„Die herrschende Klasse Deutschlands geht denselben Weg“ wie die USA mit dem faschistischen Präsidenten Donald Trump, schrieben wir in unserem Wahlaufruf zur Bundestagswahl. „Ihre Antwort auf ‚Make America Great Again‘ lautet ‚Deutschland über alles‘. Sie reagiert auf Trump, indem sie aufrüstet wie seit Hitler nicht mehr.“
Nur wenige Tage nach der Wahl haben Union und SPD beschlossen, ein gigantisches Aufrüstungsprogramm auf den Weg zu bringen. Es zielt darauf ab, Deutschland nach zwei verlorenen Weltkriegen und schrecklichen Verbrechen im 20. Jahrhundert wieder zu einer aggressiven Militärmacht hochzurüsten. Die Konsequenzen dieses Programms bedeuten Krieg, Diktatur und letztlich atomare Vernichtung. Darüber kann die offizielle Propaganda nicht hinwegtäuschen.
Das Ausmaß der Aufrüstung ist gewaltig. Allein 500 Milliarden Euro an Krediten sollen für ein sogenanntes Sondervermögen aufgenommen werden, das in erster Linie dazu dient, die Infrastruktur „kriegstüchtig“ zu machen und die gesamte Gesellschaft zu militarisieren – von der Wiedereinführung der Wehrpflicht über die Unterordnung von Lehre, Forschung und Ausbildung unter die Bedürfnisse des Militärs bis hin zur Unterdrückung und Verfolgung von Oppositionellen, wie es bereits jetzt im Fall der Gegner des Genozids in Gaza geschieht.
Für die Bundeswehr soll die Schuldenbremse vollständig abgeschafft werden, sodass unbegrenzte Kreditaufnahmen möglich sind. Im Raum stehen zunächst weitere 500 Milliarden Euro. Auch wenn noch unklar ist, über welchen Zeitraum sich diese Summe erstreckt, handelt es sich um gewaltige Beträge, die nur mit der Aufrüstung vor den beiden Weltkriegen vergleichbar sind.
Auf ein Jahr gerechnet würde allein der Aufwuchs von 500 Milliarden Euro rund 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprechen – mehr als doppelt so viel wie bei der Wiederbewaffnung oder in jedem anderen Jahr des Kalten Kriegs. Selbst im ersten Jahr des Ersten Weltkriegs betrugen die Kriegskredite lediglich 8,6 Prozent des geschätzten BIP von 1913. Hitler erreichte erst im Jahr 1938, nach fünf Jahren massiver Aufrüstung, einen höheren Wert.
Auch damals hatte sich das Deutsche Reich massiv verschuldet, um die Militarisierung zu finanzieren. Je höher die Schulden stiegen, desto unausweichlicher wurde der Krieg – denn diese Kredite ließen sich nur durch Kriegsbeute refinanzieren. Die heutige Aufrüstung folgt derselben Logik. Sie dient nicht der Verteidigung gegen die sogenannte „russische Aggression“, wie es Politiker aller Parteien – ähnlich wie am Vorabend des Ersten und Zweiten Weltkriegs – behaupten, sondern der Vorbereitung brutaler Angriffskriege.
Führende Ideologen der herrschenden Klasse sprechen dies offen aus. So schreibt der Politologe Herfried Münkler im Spiegel, an die Stelle der „regelbasierten Ordnung“ sei „eine machtbasierte Ordnung getreten“. Militärische Macht gewinne gegenüber wirtschaftlicher Macht an Bedeutung.
Europa, folgert Münkler, müsse deshalb „so schnell wie möglich aufrüsten und sich politisch neu aufstellen“. Es müsse „eine politische Klasse hervorbringen, die den veränderten weltpolitischen Konstellationen intellektuell und mental gewachsen ist“. Um im „Wettstreit der großen Mächte“ mitzuspielen, müssten die Europäer „die Regeln dieser machtgestützten Ordnung schnell erlernen und internalisieren“.
Mit anderen Worten: „Europa“ (Münkler schreibt immer Europa, wenn er Deutschland meint) braucht wieder Staatsmänner und Generäle wie Kaiser Wilhelm II, Erich Ludendorff, Adolf Hitler und Wilhelm Keitel, die nicht vor verbrecherischen Kriegen zurückschrecken.
Das Aufrüstungsprogramm von CDU und SPD folgt dieser Linie. Es richtet sich unmittelbar gegen die Atommacht Russland. Schon vor der Bundestagswahl hatten Bundeskanzler Scholz und Verteidigungsminister Pistorius erklärt, Deutschland müsse innerhalb von drei bis fünf Jahren fähig sein, einen Krieg gegen Russland zu gewinnen. Mit dem Rüstungspaket wird dieser Wahnsinn in die Tat umgesetzt. 80 Jahre nach dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion bereitet sich Deutschland wieder auf einen umfassenden Krieg gegen Russland vor, der die Zerstörung des gesamten Kontinents zur Folge hätte.
Doch es geht noch um mehr. Schon 2018 hatte sich die damalige Große Koalition für eine umfangreiche Militarisierung ausgesprochen und in ihrem Koalitionsvertrag ganze Länder, Regionen und ganze Kontinente genannt, die der deutsche Imperialismus als seine Einflusszonen betrachtet: Vom Westlichen Balkan über Russland, die Ukraine, die Türkei, Afghanistan, den Nahen und Mittleren Osten, Nordafrika, Afrika und Lateinamerika bis nach Asien. Die jetzigen Pläne knüpfen daran an.
Wenn Sprachrohre der herrschenden Klasse vom Ende der „regelbasierten Ordnung“ und dem Einsatz militärischer Macht zur Verfolgung wirtschaftlicher Interessen sprechen, sind sie sich bewusst, dass dies auch Konflikte mit dem amerikanischen Imperialismus bedeutet.
Deutschland kann seine Kriegspolitik nur umsetzen, wenn es ihm gelingt, Europa zu dominieren. Die gigantischen Rüstungsausgaben dienen auch diesem Zweck. Parallel zu den Plänen von CDU und SPD hat die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin und jetzige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ein Programm zur Aufrüstung der EU über 800 Milliarden Euro vorgestellt. Mit der Erhöhung der Kriegsausgaben versucht Deutschland diesen Prozess der europäischen Aufrüstung in Hinblick auf Waffensysteme, Produktionskapazitäten und Umfang zu dominieren.
Das wird unweigerlich die Konflikte zwischen den europäischen Mächten verschärfen, die alle selbst stürmisch aufrüsten. Frankreich will seine Militärausgaben auf 5 Prozent des BIPs erhöhen und Europa unter seinen nuklearen „Schutzschirm“ stellen. Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat angekündigt, dass alle Männer des Landes militärisch ausgebildet werden, um die Zahl der Soldaten und Reservisten von 200.000 auf 500.000 zu erhöhen. Und Großbritannien ist bereit, gemeinsam mit Frankreich und anderen Ländern eigene Soldaten in der Ukraine einzusetzen.
Kriegserklärung an die Arbeiterklasse
Das Aufrüstungsprogramm richtet sich nicht nur gegen internationale Gegner und Rivalen, es ist auch eine Kriegserklärung an die Arbeiterklasse.
Nachdem die Schuldenquote von 2010 bis 2019 von 81 auf 59 Prozent gesenkt wurde, indem Schulen und Krankenhäuser kaputtgespart, die sozialen Sicherheitssysteme zerschlagen und die Rechte der Arbeiter torpediert wurden, wird sie jetzt für die Aufrüstung auf neue Höhen getrieben. Für die Arbeiterklasse bedeutet das weitere Angriffe auf ihre sozialen und demokratischen Rechte. Das Geld wird in Form von Lohnkürzungen, Massenentlassungen und der Zerstörung des Sozialstaats wieder eingetrieben.
Heftige Klassenkämpfe sind unausweichlich. Schon jetzt streiken Arbeiter des öffentlichen Dienstes, der Post und des Nahverkehrs gegen Reallohnsenkungen, die ihnen die Regierung verordnen will. Auch in anderen europäischen Ländern entwickeln sich heftige Klassenkämpfe. In Griechenland demonstrieren Millionen gegen die soziale Katastrophe.
Doch die Herrschenden sind nicht bereit, sich dem Druck von unten zu beugen. Um ihren Reichtum, ihre Privilegien und ihre Kriegspolitik zu verteidigen, greifen sie immer offener zu faschistischen Methoden. Der Aufstieg Donald Trumps an die Spitze der mächtigsten imperialistischen Macht ist kein Zufall oder Missverständnis, sondern Ausdruck der tiefen Krise des amerikanischen Kapitalismus, der sich nur mithilfe von Gangstertum und Gewalt an der Macht halten kann. Dieselbe Entwicklung findet auch in Deutschland statt.
Das ist der Grund, weshalb der zukünftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) kurz vor der Wahl die Zusammenarbeit mit der faschistischen AfD suchte und mit ihr zusammen einen migrantenfeindlichen Beschluss durch den Bundestag brachte. Auch SPD und Grüne haben die Hetze gegen Geflüchtete ins Zentrum ihres Wahlkampfs gestellt und damit die AfD gestärkt.
Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD sind ein Hohn auf das Wahlergebnis und die Demokratie. Im Wahlkampf hatte keine der beiden Parteien erklärt, sie plane eine Billion in die Aufrüstung zu stecken. Die neue Regierung hat für ihre wahnsinnige Kriegspolitik kein Mandat. Nun versuchen Union und SPD, unter krasser Missachtung des Wahlergebnisses die Verfassung zu ändern, indem sie das bereits abgewählte Parlament noch einmal einberufen.
Auch alle anderen Bundestagsparteien unterstützen den Militarismus. Die Grünen fordern sogar eine Verschärfung des Rüstungspakets. Es sollen größere Summen durch Kürzungen aufgebracht und weitere Bereiche, wie die Geheimdienste, von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Die ehemaligen Pazifisten sind zu den schlimmsten Kriegstreibern geworden.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die AfD hat zwar taktische Differenzen in Bezug auf Russland und Europa, ist aber für einen Rüstungshaushalt von fünf Prozent und mehr, wenn es um die Verfolgung der nationalen Interessen des deutschen Imperialismus geht, und fordert sogar eine deutsche Atombombe. Sie wird immer direkter in die Regierungsarbeit eingebunden, weil die Faschisten gebraucht werden, um die Opposition gegen den Militarismus zu unterdrücken.
Eine besonders üble Rolle spielt die Linkspartei. Sie erhielt die Stimme von 25 Prozent der Jungwähler, weil sie sich im Wahlkampf gegen die AfD und den Militarismus ausgesprochen hatte. Kaum waren die Wahllokale geschlossen, erklärten ihre Vertreter, dass sie gegenüber CDU und SPD „gesprächsbereit“ seien, gemeinsame Projekte umzusetzen. Am 1. März forderte der Parteivorstand dann „einen Schuldenschnitt für die Ukraine“ und „eine Aufhebung der Schuldenbremse“, um ausreichend Gelder für eine Unterstützung der Ukraine frei zu machen.
Für die internationale Einheit der Arbeiterklasse im Kampf gegen Krieg und Kapitalismus!
Die einzige gesellschaftliche Kraft, die die Katastrophe von Krieg und Faschismus verhindern kann, ist die internationale Arbeiterklasse, die den ganzen Reichtum schafft und die Last von Krieg und Krise zu tragen hat.
Dazu muss sie den lähmenden Einfluss der Gewerkschaften durchbrechen. Diese bürokratischen Apparate haben sich längst in Handlanger der Konzerne und der Regierung verwandelt, die jeden Arbeitskampf sabotieren, die internationale Arbeiterklasse spalten und im Auftrag der Konzerne Entlassungen und Lohnsenkungen organisieren. Sie bejubeln die Handelskriegsmaßnahmen und die militärische Aufrüstung.
Typisch ist die Reaktion der IG Metall-Vorsitzenden Christiane Benner, die das Aufrüstungsprogramm von Union und SPD mit den Worten begrüßte: „Das angekündigte Sondervermögen, die angekündigten Maßnahmen zeigen: Die Politik hat verstanden, dass jetzt schnell und beherzt gehandelt werden muss.“
Die Sozialistische Gleichheitspartei ruft deshalb zum Aufbau von Aktionskomitees in Betrieben und Nachbarschaften auf, die den Kampf gegen Massenentlassungen und Lohnkürzungen selbst in die Hand nehmen und mit dem Kampf gegen Krieg verbinden.
Wir setzen dem wachsenden Nationalismus, dem Handelskrieg und der Aufrüstung die internationale Einheit der Arbeiter entgegen. Der Krieg kann nur gestoppt und die sozialen und demokratischen Rechte können nur verteidigt werden, wenn der Kapitalismus selbst abgeschafft und durch eine sozialistische Gesellschaft abgelöst wird, in der die Bedürfnisse der Menschen und nicht die Profitinteressen im Zentrum stehen. Die großen Banken und Konzerne müssen enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.
Wir warnten schon im Jahr 2014, als die Bundesregierung das „Ende der militärischen Zurückhaltung Deutschlands“ verkündete und zusammen mit den USA den gewaltsamen Putsch in der Ukraine organisierte, vor der explosiven Entwicklung des deutschen Militarismus. In einer Resolution schrieben wir:
Die Geschichte meldet sich stürmisch zurück. Knapp 70 Jahre nach den Verbrechen der Nazis und der Niederlage im Zweiten Weltkrieg knüpft die herrschende Klasse Deutschlands wieder an die imperialistische Großmachtpolitik des Kaiserreichs und Hitlers an. Das Tempo, mit der die Kriegshetze gegen Russland eskaliert, erinnert an den Vorabend des Ersten und des Zweiten Weltkriegs.
Die geplanten Kriegskredite der Großen Koalition zeigen, wie weit diese Entwicklung fortgeschritten ist. Es ist Zeit, politisch aktiv zu werden und das Programm der SGP und der Vierten Internationale zu studieren und sich ihr anzuschließen. Der Aufbau einer vereinten Bewegung der europäischen und internationalen Arbeiterklasse, die sich auf ein sozialistisches und revolutionäres Programm stützt, ist der einzige Weg, den sich entwickelnden Weltkrieg zu stoppen.