Im Verlaufe des Jahres 1983 legte Cliff Slaughter, der insgeheim mit Healy zusammenarbeitete, den Grundstein für eine politische Provokation gegen die Workers League, die als Organisation der amerikanischen Trotzkisten solidarisch mit dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale zusammenarbeitet. Im April 1983 nahm Slaughter einen Kommentar, der vor mehreren Wochen im Bulletin (der amerikanischen zweimal wöchentlich erscheinenden Parteizeitung) erschienen war, und benutzte die Philosophie als Vorwand, die Workers League anzugreifen. Der Kommentar hatte in einer kurzen Anmerkung zum 100. Todestag von Karl Marx und einer Würdigung seiner Arbeit nicht besonders auf den Beitrag des klassischen deutschen Idealismus zur Entwicklung der materialistischen Dialektik hingewiesen. Obwohl dies kaum besondere Aufmerksamkeit verdient hätte und obwohl Slaughter wusste, dass der Sekretär der Workers League, North, den Kommentar nicht geschrieben hatte (er befand sich in Großbritannien, als er veröffentlicht wurde), sandte der IK-Sekretär einen ernsten Brief an die Workers League, in dem er behauptete, dass innerhalb der amerikanischen Organisation irgendetwas furchtbar falsch laufen müsse.
Drei Monate später beschwerte sich Slaughter in einem weiteren Brief an die Workers League darüber, dass er keine schriftliche Antwort erhalten habe und verlangte, dass seine Kritik beantwortet werde:
Ihr werdet Euch erinnern, dass ich Euch einen kurzen Brief geschickt habe, in dem ich Euch auf bestimmte Sätze in einem ‚Bulletin‘-Kommentar aufmerksam machte. In diesem Kommentar wurde Marx' theoretischer Beitrag behandelt, ohne auf den wesentlichen Inhalt der dialektischen Methode einzugehen, die durch die ‚Negation‘ der Hegelschen Philosophie zustandezu Stande kam. Ich gehe davon aus, dass Ihr diesen Brief bekommen habt, und eine Antwort erwartet werden kann. (13. Juli 1983)
Bevor er diese Briefe schickte, hatte Slaughter den nordamerikanischen Kontinent seit mehr als 5 Jahren nicht mehr betreten. Damals war er gekommen, um angeblich an einem Wochenendtreffen des Zentralkomitees der Workers League teilzunehmen. Er verpasste aber die Hälfte der Sitzungen, weil er mehr daran interessiert war, auf der Suche nach Max Raphaels Studie über Pablo Picasso durch die New Yorker Buchläden zu stöbern, als die Probleme der amerikanischen Bewegung zu diskutieren. Dann musste er, noch bevor das ZK-Treffen zu Ende war, am Montagnachmittag schnellstens zum Flughafen gebracht werden, damit er eine geplante Vorlesung an der Universität von Bradford nicht versäumte. Für die Kosten eines Transatlantik-Rückflug-Tickets, das die Workers League bezahlt hatte, hatten die amerikanischen Genossen das Vergnügen, für ein paar Stunden seine Gesellschaft zu genießen. Nun gab Slaughter vor, er habe auf der Grundlage eines Kommentars, der nicht er wähnt hatte, dass Marx in Hegels Schuld steht, ernsthafte Schwächen innerhalb der Workers League auf gedeckt. Man muss noch hinzufügen, dass diese beiden Briefe die ersten waren, die die Workers League in sechs Jahren von Slaughter erhalten hatte und nur die zweiten in acht Jahren.
Im Oktober 1983 gab North auf einem Treffen des Internationalen Komitees einen ausführlichen Bericht über die politische Situation in den Vereinigten Staaten und die Pläne der Workers League, in die Präsidentschaftswahlen 1984 einzugreifen. Grundlage dafür sollte der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von den beiden großen kapitalistischen Parteien sein. Diesem Ziel diente die Forderung nach einer Arbeiterpartei, gestützt auf die Gewerkschaften. Gemäß einem vor der Sitzung mit Healy ausgearbeiteten Plan äußerte sich Slaughter beunruhigt darüber, dass Norths Bericht sich nicht auf den Fortschritt des Kampfes für den dialektischen Materialismus in den Vereinigten Staaten konzentriert habe.
Sodann mischte sich Banda ein, nachdem er einen flüchtigen Blick auf die Schlagzeile des neuesten Bulletin geworfen hatte: Reagan ist ein Lügner. Das bezog sich auf Reagans Ansprache an die Nation, in der er die US-Invasion auf Grenada gerechtfertigt hatte. Banda erhob Einwände gegen die Schlagzeile; sie hätte lauten müssen „Hände weg von Grenada“ und bedeute eine vollständige Ablehnung des revolutionären Defätismus. North wies diesen Angriff zurück und sagte, Banda hätte besser zuerst die Zeitung gelesen, bevor er die Haltung der Workers League zu der Invasion angreife. Er machte darauf aufmerksam, dass die Schlagzeile, die Banda vorschlug – „Hände weg von Grenada“ – in einem anderen Teil der Zeitung erschien. Als das Treffen beendet war, entschuldigte sich Banda bei North und sagte, er werde die IK-Delegierten darüber informieren, dass er seine Kritik zurückgenommen habe.
Aber nach diesem IK-Treffen entschied Slaughter, den Angriff auf die Workers League weiterzutreiben. Er behauptete, ein weiteres Studium des Bulletin habe ihn davon überzeugt, dass die Workers League tatsächlich keine revolutionäre defätistische Position eingenommen habe. Später, als die WRP auseinander brach, sollte Slaughter zugeben, dass dieser gesamte Vorfall von der WRP-Führung ausgeheckt worden war, um sich an der Workers League wegen deren Kritik von 1982 zu rächen. (Eine Abschrift seiner Äußerungen ist vorhanden).
In einem Brief, den die Workers League Anfang Dezember 1983 erhielt (er war nicht datiert), griff Slaughter den Bericht an, den North auf dem Treffen vom Oktober gegeben hatte. Er kritisierte dessen „starke Betonung der ‚politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse‘ “ und warnte davor, dass dies „die Gefahren zeigt, dass wir an diesen grundlegenden Lehren von Trotzkis letztem Kampf und dem gesamten Kampf des Internationalen Komitees nicht festhalten.“
Er warnte, dass eine übertriebene Betonung der Unabhängigkeit der Arbeiterklasse „eine Waffe in den Händen all derer, die den Stempel des Pragmatismus tragen“, werden würde,
weil sie von ihnen als etwas ‚Konkreteres‘ geschätzt werden wird als der ausdrückliche Kampf dafür, die Kategorien der Dialektik zu entwickeln und zu verstehen als Methode für das lebensnotwendige Verständnis der raschen und allseitigen Entwicklung der Weltkrise.
Noch einmal trieben die WRP-Führer ihr altes Spiel, pseudodialektische Phrasen für eine Provokation innerhalb des IKs und einen Angriff auf den Kampf von Marxisten in der Arbeiterklasse zu benutzen. Es ist jetzt klar, dass Slaughter seit Mitte der sechziger Jahre alles, was einer systematischen Arbeit in seiner eigenen Sektion auch nur ähnelte, aufgegeben hatte und von Healy als treuer Gefolgsmann in der Führung des IKVI eingesetzt wurde. Er degenerierte zu einem theoretischen Quacksalber und politischen Prostitutierten. Mehr noch, Slaughters Angriff auf den Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse bedeutete – das machte sein Brief der Führung der Workers League klar –, dass er den Trotzkismus aufgegeben und sich dem Lager der pablistischen Revisionisten angeschlossen hatte.
North antwortete Slaughter in einem Brief vom 27. Dezember 1983. Er wies die formalen Verweise auf die dialektische Methode als Mittel, politische Konflikte zu klären, zurück.
Dazu ist jeder Pragmatiker vollkommen in der Lage. Die richtige Anwendung der dialektischen Methode und des historischen Materialismus ist es, die studiert und entwickelt werden muss. Dies wird jedoch in keiner Weise unterhöhlt durch ‚starke Betonung‘ der ‚politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse‘. Ich glaube, dass ein ernsthaftes Studium aller Werke Lenins – und, vor allem seiner frühesten ökonomischen und philosophischen Studien – den inneren Zusammenhang zwischen seiner Konzentration auf die korrekte Anwendung der dialektischen Methode und seiner ‚starken Betonung‘ der ‚politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse‘ aufdecken wird.
Ich muss zugeben, dass ich über die bloße Vorstellung beunruhigt bin, eine Betonung der ‚politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse‘ könnte im Internationalen Komitee als ‚zu stark‘ bezeichnet werden, vor allem in Bezug auf einen Bericht von einer sympathisierenden Sektion in einem Land, in dem die Arbeiterklasse politisch noch nicht von den Liberalen gebrochen hat. Alle organisatorischen, politischen und theoretischen Aufgaben einer marxistischen Partei – vor allem in den Vereinigten Staaten – sind gerade auf das Erreichen dieser politischen Unabhängigkeit gerichtet.
Während Du behauptest, dass diese Betonung ‚eine Waffe in den Händen all derer wird, die den Stempel des Pragmatismus tragen‘, sehe ich nichts, das diese Schlussfolgerung rechtfertigen würde. Der gesamte Kampf gegen die SWP seit 1961 – um nicht die gesamte Geschichte des Kampfs des Bolschewismus zu nennen – drehte sich um eben diese Frage. Die Stalinisten und Revisionisten überall auf der Welt sind heute weit davon entfernt, die Vorstellung von der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse zu erfassen, sie greifen sie beständig an. Der Neo-Stalinismus der SWP entsprang nicht dem Kopf von Mr. Barnes, sondern ist eine sehr deutliche Antwort des US-Imperialismus auf das neue Stadium der kapitalistischen Weltkrise und des revolutionären Aufschwungs des Weltproletariats. Auf diese Weise dient der Pablismus als Mittel, den imperialistischen Druck in die Arbeiterbewegung zu übertragen.
Wie ich Dich in der Vergangenheit so oft habe betonen hören, muss das Internationale Komitee gerade an einem solchen Punkt vor jeder Spur revisionistischer Anschauungen in seinen eigenen Reihen auf der Hut sein und gleichzeitig seinen politischen und theoretischen Angriff auf den Pablismus verstärken. Wie Du mir sicher zustimmen wirst, liegt der Kampf gegen den Pablismus keinesfalls hinter uns. Gerade deswegen glaube ich, dass eine Klärung der Fragen, die Du in Deinem Brief aufgeworfen hast, unbedingt erforderlich ist.
Die Workers League entschied, dass es an der Zeit sei, die politische Grundlinie der Workers Revolutionary Party und ihre Klassenlinie anzugreifen – zuerst und vor allem ihre Ablehnung der Theorie der Permanenten Revolution. Nachdem er von Slaughter keine Antwort erhielt, schickte North einen Brief an Mike Banda, datiert vom 23. Jan. 1984, in dem er die Bedenken äußerte, „dass das Internationale Komitee jetzt Gefahr läuft, die Errungenschaften seines langjährigen Kampfes für Prinzipien zu verlieren“ und dass die Workers League „äußerst besorgt“ sei „über zunehmende Anzeichen eines politischen Abdriftens zu Positionen, die – sowohl in ihren Schlussfolgerungen wie in ihrer Methode – sehr denen ähneln, die wir historisch dem Pablismus zugeschrieben haben.“
Der Brief stellte fest, dass das IKVI
ohne eine klare, geeinte politische Perspektive arbeitet, die seine Praxis anleitet. Anstatt auf die Perspektive des Aufbaus von Sektionen des Internationalen Komitees in jedem Land konzentrierte sich die Arbeit des IKs seit mehreren Jahren auf die Entwicklung von Bündnissen mit verschiedenen bürgerlich-nationalistischen Regimen und Befreiungsbewegungen. Diese Bündnisse beinhalteten immer weniger eine klare Orientierung darauf, dass die Entwicklung unserer eigenen Kräfte im Mittelpunkt des Kampfes steht, die Führungsrolle des Proletariats im antiimperialistischen Kampf in den halbkolonialen Ländern durchzusetzen. Die gleichen Auffassungen, die wir bei der SWP in Bezug auf Kuba und Algerien Anfang der sechziger Jahre so heftig angriffen, erscheinen immer häufiger in unserer eigenen Presse.
Dann hielt der Brief Rückschau, wie die News Line auf das jüngste Treffen Arafats mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak nach der Zwangsevakuierung des PLO-Führers aus Beirut reagiert hatte. North griff Arafat für diesen eigenmächtigen Ausflug nach Ägypten nicht an, kritisierte aber die News Line, weil sie dieses verzweifelte Manöver bejubelt hatte.
Die News Line hatte Georg Habbaschs „verleumderische Vorwürfe“ gegen Arafat zurückgewiesen und geschrieben:
Diese verbalen Angriffe sind ein Produkt beschränkter Gemüter und enger Perspektiven. Arafats Gespräche mit Mubarak stellen keine Unterstützung für Camp David dar. Im Gegenteil, Arafats kühne Diplomatie hat dazu beigetragen, den Vertrag zwischen Ägypten und Israel zu unterhöhlen, nicht ihn zu stärken.
Der Kern der Camp-David-Verschwörung zwischen Sadat, Begin und Carter bestand darin, die Existenz der PLO als einzige legitime Vertretung des palästinensischen Volkes zu ignorieren und den Kampf des palästinensischen Volkes für Selbstbestimmung zurückzuweisen.
Deswegen stieß das Abkommen auf so heftigen Widerstand. Aber nun hat Mubarak Arafat in Kairo begrüßt. Dies ist nicht einfach ein Treffen von Individuen. Es zeigt an, dass die ägyptische Regierung die PLO, ihre Berechtigung im Kampf im Nahen Osten und ihr unveräußerliches Recht, für die Befreiung Palästinas zu kämpfen, anerkennt.
Dient dies Camp David? Dient dies dem zionistischen Imperialismus? Natürlich nicht. Es ist ein schwerer diplomatischer und politischer Schlag für das krisengeschüttelte Schamir-Regime. Deswegen hat Tel Aviv, die Gespräche zwischen Mubarak und Arafat so ärgerlich verurteilt. (30. Dezember 1983)
Darauf antwortete die Workers League:
Ein Artikel nach dem anderen in der News Line stellt den Besuch als ein strategisches Meisterstück Arafats dar, durch den er wieder einmal seine Feinde in Verlegenheit gebracht hat. Wie sehr ein derartiges Vorgehen auch durch den ernsthaften Wunsch bestimmt sein mag, die PLO gegen ihre Feinde zu verteidigen, es dient nur dazu, unsere Kader und die Leser unserer Zeitung irrezuführen und zu entwaffnen.
Als Marxisten dient uns als Ausgangspunkt für unsere Analysen niemals die bewusste Absicht politischer Führer; es müssen die Klassenkräfte sein, die sie vertreten, und die Logik des Klassenkampfes, deren notwendiger Ausdruck ihre Handlungen sind. Die Politik Arafats spiegelt unweigerlich seinen Klassenstandpunkt als kleinbürgerlicher Nationalist wider. Er manövriert nicht nur zwischen verschiedenen bürgerlichen Regimen im Nahen Osten, sondern auch zwischen den gegensätzlichen Klassenkräften innerhalb der palästinensischen Bewegung. Wie groß auch sein persönlicher Mut und seine Heldenhaftigkeit sein mögen, Arafats Politik kann dennoch keine Antwort auf die großen historischen Probleme des palästinensischen Kampfes um Selbstbestimmung geben. Während es unsere Pflicht ist, ihn und die PLO gegen die reaktionären Machenschaften der syrischen Baathisten zu verteidigen, sind wir doch in keiner Weise verpflichtet, seine pragmatische Wende zu Mubarak als eine Art strategischen Meisterstreich zu feiern.
North erhob Einspruch gegen folgende Behauptung der News Line:
Arafat hat es auf brillante Weise geschafft, Ägypten wieder in die Überlegungen im Nahen Osten einzubeziehen und gleichzeitig sowohl den Klauen von Damaskus als auch von Amman zu entrinnen.
Er erklärte dagegen:
Die Auffassung, dass der Lauf der Geschichte durch geniale Züge auf dem diplomatischen Schachbrett bestimmt wird, gehört in die idealistische bürgerliche Geschichtsschreibung und nicht in die materialistische Auffassung der Geschichte. Im Gegensatz zu Arafat gründen wir unsere Überlegungen immer auf eine Einschätzung der Klassenkräfte und die Kraft der Arbeiterklasse für den revolutionären Kampf gegen die Bourgeoisie. Für uns liegt die Rettung der palästinensischen Revolution nicht darin, dass man den ‚Klauen‘ Syriens durch einen Sprung in die Klauen Ägyptens, Marokkos und natürlich auch Jordaniens entkommt – mit dessen König die PLO gegenwärtig intensiv verhandelt und mit dem sich Mubarak nächsten Monat treffen wird. Müssen wir jetzt diese neue diplomatische Runde begrüßen und unser Vertrauen in sie setzen? Unser strategisches Ziel muss immer die Mobilisierung der Arbeiterklasse – unterstützt von der armen Landbevölkerung gegen die Bourgeoisie in jedem, aber auch wirklich jedem Land des Nahen Ostens sein.
North zeigte auf, dass die WRP mit ihrer Behauptung, sie unterstütze die „politische Unabhängigkeit“ der PLO, in Wirklichkeit unkritisch ihre Manöver unterstützte:
So wie sie hier gebraucht wird,. ist die Losung der ‚politischen Unabhängigkeit‘ auf eine fast bedeutungslose Abstraktion verkürzt, die dazu dient, die Gefahr zu verdecken, dass – was auch immer die Absichten Arafats sein mögen – die politische Logik der PLO-Manöver unweigerlich zu ihrer Unterordnung unter die Interessen der arabischen Bourgeoisie und des Weltimperialismus führen muss.
Der Brief fuhr fort:
Wenn man Artikel schreibt, die nur dazu dienen, das zu rechtfertigen, was Arafat bereits getan hat, und die in leuchtenden Farben dieses oder jenes pragmatische Manöver schildern, dann laufen wir Gefahr, einer politischen Perspektive zum Opfer zu fallen, die die wirkliche Notwendigkeit, die trotzkistische Bewegung in den halbkolonialen Ländern und innerhalb der antiimperialistischen nationalen Befreiungsbewegungen aufzubauen, in Frage stellt. Wenn Arafat, nur von seiner Intuition geleitet, erfolgreich die PLO führen kann, welche Notwendigkeit besteht dann noch, palästinensische Kader im dialektischen Materialismus auszubilden? Es geht hier nicht um einen einzelnen Artikel oder auch nur die Arafat-Mubarak-Episode. Seit 1976 sind wir jetzt durch jahrelange Erfahrungen gegangen, die immer wieder gezeigt haben, dass die Betonung der besonderen Fähigkeiten dieses oder jenes Führers schwerwiegenden Fehleinschätzungen, gefährlichen Irrtümern und schwierig zu lösenden Widersprüchen in unserer politischen Ausrichtung den Weg ebnet. Lasst uns nur anmerken, dass sich unter den größten Unterstützern für Arafats Treffen mit Mubarak Saddam Hussein befindet, den wir einst enthusiastisch unterstützten, aber zu dessen Sturz wir nun regelmäßig aufrufen, und dass zu den bittersten Gegnern Arafats Muammar Gaddafi zählt, dem bis vor kurzem noch die gleiche Art von Lobpreisung zuteil wurde, mit der wir nun den PLO-Führer überschütten.
Abschließend warnte der Brief:
Wir denken, dass das Grundproblem darin besteht, dass das Internationale Komitee noch keine wirkliche Bilanz seiner Arbeit der letzten acht Jahre gezogen hat. Wir können doch sicherlich nicht einfach von einem Bündnis zum nächsten übergehen, ohne jede einzelne Erfahrung, durch die das Internationale Komitee gegangen ist, konkret zu analysieren. Ohne eine solche Analyse werden wir in immer größere Verwirrung geraten, die, wenn sie nicht berichtigt wird, unweigerlich politische Katastrophen in den Sektionen hervorrufen wird.
North rief Banda auf, mitzuhelfen, „den Kampf gegen den pablistischen Revisionismus“ zu erneuern,
besonders gegen die Äußerung seiner Anschauungen in unseren eigenen Sektionen. Beginnen wir diese Arbeit, indem wir die Gelegenheit nutzen, die uns das geplante IK-Treffen bietet, schaffen wir die Voraussetzungen für eine ausführliche Diskussion der internationalen Perspektiven, mit dem Ziel der Erstellung eines umfassenden Entwurfs einer internationalen Resolution ... Es ist sicherlich an der Zeit, dass das Internationale Komitee eine Antwort auf die Angriffe der Neo-Stalinisten von der SWP auf die Theorie der Permanenten Revolution gibt und zeigt, dass sie die unverzichtbare wissenschaftliche Grundlage für den Aufbau der Weltpartei der Sozialistischen Revolution bleibt.
Als die Delegation der Workers League zu dem IK-Treffen anreiste, das für das Wochenende vom 11.–12. Februar angesetzt war, stellte sie fest, dass die WRP mehrere Sektionen nicht davon unterrichtet und ihre Teilnahme nicht vorbereitet hatte. Der Delegierte von Sri Lanka, der nationale Sekretär der Revolutionären Kommunistischen Liga, der seit 1968 Mitglied des IKVI ist, war nicht über das Treffen informiert und wusste nichts über die Differenzen, die die Workers League seit 1982 aufgebracht hatte. Der ordentliche Delegierte der australischen Socialist Labour League war gleichfalls nicht über das Treffen informiert. Als der Delegierte der Workers League fragte, warum der Platz des ordentlichen australischen Delegierten von einem unerfahrenen Mitglied der SLL eingenommen wurde, das zur Ausbildung in der News Line-Redaktion arbeitete, wurde dieser Einwand vom Tisch gewischt. Der peruanische Delegierte war ebenfalls nicht über das Treffen informiert worden. Eines der Mitglieder der griechischen Sektion hatte heimlich eine intime persönliche Beziehung zu Healy, während das andere, der nationale Sekretär Savas Michael, in klarer Verletzung der Disziplin des IKVI auf Befehl von Healy den Iran besucht hatte. Darüber hinaus profitierte seine Sektion auch von diesen prinzipienlosen Verbindungen zu der nationalen Bourgeoisie. Zur prinzipienlosen Cliquenfraktion der WRP gehörte ebenso die Delegierte aus Spanien, die später von Healys Sekretärin als eine seiner intimen Bekannten identifiziert wurde. Darüber hinaus hatte die Führung der WRP, wie die Workers League später erfuhr, im Internationalen Komitee eine Verleumdungskampagne gegen David North angezettelt, mit düsteren Hinweisen, man könne ihm nicht trauen. „Wir wissen nicht, wer North ist“, war die Linie.
Unter diesen Bedingungen stand das Ergebnis des Treffens von vornherein fest. Die Delegierten, die bei dem Treffen anwesend waren, hatten die Briefe von North an Banda und Slaughter vor ihrer Ankunft noch nicht gelesen, und es hatte keine Diskussion der politischen Differenzen in den Zentralkomitees der jeweiligen Sektionen gegeben. In Wirklichkeit wusste keiner etwas über diese Differenzen.
Norths Bericht auf dem Treffen war eine Antwort auf einen von Slaughter vorbereiteten Entwurf einer Perspektivresolution. Dieser Entwurf enthielt keinerlei Analyse der politischen oder ökonomischen Entwicklung nach 1971 und war auf eine sterile, formale und skizzenhafte Darstellung der Geschichte der trotzkistischen Bewegung beschränkt. North kritisierte diesen Entwurf, weil er keine Einschätzung der strategischen Erfahrungen der Arbeiterklasse und des IKVI seit 1971 gab, und trug seinen Bericht vor. Norths Bericht konzentrierte sich darauf, nachzuweisen, dass die WRP in ihrer internationalen Politik dieselbe Linie vertrat wie die amerikanische Socialist Workers Party. Er gab einen Überblick über die Bündnisse der WRP im Nahen Osten seit 1976 und merkte an:
Spätestens seit Mitte 1978 entwickelte sich eindeutig eine allgemeine Ausrichtung hin zu Beziehungen mit nationalistischen Regimen und Befreiungsbewegungen ohne eine entsprechende Perspektive für den tatsächlichen Aufbau unserer eigenen Kräfte in der Arbeiterklasse. Eine völlig unkritische und unzutreffende Einschätzung begann sich immer offener in unserer Presse breit zu machen, die unsere Kader und die Arbeiterklasse aufforderte, diese bürgerlichen Nationalisten als ‚antiimperialistische Führer‘ zu betrachten, denen politische Unterstützung gewährt werden müsse.
Der Bericht befasste sich dann mit der Unterstützung der WRP für die Hinrichtung von irakischen KP-Mitgliedern, ihren Wendungen im iranisch-irakischen Krieg, ihrer Definition Libyens als sozialistischen Staat und mit der unkritischen Lobpreisung des Khomeini-Regimes durch S. Michael. Dann erwähnte er die Linie der WRP zum Malwinenkrieg und warf zum Schluss Fragen zur Orientierung der WRP auf Teile der Labour-Party-Bürokratie in Großbritannien auf. Der Bericht stellte die Einschätzung der WRP über Livingstone und Knight in Frage und kritisierte ihre Politik gegenüber der NGA. Der Bericht stellte fest, dass es „einen langen Anpassungsprozess an kleinbürgerliche Kräfte“ gegeben habe und erklärte:
Dem liegen eindeutige theoretische Wurzeln zu Grunde, und zwar eine empiristische, mit Hegelscher Phraseologie verkleidete Methode, die nicht das Geringste mit Marxismus zu tun hat. Verherrlichung der sinnlichen Wahrnehmung und Ablehnung des historischen Materialismus.
Der Bericht schloss:
Wir sind besorgt über die Tiefe der politischen und ideologischen Differenzen. Aber wir glauben, dass diese Probleme durch ernsthafte und ehrliche Diskussionen überwunden werden können. Was wir brauchen, ist eine wirkliche Diskussion im IK und in den Führungen der nationalen Sektionen. Dokumente sollten erarbeitet und in Umlauf gebracht werden. Auf diese Art und Weise muss gearbeitet werden. Das IK kann daraus nur gestärkt hervorgehen. Die Workers League hat großes Interesse daran, sich an dieser Diskussion zu beteiligen und aus ihr zu lernen. Die Zusammenarbeit mit unseren britischen Genossen und mit jeder Sektion des IK bedeutet uns viel. Lasst uns einen genauen Zeitplan für diese Diskussion aufstellen und auf dieser Grundlage auf eine IK-Konferenz hinarbeiten.
Die britische Delegation bestand aus Banda, Slaughter und dem unvermeidlichen Geoff Pilling, der einen Monat später die Bewegung wieder einmal verlassen sollte – aber nicht, bevor er noch einmal Gelegenheit bekam, die Workers League zu verleumden. Healy, dieser politische Feigling, lehnte es ab, an dem Treffen teilzunehmen und die Linie seiner Organisation zu verteidigen. Das überließ er Banda und Slaughter. Ihre Verteidigung bestand darin, die Workers League zu beschuldigen, sie hätte die Positionen der WRP grob verzerrt und aus Erklärungen, die in der News Line erschienen waren, alle möglichen unhaltbaren Schlussfolgerungen gezogen. Angelastet wurde dies natürlich dem amerikanischen Pragmatismus, der die Workers League dazu verleitet habe, „aus der Hüfte zu schießen“. Die britischen Delegierten ließen keinen Zweifel daran, dass sie von der Workers League spalten wollten, wenn die Differenzen nicht augenblicklich beigelegt würden – d. h. wenn die Workers League ihre Kritik nicht zurückzöge. Der griechische Delegierte prangerte die Workers League in schamlos chauvinistischer Weise an und erklärte, Norths Kritik an der WRP sei ein Ausdruck „amerikanischen Messianismus“. Nicht einer der anwesenden Delegierten der übrigen Sektionen äußerte irgendwelche Übereinstimmung mit der Kritik der Workers League oder ließ erkennen, dass sie weitere Diskussion verdienten. Das politische Klima in der Versammlung wurde, besonders im Fall von Banda, immer subjektiver und wütender. Es war klar, dass es keine ernsthafte Diskussion der Fragen geben würde, und dass das IKVI zu jener Zeit unfähig war, als internationale Partei zu arbeiten.
Angesichts dieser Situation entschied die Delegation der Workers League zu versuchen, Zeit zu gewinnen und akzeptierte zögernd die Forderung der britischen Delegation, ihre Kritik zurückzuziehen. Die einzige Alternative wäre gewesen, unter Bedingungen zu spalten, wo die Positionen der Workers League in den Sektionen des Internationalen Komitees nicht bekannt waren.
Die Sabotage der Diskussion war nur auf Grund der unloyalen Rolle von Banda und Slaughter möglich. Unter Bedingungen, wo Healy so schwach war, dass er seine politischen Ansichten nicht persönlich verteidigen konnte, organisierten sie eine fraktionelle Gruppe gegen die Workers League.
Einen Tag nach dem IK-Treffen, am 14. Februar 1984, schickte Healy Slaughter einen Brief, in dem er dem „lieben Cliff“ für die „gute politische Arbeit“ gratulierte, die er geleistet hatte. Healy prahlte, dass
wir vom Standpunkt der Entwicklung der dialektisch-materialistischen Methode stark genug sind, unsere wichtigsten und mächtigsten imperialistischen Gegner ideologisch aufzustöbern.
Diese ungeheuerliche Verleumdung wurde dann mit dem üblichen verrückten dialektischen Wortschwall untermauert:
Unsere Gegner sahen metaphysisch die Gegensätze als sich gegenseitig ausschließende Gegensätze, und so stellten sie ihre Sektion als einen Teil der Weltpartei gegen die Weltpartei selbst. In ihren Köpfen wurden beide zu sich ausschließenden Gegensätzen. Um ihre metaphysische Illusion aufrechtzuerhalten, benutzten sie eine pragmatische Auswahl von Zitaten ohne jeden wirklichen Inhalt, um sie auf subjektive Weise gegen die politische Entwicklung des Internationalen Komitees zu benutzen. (sic)
Wir als dialektische Materialisten sehen Gegensätze in ihrer Einheit und wechselseitigen Durchdringung, wir begegneten der Herausforderung mit einem wahren Frontalangriff, indem wir die Argumente unserer Gegner konkret in den Bedingungen der Weltrevolution, wie sie heute bestehen, entlarvten. Wir gründeten unseren Kampf auf die Einheit des IK als Kern der Weltpartei und auf die weltweite wirtschaftliche und politische Krise des Kapitalismus. Dies war und ist die Grundlage für unsere theoretischen Verallgemeinerungen und ihren Ausdruck in unserer Praxis als eine Einheit und Identität von Gegensätzen. Alle Strukturen und die Prozesse, die diese umfassen, entstehen aus dieser Einheit und Durchdringung dialektischer Gegensätze. Aus diesem Grund verwandelten wir die Gegensätze mit allen erdenklichen Kniffen ineinander und erreichten eine neue Einheit von Gegensätzen auf einer neuen und höheren Ebene. Wir haben die Spaltung vermieden, die von den metaphysischen Pragmatikern auf die Tagesordnung gesetzt worden ist, und stellten stattdessen diese neue Einheit und Identität von Gegensätzen her, von der sie noch ein Teil sind. Wir freuen uns darauf, in dieser Art und Weise weiterzuarbeiten. Wiederum werden wir, wenn nötig, alle Kniffe einsetzen.
Entzückt von diesem dialektischen Karussell, das sich in Healys Kopf drehte, setzte sich Polonius Slaughter sofort hin, um den Brief zu beantworten und seiner Bewunderung für die Tiefgründigkeit dieser Analyse Ausdruck zu verleihen. Slaughters Brief vom 16. Februar 1985 lautete:
Lieber Gerry,
Danke für Deinen Brief vom 14. Februar. Ich glaube, dass das, was Du sagst, tiefer zum wesentlichen Inhalt dessen vordringt, was auf dem IK-Treffen am 11.-12. Februar stattfand. Der Angriff der US-Sektion hat das Bedürfnis der Imperialisten zum Inhalt, das IK zu zerstören. Dass wir diesen Angriff zurückgeschlagen haben, bedeutet, dass die dialektisch-materialistische Ausbildung der Kader in der letzten Periode tatsächlich in Übereinstimmung mit den Erfordernissen war, die durch die sehr tief greifenden Prozesse revolutionärer Veränderung in der objektiven Welt geschaffen worden sind. Ohne die systematische Arbeit sowohl an Band 14 als auch an Band 38 hätte die objektive Notwendigkeit im Kern dieses inneren Zusammenhangs nicht so klar verstanden und so bewusst zum Inhalt unserer Antwort gemacht werden können.
Nicht nur das: wir müssen verstehen, dass, wie Dein Brief zum Schluss erklärt, die neu geschaffene Einheit und der Konflikt der Gegensätze kein vollendeter, in sich abgeschlossener Prozess ist, sondern sich ständig im inneren Zusammenhang mit der Weltrevolution neu entwickelt, von der er ein Teil ist. Darum gehen wir vorwärts und werden, wenn nötig, „alle Kniffe einsetzen“.
Mit brüderlichem Gruß,
Cliff
Diese Briefe, die die Internationale Kontrollkommission entdeckte, sind politisch kriminell. Wenn man sie ihrer pseudowissenschaftlichen Tricks entkleidet, dann enthüllen sie die Verachtung, mit der Healy und Slaughter die Vierte Internationale betrachteten, und ihre Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Auswirkungen ihres prinzipienlosen Fraktionismus auf die internationale Arbeiterbewegung. Es machte ihnen nichts aus, trotzkistische Kader im Herzen des Weltimperialismus – aufgebaut in jahrzehntelangem Kampf gegen den Revisionismus –, noch sonst irgendwo zu zerstören. Wer die Schriften von Slaughter über Gramsci, Lukacs und Walter Benjamin gelesen hat, der fragt sich vielleicht, wie sich dieser gebildete englische Humanist dazu hergeben konnte, solch eine ekelhafte Speichelleckerei als Antwort auf einen Brief zu schreiben, der ebenso politisch hohl wie intellektuell bankrott war, und besonders, wie er das Vorgehen „mit allen Kniffen“ im Kampf gegen die Workers League gutheißen konnte. Die Antwort liegt in der Realität des Klassenkampfes. Wenn sie mit den grundlegenden Fragen der sozialen Revolution konfrontiert sind, werden die kleinbürgerlichen Philister – von denen sich viele Marxisten nennen – jeden notwendigen Kompromiss mit ihrem Gewissen machen, und sich mit denen verbünden, die die Interessen ihrer Klasse verteidigen. In den dreißiger Jahren gab es in der britischen kommunistischen Partei Männer, die nicht weniger gebildet waren als Slaughter, wie Palme Dutt und King's Councillor D.N. Pritt, die die Moskauer Prozesse aus denselben Klassengründen verteidigten.
Natürlich mag es der Philister nicht, wenn die Ursachen seines Verrats bis zu ihren Klassenwurzeln zurückverfolgt werden. Deswegen besteht Slaughter jetzt, nachdem die Krise die ganze Verwesung innerhalb der WRP enthüllt hat, darauf, dass ihre Ursache nicht in Klassenkräften gesucht werden sollte – sondern in einer beruhigenden psychologischen Abstraktion, die er „die britische Theoriefeindlichkeit“ nennt.