Eine Billion Euro für Krieg

Die Kreditermächtigung über eine Billion Euro, die der Bundestag am 18. März mit Zweidrittelmehrheit beschlossen hat und die am heutigen Freitag auch vom Bundesrat abgesegnet werden soll, markiert einen historischen Wendepunkt. Offiziell wird sie mit der Verteidigung und der Sicherheit Deutschlands sowie der Sanierung der maroden Infrastruktur begründet. Doch das ist hohle Propaganda. Es handelt sich nicht um ein Verteidigungs-, sondern um ein Kriegsprogramm.

Ein Leopard II-Kampfpanzer wirbt auf der Motor Show in Essen für den Eintritt in die Bundeswehr [AP Photo/Martin Meissner]

Der wirkliche Zweck des gigantischen Rüstungspakets besteht darin, Deutschland wieder in eine militärische Großmacht zu verwandeln, die sich von der amerikanischen Vorherrschaft befreien, Europa dominieren und es im Kampf um die gewaltsame Neuaufteilung der Welt mit anderen Großmächten – Russland, China und den USA – aufnehmen kann. 80 Jahre nach der Kapitulation von Hitlers Wehrmacht entledigt sich der deutsche Militarismus der letzten Fesseln, die ihm aufgrund seiner Kriegsverbrechen angelegt wurden.

Niemand sollte sich Illusionen machen. Den Preis für diese Rüstungsoffensive wird die arbeitende Bevölkerung und insbesondere die Jugend in Form sinkender Löhne und Sozialleistungen, der Wiedereinführung der Wehrpflicht, der Unterdrückung demokratischer Rechte und schließlich von Krieg und Zerstörung tragen.

Während die zukünftigen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD mit Unterstützung der Grünen unbeschränkte Summen für die Aufrüstung freigeben, bestehen sie darauf, die Einsparungen bei den Sozial- und Rentenausgaben sowie im Öffentlichen Dienst zu verschärfen. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz hat bereits weitere Einschnitte beim Bürgergeld und anderen Sozialausgaben angekündigt.

Auch das Sondervermögen für die Infrastruktur, das etwa die Hälfte der Kreditermächtigungen ausmacht, dient nicht – wie vielfach kolportiert – der Erneuerung maroder Schulen und Krankenhäuser, sondern dem Ausbau kriegstauglicher Straßen, Brücken und anderer Einrichtungen.

SPD-Chef Lars Klingbeil hat erklärt, massive Investitionen in die Infrastruktur seien „zentral für ein starkes Deutschland in einem starken Europa, das mehr Verantwortung für Sicherheit“ übernimmt. Das „Weißbuch“ zur Verteidigungspolitik, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch vorgestellt hat, führt neben der Produktion moderner Waffensysteme die „Militärische Mobilität“ – ein Netzwerk von Landkorridoren, Flughäfen und Seehäfen für Truppen- und Materialtransporte – sowie die Entwicklung neuer Technologien zur elektronischen Kriegsführung als zentrale Bestandteile der europäischen Aufrüstung auf.

Hinzu kommen die gewaltigen Kosten für Zinsen und Kredite, die aus dem regulären Haushalt finanziert werden müssen. Die Gesamtverschuldung von Bund, Ländern und Kommunen wird infolge der Rüstungskredite innerhalb von zehn Jahren von derzeit 2,5 auf 4,2 Billionen Euro steigen.

Dass die Verwirklichung dieses gewaltigen Aufrüstungsprogramms diktatorische Methoden erfordert, zeigen bereits die undemokratischen Mittel, mit denen es durch das Parlament gepeitscht wurde.

Im Bundestagswahlkampf hatten weder Union noch SPD den Wählern reinen Wein eingeschenkt und angekündigt, dass sie eine Billion Euro in die Aufrüstung stecken wollen. Beide Parteien haben die Schuldenbremse jahrelang wie eine Monstranz vor sich hergetragen, um einen beispiellosen sozialen Kahlschlag zu rechtfertigen. Die Ampel-Koalition war über diese Frage auseinandergebrochen, und Merz hatte noch im Wahlkampf beteuert, die Schuldenbremse werde eingehalten.

Doch kaum waren die Wahllokale geschlossen, riefen Union und SPD den abgewählten Bundestag zusammen, um zusammen mit den Grünen eine gigantische Kreditaufnahme für ihr Kriegsprogramm zu beschließen. Im neuen Bundestag fehlt ihnen die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Ende der transatlantischen Allianz

Liest man die Papiere einschlägiger Thinktanks und die Kommentare der deutschen Leitmedien, wird der wirkliche Zweck der gigantischen Rüstungsoffensive deutlich. Drei Ziele werden damit verfolgt: Die Lösung aus der militärischen Abhängigkeit von den USA, die nachhaltige Schwächung und imperialistische Unterwerfung Russlands und die deutsche Dominanz in Europa.

Jörg Lau schreibt in der Zeit, Donald Trumps erneute Amtsübernahme markiere „das Ende einer Epoche des Transatlantizismus in der deutschen Außenpolitik – jenes Zeitalters, in dem Regierungen jedweder Couleur selbstverständlich davon ausgingen, dass das Bündnis mit Amerika die Sicherheit und den Wohlstand Deutschlands sichert.“

Putins Angriff auf die Ukraine habe „das erschreckende Maß der Abhängigkeit Europas von den USA“ enthüllt, so Lau. Nun müsse „Merz eine deutsche Außenpolitik konzipieren, die im Zweifelsfall ohne die USA als wohlwollender Partner (oder gar mit den USA als Gegner) funktionieren könnte“.

Der Spiegel jubelte über den „Europäischen Frühling in der Sicherheitspolitik“. In einem ausführlichen, von sieben Autoren gezeichneten Artikel heißt es: „Eine Nato ohne die USA – das wäre eine Jahrhundertaufgabe, eine historische Zäsur. Aber genau die wird nun ernsthaft erwogen.“ Schon jetzt zeichneten sich „mögliche Umrisse einer europäisierten Nato ab, in der Washington keine oder kaum mehr eine Rolle spielt. Ein neues, flexibles Bündnis könnte vom türkischen Van bis ins kanadische Vancouver reichen – und im besten Fall auf die kampferprobte Ukraine zählen.“

Das Nachrichtenmagazin beschuldigt die Amerikaner, sie hätten „die Nato bewusst so ausgerichtet, dass ohne sie nicht viel funktioniert. Das Bündnis war immer auch ein Vehikel, um die Verbündeten zu kontrollieren.“ Hochauflösende Satellitenbilder, Transportflugzeuge und Geheimdiensterkenntnisse der USA hätten die Nato zusammengehalten. Viele europäische Länder hätten US-Waffen gekauft, die auf amerikanische Ersatzteile und Software-Updates angewiesen seien. Inzwischen werde in Europa gerätselt, ob das Pentagon in den Tarnkappenjet F-35 „vielleicht sogar eine Art ‚Killswitch‘ eingebaut haben könnte – einen Mechanismus, der das Flugzeug bei Bedarf unbrauchbar machen würde“.

Die Deutsche Gesellschaft für Ausländische Politik (DGAP) stößt ins selbe Horn. „Es gibt keine transatlantische Allianz mehr, wie wir sie kennen und der Zusammenhalt zwischen Europa und den USA erodiert täglich weiter,“ schreibt ihr Osteuropaexperte Stefan Meister. „Trump serviert Putin nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa, das ohne US-Sicherheitsgarantien sich selbst nicht verteidigen kann.“ Die Kosten der „deutschen und europäischen Realitätsverweigerung des letzten Jahrzehnts“ würden jetzt brutal sichtbar.

Die DGAP hat über ein Dutzend Beiträge veröffentlicht, die auf eine schnellere Aufrüstung und eine aggressivere deutsche Außenpolitik drängen. Schon die Überschriften sprechen für sich: „Eine Europäisierung der Nato ist unabdingbar“, „Für ein militärisch starkes Deutschland“, „Deutsch-französische Verteidigungskooperation: Jetzt oder nie“, „Deutschland muss wieder Impulsgeber in der EU-Handelspolitik werden“, „Gegen Chinas und Russlands Cyberaggressionen ist Cyberabwehr nicht genug“ und „Die Zeit der Naivität ist vorbei“ – um nur einige zu nennen.

Die DGAP ist die authentische Stimme des deutschen Imperialismus. 1955 von führenden Vertretern aus Politik und Wirtschaft gegründet – darunter die Banker Hermann Abs und Robert Pferdemenges – wird sie bis heute zu mehr als zwei Dritteln aus Geldern aus der Wirtschaft finanziert. Ihr derzeitiger Präsident Thomas Enders war jahrelang Chef von Airbus, des weltgrößten Flugzeugherstellers und drittgrößten europäischen Rüstungskonzerns.

Kriegshetze gegen Russland

Der Abgesang auf die transatlantische Allianz geht mit einer hysterischen Kriegshetze gegen Russland einher. Deutschland und andere europäische Mächte reagieren auf Trumps Versuche, sich mit Putin zu arrangieren, mit dem wahnwitzigen Plan, die zweitgrößte Atommacht der Welt aus eigener Kraft in die Knie zu zwingen.

Der Spiegel beruft sich auf einen pensionierten britischen General, der überzeugt ist, „dass Europa allein gegen Russland bestehen kann“. Danach müssten die europäischen Nato-Mitglieder 3,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung oder jährlich rund 250 Millionen Euro ausgeben, um die amerikanischen Fähigkeiten und Truppen zu ersetzen.

Wirtschaftlich, so der Spiegel, seien „die Europäer im Aufrüstungsrennen deutlich im Vorteil“. Russland komme nur auf ein Zehntel der Wirtschaftskraft aller europäischen Nato-Staaten. Der polnische Premier Donald Tusk habe es auf den Punkt gebracht: „500 Millionen Europäer bitten 300 Millionen Amerikaner, sie vor 140 Millionen Russen zu schützen.“

Die europäische Waffenproduktion wird massiv hochgefahren. Mit den 150 Milliarden Euro, die die EU dafür bereitstelle, sollten „explizit keine amerikanische Waffen gekauft werden“, weil es „ohne europäische Präferenz keine strategische Autonomie“ gebe, zitiert der Spiegel einen französischen Minister.

Um eine Blockade durch EU-Mitglieder wie Ungarn zu verhindern, solle der Aufbau einer europäischen Nato durch eine „Koalition der Willigen“ erfolgen, die auch Nicht-EU-Mitglieder wie Großbritannien, Norwegen und die Türkei umfasst.

„Die Türkei kontrolliert den Zugang zum Schwarzen Meer und unterhält eine 400.000 Mann starke Armee, die zweitgrößte der Nato,“ heißt es im Spiegel. „Ihre Rüstungsindustrie kann schnell Waffen liefern, Kampfdrohnen wie Artilleriegeschosse.“ Der türkische Außenminister Hakan Fidan habe die Beteiligung an einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur bereits zugesagt.

Ebenso wichtig, so der Spiegel, sei künftige Kooperation mit Kyjiw. „Niemand weiß besser als ukrainische Soldaten, wie man mit Drohnen kämpft. Die Europäer können von diesem Wissen enorm profitieren.“ Schon jetzt produziere ein deutscher Hersteller gemeinsam mit ukrainischen Kamikazedrohnen: „Alles, was Putin in Schach hält, hilft.“

Die DGAP plädiert dafür, durch eine Eskalation des Ukrainekriegs und eine weitere Expansion der EU einen Regimewechsel in Russland zu erzwingen. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass Putin mit dem Krieg gegen die Ukraine und den Westen aufhören wird, für welche auch immer geartete Konzessionen,“ schreibt Stefan Meister. „Das System Putin muss nachhaltig so geschwächt werden, dass ein politischer Wandel von innen möglich wird.“ Dabei bleibe „zentral, dass Russland die Grenzen seiner militärischen Macht in der Ukraine zu spüren bekommt.“

Der Wahnsinn dieser Strategie kann nicht übertrieben werden. Ein Regimewechsel in Moskau würde wahrscheinlich eine Fraktion an die Macht bringen, die sehr viel schneller als Putin bereit wäre, Atomwaffen einzusetzen. Figuren wie der verstorbene Alexei Nawalny, die sich völlig in den Dienst der Nato stellen, haben in Russland kaum Anhänger. Dafür sind die Erinnerungen an den deutschen Vernichtungskrieg, der 28 Millionen Einwohnern der Sowjetunion das Leben kostete, zu lebendig.

Die Behauptung, Russland werde ganz Europa erobern, wenn es in der Ukraine nicht besiegt werde, ist absurd. Dafür fehlen dem Land alle wirtschaftlichen und militärischen Voraussetzungen und auch ein politisches Motiv. Putins Einmarsch in der Ukraine war eine reaktionäre Reaktion auf das Vorrücken der Nato, das Moskau – wie die heutige Kriegshysterie bestätigt – zu Recht als Bedrohung empfand. Gerade weil Russland die nötigen Mittel fehlen, um einen konventionellen Krieg gegen ein hochaufgerüstetes Europa zu führen, ist die Gefahr besonders hoch, dass es zur Atomwaffe greift.

Aufrüstungspläne gehen lange zurück

Trumps Angriffe auf die Europäische Union, die Verhängung von Strafzöllen und der Versuch, sich über die Köpfe der Europäer hinweg mit Putin auf einen Ukraine-Deal zu einigen, haben die deutsche Aufrüstungspläne beschleunigt. Diese gehen aber viel weiter zurück.

Die herrschende Klasse Deutschlands hat sich nie damit abgefunden, dass sie nach dem Scheitern von Hitlers Vernichtungskrieg militärisch ins zweite Glied zurücktreten musste. Was sie zurückhielt, wieder zur militärischen Großmacht zu werden, war das Misstrauen der Siegermächte und vor allem der Widerstand der Arbeiterklasse.

Als die Nato 1949 gegründet wurde, hatte sie die Aufgabe, „die Amerikaner drinnen, die Russen draußen und die Deutschen am Boden zu halten“, wie es der erste Nato-Generalsekretär Lord Ismay formulierte. Die Bundesrepublik verfügte anfangs über keine eigenen Streitkräfte und wurde erst sechs Jahre später, mit der Eskalation des Kalten Kriegs gegen die Sowjetunion, in die Nato aufgenommen. Die Truppenstärke der Bundeswehr war zwar dann mit knapp 500.000 Wehrpflicht-Soldaten bald relativ hoch; sie diente aber vorwiegend der territorialen Verteidigung und befand sich vor 1999 nie im aktiven Kriegseinsatz.

Die Opposition gegen Krieg und Militarismus war in Deutschland weit verbreitet. In den 1950er Jahren protestierten, unterstützt von den Gewerkschaften, Millionen gegen die Wiederbewaffnung und gegen Bemühungen um atomare Aufrüstung. Ende der 1960er Jahre war die Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg mit einem starken Anwachsen der Wehrdienstverweigerung verbunden. Und 1982 führten Massendemonstrationen gegen die Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen zum vorzeitigen Ende der Regierung von Helmut Schmidt (SPD).

Spätestens mit der deutschen Wiedervereinigung wurden die Forderungen nach einer deutschen Großmachtpolitik lauter. 1993 erklärte der damalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel (FDP): „Als Volk von achtzig Millionen Menschen, als wirtschaftsstärkstes Land in der Mitte Europas tragen wir, ob uns das passt oder nicht, eine besondere, teilweise neue Verantwortung.“ Aufgrund seiner Mittellage, seiner Größe und seiner traditionellen Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa sei Deutschland „dazu prädestiniert, den Hauptvorteil aus der Rückkehr dieser Staaten nach Europa zu ziehen“.

1998 stimmte dann der Bundestag für den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr im Nato-Krieg gegen Jugoslawien. Wie heute wurde auch damals der bereits abgewählte Bundestag wieder einberufen. Die Grünen, die eine deutsche Kriegsbeteiligung im Wahlkampf noch strikt abgelehnt hatten, stimmten zu und ebneten damit den Weg für ihren Eintritt in die Bundesregierung. Joschka Fischer wurde Außenminister. Damals zerriss die Entscheidung für Krieg die Partei beinahe, heute sind die Grünen die schlimmsten Kriegstreiber.

2013 arbeiteten dann über 50 führende Politiker, Journalisten, Akademiker, Militärs und Wirtschaftsvertreter das Papier „Neue Macht – Neue Verantwortung“ aus, das als Blaupause für die Außenpolitik der neugebildeten Großen Koalition unter Angela Merkel diente. Die heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war damals Verteidigungsministerin und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Außenminister.

Das Papier beanspruchte für Deutschland eine internationale „Führungsrolle“. Als „Handels- und Exportnation“ lebe es wie „kaum ein anderes Land von der Globalisierung“ und brauche „die Nachfrage aus anderen Märkten sowie Zugang zu internationalen Handelswegen und Rohstoffen“. Als Ziel deutscher Militäreinsätze wurde insbesondere „das zunehmend instabil werdende europäische Umfeld von Nordafrika über den Mittleren Osten bis Zentralasien“ genannt.

Eskalation in der Ukraine

In der Ukraine erlebte diese Strategie ihre Feuertaufe. Berlin unterstützte im Februar 2014 gemeinsam mit den USA den Putsch rechtsextremer Kräfte, der einem pro-westlichen Regime an die Macht verhalf und den heutigen Krieg provozierte. David North, der Chefredakteur der World Socialist Web Site, sagte kurz danach in seiner Rede zur internationalen Maikundgebung 2014:

Dem deutschen Imperialismus bietet die Konfrontation mit Russland einen willkommenen Vorwand, die Zurückhaltung abzustreifen, die er sich nach den unaussprechlichen Verbrechen des Dritten Reichs unter Hitler in Sachen Militarismus auferlegen musste. In den letzten Monaten haben die deutschen Medien eine immer schrillere Propagandakampagne geführt, die sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen die tief verwurzelte Ablehnung jeder Art von Krieg in der deutschen Arbeiterklasse richtet. …

Hinter dieser Propaganda stehen handfeste wirtschaftliche und geopolitische Interessen. Der Bundespräsident hat erklärt, dass Deutschland aufgrund seines Gewichts in der Weltwirtschaft über eine militärische Stärke verfügen müsse, die zur Sicherung seiner geopolitischen Gesamtinteressen ausreiche. Wie schon im 20. Jahrhundert richtet Deutschland seine Blicke erneut begehrlich auf die Schwarzmeerregion, den Kaukasus, den Nahen Osten, Zentralasien und die riesigen Flächen Russlands.

Elf Jahre und mehrere Hunderttausend Kriegstote später nimmt diese imperialistische Kriegspolitik neue Dimensionen an. Um seine wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen zu verfolgen, steckt der deutsche Imperialismus nicht nur Unsummen in die Aufrüstung, er nimmt auch die Gefahr der nuklearen Vernichtung in Kauf.

Er folgt dabei seinen traditionellen Spuren. Schon im Ersten Weltkrieg standen Russland und die Ukraine und im Zweiten die Sowjetunion im Fokus des deutschen Imperialismus. Und wie damals bemühte er sich, Europa zu dominieren, um seine Ziele zu erreichen. Das ist auch heute wieder so.

Der Politologe Herfried Münkler, der sich seit langem für eine Stärkung des deutschen Militarismus einsetzt, sieht darin eine der wichtigsten Aufgaben des Aufrüstungsprogramms. „Die Deutschen müssen vor allen Dingen mit relativ viel Geld auftreten, um die Führungsposition innerhalb Europas wieder an sich zu ziehen,“ sagte er im Pioneer-Podcast.

Die Konfrontation mit Trump lässt die europäischen Mächte gegenwärtig etwas enger zusammenrücken. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron bemüht sich um den Aufbau einer Europäischen Armee und hat sein Angebot wiederholt, französische Atomwaffen zum Schutz ganz Europas einzusetzen – wobei die Entscheidung über ihren Einsatz ausschließlich dem französischen Präsidenten vorbehalten bleiben soll.

Großbritannien beteiligt sich trotz Brexit an europäischen Treffen und will die Ukraine im Krieg gegen Russland weiter unterstützen. Und Polen arbeitet bei der Aufrüstung eng mit Deutschland und Frankreich zusammen.

Doch die Konfrontation mit den USA, rivalisierende wirtschaftliche und geopolitische Interessen, der Kampf um lukrative Rüstungsaufträge und wachsende innenpolitische Spannungen werden die Konflikte innerhalb Europas, die den Kontinent zum Schauplatz zweier Weltkriege machten, unweigerlich wieder aufbrechen lassen. Weder Frankreich noch Großbritannien oder Polen, das im Zweiten Weltkrieg von Deutschland verwüstet wurde, sind bereit, die von Münkler beschworene deutsche „Führungsposition innerhalb Europas“ zu akzeptieren.

Nur die Arbeiterklasse kann den Rückfall in Krieg und Barbarei stoppen. Die objektiven Voraussetzungen dafür entwickeln sich schnell. Schon jetzt wird Europa immer wieder von heftigen Klassenkämpfen und Protesten erschüttert. Doch diese Kämpfe brauchen eine Perspektive. Die Arbeiterklasse muss sich vom lähmenden Einfluss der Gewerkschaften und der pseudolinken Organisationen lösen, die das Kriegsprogramm offen unterstützen oder den Widerstand dagegen in die Sackgasse ohnmächtiger Appelle an die Herrschenden lenken.

Sie muss sich in unabhängigen Aktionskomitees organisieren und europaweit zusammenschließen. Sie muss den Kampf gegen Sozialabbau, bessere Löhne und für demokratische Rechte mit dem Kampf gegen Krieg und seine Ursache, den Kapitalismus verbinden. Die Superreichen und die großen Konzerne müssen enteignet und die Wirtschaft an den gesellschaftlichen Bedürfnissen statt an Profiten ausgerichtet werden. Das Ziel muss der Aufbau Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa sein.

Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterorganisationen im Internationalen Komitee der Vierten Internationale.