Sozialkahlschlag von CDU und SPD in Berlin greift soziales Engagement gegen Armut und die Freiheit von Kunst und Wissenschaft an

Hunderte Millionen Euro kürzt die Berliner CDU-/SPD-Landesregierung unter Kai Wegner insbesondere in den Bereichen Soziales, Bildung sowie Wissenschaft, Gesundheit und Pflege und leitet damit einen der größten Angriff auf die soziale Infrastruktur der Hauptstadt seit der Wiedervereinigung ein.

Berlin#Unkürzbar-Demonstration vor dem Roten Rathaus in Berlin, 22.02.2025

Schon im Dezember letzten Jahres hatten Wegner und seine Koalition trotz massiver Proteste den Berliner Nachtragshaushalt für 2025 beschlossen. Dieser beinhaltet Kürzungen in Höhe von drei Milliarden Euro. Die Kürzung weiterer 2 Milliarden Euro hat die Koalition für 2026 bereits angekündigt.

In Berlin mit seinen über 450.000 von Armut betroffenen Haushalten, wo laut Statistik von 2022 jedes vierte Kind in Armut aufwächst bzw. von Armut bedroht ist, werden gerade gemeinnützige und Jugendfreizeit- und Bildungseinrichtungen sowie Familien- und andere Beratungsstellen bewusst ausgeblutet bzw. ganz in den Ruin getrieben.

Im Bildungsbereich haben die schwarz-rote Koalition und der von Katharina Günther-Wünsch (CDU) geführte Senat für Bildung, Jugend und Familie den Etat um 370 Millionen Euro ab Dezember 2024 und um weitere 39 Millionen Euro ab April 2025 gekürzt. Darunter fallen mehr als 12 Millionen Euro für Lehr- und Lernmittel sowie Unterrichtsmaterialien sowie die Mittel für den ursprünglich geplanten Bau von zwei Schulgebäuden.

Für die Schulsozialarbeit, die bei Krisen, Konflikten und Lernschwierigkeiten niedrigschwellige Hilfe anbietet und chronisch unterfinanziert ist, wurden rund 3,5 Millionen Euro einfach gestrichen.

Das Ausmaß dieser Kürzung verdeutlicht sich am Beispiel der Otto-Wels-Grundschule, die in diesem Jahr 80.000 Euro weniger allein für die Schulsozialarbeit zur Verfügung hat. Aufgrund der Sparmaßnahmen sind drei der bisher vier Sozialarbeiterstellen an der Schule mit rund 520 Kindern im Armutsbezirk Berlin-Kreuzberg bedroht.

Den 218 sogenannten Brennpunkt-Schulen werden die Mittel aus dem „Brennpunkt-Bonus-Programm“ gekürzt. Brennpunkt-Schulen sind jene Schulen, in deren Klassen überproportional viele Kinder aus armen Haushalten oder Familien mit nicht-deutscher Herkunftssprache einen besonderen Betreuungsbedarf haben. Dazu gehört neben der Otto-Wels-Grundschule auch die „Grundschule in der Köllnischen Heide“ in Berlin-Neukölln, in deren Einzugsgebiet (Wohnviertel „High-Deck-Siedlung“) die Kinderarmutsquote sogar bei 77 Prozent liegt.

Das „Brennpunkt-Bonus-Programm“, welches schon im Haushaltsplan 2024/2025 um 500.000 Euro reduziert wurde, wird mit dem Nachtragshaushalt 2025 um weitere 3,6 Millionen Euro auf 14,4 Millionen Euro zusammengestrichen.

Nächstes Jahr werden aufgrund der Mittelkürzungen 33 Schulen aus dem „Brennpunkt-Programm“ komplett herausfallen, für dieses Jahr erhalten sie nur noch eine „Übergangsfinanzierung“.

Für Kinder und Jugendliche, aber auch die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte sowie Sozialarbeiter werden die Mittel drastisch gekürzt, mit denen sie die Folgen von sozialem Niedergang und Verarmung zu mildern versuchen, die die Regierungskoalitionen von CDU bis Linkspartei in den letzten 30 Jahren verursacht haben.

So entgeht auch der Etat der freien Jugendarbeit nicht dem schwarz-roten Sparzwang. Hier hat die Bildungssenatorin das Budget um 7 Millionen Euro auf 34 Millionen Euro gesenkt und der Zuschuss für den Unterhalt der Grundstücke und Gebäude der freien Jugendhilfe um fast die Hälfte auf 300.000 Euro reduziert. Wie bei den vielfach sanierungs- und renovierungsbedürftigen Schulen fallen hier notwendige Arbeiten dem Rotstift zum Opfer.

Insbesondere Träger und Vereine, die Kindern und Jugendlichen in den von Armut überproportional betroffenen Wohngebieten antirassistische sowie Sprach-, Musik- und andere Freizeitangebote bieten bzw. geflüchtete Familien unterstützen, werden der Rotstiftpolitik der Senatsverwaltung unterworfen und wissen nicht, wie sie ihre Arbeit aufrecht erhalten sollen.

„Es stinkt mir, dass Kinder- und Jugendarbeit als Luxusangebot betrachtet wird, als Freizeitprogramm, das man mal eben so streichen kann, wenn die Haushaltskassen leer sind. Wie nachhaltig wird denn da Politik betrieben, frage ich mich“, so Mandy Dewalt, Leiterin des Jugendclubs SOKO 16 im sozialen Brennpunktbezirk Gesundbrunnen/Wedding.

Das seit 17 Jahren bestehende Projekt „Erzählzeit“ – ein künstlerisches Format zur Erwerb der deutschen Sprache insbesondere für Kinder im Kita- und Schulalter mit nichtdeutscher Herkunftssprache – erhält ab dem 1. April 2025 gar keine Senatsgelder mehr.

Auch für die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (Kiga), die sich seit 20 Jahren bundesweit an den Schulen gegen Hass, Rassismus und Antisemitismus engagiert, soll ab April 2025 die komplette Förderung in Höhe von über 182.000 Euro wegfallen.

Derviş Hızarcı, Kiga-Vorstandsvorsitzender und Mitglied der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW), wirft der Senatsverwaltung angesichts der Kürzungsorgie gegen die ohnehin oft unterfinanzierten sozial und gegen Ausgrenzung engagierten Träger eine zielgerichtete Sparpolitik gegen Randgruppen vor und erklärte am vergangenen Mittwoch in der Berliner GEW-Geschäftsstelle: „Man hat manchmal den Eindruck, man möchte, dass Brennpunkte brennen. Man möchte, dass Muslime und migrantische Communitys sich nicht gegen Antisemitismus engagieren, weil man da mit dem Finger draufzeigen kann.“

Für den Wissenschafts- und Hochschulstandort Berlin mit seinen vier Universitäten und elf staatlichen Hochschulen bedeuten die von der SPD-geführten Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege geplanten Kürzungen in Höhe von mittlerweile 309 Millionen Euro, bei den Hochschulverträgen 142 Millionen Euro ebenfalls radikale Einschnitte. Die Einsparungen wurden von den im Dezember geplanten 107 Millionen nochmals deutlich erhöht.

Hier droht der Verlust von 25.000 Studienplätzen – vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Lehraufträge und Gastdozenturen können nicht verlängert, Professoren nicht an die akademischen Einrichtungen berufen werden. Insbesondere die wissenschaftlichen und künstlerisch Beschäftigen, die im Lehr- und Forschungsbetrieb eine wichtige Rolle spielen, sowie die befristet Beschäftigten im Verwaltungsbereich stehen vor einer ungewissen Zukunft.

Notwendige Gebäudesanierungen müssen gestoppt, vom Studierendenwerk betriebene Kita-Einrichtungen geschlossen und die Kosten für die Mensa-Verpflegung der Studierenden erhöht werden. Der ohnehin extreme Mangel an Wohnheimplätzen für nicht aus Berlin stammende Studierende wird explodieren, ebenso die für Bafög-abhängige Studierende schon jetzt kaum zu stemmenden Mietkosten.

Von den Kürzungen sind die weltbekannte Universität der Künste (UdK) Berlin, die Ernst-Busch-Hochschule und die anderen Berliner Kunst- und Musikhochschulen in besonderen Maße betroffen, da sie mit der Mehrzahl ihrer Studienzweige für Geldgeber aus der Privatwirtschaft weniger interessant sind.

Aus diesem Grund hatten schon zwei Wochen zuvor Studierende der UdK die Hauptfassade des Universitätsgebäude mit einem schwarzen Trauertuch verhängt, um die vom Tode bedrohte Kultur zu symbolisieren.

Freie Kulturträger und Künstler können ihre Arbeit nicht mehr finanzieren, die Vielfalt im Kunst- und Kulturbereich ist existenziell bedroht. Dem weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Kulturhaus URANIA hat der Senat gleich alle Zuschüsse ab April 2025 gestrichen, was einer Zwangsschließung gleichkommt.

Es steht außer Frage, dass unter dem Verweis auf die „notwendigen“ Einsparungen insbesondere gerade jene Einrichtungen dem Rotstift geopfert werden, die in der Vergangenheit oder zukünftig Kritik an der Bundes- oder Landespolitik wagen. Schon im letzten Jahr sind der politischen Zensur dutzende Einrichtungen und Personen zum Opfer gefallen, weil sie es wagten, sich gegen den Genozid an den Palästinensern oder für die Rechte von Flüchtlingen einzusetzen.

Diese Gesinnungs- und Zensurangriffe werden mit Amtsantritt der neuen Bundesregierung noch weiter verstärkt werden. Die jüngste Anfrage der CDU/CSU fast unmittelbar vor der Bundestagswahl zur finanziellen Unterstützung ausgewählter NGO’s wie „Omas Gegen Rechts“ und anderen sind ein Ausblick darauf, dass wie in den USA unter Trump ein umfassender scharfer Angriff auf regierungskritische Zusammenschlüsse unmittelbar bevorsteht.

Die Einsparungen in Berlin, wie auch in anderen Bundesländern, stehen in direktem Zusammenhang zu den Plänen der Bundesregierung, die Aufrüstung ins Wahnsinnige zu steigern. Denn Länder und Kommunen haben schon in den letzten Jahren immer mehr Geld verloren und sollen jetzt weiter geschröpft werden.

Dagegen entwickelt sich enormer Widerstand. Dieser darf nicht der Kontrolle der Gewerkschaften und Parteien wie den Grünen und der Linken überlassen werden, die selbst für heftige soziale Angriffe verantwortlich sind. Die Proteste müssen zum Ausgangspunkt einer breiten Mobilisierung gemacht werden, die den Kampf gegen die Kürzungen mit dem Kampf gegen Krieg und seine Wurzel, den Kapitalismus verbindet.