In den vergangenen Tagen befand sich der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf einer Pazifik-Reise, die man nur als Weltkriegsmission bezeichnen kann. Pistorius nutzte seine zahlreichen Auftritte, Reden und Interviews auf Hawaii, in Südkorea und den Philippinen, um den neuen deutschen Großmachtanspruch zu unterstreichen. Hatte der frühere SPD-Verteidigungsminister Peter Struck 2004 noch erklärt, die Sicherheit Deutschlands werde „auch am Hindukusch verteidigt“, gilt das 20 Jahre später offenbar für den Indo-Pazifik.
Aus den wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen, die der deutsche Imperialismus dabei verfolgt, machte Pistorius keinen Hehl. „Auch für uns und Europa insgesamt ist es von großer Bedeutung, dass die Region im Indo-Pazifik stabil ist. Und dass auch im Indo-Pazifik die regelbasierte internationale Ordnung gilt – und eingehalten und geschützt wird,“ erklärte er. Deutschland sei, „wie andere Handelsnationen auch, abhängig von freien und sicheren Seewegen. Deutschland ist abhängig davon, dass internationale Handelsbeziehungen aufrechterhalten bleiben und gesichert werden können.“
Bezeichnenderweise machte Pistorius seine Aussagen auf dem deutschen Kriegsschiff „Baden-Württemberg“. Die Fregatte nahm zusammen mit dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ sowie Teilen der Luftwaffe (drei Eurofighter-Kampfjets und zwei A-400 M-Transportflugzeuge) an der US-geführten Übung Rim of the Pacific (RIMPAC) teil. Mit mehr als 25.000 Soldaten aus 29 Nationen, 40 Schiffen, 3 U-Booten, 14 nationalen Landstreitkräften, über 150 Flugzeugen und Hubschraubern handelte es sich um das weltweit größte internationale Marinemanöver.
Die Übung war direkter Bestandteil der US-Kriegsvorbereitungen gegen China und wurde dementsprechend von Peking verurteilt. „Die Darstellung Chinas als hypothetischer Gegner und die Durchführung von Übungen zur Versenkung des ausgemusterten amphibischen Angriffsschiffs USS Tarawa als Ziel sind als klare strategische Abschreckung gegen China gedacht“, hieß es etwa in einem Kommentar der von der Kommunistischen Partei Chinas herausgegebenen Zeitung China Daily.
Pistorius selbst erklärte während des Manövers provokativ, man wolle mit China „im Dialog bleiben, aber [sich] trotzdem klar positionieren, wo wir stehen“. Wo sich Berlin mit dem Manöver und Pistorius’ Reise positioniert, ist klar: auf Seiten der Kriegsoffensive gegen China. Trotz seiner nach wie vor engen wirtschaftlichen Verbindungen zu China reiht es sich voll in den US-geführten Militäraufmarsch ein.
Laut der Bundeswehr trainierten „die teilnehmenden Streitkräfte ein breites Spektrum an Fähigkeiten – von der Katastrophenhilfe bis zu maritimen Sicherheitsoperationen, von der Seekontrolle bis zu komplexen Kriegsführungsmaßnahmen“. Der Trainingsplan umfasste u.a. „amphibische Operationen, Schießübungen, Raketen-, U-Boot-Abwehr- und Luftabwehrübungen“.
Die wachsende Präsenz der Bundeswehr im Indo-Pazifik unterstreicht, wie aggressiv sich der deutsche Imperialismus nach zwei verlorenen Weltkriegen und fürchterlichen Verbrechen im 20. Jahrhundert wieder gebärdet. Berlin spielt nicht nur eine führende Rolle bei der Nato-Offensive gegen Russland und der Unterstützung von Israels völkermörderischen Kriegspolitik im Nahen Osten, sondern auch bei den US-Kriegsvorbereitungen gegen China.
Die gesamte Reise des Verteidigungsministers war darauf ausgerichtet, die Konfrontation mit China auf die Spitze zu treiben. Provokativ erklärte Pistorius in Südkorea, ein deutsches Kriegsschiff könne zeitnah die von China beanspruchte Straße von Taiwan durchqueren. Im Zuge des Indo-Pacific Deployments 2024 werde sich die deutsche Marine auch an der Durchsetzung der Sanktionen gegen Nordkorea beteiligen. Das sei ein wichtiger Beitrag, um zu zeigen: „Das geht uns alle an. Denn gerade Nordkorea rückt in den Blickpunkt durch seine Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine, beim Unterlaufen von Sanktionen gegen Russland.“
In einem weiteren Schritt trat Berlin auch dem United Nations Command bei, das unter Führung des US-Militärs die Einhaltung des Waffenstillstands an der Grenze zwischen Süd- und Nordkorea überwacht. Zudem verständigten sich Pistorius und sein südkoreanischer Amtskollege Shin Won-sik darauf, die „ohnehin gute Zusammenarbeit“ im Verteidigungsbereich weiter auszubauen. „Wir müssen aus einer Position der Stärke heraus abschrecken“, betonte Pistorius.
Pistorius und Won-sik stellten sich hinter das Statement of Principles for Indo-Pacific Defense Industrial Base Collaboration. Es wurde von den USA am Rande des diesjährigen Shangri-La-Dialogs in Singapur vorgestellt und koordiniert die militärische Aufrüstung gegen China. Diese Vereinbarung werde „helfen, dass die Sicherheits- und Verteidigungsindustrien der Teilnehmerländer noch enger zusammenarbeiten und dass wir die Industriekapazitäten besser gemeinsam nutzen können“, prahlte Pistorius.
Auch mit seinem philippinischen Amtskollegen Gilberto Teodoro und dem philippinischen Präsidenten und Diktatorensohn Ferdinand Marcos Jr. – es handelte sich um den ersten Besuch eines deutschen Verteidigungsministers in Manila überhaupt – übte Pistorius den Schulterschluss gegen China und vereinbarte eine engere Militärkooperation. „Konkret bedeutet das: langfristige Beziehungen zwischen den Streitkräften aufbauen und voneinander lernen sowie auch mögliche Kooperationen im Bereich der Rüstung“, heißt es in einem Bericht des Verteidigungsministeriums. „Denkbar“ seien hier „Luftverteidigung, Küstenschutz, Beschaffungen von Transportflugzeugen oder auch Ausbildungskooperationen und Expertengespräche im Zuge von bilateralen Aktivitäten“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Wie bei der Kriegsoffensive gegen Russland, die in der Kontinuität des Vernichtungskriegs der Wehrmacht gegen die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg steht, knüpft der deutsche Imperialismus auch beim Schmieden einer Kriegsallianz gegen China an seine verbrecherischen Traditionen an. Vor 124 Jahren, am 27. Juli 1900, hielt Kaiser Wilhelm II. in Bremerhaven seine berüchtigte antichinesische „Hunnenrede“, die den Auftakt für eine militärische Intervention der imperialistischen Mächte in China bildete.
Bei der Verabschiedung des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps, das zur brutalen Niederschlagung des Boxeraufstands entsandt wurde, warf Wilhelm II. China vor, es habe „das Völkerrecht umgeworfen“ und „in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen“. Dann sprach der deutsche Kaiser die berüchtigte Drohung aus, der Name der Deutschen in China möge, wie einst jener der Hunnen in Europa, „auf 1000 Jahre in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“
Im Zweiten Weltkrieg war Nazi-Deutschland mit Japan verbündet, das große Teile Chinas besetzt hatte und dort fürchterliche Verbrechen an der Zivilbevölkerung beging. Auch an diese Allianz knüpft Berlin wieder an. Direkt vor dem RIMPAC-Manöver veranstalteten die drei Eurofighter und die zwei Transportflugzeuge der Luftwaffe eine gemeinsame Übung („Nippon Skies“) mit den japanischen Luftstreitkräften. Es war das erste Mal überhaupt, dass die deutsche Luftwaffe ein Manöver über Japan abhielt.
Das erneute aggressive Auftrumpfen des deutschen Imperialismus wird die Lage in der Region weiter eskalieren. Die Offensive der imperialistischen Mächte unter der Führung Washingtons zielt darauf ab, China zu unterwerfen und wieder auf den Status einer Halbkolonie zu reduzieren. Obwohl dieses Vorhaben einen vernichtenden dritten Weltkrieg heraufbeschwört, will der deutsche Imperialismus an vorderster Front dabei sein, wenn es um die Kontrolle und Aufteilung der rohstoffreichen und geostrategisch zentralen Region geht.
Wie die Kriegsoffensive gegen Russland wurde das deutsche Eingreifen im Indo-Pazifik von langer Hand vorbereitet und geplant. Bereits auf dem Nato-Gipfel 2022 in Madrid verabschiedete die Nato eine neue Strategie, die das Militärbündnis auf einen umfassenden Krieg gegen die Atommächte Russland und China ausrichtet. Und das Auswärtige Amt veröffentlichte schon im September 2020 seine sogenannten „Leitlinien zum Indo-Pazifik“, die die Region „zum Schlüssel für die Ausgestaltung der internationalen Ordnung im 21. Jahrhundert“ erklären.
Das Strategiepapier formuliert explizit den Anspruch des deutschen Imperialismus, seine Interessen im fernen Osten notfalls auch mit kriegerischen Mitteln durchzusetzen. „Der Himalaya und die Straße von Malakka mögen weit entfernt scheinen. Aber unser Wohlstand und unser geopolitischer Einfluss in den kommenden Jahrzehnten beruhen gerade auch darauf, wie wir mit den Staaten des Indo-Pazifiks zusammenarbeiten“, heißt es darin unter anderem. Als global agierende Handelsnation dürfe Deutschland sich dort auch in militärischer Hinsicht „nicht mit einer Zuschauerrolle begnügen“.