Berlin unterstützt US-britische Raketenpläne gegen Russland

Die Bundesregierung unterstützt die Pläne der USA und Großbritanniens, Kiew den Einsatz von Nato-Raketen für direkte Angriffe auf Russland zu erlauben. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem litauischen Amtskollegen Lurynas Kasčiūnas am vergangenen Freitag behauptete Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der Einsatz von weitreichenden Nato-Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium sei vom Völkerrecht gedeckt.

Von dem US-amerikanischen Raketenwerfer M270 MLRS wird eine ATACMS-Rakete abgefeuert.

„Denen, die diese Waffen geliefert haben“, stünde es frei, „das so zu entscheiden“, erklärte er mit Blick auf die US-britischen Pläne, Ziele im russischen Kernland mit Raketen und Marschflugkörpern etwa vom Typ ATACMS und Storm Shadow anzugreifen. „Völkerrechtlich ist das völlig in Ordnung, und was die bilateralen Partner miteinander vereinbaren, was mit ihren Waffen passiert, bleibt ihre Sache.“

Die russischen Drohungen, im Falle umfassender Angriffe auf Russland massiv – bis hin zum Einsatz von Nuklearwaffen – zurückzuschlagen, wischte Pistorius mit der Bemerkung beiseite: „Putins Drohungen sind Putins Drohungen. Mehr muss man dazu nicht sagen. Er droht, wann immer es ihm beliebt, und lockt, wann immer er es für richtig hält.“

Andere Vertreter der Regierungs- und Oppositionsparteien äußerten sich ähnlich. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), erklärte im rbb inforadio: „Jeder weiß, wir wissen es, es ist kein Geheimnis, von welchen Basen aus Wladimir Putin seine Raketen, seine Marschflugkörper abschießt. Und es ist konform, auch mit dem Recht, dass diese ausgeschaltet werden.“

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen bezeichnete die russischen Drohungen in einem Kommentar auf X (vormals Twitter) als „absurd“. Die Unterstützung der Ukraine sei „im Einklang mit dem Völkerrecht“ und diene „der Wiederherstellung des Friedens in Europa. Das gilt auch für militärische Ziele auf russischem Territorium.“

Pistorius und Co. sollten erklären, welche Konsequenzen ihre Politik hat. Wie viele Millionen Menschenleben für ihre Kriegsziele zu opfern, sind sie bereit? Klar ist, dass die diskutierten Raketenangriffe auf Russland eine Eskalation des Kriegs bedeuten, die den Einsatz von Nuklearwaffen heraufbeschwört.

Bereits vor dem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem britischen Premierminister Keir Starmer letzte Woche hatte Putin gewarnt, dass der Einsatz von Nato-Waffen gegen Russland das Militärbündnis zur Kriegspartei machen würde. „Wenn diese Entscheidung getroffen wird, bedeutet das nichts anderes als eine direkte Beteiligung der Nato-Länder, der USA und der europäischen Staaten, am Konflikt in der Ukraine,“ erklärte Putin. „Ihre direkte Beteiligung“ verändere „natürlich das ganze Wesen, die ganze Natur des Konflikts erheblich“.

Am Wochenende erläuterte dann der stellvertretende Leiter des Sicherheitsrats der Russischen Föderation, Dmitri Medwedew, die weitreichende Bedeutung von Putins Äußerungen. Der russische Präsident habe die „formalen Voraussetzungen“ für eine Entscheidung über den Einsatz von Atomwaffen dargelegt. Eine solche Entscheidung „stünde im Einklang mit unserer Doktrin der nuklearen Abschreckung“. Medwedew warnte, dass „eine nukleare Reaktion eine äußerst schwierige Entscheidung mit irreversiblen Folgen“ sei. Aber die derzeitige Position der Nato berge die Gefahr, Kiew in einen „riesigen grauen Schmelzfleck“ zu verwandeln.

Das offizielle Narrativ, Russlands Militärdoktrin sei ein „Bluff“, ist ein Spiel mit dem nuklearen Feuer. Nur weil der Kreml bislang nicht auf die immer aggressiver werdenden Nato-Provokationen reagiert hat, heißt das nicht, dass er dies auch in Zukunft nicht tun wird. Das wird selbst von den kriegslüsternen bürgerlichen Medien anerkannt. Ein Kommentar der Welt mit dem Titel, „Gefährlich wird es, wenn eine Nuklearmacht in die Enge getrieben wird“, warnt:

Es erscheint fahrlässig, das Ausbleiben eines russischen Kernwaffeneinsatzes als Beleg dafür zu werten, dass Russlands Drohungen keine Bedeutung zukommt. Solange sich Russland nicht mit einer existenziellen Herausforderung konfrontiert sieht, bleiben die Dinge vermutlich so, wie sie sind.

Sollte die westliche Politik jedoch, wie von vielen Diskutanten gefordert, über die Sicherung des Überlebens der Ukraine hinausgehen und eine Niederlage Russlands anstreben, bekämen die nuklearen Drohungen Moskaus eine völlig neue Dimension.

Genau das ist die Situation. Es ist das erklärte Ziel der führenden Nato-Mächte, Russland in der Ukraine eine „strategische Niederlage“ beizubringen. „Eine unerbittliche militärische Logik ist hier am Werk“, schreiben wir in einer aktuellen Erklärung der WSWS-Redaktion. „Die Nato-Mächte reagieren auf eine Situation, in der ihre ukrainischen Stellvertreterkräfte erschöpft sind und vor einem militärischen Debakel stehen. Nur durch ein stärkeres und direkteres Eingreifen der Nato kann das gesamte Projekt des Kriegs gerettet werden.“

Alle Beteuerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die er am Wochenende bei einem Bürgerdialog im brandenburgischen Prenzlau wiederholte, keine Taurus-Marschflugkörper an Kiew zu liefern, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland auch bei der aktuellen Kriegseskalation eine zentrale Rolle spielt. Bezeichnenderweise hielt sich der Leiter des Sonderstabs der Ukraine im Verteidigungsministerium, Generalmajor Christian Freuding, in den vergangenen Tagen in der Ukraine auf.

Zugeschaltet aus Kiew pries der General im heute journal nicht nur die Invasion der ukrainischen Armee in die russische Region Kursk, sondern auch den Einsatz von Langstreckenwaffen gegen Russland. Diese seien „natürlich sehr gut geeignet gegen Hauptquartiere, gegen logistische Knotenpunkte, aber auch gegen Flugplätze“ und „gegen Ansammlungen von Flugzeugen“. Es sei „ein besonderes Problem für die Ukraine an der Front“, von russischen Gleitbomben getroffen zu werden; und „die einzige Möglichkeit sich dieser Gefahr zu erwehren“, bestehe darin, deren „Flugzeuge und Flugplätze anzugreifen“.

Freudings regelmäßige Präsenz in Kiew, wo er in voller Dienstunform auftritt, und seine Ausführungen unterstreichen, wie direkt die Bundeswehr bereits in den Ukrainekrieg involviert ist. Man bilde die Ukrainer „sehr intensiv bei uns in Deutschland aus“, prahlte Freuding. Und man merke „in der Ausbildung, wie sehr wir von den Erkenntnissen der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten profitieren“. Diese „Erfahrungen“ müsse man nun „auch in die eigenen Streitkräfte integrieren, zugänglich machen und unsere Lehren und Schlüsse daraus ziehen“.

Das ist eine Warnung. Die „Erfahrung“ von Hunderttausenden ukrainischen Soldaten besteht darin, als Kanonenfutter für imperialistische Interessen verheizt zu werden. Ein ähnliches Schicksal droht Arbeitern und Jugendlichen in Deutschland und anderen Nato-Staaten. Bereits Anfang des Jahres hatte Pistorius in mehreren Interviews erklärt, dass Deutschland in den „nächsten drei bis fünf Jahren“ bereit sein müsse, einen direkten Krieg gegen Russland zu führen. Seitdem wird die Bundeswehr darauf ausgerichtet.

Im Zentrum des Treffens zwischen Pistorius und Kasčiūnas stand die Unterzeichnung eines gemeinsamen Abkommens zur permanenten Stationierung von etwa 5000 deutschen Kampftruppen in Litauen. „Unser Ziel, an dem wir alle gemeinsam und mit Hochdruck arbeiten, ist und bleibt unverändert die Stationierung einer einsatzbereiten deutschen Brigade in Litauen bis zum Ende des Jahres 2027“, verkündete Pistorius.

Laut einem Bericht des Verteidigungsministeriums befindet sich das Vorkommando der deutschen Brigade bereits seit April in Litauens Hauptstadt Vilnius. Der zukünftige Brigadekommandeur werde noch im September nach Litauen reisen, und „der Aufwuchs zum Aufstellungsstab von etwa 150 Personen“ erfolge im Oktober und November. Bereits im nächsten Jahr sollen dann „erste Kräfte der Brigade bis zur Fertigstellung der Zielinfrastruktur“ stationiert werden. Der „Aufstellungsappell der Brigade“ sei für die erste Jahreshälfte 2025 vorgesehen.

Die Offensive des deutschen Militarismus in Osteuropa gegen Russland steht in einer dunklen Tradition. Im Zweiten Weltkrieg führte die Wehrmacht einen Vernichtungskrieg im Osten, der im Holocaust an sechs Millionen Juden und der Ermordung von 30 Millionen Sowjetbürgern seinen fürchterlichen Höhepunkt fand.

Wie damals hat der Kriegswahnsinn objektive Ursachen. Erneut verfolgt der deutsche Imperialismus handfeste geopolitische und wirtschaftliche Ziele. Auf seiner aktuellen Reise nach Kasachstan und Usbekistan sprach Scholz dies offen aus. „Die Bedeutung Zentralasiens nimmt zu – sowohl aus geopolitischer Sicht als auch mit Blick auf unsere Versorgung mit Rohstoffen“, schrieb er auf X.

Und wie in den 1930er Jahren reagiert die herrschende Klasse auf die tiefe Krise des kapitalistischen Profitsystems und die wachsende Opposition unter Arbeitern und Jugendlichen mit einer aggressiven Hinwendung zu Militarismus, Faschismus und Krieg. Die einzige Möglichkeit, diese gefährliche Entwicklung zu stoppen, besteht im Aufbau einer unabhängigen Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms.

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