Experten sprechen vom folgenreichsten Angriff auf die Gesundheitsvorsorge in der neueren Geschichte der USA: Auf Betreiben der Trump-Regierung hat die US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) beschlossen, Neugeborene nicht mehr innerhalb von 24 Stunden gegen Hepatitis B zu impfen.
Mit dieser Entscheidung wird der jahrzehntelange Standard aufgehoben, die erste Dosis dieser Impfung unmittelbar nach der Geburt zu verabreichen. Damit wird ein Eckpfeiler der Immunisierungsstrategie aufgehoben, die Millionen Säuglinge vor einer lebenslangen, unheilbaren Virusinfektion geschützt hat. Die frühe erste Dosis ist erforderlich, weil die Infektion bei Müttern oft ohne Symptome verläuft und beim Screening nicht immer erkannt wird. Die sofortige Impfung hat dazu beigetragen, die Zahl der Hepatitis-B-Infektionen bei Kindern seit 1991 um mehr als 95 Prozent zu senken.
Das jüngste Votum des Beratenden Ausschusses für Impfpraktiken (ACIP) der CDC ist Teil der Demontage des öffentlichen Gesundheitswesens unter Trump und seinem Gesundheitsminister Kennedy. Unter dem Deckmantel der „Freiheit beim Gesundheitsschutz“ werden Institutionen und Strukturen zerstört, die Millionen Menschen vor Infektionskrankheiten geschützt haben.
Im Rahmen ihres umfassenden Kriegs gegen die Wissenschaft demontiert die Trump-Regierung gezielt unverzichtbare Strukturen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Zu Beginn dieses Jahres entließ Kennedy alle 17 Mitglieder des damaligen Beratenden Ausschusses ACIP, der sich traditionell aus Experten für Impfstoffe, Infektionskrankheiten, Epidemiologie und Immunologie zusammensetzt, und ersetzte sie durch Impfgegner.
Die Entscheidung des neuen Ausschusses, die Hepatitis-B-Impfung hinauszuschieben, steht im Widerspruch zu sämtlichen Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten aus den letzten 40 Jahren. Das Forschungszentrum für Infektionskrankheiten (CIDRAP) an der University of Minnesota hatte offenbar erwartet, dass die Trump-Regierung, den Behandlungsstandard untergraben wird, und eine unabhängige Bestandserhebung vorgenommen. Unter der Leitung von Dr. Angela K. Ulrich und Dr. Michael T. Osterholm analysierte das CIDRAP mehr als 400 Studien aus vierzig Jahren. Ihre Schlussfolgerung war eindeutig: „Es gibt keine neuen Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass eine Verschiebung der Impfung sicherer oder wirksamer wäre.“
Der Bericht bestätigt, dass die Impfung direkt nach der Geburt die Übertragung einer Infektion durch die Mutter um 70 Prozent verringert. Der Schutz steigt auf bis zu 97 Prozent, wenn der reguläre Impfstoff mit Hepatitis‑B‑Immunglobulin kombiniert wird. Außerdem wurde kein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung direkt nach der Geburt und schwerwiegenden Nebenwirkungen festgestellt. Dies widerlegt die pseudowissenschaftlichen Begründungen, mit denen die Verzögerung gerechtfertigt wurde.
Diese Erkenntnisse beruhen auf umfangreichen historischen Daten. Eine CDC-Analyse aus dem Jahr 2024 unter der Leitung des Gesundheitsökonomen und Impfexperten Dr. Fangjun Zhou gelangt zu der Schätzung, dass die durch die Standardimpfungen von Kindern, die zwischen 1994 und 2023 geboren wurden, 508 Millionen Erkrankungen und 1,1 Millionen Todesfälle verhindert wurden. Die dadurch eingesparten gesellschaftlichen Kosten belaufen sich auf fast 2,7 Billionen Dollar.
Der ACIP begründete seine Entscheidung, Neugeborene nicht mehr gegen Hepatitis B zu impfen, mit theoretischen Bedenken hinsichtlich der „kumulativen Wirkung“ von Impfstoffen und bestimmten Hilfsstoffen wie Aluminiumadjuvantien. Die neu ernannten ACIP-Mitglieder wurden mit der Untersuchung der Frage beauftragt, ob „die beiden verschiedenen Aluminiumadjuvantien das Asthmarisiko erhöhen“.
Aber dieses Thema wurde bereits erforscht. Im Juli 2025 berichtete die Zeitschrift Annals of Internal Medicine über eine bahnbrechende landesweite Kohortenstudie unter der Leitung von Dr. Niklas Worm Andersson vom Statens Serum Institut in Dänemark. Bei einer Untersuchung von 1,2 Millionen Kindern hatten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen Impfstoffen mit Aluminium-Hilfsstoffen und Autoimmunerkrankungen bzw. allergischen oder neurologischen Entwicklungsstörungen besteht, einschließlich Autismus und Asthma.
Auch die Folgen des jetzigen Politikwechsels wurden bereits detailliert modelliert. Die Projektionen zeigen einen erheblichen Anstieg von vermeidbaren Krankheiten, Krebs, Todesfällen und langfristigen Gesundheitskosten.
In einer Preprint-Studie mit dem Titel „Economic Evaluation of Delaying the Infant Hepatitis B Vaccination Schedule“ (Wirtschaftliche Bewertung der Verschiebung der Hepatitis-B-Impfung bei Säuglingen) bewertete Eric W. Hall von der Oregon Health & Science University die lebenslangen klinischen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer Verschiebung der ersten Impfdosis für die US-Geburtskohorte 2024. Das Modell berücksichtigt die Gegebenheiten des US-Gesundheitssystems – einschließlich der erwiesenen Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Impfserie drastisch sinkt, wenn die erste Dosis nicht direkt nach der Geburt im Krankenhaus verabreicht wird.
Nach Halls Modellierung würde selbst eine kurze Verzögerung der ersten Dosis bis zum Alter von zwei Monaten bei Säuglingen, deren Mütter unerkannt infiziert sind, zu 1.437 zusätzlichen akuten Hepatitis-B-Infektionen bei Kindern, 304 zusätzlichen Fällen von Leberkrebs, 482 zusätzlichen HBV-bedingten Todesfällen und 222 Millionen Dollar an zusätzlichen Gesundheitskosten jährlich führen.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Entscheidung des ACIP in der Ärzteschaft und im öffentlichen Gesundheitswesen einen Aufschrei ausgelöst hat. Der Berufsverband der Kinderärzte AAP nannte die Verzögerung „eine direkte Gefahr für die Sicherheit von Säuglingen“ und warnte, dass sie „allen wichtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht, die in vier Jahrzehnten gesammelt wurden“. Die Fachgesellschaft für Infektionskrankheiten IDSA verurteilte das Votum als „Abkehr von den Standards, die Kinder vor vermeidbaren Krankheiten schützen“. Das Wissenschaftsforum Association of Immunization Managers, in dem Vertreter staatlicher und regionaler Impfprogramme zusammenkommen, warnte davor, dass die Verschiebung „die Integrität der Impfpläne im ganzen Land untergraben wird“.
Mitglieder der CDC Alumni Association, eines Dachverbands ehemaliger Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden, bezeichneten das Votum als „eine gravierende Abkehr von evidenzbasierter Praxis“ und warnten vor „unnötigen und irreversiblen Schäden“. Mehrere ehemalige Leiter des Immunization Safety Office, das für die Überwachung der Sicherheit von Impfstoffen in den USA zuständig ist, erklärten, dass die Entscheidung „keinen wissenschaftlichen Sinn ergibt und gegen das Vorsorgeprinzip verstößt, das die Impfpolitik seit Jahrzehnten bestimmt“. Die Warnungen kommen also genau von den Wissenschaftlern, die die aktuelle Impf-Infrastruktur der USA aufgebaut haben. Sie unterstreichen den beispiellosen Charakter der jetzigen Demontage.
Die Entscheidung, die erste Dosis der Hepatitis-B-Impfung nicht mehr direkt nach der Geburt zu verabreichen, ist Ausdruck der umfassenden Umstrukturierung des amerikanischen Gesundheitswesens durch die Trump Regierung und ihren Gesundheitsminister Kennedy. Mit der Besetzung der Gesundheitsbehörden durch rechtsextreme Impfgegner wurden die Voraussetzungen geschaffen, den gesamten Impfplan für Kinder und die wissenschaftlichen Normen, die ihn einst bestimmten, schrittweise zu demontieren.
Dies ist Teil eines umfassenderen Kriegs gegen die Arbeiterklasse und alle noch verbliebenen Sozialprogramme. Die Trump-Administration verfolgt in allen Bereichen die gleiche Strategie: Abbau von Umweltvorschriften, Abbau des öffentlichen Bildungswesens, Militarisierung der Polizei und Kriminalisierung der politischen Opposition.
Dieser Umbruch hat allerdings schon vor Trump begonnen. Die politischen und institutionellen Voraussetzungen für das Schleifen des öffentlichen Gesundheitswesens wurden von der Biden-Administration geschaffen. Es war Biden, der 2022 voreilig erklärte, die Pandemie sei „vorbei“. Es war Biden, der alle Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19-Erregers abschaffte, die Bundesmittel für Tests und Behandlungen strich, die Maskenpflicht blockierte und Millionen Menschen zurück in unsichere Betriebe und Schulen zwang.
Mit ihrer „Forever COVID“-Politik erhoben Demokraten und Republikaner gleichermaßen Masseninfektionen, Krankheiten und Todesfälle zur Normalität und gaben das Grundprinzip auf, dass der Schutz der öffentlichen Gesundheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Dadurch wurde das politische Umfeld geschaffen, in dem Trump und Kennedy jetzt offen daran gehen können, die letzten Reste einer evidenzbasierten Strategie abzuschaffen.
Wir haben es hier mit einer Klassenoffensive zu tun. Die Zerstörung des öffentlichen Gesundheitsschutzes ist ein Angriff auf die Arbeiterklasse, die auf eine soziale Infrastruktur angewiesen ist, dir ihr einen gewissen Schutz vor Krankheit, Ausbeutung und Armut bietet. Die Streichung der Hepatitis-B-Impfung nach der Geburt ist Teil der umfassenden Beseitigung von Errungenschaften, die in mehr als hundert Jahren erkämpft wurden: Impfstoffe, Normen gegen Luftverschmutzung, Arbeitsschutz, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und öffentliche Bildung.
Die Verteidigung des öffentlichen Gesundheitsschutzes ist untrennbar mit der Verteidigung aller demokratischen und soziale Rechte verbunden. Sie kann keiner Fraktion innerhalb der herrschenden Klasse anvertraut werden. Die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse ist die einzige Möglichkeit, den Abstieg in eine Diktatur zu stoppen. Die Verteidigung der Wissenschaft – der echten Wissenschaft, die sich auf Beweise stützt und dem Wohlergehen der Menschen dient – erfordert den Umsturz des kapitalistischen Systems, das das Leben dem Profit unterordnet.
Wir rufen Wissenschaftler, Beschäftigte im Gesundheitswesen, Erzieher, Studierende und alle Arbeiter, die diese Gefahr erkennen, dazu auf, sich dem Kampf für den Sozialismus anzuschließen.
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