Partei für Soziale Gleichheit
Historische Grundlagen der Sozialistischen Gleichheitspartei

Die Socialist Labour League verteidigt den Trotzkismus

141. Die internationale Stabilisierung des Kapitalismus erweiterte in den 1950er und 60er Jahren den Handlungsspielraum der reformistischen, stalinistischen und bürgerlich-nationalistischen Bewegungen. Soziale Reformen und die Unabhängigkeit ehemaliger Kolonien nährten die Illusion, durch eine Politik nationaler Reformen ließen sich dauerhafte Errungenschaften erzielen und die Widersprüche des Kapitalismus überwinden. Das Internationale Komitee kämpfte unbeugsam gegen diese Illusionen und den damit verbundenen wachsenden Druck des Revisionismus. Die führende Rolle spielten dabei die britischen Trotzkisten unter der Führung Gerry Healys.

142. 1963 kapitulierte die amerikanische SWP vor dem Pablismus. Sie verwarf die Grundsätze, die sie zehn Jahre zuvor im Offenen Brief verteidigt hatte, und schloss sich mit den Pablisten zum Vereinigten Sekretariat zusammen. Die Wiedervereinigung erfolgte ohne Klärung der Streitfragen von 1953; sie wurden unter Hinweis auf eine „neue Weltrealität“ für irrelevant erklärt. Im Vordergrund stand die gemeinsame Einschätzung, dass in Kuba nach der Machtergreifung der bürgerlich-nationalistischen Guerillabewegung Fidel Castros ein Arbeiterstaat entstanden sei. Aus den Verstaatlichungsmaßnahmen des Castro-Regimes zog die SWP den Schluss, dass eine Revolution auch mit „stumpfen Waffen“ unter der Führung „unbewusster Marxisten“ gemacht werden könne, die dann unter dem Druck objektiver Umstände und ohne aktive Beteiligung der Arbeiterklasse den Sozialismus einführten. Die Bewunderung der SWP für den Castrismus und den Guerillakampf in Lateinamerika ging mit einer Anpassung an die kleinbürgerliche Protestpolitik in den Vereinigten Staaten einher. [79]

143. Die britische Socialist Labour League lehnte diese Auffassung ab. Die Behauptung, kleinbürgerliche Guerillaführer könnten Arbeiterstaaten errichten, ohne dass auch nur ansatzweise Herrschaftsorgane der Arbeiterklasse existieren, stellte die gesamte Perspektive der proletarischen Revolution in Frage. 1961 schrieb die SLL in einem Brief an die SWP: „Ein wesentlicher Bestandteil des revolutionären Marxismus in unserer Epoche ist die Theorie, dass die nationale Bourgeoisie in den unterentwickelten Ländern unfähig ist, den Kapitalismus zu besiegen und einen unabhängigen Nationalstaat zu errichten.“ Unter Hinweis auf ähnliche Bewegungen in Afrika und Asien fuhr die SLL fort: „Trotzkisten sind nicht dazu da, die Rolle solcher nationalistischer Führer aufzuwerten. Diese verfügen nur deshalb über das Vertrauen der Massen, weil die sozialdemokratischen und besonders die stalinistischen Führungen verraten haben. Daher werden sie zu Puffern zwischen dem Imperialismus und den Arbeiter – und Bauernmassen. Die Möglichkeit wirtschaftlicher Hilfe aus der Sowjetunion versetzt sie oft in die Lage, gegenüber den Imperialisten höher zu pokern. Sie ermöglicht es radikaleren Elementen unter den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führern sogar, imperialistischen Besitz anzugreifen und größere Unterstützung bei den Massen zu gewinnen. Die entscheidende Frage für uns aber ist in jedem Fall, dass die Arbeiterklasse in diesen Ländern durch eine marxistische Partei ihre politische Unabhängigkeit herstellt, die arme Bauernschaft zum Aufbau von Sowjets führt und die notwendigen Verbindungen zur internationalen sozialistischen Revolution erkennt. In keinem Fall sollten Trotzkisten unserer Meinung nach diese Strategie durch die Hoffnung ersetzen, dass die nationalistische Führung sozialistisch werde. Die Befreiung der Arbeiterklasse ist die Aufgabe der Arbeiter selbst.“ [80]

144. In einem anderen Brief aus demselben Jahr wies die SLL eine Annäherung an die Pablisten kategorisch zurück: „Die größte Gefahr für die revolutionäre Bewegung ist das Liquidatorentum, das sich aus der Kapitulation vor der Stärke des Imperialismus, vor den bürokratischen Apparaten der Arbeiterbewegung oder vor beidem ergibt. Noch unverkennbarer als 1953 vertritt der Pablismus heute diese liquidatorische Tendenz in der internationalen marxistischen Bewegung.... Gerade weil die Möglichkeiten, die sich dem Trotzkismus eröffnen, so gewaltig sind und daher die Notwendigkeit politischer und theoretischer Klarheit so groß ist, müssen wir uns nachdrücklich gegenüber dem Revisionismus in allen seinen Formen abgrenzen. Es ist an der Zeit, die Periode zu beenden, in der der pablistische Revisionismus als eine Strömung innerhalb des Trotzkismus betrachtet wurde. Wenn wir das nicht tun, können wir uns nicht für die revolutionären Kämpfe rüsten, die jetzt beginnen.“ [81]

145. Nur ein Jahr nach der Vereinigung der SWP mit den Pablisten bestätigten sich die Warnungen der SLL in Ceylon (Sri Lanka). Mit der Lanka Sama Samaja Party (LSSP) beteiligte sich dort 1964 erstmals eine trotzkistische Partei an einer bürgerlichen Koalitionsregierung. Die LSSP, die vorher auch unter tamilischen Arbeitern viel Unterstützung genossen hatte, beugte sich dem singhalesischen Chauvinismus und leitete so die verhängnisvolle Entwicklung ein, die zum dreißigjährigen Bürgerkrieg mit fast 100.000 Opfern führte. Das pablistische Vereinigte Sekretariat war für diesen Verrat mitverantwortlich. Es hatte eine Diskussion über den opportunistischen Kurs der LSSP systematisch unterdrückt.

146. Der beharrliche Kampf, den die britischen Trotzkisten gegen die Vereinigung der SWP mit den Pablisten führten, bereitete den Boden für die Gründung der amerikanischen Workers League (WL) und der srilankischen Revolutionary Communist League (RCL). Die Workers League ging aus einer Minderheitsfraktion hervor, die von 1961 bis 1964 unter der Führung von Tim Wohlforth innerhalb der SWP gegen deren wachsenden Opportunismus kämpfte. Sie arbeitete eng mit der britischen SLL zusammen und bemühte sich auf deren Rat, die zentralen Fragen der internationalen Perspektiven zu klären und Fraktionskonflikte über zweitrangige politische Differenzen und Organisationsfragen zu vermeiden. Auch nach dem Vereinigungskongress von 1963 strebte sie weiterhin eine prinzipielle politische Diskussion innerhalb der SWP an. Die Ereignisse in Ceylon spitzten den Konflikt in der SWP jedoch enorm zu. Die Minderheit wurde ausgeschlossen, nachdem sie in einem Brief an die SWP-Mitgliedschaft eine Diskussion über die Hintergründe des Verrats der LSSP gefordert hatte. Sie bildete das Amerikanische Komitee der Vierten Internationale (ACFI) und gründete im November 1966 die Workers League. In Ceylon führte Gerry Healy persönlich eine politische Offensive gegen den Verrat der LSSP. Sie fand unter den besten Teilen der studentischen Jugend Resonanz, die 1968 nach einem mehrjährigen politischen Klärungsprozess die Revolutionary Communist League gründeten, mit Keerthi Balasuriya als Generalsekretär. Aufgrund seines langjährigen Kampfs gegen den pablistischen Opportunismus war der Kader der WL und der RCL in den historischen Prinzipien der Vierte Internationale verankert. Im Kampf gegen die Degeneration der britischen Sektion, die 1985/86 mit dem Internationalen Komitee brach, sollte sich dies als entscheidend erweisen.


[79]

Siehe: David North, Das Erbe, das wir verteidigen,,Kapitel 20 ff.

[80]

Zitiert in: ebd., S. 371-372

[81]

ebd., S. 369-370