IKVI
Das IKVI verteidigt den Trotzkismus 1982–1986

„Moral und die revolutionäre Partei“

News Line-Artikel von Mike Banda vom 2. November 1985

Es sind nun auf den Tag vier Monate her, seit der Brief von Aileen Jennings dem Politischen Komitee der Workers Revolutionary Party vorgelesen wurde.

In diesen vier Monaten hat die Partei eine unwiderrufliche qualitative Veränderung durchgemacht und ist durch die traumatischsten und unvergesslichsten Erfahrungen gegangen. Zum ersten, und möglicherweise letzten Mal, ist die Partei nicht wegen taktischen und programmatischen Fragen gespalten worden, sondern aufgrund der absolut grundlegenden Frage der revolutionären Moral.

Die Spaltung hat über die Beziehung der Geschlechter in der Partei und über das Recht der Partei stattgefunden, die Grundrechte ihrer Mitglieder zu verteidigen und jeden Führer, der seine Autorität und die ihm von der Partei anvertraute Macht missbraucht, zu richten und zu disziplinieren.

Jede Partei und Führung, die auf irgendeine Weise den Missbrauch politischer Macht zur persönlichen Begünstigung toleriert oder rechtfertigt, öffnet die Tür zur bürokratischen Degeneration.

Das frühere Zentralkomiteemitglied der Workers Revolutionary Party, Gerry Healy, hat das grundlegendste Prinzip des Bolschewismus verletzt, das Prinzip über das Lenin 1903 von den Menschewiki gespalten hat.

Seine Weigerung, sich gegenüber dem Zentralkomitee, dem höchsten Gremium der Partei zwischen den Kongressen, zu rechtfertigen, stellte einen vollständigen und unwiderruflichen Bruch mit den Prinzipien dar, von denen er bisher behauptet hatte, er verteidige sie.

Der Bolschewismus lehrt, dass keine Person höher als die revolutionäre Partei stehen kann, das historisch bestimmte Instrument für den Kampf um die Arbeitermacht.

Oder wie es Trotzki in „Der Neue Kurs“ ausgedrückt hat:

Leninismus bedeutet eine wirkliche Unabhängigkeit von formalen Vorurteilen, vom moralisierenden Dogmatismus, und überhaupt von jeder Art geistigem Konservativismus, der den Willen zur revolutionären Aktion einengen will.

Es wäre aber ein verhängnisvoller Fehler anzunehmen, Leninismus bedeute: ‚Alles ist erlaubt.‘ Der Leninismus besitzt zwar keine formale Moral, dafür aber die wirkliche, revolutionäre Moral der Massenaktion und der Massenpartei.

Nichts ist dem Leninismus so fremd, wie Funktionärshochmut und bürokratischer Zynismus. Eine Massenpartei hat ihre eigene Moral, die in der Verbindung der Kämpfer in der Aktion und für die Aktion besteht.

Die Demagogie ist mit dem Geist einer proletarischen Partei schon deshalb unvereinbar, weil sie verlogen ist: Indem sie in diesem oder jenem Fall eine simplifizierte Lösung der augenblicklichen Schwierigkeiten anbietet, untergräbt sie unvermeidlich die Zukunft und schwächt das Selbstvertrauen der Partei. (Leo Trotzki, Der Neue Kurs, S. 65)

Das ist der Kern der politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Workers Revolutionary Party und der Anti-Partei-Gruppe. Ihre Philosophie stützt sich auf das Prinzip „Alles ist erlaubt“. Das ist Positivismus und Pragmatismus.

Das Wesen ihrer Position ist, dass es nichts Derartiges wie Prinzipien gebe, dass es nichts derartiges wie objektive Wahrheit und daher kein Absolutes in jedem Relativen gebe.

Das Kriterium ist daher reine Zweckmäßigkeit und Opportunismus, während die Wahrheit nur in dem besteht, was für ein Individuum oder eine bestimmte Clique als profitabel und nützlich erachtet wird.

Es ist eine vollkommen individualistische Philosophie, die den Willen des Individuums, des großen Führers, und den Kult der persönlichen Unfehlbarkeit verherrlicht, den sie der sogenannten „Herrschaft des Pöbels“ gegenüberstellt, der Bewegung der Massen‚ die die gesetzmäßige historische Notwendigkeit zum Ausdruck bringt.

Damit soll nicht die Rolle von Führern, ihres Willens und ihres Bewusstseins in der Geschichte geleugnet werden. Aber die Methoden und Anschauungen einer Anti-Partei-Gruppe, die den Willen der demokratischen Mehrheit in der Partei ablehnt, lehnen auch die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse und vor allem ihrer Vorhut in Form der revolutionären Partei ab.

Wie wiederum Trotzki in seiner Geschichte der russischen Revolution sagte:

Die Massen gehen in die Revolution nicht mit einem fertigen Plan der gesellschaftlichen Neuordnung hinein, sondern mit dem scharfen Gefühl der Unmöglichkeit, die alte Gesellschaft länger zu dulden.

Nur die führende Schicht der Klasse hat ein politisches Programm, das jedoch noch der Nachprüfung durch die Ereignisse und der Billigung durch die Massen bedarf. ... Nur auf Grund des Studiums der politischen Prozesse in den Massen selbst kann man die Rolle der Parteien und Führer begreifen, die zu ignorieren wir am allerwenigsten geneigt sind.

Sie bilden, wenn auch kein selbständiges, so doch ein sehr wichtiges Element des Prozesses. Ohne eine leitende Organisation würde die Energie der Massen verfliegen wie Dampf, der nicht in einem Kolbenzylinder eingeschlossen ist.

Die Bewegung erzeugt indes weder der Zylinder noch der Kolben, sondern der Dampf. (Leo Trotzki, Geschichte der russischen Revolution, Bd. 1, S. 8/9)

Die Arroganz, der Zynismus, die perverse Gleichgültigkeit und Feindschaft gegen den demokratischen Zentralismus sind nicht nur ein deutlicher Ausdruck der reaktionären, subjektiv idealistischen Anschauungen dieser Gruppe, sondern tragen auch das unmissverständliche Kennzeichen einer reaktionären, kleinbürgerlichen Clique.

Sie ist nicht bereit, sich den historischen. Interessen der Arbeiterklasse, repräsentiert durch die revolutionäre Partei, ihre organisatorischen Regeln und Disziplin unterzuordnen.

Eine derartige Gruppe kann und wird keinen revolutionären Kampf zum Sturz des Kapitalismus führen. Aber sie sind vollkommen in der Lage, die konterrevolutionäre Arbeiterbürokratie und den Imperialismus selbst gegen die Revolution zu unterstützen.

Darin bestand das Wesen ihres gescheiterten Versuchs, in der Workers Revolutionary Party eine Konterrevolution zu organisieren. Die Moral der revolutionären Partei ist die unverzichtbare Grundlage für die Organisierung der Partei, die Mobilisierung der Massen und den Sturz des imperialistischen Staats.

Wir wollen das Schlusswort Trotzki überlassen:

Der Bolschewismus hat den Typ des wahren Revolutionärs geschaffen, der den historischen, mit der bestehenden Gesellschaft nicht zu versöhnenden Zielen die Bedingungen seines persönlichen Daseins, seine Ideen, seine sittlichen Kriterien unterwirft.

Die nötige Distanz zur bürgerlichen Ideologie wurde in der Partei durch die wachsame Unversöhnlichkeit, deren Inspirator Lenin war, aufrechterhalten. Er wurde nicht müde, mit der Lanzette zu arbeiten, um jene Bindungen zu zerschneiden, die die kleinbürgerliche Umgebung zwischen Partei und offizieller öffentlicher Meinung schuf.

Gleichzeitig lehrte Lenin die Partei, sich eine eigene öffentliche Meinung zu formen, die sich auf Gedanken und Gefühle der emporsteigenden Klasse stützt. So schuf sich die bolschewistische Partei durch Auslese und Erziehung in ständigem Kampfe nicht nur ihr politisches, sondern auch ihr moralisches, von der bürgerlichen öffentlichen Meinung unabhängiges und dieser unversöhnlich entgegengesetztes Milieu.

Nur dies allein hat den Bolschewiki ermöglicht, die Schwankungen in den eigenen Reihen zu überwinden und durch die Tat jene kühne Entschlossenheit zu entwickeln, ohne die der Oktobersieg nicht möglich gewesen wäre. (ebd., Bd. 2/2, S. 831)

Aus diesem Grund muss und wird die Redgrave-Healy-Gruppe ausgeschlossen und die Partei von dieser korrupten, bürokratischen Degeneration gereinigt werden, und ebenso von ihren reaktionären, subjektiv idealistischen Anschauungen und Methoden.