Die Vereinten Nationen wurden 1945 inmitten der Trümmer des Zweiten Weltkriegs gegründet, um durch die diplomatische Beilegung internationaler Konflikte „zukünftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat“.
Die Gründung der UNO löste keinen der wesentlichen Widersprüche, die zu den Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geführt hatten. Die trotzkistische Bewegung bezeichnete die neue Organisation als „neue Räuberküche“ und bezog sich dabei auf Lenins Charakterisierung des Völkerbundes, der ihr vorausgegangen war. Dies ist eine treffende Beschreibung der UN-Versammlung, die diese Woche in New York eröffnet wird.
Die USA und ihre imperialistischen Verbündeten versuchen, die UN-Generalversammlung in einen Kriegsgipfel zu verwandeln, um blutige militärische Konflikte auf der ganzen Welt zu schüren und zu entfachen.
Im Nahen Osten weiten Israel und seine imperialistischen Unterstützer den Völkermord im Gazastreifen, dem offiziell bereits mehr als 40.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, zu einem Krieg in der gesamten Region aus. Weit davon entfernt, eine „Deeskalation“ anzustreben, versuchen die imperialistischen Mächte bewusst, einen umfassenden Krieg nicht nur mit dem Libanon, sondern auch mit dem Iran zu provozieren.
In Osteuropa stehen die USA und die Nato derweil kurz davor, Nato-Waffen von der Ukraine aus auf das Territorium Russlands abzufeuern – ihre bisher weitreichendste Eskalationsmaßnahme in diesem Krieg.
Im Vorfeld des Treffens erklärte UN-Generalsekretär Antonio Guterres: „Wir sehen außer Kontrolle geratene geopolitische Gegensätze und ausufernde Konflikte.“ Guterres bezog sich dabei auf eine Erklärung, die im Vorfeld der UN-Generalversammlung veröffentlicht wurde und in der es heißt: „Wir sind mit zunehmenden katastrophalen und existenziellen Risiken konfrontiert, von denen viele durch die von uns getroffenen Entscheidungen verursacht werden. Unsere Mitmenschen erdulden schreckliches Leid. Wenn wir unseren Kurs nicht ändern, laufen wir Gefahr, in eine Zukunft mit anhaltenden Krisen und Zusammenbrüchen zu stürzen.“
Die Vorstellung, dass die UN-Versammlung selbst einen Ausweg aus diesen „katastrophalen und existenziellen Risiken“ aufzeigen wird, ist jedoch ein Wunschtraum.
Vielmehr werden auf der Generalversammlung Reden von einer Reihe von Kriegsverbrechern zu hören sein, darunter US-Präsident Joe Biden, der französische Präsident Emmanuel Macron, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der britische Premierminister Keir Starmer, sowie ihre bezahlten Kampfhunde, der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Netanjahu wird vor der UN-Generalversammlung sprechen, nachdem er einen blutigen Terroranschlag im Libanon verübt hat, in dessen Zuge tausende alltägliche Kommunikationsgeräte in Bomben verwandelt wurden, die auf Kommando explodierten. Zugleich beaufsichtigt er Maßnahmen im Gazastreifen, die von UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese als Völkermord und von Michael Fakhri, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, als vorsätzliche Aushungerung des palästinensischen Volkes bezeichnet wurden.
In seiner Rede wird Netanjahu Völkermord, Massaker und weltweite Gesetzlosigkeit verteidigen. Zwar kann es mit ihm niemand an offener Blutrünstigkeit aufnehmen. Doch der ukrainische „Präsident“ Wolodymyr Selenskyj, der außerhalb seiner verfassungsmäßigen Amtszeit per Notstand regiert und eine vom US-amerikanischen und europäischen Imperialismus erzwungene Diktatur über die ukrainische Bevölkerung ausübt, wird ihm erhebliche Konkurrenz bereiten.
Selenskyj wird die USA und die Nato-Mächte auffordern, der Ukraine zu gestatten, Russland mit Langstreckenwaffen anzugreifen, und sie auffordern, alle Einschränkungen für ihre Beteiligung an einem Krieg gegen Moskau aufzugeben. Er wird erneut „das ganze naive, illusorische Konzept so genannter roter Linien in Bezug auf Russland“ verurteilen, die seiner Meinung nach „in sich zusammengefallen“ seien.
Selenskyjs Auftritt vor der UN-Vollversammlung ist sorgfältig choreographiert und wird von einer Offensive der regierungstreuen Medien begleitet, die die Nato-Mächte auffordern, jegliche Zurückhaltung im Hinblick auf einen Krieg gegen Russland aufzugeben.
Am lautesten äußerte sich der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson, der im Spectator erklärte: „Es ist an der Zeit, die Ukraine in die Nato aufzunehmen“.
Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, der allein im Vereinigten Königreich 232.112 Menschen zum Opfer fielen, sagte Johnson bekanntlich: „Sollen sich die Leichen auftürmen.“ Dieselbe Politik verlangt er nun im Krieg.
Johnson schreibt: „Was ist das Problem mit Storm Shadow und der Genehmigung, sie gegen Putins Stützpunkte in Russland einzusetzen? Können wir bitte alle aufhören, diesen müden alten Unsinn über ‚Eskalation‘ und die sogenannte Angst, Putin zu provozieren, nachzuplappern? Dieses Argument wurde in den letzten drei Jahren in jeder Phase vorgebracht, und in jeder Phase wurde es durch die Ereignisse widerlegt.“
Weiter forderte er offen, dass die Ukraine der Nato beitritt. „Wir könnten die Ukraine einladen, der Nato beizutreten, noch bevor der Krieg zu Ende ist“, sagte er und bekräftigte eine ‚Sicherheitsgarantie nach Artikel 5‘ und das ‚absolute Recht der Ukrainer auf ihr gesamtes Land von 1991‘“.
Die Aufforderung an die Ukraine, der Nato beizutreten, während sie sich aktiv im Krieg mit Russland befindet, ist eine Aufforderung an die Nato, Russland den Krieg zu erklären und die Eroberung der Krim offiziell als Kriegsziel der Nato anzunehmen. Es hat noch nie eine offizielle Kriegserklärung zwischen zwei atomar bewaffneten Staaten gegeben. Während des gesamten Kalten Krieges wurde ein solches Szenario als „Armageddon“ bezeichnet, das das Ende der menschlichen Zivilisation in einem thermonuklearen Krieg ankündigte.
Doch Johnsons Beitrag war nur der aggressivste in einer Flut von Artikeln und Leitartikeln, die praktisch die gleichen Argumente verwendeten. „Lasst die Ukraine militärische Ziele in Russland mit amerikanischen Raketen treffen“, erklärte der Economist in einem Leitartikel, während die Washington Post forderte: „Biden sollte Langstreckenraketen für die Ukraine genehmigen.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Mit der Eruption imperialistischer Gewalt antworten die imperialistischen Mächte auf die aus ihrer Sicht zunehmende Krise der geopolitischen Ordnung, über die sie herrschen.
Mit Blick auf die UN-Generalversammlung warnte Bloomberg in einem Artikel: „Die Sorgen der USA nehmen zu, während sich Gegner zusammentun, um ihre Vorherrschaft anzufechten.“
Der Artikel zitiert Martin Kimani, ehemaliger kenianischer Botschafter bei der UNO und Direktor des Zentrums für internationale Zusammenarbeit der NYU, mit den Worten: „Der Einfluss der USA schwindet, und zwar rapide.“ Bloomberg fügt hinzu: „Die Versammlung wird wahrscheinlich unterstreichen, dass die USA zunehmend häufig zurückweichen müssen, während andere Mächte an Einfluss gewinnen.“
Der Artikel fährt fort: „Diese Woche treffen sich in New York auch Vertreter der BRICS, die auf neun Mitglieder angewachsen sind, darunter einige Verbündete der USA sowie der Iran und die Gründerstaaten Russland und China. Weitere Länder bewerben sich um den Beitritt zu dieser Gruppe, die sich ausdrücklich dafür einsetzt, ein alternatives Zentrum globalen Einflusses zu schaffen, einschließlich Konkurrenten zur Dominanz des US-Dollars.“
Das Gipfeltreffen findet inmitten einer sich verschärfenden Krise des US-Dollars statt, wobei der Goldpreis – der als Index für die Unsicherheit des Dollars gilt – am Freitag zum ersten Mal auf 2.600 Dollar gestiegen ist. Der Goldpreis ist im Jahr 2024 um 27 Prozent gestiegen und hat Anfang des Jahres seinen bisherigen Höchststand von 2.000 US-Dollar pro Unze durchbrochen. Historisch gesehen steigt die Nachfrage nach Gold, wenn das Vertrauen in den Dollar schwindet, was den Goldpreis als Absicherung gegen einen fallenden Dollar in die Höhe treibt.
Und während der Goldpreis in die Höhe schießt, hat die Staatsverschuldung der USA, die durch die Kriegsfinanzierung auf der ganzen Welt enorm gestiegen ist, 35 Billionen Dollar erreicht. Amerikanische Zeitungen tragen Schlagzeilen wie „Eine US-Staatsschuldenkrise steht bevor“ (Wall Street Journal) oder „‚Der Tag an dem der Dollar starb‘ steht bevor. Wie lautet der Plan?“ (Washington Post).
Der „Plan“ der imperialistischen Mächte lautet Weltkrieg. Die sich verschärfende Wirtschaftskrise befeuert globalen Eroberungskriege, um die Hegemonie der USA und ihrer imperialistischen Verbündeten zu sichern. Um ihre räuberischen Kriegsziele zu erreichen, normalisieren sie alle Formen der gesellschaftlichen Barbarei, von Völkermord über Massenterror gegen die Zivilbevölkerung bis hin zur Drohung mit einem Atomkrieg.
Keine der Institutionen der kapitalistischen Herrschaft, einschließlich der Vereinten Nationen und der internationalen Gerichte, ist in der Lage, diesen Abstieg in die Barbarei zu stoppen.
Doch dieselbe Krise, die den Ausbruch imperialistischer Kriege hervorruft, führt auch zu einer Welle von Streiks und Kämpfen von Arbeitern überall auf der Welt. Nur durch den Aufbau einer mächtigen Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse kann ein Rückfall in die Barbarei des 20. Jahrhunderts – dieses Mal unter Gebrauch von Atomwaffen – verhindert werden. Die sozialen Forderungen, die Arbeiter in den Kampf treiben, müssen auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive mit dem Aufbau einer mächtigen Antikriegsbewegung verbunden werden.