Am 24. Juni 1999 verstarb der international anerkannte sozialistische Bühnenschriftsteller und Drehbuchautor Jim Allen. Er war an Weihnachten im vergangenen Jahr erkrankt, und im Februar war ein unheilbarer Krebs diagnostiziert worden.
Allen ist eine Schlüsselfigur des britischen Theaters, Fernsehens und Films; größte Bekanntheit erlangte er durch seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Ken Loach. Er wurde am 7. Oktober 1926 in Manchester geboren als zweites Kind von Kitty und Jack Allen, Katholiken irischer Herkunft. Sein Vater war ein Arbeiter, der während der Weltwirtschaftskrise keine Anstellung finden konnte. Jim besuchte eine Reihe von katholischen Schulen, wechselte ohne das Wissen seiner Eltern von der einen zur anderen. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war er 13 Jahre alt. Er beschloss, dass er genug formale Erziehung genossen hatte, verließ die Schule ein Jahr vor dem Abschluss und fand Arbeit in einer Drahtfabrik. Wiederum erzählte er seinen Eltern nichts davon.
Er hatte eine Reihe von verschiedenen Arbeitsplätzen bis er 1944, im Alter von 18 Jahren, in die Armee einberufen wurde. Er schloss sich den Seaforth Highlanders an und tat seinen Dienst bei den britischen Besatzungstruppen in Deutschland. Für eine Schlägerei vor einer Kneipe wurde Allen inhaftiert. Im Gefängnis weckte ein anderer Insasse zum ersten Mal sein Interesse für Politik.
Wieder auf freiem Fuß las Allen begierig das Kommunistische Manifest und andere Werke von Karl Marx und Friedrich Engels. Er entwickelte ein leidenschaftliches Interesse an den Schriften von Upton Sinclair, John Steinbeck und Jack London - insbesondere an dessen Buch Die Menschen des Abgrunds.
Obwohl er die Brutalität der Kirche erfahren hatte - durch die Schläge, die er als Kind bekam, weil er nicht zur Messe gegangen war - brach Allen erst mit dem Katholizismus, als er bereits über 20 Jahre alt war. Er brach mit der Religion als er erkannte, dass sie ein Hindernis für seine Entwicklung darstellte und ihn davon abhielt sich zu bilden. Ab diesem Zeitpunkt hasste er die Kirche, die er als tyrannisch und unterdrückend ansah.
Seiner Entlassung aus der Armee 1947 folgten eine Reihe von Jobs, hauptsächlich als ungelernter Arbeiter auf dem Bau. Er konnte als Zivilist nicht Fuß fassen und ging zur Handelsmarine; dort arbeitete er als Feuerwehrmann auf einem Bananendampfer, der zwischen Großbritannien und Jamaika pendelte. In der Montego Bay war er Zeuge von außerordentlichem Reichtum und extremer Armut, was ihn in seinen sozialistischen Überzeugungen bestärkte.
1949 verließ er die Handelsmarine und arbeitete wiederum auf Baustellen und als Hafenarbeiter, bis er schließlich eine Arbeitsstelle unter Tage in einer Kohlengrube in Manchester bekam, wo er mehrere Jahre blieb.
Anders als die Mehrheit der sozialistischen Arbeiter seiner Generation schloss sich Allen nie der Kommunistischen Partei an. Statt dessen wurde er Mitglied in der kleinen trotzkistischen Bewegung in Großbritannien unter der Führung von Gerry Healy, der Revolutionary Communist Party, aus der 1958 die Socialist Labour League (SLL) hervorging. In einem Interview erklärte er, dass er "immer komplett Anti-Stalinist [war], lange bevor es populär wurde [...] lange vor der Rede Chruschtschows [...]. Ich wurde von Stalinisten verfolgt, die ehrlich glaubten, ich sei ein Agent des Kapitalismus. Einmal warfen sie mich bei voller Fahrt aus einem Bus der Bergwerksgesellschaft."
Sein Bruder John erzählt davon, wie sie beide in den 50er Jahren an einem Treffen in Salford nahe Manchester teilnahmen, wo der damalige Führer der trotzkistischen Bewegung in Amerika James P. Cannon sprach.
Im Oktober 1958 arbeitete Allen zusammen mit den SLL-Mitgliedern Jim Swan und Joe Ryan an der Herausgabe von The Miner[Der Bergarbeiter], einer politischen Zeitung. Sie wurde anfänglich von der Ortsgruppe der Bergarbeitergewerkschaft NUM gefördert und fand die Unterstützung anderer Zechen in Manchester und Liverpool. Gemeinsam mit Ryan, dem Herausgeber der Zeitung, reiste Allen zu verschiedenen Kohlengruben um Unterstützung zu mobilisieren. Sie gingen nach Südwales und Schottland und gewannen die meisten Anhänger in der Zeche Brodsworth in der Gegend von Doncaster, wo eine Gruppe von Bergarbeitern sich der SLL anschloss und sich an der Herstellung der Zeitung beteiligte. Dies geschah gegen den Widerstand der Kommunistischen Partei, die die Führung der Bergarbeitergewerkschaft innehatte und diese als ihre angestammte Einflusssphäre betrachteten. The Miner rief zur Rebellion der Basis gegen die Führung der NUM auf, insbesondere gegen ihren stalinistischen Nationalen Sekretär Will Paynter, der die Vorschläge der Nationalen Kohleausschusses zur Schließung von 240 Zechen und Entlassung von 85.000 Bergarbeitern unterstützte.
Die Autorin dieses Artikels traf Jim, als er gemeinsam mit anderen Redaktionsmitgliedern von The Miner nach Leeds kam, um mit führenden Mitgliedern der SLL über die politische Ausrichtung der Zeitung zu diskutieren. Ich erinnere mich an ihn als einen Menschen mit scharfem Verstand, lebendigem Geist und heftiger Unabhängigkeit, der dem Kampf der Arbeiterklasse tief ergeben war.
Seine politische Arbeit bei The Miner führte dazu, dass er auf eine schwarze Liste gesetzt wurde und nach seiner Genesung von einem Unfall keine Arbeit mehr im Bergbau fand. Also ging er zurück in die Bauindustrie.
1962 wurde er aus der Labour Party ausgeschlossen, weil er Mitglied der Socialist Labour League, einer "verbotenen Organisation" war. Kurz danach verließ Allen die SLL. Die Gründe dafür sind nicht klar. Als er gefragt wurde, verweigerte er eine Diskussion darüber, obwohl er für einige Jahre noch Verbindung zur Partei hielt und sie unterstützte.
In der Bauindustrie lag die Führung der Bewegung der gewerkschaftlichen Vertrauensmänner fest im Griff der Kommunistischen Partei. Allens Opposition zum Stalinismus und seine Weigerung der KP beizutreten führten zu seiner Isolation. Er beschloss sein Glück als professioneller Autor zu versuchen und schrieb ein Stück über einen Handlanger auf dem Bau. Im Fernsehsender Granada las man es und 1964 bot ihm der Sender eine Stelle als Drehbuchautor für die Soap-Serie Coronation Street, die in Nordengland spielt, an. Im Januar 1965 fing er bei Granada an und verrichtete seine zugewiesene Arbeit über 18 Monate.
Der BBC-Produzent Tony Garnett sagte ihm, dass er Coronation Street aufgeben sollte, wenn er ein seriöser Autor werden wollte. Allen nahm seinen Rat an, brach den Vertrag und verließ den Sender. In einem Interview von 1996 behauptete er, dass er vor seinem Weggang eine Schlussepisode geschrieben habe, in der sich alle Hauptcharaktere auf eine mysteriöse Busreise begeben und über eine Klippe fahren. Überflüssig zu sagen, dass dieses Skript verworfen wurden und die Serie heute, 33 Jahre später, immer noch läuft!
Während seiner Arbeit an Coronation Street hatte Allen die Idee für sein erstes größeres Stück The Lump[Die Selbständigen im Baugewerbe], das auf seiner Erfahrung in der Bauindustrie basierte. Granada war nicht interessiert. Durch Tony Garnett gelangte es in die Hände des BBC-Regisseurs Ken Loach. Loach war in einem Team junger Regisseure, die an einer Dramenreihe für die BBC arbeiteten, The Wednesday Play.
Diese Reihe wurde 1963 von dem jüngst eingestellten Leiter für Dramen der BBC, dem Kanadier Sydney Newman, eingeführt. Sie lief über sechs Jahre und verwandelte das britische Fernsehspiel in Hinsicht auf seinen sozialen Inhalt und sein dramatisches Potential. Mit der Wahl einer Labour-Regierung nach 13jähriger Tory-Herrschaft im Jahre 1964 zog The Wednesday Play eine Gruppe junger, nach links tendierender Autoren und Regisseure an, unter ihnen Loach, Garnett und Roger Smith.
Dies war eine sehr lebendige Periode, der in der künstlerische Talente aufblühten. In der BBC gab es eine heftige Debatte darüber, ob das Fernsehdrama in Zusammenhang mit dem Bruch vom konventionellen Theaterstil auf den Naturalismus verzichten solle, der in den 50er und 60er Jahren als der ihm angemessene Stil angesehen wurde. Mit der Einführung des Videobandes im Jahre 1958 musste die Übertragung des Schauspiels nicht mehr live geschehen, sondern man konnte, nachdem das elektronische Schneiden einmal eingeführt war, es eigentlich mit der gleichen Freiheit wie bei einem Film herausbringen. Diese neue technische Flexibilität machte es möglich in der Art des italienischen Neorealismus Laienschauspieler einzusetzen in Stücken, die sich um das Tagesgeschehen drehten; von solchen nahm man an, dass sie am ehesten das Publikum fesseln konnten.
Manche sagen, dass der "naturalistische Irrtum" eine gefährliche Täuschung war. Schriftsteller wie Dennis Potter und John McGrath waren glühende Verfechter einer Abkehr vom Naturalismus, weil sie glaubten, dass jede Darstellung der Realität, unabhängig vom Stil, konstruiert ist. Sie argumentierten, dass die oberflächliche Spannung des Naturalismus den Zuschauer davon abhält die inneren Widersprüche zu begreifen, die sozialen Spannungen, die unter der Oberfläche liegen.
Loach und Garnett dagegen waren darauf bedacht, dass ihre Stücke nicht als Schauspiel angesehen wurden, sondern als die Verlängerung der Nachrichten. Loach erklärte, dass sie versuchten die Techniken von World in Action, die damals führende recherchierende Nachrichtensendung, zu kopieren. Sie glaubten, dass dies sie in die Lage versetzen würde sich den Fragen frontal zuzuwenden. Sie priesen die Ideen des amerikanischen Schriftstellers Paddy Chayefsky, dem Autor von Marty, der die Drehbuchautoren des Fernsehens aufforderte ihr Material in der "wunderbaren Welt des Ordinären" zu suchen. Sie wollten Menschen aus der Arbeiterklasse als Subjekt des Dramas zeigen, und dass soziale Veränderung durch sie kommen würde. Ihre Arbeit war vorsätzlich grob, roh und eckig geschnitten. Allen mit seiner breit gefächerten Erfahrung im Leben der Arbeiterklasse, mit seinem Ohr für Dialoge und seinem Eifer sich auf aktuelle Fragen zu stürzen versorgte die beiden mit den mutigen Stücken, die sie brauchten. Allen sagte über die zwei: "Was ich an ihrer Arbeit spannend fand war die dokumentarische Annäherung an das Drama, die sie in die Lage versetzte, reale Menschen in realen Situationen auf den Bildschirm zu bringen."
Allens erstes Fernsehspiel The Lump aus dem Jahre 1967 war Teil dieser Reihe. Regie führte Jack Gold und Produzent war Garnett. Es untersuchte die Ausbeutung von Gelegenheitsarbeit in den Bauunternehmen, die gleiche Frage, die wenige Jahre später Anlass für den Streik der Bauarbeiter war. Der Held des Stücks ist ein politisch bewusster Arbeiter, der Lenin und Jack London zitiert.
Trotz der angeblichen künstlerischen Freiheit in der BBC drückte das Management seine Besorgnis aus, dass dieses und andere Stücke so realistisch seien, dass es dem Publikum nicht möglich sei zu unterscheiden, ob es sich um ein Schauspiel oder um eine Dokumentation handele. Diese Auseinandersetzung verfolgte Allen, Loach und Garnett über Jahre und wurde benutzt, um den politischen Angriff auf ihre Arbeit zu verschleiern.
Allen und seine Mitarbeiter blieben unbeeindruckt und produzierten 1969 The Big Flame[Die große Flamme], ein Stück über die Besetzung des Hafen von Liverpools durch die Hafenarbeiter. Wieder ist der zentrale Charakter ein militanter Arbeiter, der sich selbst als Trotzkist bezeichnet und von einem Basiskomitee eingesetzt wird, um sie bei der Durchführung des Streiks zu beraten. Wie in The Lump widersetzen sich die Streikenden der Autorität der Gewerkschaft, die sie als böse Verschwörung verleumdet. Die Besetzung wird verraten, die Armee und die Polizei dringen in das Hafengelände ein und die Streikführer werden vor Gericht gestellt. Die allgemeine Aussage des Stückes ist in der "Ballade von Joe Hill", dem Lied der amerikanischen Wobblies (1), enthalten, das von einem der Hafenarbeiter gesungen wird. Die Übertragung wurde zweimal verschoben aufgrund der internen Streitigkeiten in der BBC, und eine Zeit lang sah es so aus, als würde es niemals auf den Bildschirm gelangen. Wie The Lump provozierte es einen Aufschrei.
Diese Stücke wurden in einer Periode der wachsenden Militanz der Arbeiterklasse in ganz Europa geschrieben. In Großbritannien folgte dem nationalen Streik der Seeleute im Jahre 1966 eine zunehmende Opposition gegen die vom IWF vorangetriebenen Angriffe der Regierung auf die Löhne. In den frühen 70er Jahren erlebte das Land eine Welle von Massenstreiks, Fabrikbesetzungen und Übernahmen der Produktionskontrolle durch die Arbeiter; ihren Höhepunkt erreichten sie im Bergarbeiterstreik von 1974, der dazu führte, dass die konservative Heath-Regierung zurücktreten musste.
Diese Entwicklungen hatten einen radikalisierenden Einfluss auf eine ganze Gruppe von jungen Schriftstellern, Regisseuren, Produzenten und Schauspielern. 1969 spielte Allen eine sehr bedeutsame Rolle, indem er sie in die politische Diskussion und enge Zusammenarbeit mit der Socialist Labour League zog.
Andere Stücke folgten, wie Rank and File[Basis], das auf dem Glasarbeiterstreik bei Pilkington´s im Jahre 1970 beruhte. Allen erhielt eine Einladung mit den Streikenden zu sprechen und nahm eine Kopie von The Big Flame mit, um sie ihnen zu zeigen. Nach der Vorführung fragte ihn ein alter Mann, warum er kein Stück über die Glasarbeiter geschrieben habe. Er zeigte Allen seinen Rücken, der "durch geschmolzenes Glas zerfleischt war", und erklärte, dass er nicht 50 Jahre in der Fabrik gearbeitet habe, um dann entlassen zu werden. Allen kommentierte: "Da hatte er mich an den Eiern zu fassen gekriegt, nicht wahr?"
Das Stück wurde von einem sympathisierenden Produzenten bei Granada TV in Auftrag gegeben, aber später fallengelassen. Schließlich wurde es von der BBC aufgenommen. Wiederum ist das Thema der Kampf von Arbeitern gegen den Widerstand ihrer Gewerkschaftsvertreter und gegen den Gewerkschaftsdachverband. Das Stück endet mit Standfotos von Kindern und eine Stimme aus dem Off zitiert Trotzkis letzten Eintrag in seinem "Tagebuch im Exil": "Das Leben ist schön. Möge die kommende Generation es reinigen von allem Bösen, von Unterdrückung und Gewalt und es voll genießen." Loach erklärte, dass es Auseinandersetzungen mit der BBC über den Gebrauch des Zitats gab: "Es waren nicht die Worte, gegen die die BBC Einspruch erhob. Es war die Tatsache, dass Trotzki sie gesagt hatte." Allens eigenes Urteil über das Stück war, dass es wahrscheinlich "zu didaktisch" war - "ein Lichtbildervortrag".
1975 lief das wohl ehrgeizigste und erfolgreichste Fernsehdrama von Allen über die Bildschirme, Days of Hope.Es ist ein episches Stück in vier Teilen, das die Umwälzungen in der britischen Arbeiterbewegung von 1916 bis zum Generalstreik 1926 aufarbeitet und als eines der größten Ereignisse im Fernsehen der Zeit anerkannt wurde. Die Geschichte wird durch das Leben von drei jungen Menschen erzählt. Ben, ein junger Mann, ist Freiwilliger bei der Armee und wird nach Irland geschickt. Seine Erfahrungen, dass die Truppen zum Angriff auf die Arbeiterklasse benutzt werden, sowohl in Irland als auch bei der Aussperrung der Bergarbeiter 1921, lassen ihn zum Kommunisten werden. Die zwei anderen Charaktere sind seine Schwester Sarah und ihr Mann Philip, ein christlicher Sozialist und Kriegsdienstverweigerer. Er wird ein Gewerkschaftsvertreter und zur Zeit des Generalstreiks Parlamentsabgeordneter der Labour Party. Dem schwindenden Radikalismus von Philip wird die Hinwendung zur Revolution von Ben und seiner Schwester entgegengesetzt.
Days of Hope ist voller Szenen, die in Erinnerung bleiben - das Mädchen , das gezwungen wird ein irisches Rebellenlied zu singen inmitten von höhnischen Rebellensoldaten, und deren wachsendes Schamgefühl, als sie sie an ihre eigenen Familien erinnert; der Bombenanschlag auf einen Soldaten durch einen zehnjährigen irischen Jungen; der Empfang einer russischen Delegation im Unterhaus, in den die Bergarbeiter hineinplatzen.
In den ersten drei Filmen entwickelt Allen das Leben seiner fiktionalen Charaktere sehr überzeugend im Kontext der historischen Ereignisse. Sein eigenes Urteil über den abschließenden Film 1926 - General Strike ist, dass er " zu nah an der dokumentarischen Beweisaufnahme geblieben ist", weil er "Angst hatte, dass man ihn in der Frage der Exaktheit packen konnte."
Days of Hope wurde mit einem Sturm von Beschimpfungen begrüßt. Die Times stellte ihren Leitartikel zur Verfügung, um das Stück anzugreifen. Der Daily Telegraph kritisierte die BBC, weil sie die Übertragung erlaubt hatte. Die Radio Times veröffentlichte Protestbriefe gegen die Darstellung der britischen Armee als "abstoßend" und "erbärmliche Sippe".
In einem Fernsehinterview wurde Allen beschuldigt, Tatsachen und Fiktion zu vermischen und die Tatsachen zu verdrehen zwecks der Vermittlung einer politischen Botschaft. Er wurde angegriffen für die Darstellung "eines bestimmten Falls, des Falls von John Grey, der im Juni 1917 im Armeelager Catterick tatsächlich neun Mal durch einen Teich geschleift wurde. Es wurde nicht erwähnt, dass der Kriegsminister unverzüglich eine Untersuchung anordnete und den kommandierenden Offizier dieses Lager auf halben Sold setzte." Allen entgegnete, der Film erwähne auch nicht, dass "39 Kriegsdienstverweigerer durch dieselbe Behandlung in den Wahnsinn getrieben wurden".
Einige Kritiker behaupteten, dass die BBC ihre halbe Monopolstellung bei der Fernsehübertragung dazu benutze, die politische Philosophie des linken Flügels zu unterstützen. Die BBC wies diese Vorwürfe von sich. Lord Citrine, der amtierende Sekretär des Gewerkschaftsdachverbandes im Jahre 1926 und einer der Hauptverantwortlichen für den Ausverkauf des Generalstreiks, wurde vorgeschickt, um seine Version der Ereignisse darzustellen.
Loach sagte, dass Days of Hope eine erzählenswerte Geschichte war, da die russische Revolution nur wenige Jahre zurücklag und große Unruhen Großbritannien erschütterten. "Wir versuchten wirklich die Erinnerung an diese Zeit wieder zu erwecken und diese historische Erfahrung zu retten", sagte er. "Das ist etwas, um das Jim und ich uns bei unserer gemeinsamen Arbeit immer besonders bemüht haben. Wenn die Menschen politische Umbrüche in der Gegenwart erleben, scheint es immer so, als ob das aus dem Nichts kommt, aber es gab immer einen langen Kampf, der vorausgegangen ist; und wenn wir wissen, was in der Vergangenheit passiert ist, können wir besser verstehen, was heute läuft."
1977 wurde Allens Stück A Choice of Evils von der BBC übertragen. Es basierte auf einem historischen Ereignis, das gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Rom stattfand. 33 deutsche SS-Männer waren von italienischen Partisanen getötet worden. Als Rache verhafteten die Deutschen willkürlich für jeden getöteten SS-Mann zehn Italiener und exekutierten sie. Das Stück konzentriert sich auf die Versuche von Kardinal Volponi die Freilassung von Pater Borelli, einem linksgerichteten Priester, zu erreichen, indem er bei Papst Pius XII und den Nazis Fürsprache hält.
In einem Essay über Allens Arbeit schreibt Paul Madden: "Das Stück ist klar erkennbar ein kraftvoller Angriff auf die Katholische Kirche, die ein Konkordat mit Adolf Hitler geschlossen hatte, eine offenkundige Gefälligkeit, die wirkungsvoll versicherte, dass die Kirche die Vernichtung der Juden durch die Nazis absichtlich übersah... Durch das gesamte Stück zieht sich das niederdrückende Bild - eines Papstes, der zivilisiert, zurückgezogen und nachdenklich ist, den Kämpfen auf Leben und Tod, die sich außerhalb des Vatikans abspielen, gleichgültig gegenüber steht, der in ein Buch vertieft in einem ruhigen Garten sitzt, während der Rest der Welt buchstäblich zur Hölle fährt."
Borrelli wird die Gelegenheit geboten seine Freiheit zu erlangen, indem er die Prinzipien verleugnet, nach denen er sein Leben gelebt hat. Bei dem Versuch ihn zu überzeugen, diese zynische Wahl zu treffen, enthüllt ihm der Kardinal die Vereinbarung, die Stalin mit dem Westen getroffen hatte, um die Ausdehnung der Revolution zu verhindern und Einflusssphären im Nachkriegseuropa aufzubauen. Die Wahl ist die zwischen Katholizismus und Stalinismus. Borrelli weist beide zurück über wählt den Tod anstelle von Verrat. Das Stück wurde 1971 geschrieben, aber es wurde erst sechs Jahre später produziert.
Wie A Choice of Evils basiert Allens Stück Perdition[Verderben] auf historischen Ereignissen in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Trotz der Tatsache, dass Deutschland dabei war den Krieg zu verlieren, wurde eine halbe Million ungarischer Juden in die Konzentrationslager transportiert und ermordet durch die Kollaboration von führenden Mitgliedern der jüdischen Gemeinde in Budapest. Die zionistischen Führer in Ungarn trafen eine Abmachung mit den Nazis, die bestimmten, ausgesuchten Leuten die Ausreise aus dem Land erlaubte unter der Bedingung, dass die breite Mehrheit der Juden angewiesen wurde, die Züge ins Lager zu besteigen. Die Wahrheit kam in einem Gerichtsverfahren nach dem Krieg in Israel ans Licht.
Jede britische Zeitung griff Allen und Loach an. Im Evening Standard beschuldigte Lord Goodman sie des Hausierens mit antisemitischen Lügen und deutete an, dass sie versuchten den Holocaust zu leugnen. Bernard Levin von der Times attackierte das Stück, obwohl er zugab, dass er es nie gelesen hatte. Die meisten Kritiker argumentierten, dass jemand, der den Zionismus angreift, die Juden als Volk angreife. Unter dem Druck der Zionisten wurde das Stück am Tag vor seiner Premiere am Royal Court abgesetzt.
In einem Interview mit mir und Vicky Short vor vier Jahren erklärte Allen was passiert war: "Es war eine sehr schlechte Erfahrung. Wir brachten es nie auf die Bühne, mit Ausnahme einer gekürzten Version beim Filmfestival in Edinburgh, wo es an einem Abend gezeigt wurde. Es ist einfach unmöglich den Druck zu beschreiben. Der Kerl, der es ansetzte, sagte: Ich habe niemals solchen Druck erfahren. Ich bin ein nervliches Wrack. Das Telefon klingelte die ganze Nacht, die Anrufe kamen aus der ganzen Welt.‘"
"Nachdem es niedergestimmt war, sagte ein zionistischer Führer in London zu Ken Loach: Ich habe sechs Freunde, die sehr mächtig sind, und wir werden verhindern, dass es aufgeführt wird.‘"
"Ein Mann - ein großer Produzent aus dem West End - war einverstanden es aufzuführen. Innerhalb von 24 Stunden rief er Ken zurück und sagte zu ihm: Tut mir leid, vergiss es. Ich hatte Anrufe und mir wurde gesagt, dass wenn ich Perdition aufführe, ich nie wieder etwas am Broadway bringen würde. Ich habe Verantwortung für Regisseure und so weiter. Tut mir leid.‘
Und so ging es weiter. Sie verfolgten uns nach Irland. Wohin auch immer wir gingen, sie verfolgten uns. Die Kampagne, die sie gemeinsam mit der Presse abstimmten, war unglaublich - die Times, der Guardian, der Telegraph... und sie reichte so weit. Ich wurde in Amerika angegriffen...Ich bekam Anrufe aus Deutschland. Es war eine organisierte Kampagne um Leute zu terrorisieren. Und daraus erwuchs die Verleumdungsklage. Ich denke, über zwei Jahre lag mein Einkommen bei zehn Pfund pro Woche. Dazu kam, dass ich persönlich eine schwere Zeit durchmachte wegen der Krankheit meiner Frau - Anrufe, Beschimpfungen. Du kannst dir nicht vorstellen wie es war...
Dann konnten wir, eine Gruppe von uns, es für eine Woche in London aufführen, in einer säkularen Gesellschaft, ich habe ihren Namen vergessen. Wir zeigten die gekürzte Version und es lief eine Woche. Der Raum war voll, hauptsächlich jüdische Menschen kamen, denn dies war ein Kapitel ihrer Geschichte, das sie nicht kannten, wie Land and Freedom für die spanischen Menschen.
Ich übertreibe nicht, einige Menschen dort haben geweint - alte Menschen - wegen einiger Tatsachen, die im Stück herauskamen über die Zionisten, die taten was sie konnten, um die Juden in Ungarn zu desorganisieren."
Im Jahre 1990 kam der Film Hidden Agenda[Geheimprotokoll] heraus. Das Drehbuch stammte von Allen und Regie führte Loach. Die Filmgesellschaft Parallax Pictures war in der Lage Gelder für ihre gemeinsamen Projekte zur Verfügung zu stellen, die gewöhnlich aus dem Sender 4 der BBC und ausländischen Co-Produktionen stammten. Hidden Agenda war eine fiktionale Umsetzung der Stalker-Affaire. Es war ein spannungsgeladener, auf einer wahren Geschichte beruhender Thriller über die Ermittlungen eines Kriminalpolizisten vom Festland über die Politik des "Schießen, um zu töten" der RUC. Er warf ein Schlaglicht auf die "schmutzigen Machenschaften" Großbritanniens in Nordirland - die Existenz von Todesschwadronen, schwarzer Propaganda und Folter. Er entstand nach einem Vorschlag von David Putman von Columbia Pictures, aber Putmann verließ Columbia. Loach und Allen mussten die nötigen zwei Millionen Pfund selbst auftreiben. Der Film erhielt kritischen Beifall, wurde aber auch als Pro-IRA-Film angegriffen. Bei den Filmfestspielen in Cannes titulierten ihn einige Politiker vom rechten Flügel als den "Beitrag der IRA". Einige britische Kino weigerten sich den Film zu zeigen.
Allens letztes großes Werk war Land and Freedom aus dem Jahre 1995. Dieser Film handelt vom Verrat der spanischen Revolution durch die stalinistische Kommunistische Partei und hinterließ einen gewaltigen Eindruck, besonders in Spanien, wo das Wissen um die Ereignisse verloren gegangen ist.
In seinem Interview mit Vicky Short und mir erklärte Allen, warum er das Thema aufgegriffen hatte:
"Ich schrieb das Buch, weil ich viel mit Ken darüber diskutiert hatte, dass, als der Stalinismus zusammenbrach und die Mauer in Berlin fiel, es im Westen hieß: Das war´s. Der Kommunismus funktioniert nicht. Er ist am Ende.‘ Und Typen wie Tony Blair [britischer Premierminister der Labour Party] und Konsorten sprangen auf den Wagen auf. Euer Gott ist gescheitert. Geht zurück in eure Fabriken, stellt euch in die Schlangen vor den Arbeitsämtern und vergesst es. Die freie Marktwirtschaft, die allein funktioniert.‘
Wir wollten zeigen, dass Kommunismus und Sozialismus in der Sowjetunion niemals existierten und Stalin ein Ungeheuer war. Wir suchten nach einem Stoff, der dies deutlich machen konnte. Dabei stieß ich auf eine Broschüre des Komitees der Internationalen Brigaden in Manchester und dachte: Das ist es."
Allen beschrieb die gewaltigen Schwierigkeiten, mit denen sie bei der Produktion von Land and Freedom konfrontiert waren. Das größte Problem war die fehlende Finanzierung, was ihre künstlerische Freiheit einschränkte. Sie brauchten mindestens vier Millionen Pfund, sehr wenig für moderne Standards, aber nach vier Jahren hatten sie nur zweieinhalb Millionen Pfund zusammen. Allen war gezwungen "neue Skripte zu schreiben und sie immer wieder umzuschreiben. Die gewaltigen Szenen in Barcelona, was ein großartiger Ort ist, wenn man Orwell oder anderes gelesen hat - die großen Szenen in Barcelona, besonders die Rolle der Frauen, all dies war in den anderen Entwürfen enthalten. Mir kam dann der Einfall, weil wir uns die Szenen finanziell nicht leisten konnten, eine Stimme aus dem Off erzählen zu lassen. Das ist das Mädchen in Liverpool, das den Leuten über die Briefe erzählt, was dort geschah, weil wir uns nicht leisten konnten es zu zeigen. Es war ein Jammer."
Der Film erzählt die Geschichte des Konflikts zwischen dem Stalinismus und der zentristischen Partei POUM. Sie versuchten dies über die Beziehungen der Menschen im Film darzustellen. Im Originalskript war der Charakter David ein Mitglied der Independent Labour Party, die die POUM den ganzen Krieg hindurch unterstützte. Aber um den Verrat der Stalinisten zu betonen, wurde sein Charakter umgeschrieben zu einem idealistischen Mitglied der Kommunistischen Partei Großbritanniens, der durch seine Erfahrungen in Spanien seinen Mitgliedsausweis vor Abscheu zerreisst.
Blanca sollte ursprünglich ein deutsches Mädchen sein, das bereits weiss, was Faschismus bedeutet. Auch dies wurde geändert, weil einer der Hauptcharaktere spanisch sein und auf eine Art die Revolution verkörpern sollte. Die stärksten Momente in dem Film sind die Exekution des Priesters wegen seiner Kollaboration mit den Faschisten, die Diskussion über die Nutzung des Eigentums der Großgrundbesitzer und die Schlussszene, als die stalinistischen Truppen die POUM entwaffnen und Blanca in den Rücken schießen. Als sie getötet wird weiss man, dass die Revolution mit ihr gestorben ist.
Allen beschrieb, dass die meisten Schauspieler, professionelle und Laien, nichts über die im Film geschilderten Ereignisse wussten und immer wieder fragten: "Ist das wirklich passiert?" Ein altes Mitglied der POUM, das zum Drehort gekommen war, brach bei einer Gelegenheit zusammen und weinte, weil die Erinnerungen an die Ereignisse des Bürgerkriegs zurückgekommen waren.
Allen schrieb die Drehbücher für andere Filme, unter anderem United Kingdom und The Spongers, bei denen Roland Joffe Regie führte (der später der Regisseur von The Mission und The Killing Fields war), und für Loachs Raining Stones. Seine Arbeit war anerkannt, besonders in Europa, wo er bei den Filmfestspielen in Cannes und Prag Auszeichnungen gewann.
Er erreichte viel, hatte aber noch Ideen für viele weitere Projekte. In seinem Interview sagte er: "Es gab Dinge, die Ken und ich machen wollten, aber nicht konnten. Wir haben ewig viel Zeit damit verbracht. Ich schrieb ein Drehbuch mit dem Titel The Stolen Republic über Irland, die Tan Wars (2) und, noch wichtiger, den Bürgerkrieg danach. Über die wahre Rolle von Michael Collins, den Churchill mit Gewehren und Kanonen versorgte, um die Republikaner aus den Vorhöfen herauszuschießen - Dinge, über die die Menschen nicht viel wissen. Und wieder liefen wir die Wardour Street (3) auf und ab und klopfte an die Türen. Wir bekamen nicht einen Pfennig und so ließen wir das Projekt fallen."
Er erzählte von seinen Versuchen mit Roland Joffe einen Film über den Aufstieg des Faschismus in Deutschland zu machen. "Wir gingen zur BBC [...]. Vor dem Fall der Mauer fuhren wir nach Ostdeutschland und sprachen mit alten Mitgliedern der Kommunistischen Partei aus dieser Zeit; wie diskutierten über die stalinistische Politik, die die deutschen Arbeiter gespalten und Hitler den Weg geebnet hat. Aber nach all dieser Forschungsarbeit fing ich an zu schreiben und das Projekt wurde verboten - gut, nicht verboten, einfach gestoppt."
Die Dinge hatte sich geändert bei der BBC seit den ungestümen 60er Jahren. Allen beschrieb die Atmosphäre dort als "Gruppe verängstigter Männer". Produzenten hätten ihn in die Ecke gedrängt und ihm gesagt: "Ich stimme dir zu, dass wir diese Sachen machen sollten... aber du weißt schon." Allen fügte hinzu: "Er sagt es nicht, aber der Grund ist seine Hypothek, sein gewohntes Leben und so weiter. Niemand will ein Held sein. Sie bevorzugen das Sichere, Polizeimaterialien und so etwas."
Allen hätte eine Menge Geld machen können. Seine Tochter erzählte mir, dass der Schauspieler Micky Rourke mehrmals bei ihm anrief und ihn bat nach Los Angeles zu kommen. Er hatte die Rechte an dem Buch von Bobby Sands gekauft und wollte mit Allen darüber reden, ob er das Drehbuch schreiben könne. Allen sagte ihm, dass, wenn er mit ihm reden wolle, Rourke nach Manchester kommen müsse - was eine höfliche Art war abzulehnen. Er wusste, wenn er den Job akzeptierte, hätte er ein sehr reicher Mann werden können, aber er hätte keine künstlerische Kontrolle gehabt und das Ergebnis wäre Müll gewesen. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen war für Allen seine Integrität wichtiger als Geld. Einmal sagte er seiner Tochter: "Ich kann ohne Bedauern in den Spiegel blicken."
Seine Frau Clare war Lehrerin und die beständige Ernährerin der Familie bis zu ihrem tragischen Tod im Jahre 1987. Während ihrer Ehe stand Allen jeden morgen um fünf Uhr auf, um ungestört arbeiten zu können, bevor er die Haushaltspflichten wie Einkaufen und Kochen für seine Familie mit fünf Kindern übernahm. Als seine Frau starb, war das jüngst Kind 12 Jahre alt und Allen sorgte weiter für die Familie solange die Kinder ihn brauchten.
Seine Arbeit bedeutete ihm alles. Er betrieb akribische Nachforschungen und sagte: "Ich lebe in einer Bücherwelt". Im Gegensatz zu vielen Schriftstellern seiner Generation behandelte er die Hauptthemen des 20. Jahrhunderts - Stalinismus, Faschismus, Antisemitismus, die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie und die Krise der Führung, die die Arbeiterklasse plagte. Sein bleibender Hass gegenüber dem Stalinismus, seine Ergebenheit gegenüber der Arbeiterklasse und sein tiefes Gespür für ihre Probleme drücken sich in all seinen Werken aus.
Es ist bemerkenswert, dass Allen während seines ganzen Lebens solch ein hohes Maß an Grundsatztreue in politischen Fragen beibehalten hat. Er arbeitete häufig unter Bedingungen der strengen Isolation, ohne den Vorteil von Gleichgesinnten lernen zu können, der Zusammenarbeit und der konstruktiven Kritik, die sein Talent genährt und entwickelt hätten. Er stand ebenso unter den selbst auferlegten künstlerischen Zwängen der realistischen Schule wie unter den Angriffen der Stalinisten und der Bürokraten der Labour Party und der Gewerkschaften, der rechten Presse und Figuren des Establishments, die bereit waren jede kleinste Ungenauigkeit zu benutzen, um seine Ideen zu untergraben.
Loach erinnerte sich auf welche Art dies auf Allen wirkte. Sie drehten eine Szene aus dem Ende von Days of Hope, als der Generalstreik abgebrochen wird und ein Konflikt zwischen einer Gruppe von Bergarbeitern und Gewerkschaftsbürokraten aufkommt. Am Tag bevor die Szene abgedreht werden sollte schrieb Allen das Skript noch um. Als Loach ihm sagte, die Szene sei zu lang und zu undramatisch, war Allens Antwort: "Ja, aber wir müssen uns gegen die Stalinisten wappnen." Dieses Bemühen um strikte Genauigkeit in den Fakten war eine Einschränkung seiner künstlerischen Freiheit, die Geschichte durch die Entwicklung der Charaktere fließen zu lassen.
Allens Begräbnis war keine große Angelegenheit. Es waren Leute aus der Gegend da, aus dem Pub, wo Allen gewöhnlich sein Bier trank, aber die Stars der BBC blieben aus. Seine Familie zeigte sich gelassen. Sie sagten, dass die Leute, auf die ihr Vater wirklich Wert legte, da waren, darunter Ken Loach, Roland Joffe, Jack Gold, Roger Smith und Neville Smith. Und so sollte es sein.
Nichtsdestotrotz ist die Abwesenheit so vieler von Allens Zeitgenossen symptomatisch für den tiefgreifenden intellektuellen Wandel innerhalb des Milieus, zu dem er auch einmal gehörte. Obwohl er in Europa angesehen ist, war Allen hier in Großbritannien - für einige - eine lästige Erinnerung an ihren eigenen früheren Radikalismus und die nachfolgende Anpassung an die bestehende Ordnung. Sie konnten nicht mit gutem Gewissen in der Öffentlichkeit ihren Respekt und ihre Freundschaft zu jemandem bekennen, der jeden Abstrich von seinen politischen und künstlerischen Prinzipien zurückgewiesen hatte.
Ohne Frage wird es Versuche geben Allen auf beschränkte Art darzustellen, als einen Mann, der über die sozialen Probleme der Arbeiterklasse in Großbritannien geschrieben hat, und seine politische Arbeit zu verharmlosen. Nach seinem Tod zeigte die BBC eine seiner schwächeren Arbeiten, The Spongers, als Achtungsbezeigung. Aber Allens Gesamtwerk, einschließlich der nicht zu seiner Lebenszeit aufgeführten Stücke, kann nicht so einfach abgetan werden. Er beschäftigte sich mit sehr komplizierten Fragen, arbeitete unter strenger Einschränkung von finanziellen Mitteln und unter schwierigen politischen Umständen.
In seinem Interview erzählte er mir, dass er einmal zu Loach gesagt habe: "Sollte ich jemals in der Lotterie gewinnen, ist das erste, was ich mache, ein Theater anmieten und Perdition auf die Bühne bringen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht." Allen gewann nicht in der Lotterie, aber er erlebte noch, dass sein Stück in London aufgeführt wurde unter der Regie von Elliot Leavey, einem jungen Mann, der sein Vertrauen genoss, weil er die Hintergründe erforscht hatte und in der Lage sein würde, die Ideen hinter dem Stück zu verteidigen. Allen war zu krank, um nach London zu fahren und die Produktion zu sehen. Sie wurde in dem kleinen Gate Theatre, das nur Platz für etwa hundert Leute bietet, aufgeführt, wobei die Schauspieler nur für eine Aufwandsentschädigung arbeiteten. Allen zog große Befriedigung aus der Tatsache, dass es eine Co-Produktion des Royal Court war, das ursprünglich das Stück abgesetzt hatte. Er sagte seinen Töchtern: "Die Zeit ist gekommen. Das beweist, dass am Ende die Wahrheit siegt."
Er erhielt Briefe von Zuschauern, die ihm mitteilten, dass sie vor elf Jahren gegen das Stück gewesen waren, aber jetzt verstanden, was in Israel passiert war. Einige brachen in Tränen aus und erzählten dem Regisseur, was für einen Fehler sie begangen hatten.
Es ist eine angemessene Würdigung für Allen, dass er solch tief verwurzelte Vorurteile überwinden konnte und die Leute veranlasste nachzudenken - und nachzufragen. Er bemühte sich das Leben und die Erfahrungen von arbeitenden Menschen während eines Jahrhunderts politischer und sozialer Erschütterungen aufzuzeichnen. Und für dieses beständige Streben nach der historischen Wahrheit wird man sich an ihn erinnern.
Anmerkungen:
(1) Wobblies - Industrial Workers of the World (IWW), amerikanische Gewerkschaft mit anarcho-syndikalistischen historischen Wurzeln. Zu Beginn des Jahrhunderts geführt vom legendären "Big" Bill Haywood.
(2) Tan Wars - irische Unabhängigkeitskämpfe gegen Großbritannien 1919-1921
(3) Wardour Street - Sitz großer Filmproduzenten in London
Literaturnachweise:
George W. Brandt (Hg.), British Television Drama
Graham Fuller (Hg.), Loach on Loach
George McKnight (Hg.), Agent of Challenge and Defiance - The Films of Ken Loach