Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) hat kurzfristig die Buchung des Saals für einen Vortrag der italienischen Juristin Francesca Albanese storniert – ein weiterer Akt eklatanter Zensur von Kritikern des israelischen Völkermords in Gaza.
Albanese ist die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Menschenrechte in den israelisch besetzten Palästinensergebieten und sollte am 16. Februar einen Vortrag mit dem Titel „Kolonialismus, Menschenrechte und Völkerrecht“ halten. Nachdem der Vortrag Ende Januar offiziell angekündigt worden war, sagte ihn die LMU umgehend ab.
Die Universität begründete die Stornierung des Hörsaals in einer E-Mail an die Organisatoren mit der politischen Orientierung des Vortrags sowie mit Sicherheitsbedenken, da „ein Meinungskampf zu erwarten“ sei.
Nach der Stornierung des Vortrags in München wurde Albanese für den 19. Februar an die Freie Universität Berlin (FU) eingeladen. Doch auch in der Hauptstadt begann eine Hetzkampagne der Medien und Politik, darunter der Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU), die ihr angeblichen Antisemitismus vorwarfen. Daraufhin sagte die FU ebenfalls den Vortrag ab.
Bereits im März erklärte Albanese in ihrer offiziellen Funktion bei den UN, sie sehe „berechtigte Gründe“ für die Annahme, dass Israels Militäraktion in Gaza einen Völkermord darstellt.
In einem Bericht, den die UN im letzten Oktober veröffentlichten, ging Albanese noch weiter und erklärte, das Vorgehen der israelischen Regierung nach ihrem Einmarsch in Gaza erfülle alle völkerrechtlichen Kriterien für Völkermord. Der UN-Bericht erweitert die frühere Analyse aus dem März dadurch, dass darin auch der Überfall der israelischen Armee auf das Westjordanland einbezogen wird.
Im Vorwort zu dem Bericht heißt es, Albaneses Arbeit
konzentriert sich auf genozidale Absichten und stellt die Situation in den Kontext des jahrzehntelangen Prozesses der territorialen Expansion und ethnischen Säuberung, die darauf abzielt, die Präsenz der Palästinenser in Palästina zu liquidieren. Sie legt nahe, den Völkermord als integralen und entscheidenden Bestandteil für das Ziel der vollständigen Kolonisierung des palästinensischen Landes durch Israel zu betrachten, während dabei so viele Palästinenser wie möglich vertrieben werden.
Der Bericht beschreibt die historische Verfolgung der Palästinenser als Israels Projekt kolonialer Besiedelung und erklärt, die Welt erlebe jetzt „die bitteren Früchte der Israel gewährten Straffreiheit. Die derzeitige Lage ist eine Tragödie mit Ansage.“
Sämtliche Warnungen Albaneses wurden durch das Vorgehen des Militärs und der Regierung Israels in den Monaten seit Oktober vollständig bestätigt.
Die Zensur von Albaneses Vortrag wurde von der Decolonial Practices Group an der LMU, die sie als Referentin eingeladen hatte, scharf kritisiert. Die Gruppe veröffentlichte eine Erklärung, in der es heißt:
Wir sind zutiefst besorgt über einen weiteren Fall, in dem ein dringend notwendiger akademischer Diskurs über die ernstzunehmende Situation in Israel/Palästina in Deutschland verweigert wird.
In einem offenen Brief an die Universitätsleitung kritisierten drei prominente Professoren, darunter der Professor für Ensemblespiel und Violine an der Said-Barenboim-Akademie, Michael Barenboim (Sohn von Daniel Barenboim), die Entscheidung der LMU. Darin heißt es, die Absage der Saalbuchung sei „ein direkter Affront gegen die Grundsätze der akademischen Freiheit und des demokratischen Engagements“ und „schafft damit einen gefährlichen Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen für die deutsche Forschungslandschaft und seiner internationalen Reputation“.
Albanese reagierte auf die Absage mit einem Post auf X: „Wenn Ideologie beginnt, Menschen zum Schweigen zu bringen, gibt es keine Freiheit mehr.“
Die Absage von Albaneses Vortrag an der LMU ist das jüngste Beispiel in einer langen Reihe von Zensurmaßnahmen der Münchner Behörden. Im September 2022 versuchte der Münchner Stadtrat, der von einer Koalition aus SPD und Grünen geführt wird, den Auftritt des Pink-Floyd-Mitgründers Roger Waters im Rahmen seiner Tour „This Is Not a Drill“ in der städtischen Olympiahalle zu verhindern. Waters ist ein vehementer Kritiker der Verfolgung des palästinensischen Volks durch Israel.
Im September 2023 sagte der CSU-Stadtrat und Vizevorsitzende des Gemeindezentrums Trafo, Leo Agerer, kurzfristig einen Vortrag des führenden israelischen Historikers Ilan Pappe mit dem Titel „Palästina – Israel: Was kommt als nächstes?“ ab. Pappe ist Universitätsprofessor und Autor des Buchs Die ethnische Säuberung Palästinas. Bereits im Jahr 2009 hatten die Münchner Behörden einen Vortrag Pappes über die Lage im besetzten Palästina zensiert.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Damals schrieb Pappe in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister von München: „In den 1930er Jahren wurde mein Vater, ein deutscher Jude, auf ähnliche Weise zum Schweigen gebracht. Es macht mich traurig, die gleiche Zensur im Jahr 2009 zu erleben.“
Diese Liste von Versuchen der Münchner Behörden, alle Kritiker der mörderischen Politik der israelischen Regierung zum Schweigen zu bringen, ließe sich noch lange fortsetzen.
Ein Bericht über die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen dem Freistaat Bayern und Israel, der nur wenige Tage nach den jüngsten Zensurmaßnahmen der LMU veröffentlicht wurde, vermittelt einen Eindruck von den treibenden Kräften hinter den zahlreichen Bestrebungen, jede Kritik an Israel zu unterdrücken.
In einem Bericht vom 7. Februar 2025, der kurz nach einem Treffen zwischen bayrischen und israelischen Führungskräften aus Wirtschaft und Politik veröffentlicht wurde, wurde darauf hingewiesen, dass seit 60 Jahren enge diplomatische Beziehungen zwischen Bayern und Israel bestehen. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, Klaus Josef Lutz, lobte bei dem Treffen die enge Kooperation: „Die deutsch-israelischen Beziehungen sind vor dem Hintergrund der Geschichte ein Wunder und ein Symbol für Hoffnung und Versöhnung.“
Daraufhin lobte auch die israelische Generalkonsulin Talya Lador-Fresher die langjährigen Beziehungen zwischen Bayern und Israel und erklärte, die erste diplomatische Vertretung Israels sei nur wenige Tage nach Israels Unabhängigkeitserklärung 1948 in München eröffnet worden. Sie lobte auch die Rolle des ehemaligen Verteidigungsministers und späteren bayrischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, der 1957 die ersten Lieferungen deutscher Waffen an Israel bewilligt hatte.
Bei einem früheren Treffen mit der israelischen Konsulin im letzten September hatte der bayrische Minister für Digitales, Dr. Fabian Mehring, sogar erklärt, die bayrisch-israelische Partnerschaft sei Teil der DNA des Bundeslands.
Die Zensur der UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte erfolgt eine Woche vor der jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz. Sie macht deutlich, dass man auf der Konferenz zwar einige Krokodilstränen über den jüngsten Vorschlag von US-Präsident Trump zur ethnischen Säuberung des Gazastreifens vergießen wird, sich aber nichts an der uneingeschränkten Unterstützung der deutschen Regierung für die israelische ändern wird.
Im derzeitigen Bundestagswahlkampf herrscht in Deutschland ohrenbetäubendes Schweigen zur katastrophalen Lage der Bevölkerung in Gaza nach den Zerstörungen durch Israel. Die einzige Partei, die im Wahlkampf die Frage der Verteidigung des palästinensischen Volks und die Verfolgung der verantwortlichen Kriegsverbrecher anspricht, ist die Sozialistische Gleichheitspartei.