Am 16. August traten mehr als 17.000 Beschäftigte der Südost-Abteilung von AT&T, die im Distrikt 3 der Gewerkschaft Communication Workers of America (CWA) organisiert sind, in den Streik. Betroffen sind die Bundesstaaten Louisiana, Mississippi, Alabama, Georgia, Florida, North und South Carolina, Tennessee und Kentucky.
Die CWA hat wegen „unlauteren Arbeitspraktiken“ zum Streik aufgerufen und wirft dem Unternehmen vor, in der laufenden Tarifrunde nicht in gutem Glauben zu verhandeln.
Die 17.000 Arbeiter im CWA-Distrikt 3 sind Teil der landesweit mehr als 150.000 Gewerkschaftsmitglieder bei AT&T. Es handelt sich laut Angaben der CWA um „Techniker, Kundendienstmitarbeiter und andere Beschäftigte, die das Telekommunikationsnetzwerk von AT&T in Wohn- und Geschäftshäusern installieren und instandhalten“.
Die Tarifverhandlungen zwischen dem CWA-Distrikt 3 und AT&T Südost begannen am 25. Juni. Der Vizepräsident des Gewerkschaftsdistrikts, Richard Honeycult, beklagte zu Beginn der ersten Verhandlungsrunde, dass die „Lebensqualität“ der AT&T-Beschäftigten in den letzten Jahren „stark nachgelassen“ hat, u.a. was Löhne und Arbeitsschutz angeht.
Dafür ist die CWA-Bürokratie allerdings ebenso verantwortlich wie das Management. Der letzte Tarifvertrag, der am 3. August ausgelaufen ist, war im Jahr 2019 in Kraft getreten, nachdem die Gewerkschaft einen sechstägigen Streik von 22.000 AT&T-Beschäftigten im Distrikt 3 beendet hatte. Wie die World Socialist Web Site damals gewarnt hatte, diente die Begrenzung des Streiks auf die Frage des „bösgläubigen Verhandelns“ dazu, eine schnelle Rückkehr an die Arbeit zu bewerkstelligen, ohne einen Vertrag oder einen einzigen Fortschritt im Interesse der Arbeiter.
Zweifellos peilt die CWA-Bürokratie jetzt das gleiche Manöver an und bereitet sich darauf vor, den Streik mit einem schlechten Abschluss zu beenden, den sie dann als durch Streik errungenen „Sieg“ verkaufen kann.
In den fünf Jahren seit dem letzten Streik hat sich der Lebensstandard der Arbeiter durch Inflation, Arbeitsplatzabbau und Sozialkürzungen enorm verschlechtert. Nur wenige Monate nach Inkrafttreten des letzten Tarifvertrags brauch die Corona-Pandemie aus und hält bis heute an. Gleichzeitig werden Billionen Dollar, die aus der Arbeiterklasse herausgepresst werden, für Krieg verschwendet, und Demokraten wie Republikaner setzen die Angriffe auf die demokratischen Rechte der Arbeiter fort.
Gleichzeitig haben Arbeiter versucht, ihre Interessen aktiv zu verteidigen. Die Streikaktivität in den USA ist zwischen 2020 und 2023 angestiegen, doch ihr größtes Hindernis bildet die Gewerkschaftsbürokratie, die eng mit dem Management und dem Weißen Haus zusammenarbeitet.
Nur wenige Tage vor Beginn des CWA-Streiks hatte der Autobauer Stellantis im Werk Warren Truck den Abbau von 2.500 Arbeitsplätzen angekündigt. Auch dies wurde durch den neuen Tarifvertrag ermöglicht, den der Präsident der United Auto Workers (UAW), Shawn Fain, mit Unterstützung durch Präsident Biden letztes Jahr durchsetzte, nachdem die Gewerkschaft begrenzte „Schwerpunktstreiks“ in einer Handvoll Werke abgebrochen hatte.
Der bisherige CWA-Tarifvertrag enhielt eine Klausel zur „Streikbegrenzung“, die vorsah, dass es während seiner Laufzeit „keine Aussperrungen oder Streiks“ geben durfte. Solchen unternehmensfreundlichen Bestimmungen hatte die Gewerkschaftsbürokratie auch bei dem Tarifvertrag für CWA-Mitglieder in der AT&T-Tochtergesellschaft AT&T Mobility zugestimmt.
Vor dieesm Hintergrund betrugen die Einnahmen von AT&T seit dem Streik von 2019 weltweit durchschnittlich 37 Milliarden Dollar pro Jahr, und das Unternehmen hat seinen Aktionären immer wieder versprochen, durch Initiativen zur „Kostensenkung“ Milliarden Dollar einzusparen. Honeycults Aussage, die Gewerkschaft spiele „durch ihre Mitglieder eine wichtige Rolle im Erfolg des Unternehmens“, kann man nur so verstehen, dass die CWA-Bürokratie ihre Mitglieder zur Ausbeutung feilgeboten hat.
Zu diesem Zweck spaltet sie ihre Mitglieder auf verschiedene CWA-Distrikte und unterschiedliche Tarifverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten und Ablaufdaten für die verschiedenen Bereiche von AT&T auf.
Die sozialen Interessen der Gewerkschaftsbürokraten sind mit denen der einfachen Mitglieder nicht vereinbar. Das zeigt sich am deutlichsten an der politischen Aktivität der Bürokraten.
In ihrem letzten Bericht an die zuständige Aufsichtsbehörde (US Office of Labor Management) legt die CWA offen, dass sie fast 20 Millionen Dollar für „politische Aktivitäten und Lobbyismus“ aufgewendet hat, und ihre Führung erklärt ihre Unterstützung für die Demokraten, eine der beiden Parteien der Wall Street.
Die CWA unterstützt den Präsidentschaftswahlkampf von Harris und Walz. Gewerkschaftspräsident Claude Cummings Jr., der sich damit brüstet, letzten Monat mit Biden in der Air Force One geflogen zu sein, wurde als einer von nur sieben Gewerkschaftsführern zum Parteitag der Demokraten eingeladen, der zeitgleich mit dem Streik stattfand. Dort überschüttete er Harris und Biden, der die AFL-CIO vor kurzem als seine „Nato im Inland“ bezeichnet hatte, mit Lobpreisungen.
Die Alternative zur Partnerschaft zwischen Gewerkschaftsapparat und Management ist eine Bewegung der einfachen Arbeiter, um ihren Kampf selbst in die Hand zu nehmen. Die Arbeiter haben Mut bewiesen, indem sie aktiv geworden sind, aber sie dürfen nicht zulassen, dass die Bürokratie ihren Kampf isoliert und ausverkauft.
Deshalb müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, die das Vertrauen der einfachen Arbeiter genießen und gegen alle Entscheidungen vorgehen, die gegen den Willen der Arbeiter verstoßen. Die Arbeiter müssen ihr Recht auf vollständige Kontrolle über die Tarifverhandlungen geltend machen, statt die einseitigen Informationen zu akzeptieren, die ihnen die CWA-Funktionäre mitteilen.
Als ersten Schritt sollten die Arbeiter bei AT&T Südost direkte Verbindungen zwischen den bestreikten Betrieben herstellen, um ein Treffen der Belegschaften zu organisieren und demokratisch über Forderungen und Strategien zum weiteren Vorgehen zu diskutieren.
Es besteht ein enormes Potenzial, sich mit ebenfalls kämpfenden Arbeitern im ganzen Land zu verbinden. CWA-Mitglieder bei der Pittsburgh Post-Gazette befinden sich seit fast zwei Jahren im Streik, und auch die in der SAG-AFTRA organisierten Videospielperformer befinden sich weiterhin im Ausstand. Gleichzeitig führen Tausende von Autoarbeitern bei Stellantis einen Kampf gegen den weltweiten Arbeitsplatzabbau, und in einem Dakota-Werk in Chicago streiken Arbeiter der Zuliefererindustrie.
Die World Socialist Web Site stellt den Arbeitern für dieses Vorgehen ihre Unterstützung zur Verfügung. Mitglieder der CWA sind eingeladen, an der öffentlichen Online-Veranstaltung teilzunehmen, die die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees am 25. August veranstaltet. Dort wird über die weltweite Verteidigung der Arbeitsplätze bei Stellantis diskutiert, es werden Erfahrungen von UAW-Mitgliedern ausgetauscht und es wird begonnen, die Kämpfe gegen die milliardenschweren Konzerne zusammenzuschließen.