Temperatur in der Region zu senken, diese Angriffe abzuschrecken und sich dagegen zu verteidigen und einen regionalen Konflikt zu vermeiden.“ Weiter erklärte er, im April sei es „sehr knapp“ gewesen, der Nahe Osten sei beinahe in einem regionalen Flächenbrand aufgegangen. Jetzt würden sich die USA und Israel auf „jede Möglichkeit“ vorbereiten.
US-Außenminister Antony Blinken betonte laut Außenministerium gegenüber dem irakischen Premierminister Mohammed Shia al-Sudani, es sei wichtig, dass „alle Parteien Maßnahmen ergreifen, um die regionalen Spannungen zu beruhigen, eine weitere Eskalation zu vermeiden und die Stabilität zu verbessern“.
Vertreter der europäischen Regierungen beteiligten sich an diesem Betrug. Der französische Präsident Emmanuel Macron führte ein Telefonat mit dem jordanischen König Abdallah II, wobei die beiden Staatsoberhäupter „ihre größte Besorgnis über die zunehmenden regionalen Spannungen zum Ausdruck brachten und die Notwendigkeit betonten, eine militärische Eskalation um jeden Preis zu vermeiden“, wie der Elysée-Palast in einem Kommuniqué mitteilte. Er rief zu „großer Zurückhaltung und größter Verantwortung auf, um die Sicherheit der Völker zu gewährleisten“ und behauptete, Frankreich werde „auf diplomatischer Ebene zur Deeskalation beitragen“.
In Wirklichkeit spielen die imperialistischen Nato-Mächte durch ihre Unterstützung des Völkermords in Gaza die zentrale Rolle dabei, die Spannungen in der Region anzuheizen und provozieren den Iran und seine Verbündeten ständig zu Militäraktionen mit potenziell verheerenden Folgen. Tatsächlich hatte die Biden-Regierung den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu kurz vor den Mordanschlägen zu einer Rede vor einer gemeinsamen Sitzung des US-Kongresses eingeladen. Es ist schwer vorstellbar, dass Israel solche Morde, die das Potenzial für einen verheerenden Krieg mit dem Iran in sich bergen, hätte durchführen können, ohne Rücksprache mit den US-Machthabern genommen zu haben.
Unabhängig davon, was genau US-Regierungsvertretern erklärt wurde, kam ihr lauter, faschistoider und entwürdigender Beifall für Netanjahu inmitten des Völkermords in Gaza einer stillschweigenden Unterstützung der israelischen Regierung und ihrer offen erklärten Pläne gleich, jedes Mitglied der Hamas zu ermorden. Zudem erklärte Macron während Netanjahus Besuch in Washington persönlich, er unterstütze eine Einladung Netanjahus zu den Olympischen Spielen in Paris.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Internationale Medien spekulieren offen darüber, die militärische Eskalation der Nato könne den israelischen Völkermord in Gaza begünstigen, der bereits über 186.000 Menschenleben gefordert hat, da sie den Iran und seine regionalen Verbündeten in der Region davon abschrecken, die Hamas mehr zu unterstützen. So schrieb die New York Times: „Der Iran ist ein wichtiger Geldgeber und Waffenlieferant der Hamas – seine Angriffsdrohnen hat die Hamas am 7. Oktober eingesetzt. Doch jetzt kämpft der Iran darum, nicht in einen regionalen Krieg hineingezogen zu werden.“
Es besteht eine enorme Gefahr, dass ein solcher Krieg ausbrechen könnte, aber sie geht überwiegend von den imperialistischen Nato-Mächten aus. Die Hisbollah erklärte am Sonntag, sie habe Dutzende von Raketen auf das nordisraelische Dorf Beit Hillel an der libanesischen Grenze abgefeuert. Allerdings ist das nur ein kleiner Prozentsatz der Raketenbestände der Hisbollah, den Großteil hält sie in Reserve. Ihr Arsenal umfasst zwischen 150.000 und 200.000 Raketen. Im Falle eines umfassenden Kriegs mit Israel könnte sie vermutlich mehr als 1.000 Raketen pro Tag abfeuern und damit israelische Städte und Öl-Infrastruktur verwüsten.
Die Großmächte Russland und China, die mit dem Iran verbündet sind, mahnen ebenfalls zur Vorsicht. Der russische stellvertretende Außenminister, Sergei Rjabkow, erklärte dem staatlichen Fernsehsender Rossija-1: „Ich würde sagen, die Uhr steht bei etwa zwei Minuten vor (Zwölf), aber das heißt nicht, dass die Uhr nicht wieder zurückgedreht werden kann und die ,Weltuntergangsuhr‘ zwangsläufig zu schlagen beginnt.“ Das russische Militär müsse jedoch „bereit bleiben“, da die verschiedenen militärischen Situationen, die sich ergeben könnten, „sehr unterschiedlich“ sein könnten, wie Rjabkow es euphemistisch formulierte.
Die staatliche chinesische Zeitung Global Times zitierte Professor Wang Jin vom Institut für Nahoststudien der Nordwestlichen Universität Chinas, der erklärte: „Was jetzt getan werden sollte, ist Vermittlung und Koordination, vor allem um Israel davon zu überzeugen, von solch extremen Aktionen Abstand zu nehmen. Die USA sollten mehr tun als nur Truppen zu schicken. Sie sollten sich intensiv engagieren und ihre Verpflichtungen im Nahen Osten erfüllen.“
Doch bankrotte Appelle an die imperialistischen Mächte, zur Vernunft zu kommen und das Gemetzel zu mäßigen, fallen unweigerlich auf taube Ohren. Während der gesamten postsowjetischen Ära haben die imperialistischen Mächte versucht, ihre militärische Stärke zu benutzen, um die strategisch wichtige und ölreiche Region zu erobern und zu dominieren. Der Völkermord in Gaza und die Gefahr eines regionalen Kriegs im gesamten Nahen Osten ergeben sich unweigerlich aus den jahrzehntelangen imperialistischen Kriegen und Stellvertreterkriegen, die seit den 1990er-Jahren gegen den Irak und Afghanistan und später gegen Libyen, Syrien und Jemen geführt wurden.
Angesichts der eskalierenden geopolitischen Konkurrenz zwischen den Großmächten, und insbesondere der Kriegskampagne des US-Imperialismus gegen China, ist es unmöglich, diese Konflikte friedlich auf der Grundlage des kapitalistischen Nationalstaatensystems zu lösen. Die einzige Möglichkeit, eine weitere, katastrophale Eskalation des Blutbads zu verhindern, besteht darin, die massenhafte Opposition gegen Völkermord und imperialistischen Krieg in der Arbeiterklasse in einer internationalen, sozialistischen Antikriegsbewegung zu mobilisieren.