90 Jahre seit dem Putsch von Pilsudski

Die Strategie des Intermariums

Teil 4: Die Kriegsvorbereitungen der Nato gegen Russland

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Vom 12. bis 14. Mai jährte sich zum 90. Mal der Putsch von Józef Piłsudski in Polen. Mit dem Putsch versuchte die polnische Bourgeoisie ihre Herrschaft vor der Gefahr einer sozialistischen Revolution zu schützen. Heute wird Piłsudski von großen Teilen der polnischen Bourgeoisie und den US-Eliten verherrlicht.

Das hat viel mit Piłsudskis Strategie des sogenannten Intermarium zu tun, die sich heute wachsender Beliebtheit erfreut. Das Intermarium war eine pro-imperialistische Allianz von rechten, nationalistischen Regimen in Osteuropa, die sich in erster Linie gegen die Sowjetunion richtete. Das wiedererwachte Interesse am Intermarium ist Bestandteil der Vorbereitungen auf einen neuen Weltkrieg, die, wie das IKVI in seiner Resolution Sozialismus und der Kampf gegen Krieg schrieb, von einem Wiederaufleben der Geopolitik unter den Ideologen des Imperialismus begleitet werden.

Diese Artikelserie behandelt die Geschichte der Intermariums-Strategie. Ihre Grundlagen wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg als bürgerlich-nationalistischer Gegenentwurf zu den Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entwickelt, für die der russische Revolutionär Leo Trotzki eintrat.

Die PiS-Regierung und die Kriegsvorbereitungen der USA gegen Russland

Die neue rechte Regierung unter der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) markiert ein neues Stadium in der Integration Polens in die US-Kriegsvorbereitungen gegen Russland und der Umsetzung des Intermariums. Während sie extremen Nationalismus, katholische Bigotterie und Rassismus propagiert, hat die PiS-Regierung das Land in ein militärisches Bollwerk verwandelt, das im Zentrum einer militärischen Konfrontation zwischen den Nato-Mächten und Russland stehen würde.

Mehr noch als ihre Vorgängerregierungen haben die PiS und Präsident Andrzej Duda die Wiederbelebung des Intermariums zum Kern ihrer Außenpolitik gemacht. In seiner Antrittsrede vom August 2015 erklärte Duda, der enge Verbindungen zu PiS-Chef Jarosław Kaczyński unterhält, die zentrale Achse seiner Außenpolitik werde die Schaffung einer Allianz der Staaten zwischen der Ostsee, dem Schwarzen Meer und der Adria sein. Dieser regionale Block soll schließlich zu einer engeren wirtschaftlichen, politischen und militärischen Integration der beteiligten Staaten führen.

Wie oben bereits ausgeführt wurde, sind diese Pläne nicht ganz neu. Doch unter der Regierung der liberalen Bürgerplattform (PO) wurden sie an den Rand gedrängt. Die PO verfolgte zwar eine sehr anti-russische Linie, orientierte sich jedoch stärker als die PiS auf eine Allianz mit Deutschland. Der Coup in der Ukraine im Februar 2014 und die gleichzeitige Rückkehr des deutschen Militarismus bedeuteten für diese Politik einen Wendepunkt.

Nach dem Coup in der Ukraine erhöhte die PO-Regierung die Militärausgaben für 2016 auf 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Die Nato-Aufrüstung in Osteuropa seit 2014 hat die gesamte Region in ein gefährliches Krisengebiet und den möglichen Schauplatz eines Krieges gegen Russland verwandelt.

Zu den zentralen Elementen der Aufrüstung gehören die European Reassurance Initiative (ERI) und der Bereitschaftaktionsplan (Readiness Action Plan), die beide beim Nato-Gipfel in Wales im September 2014 verkündet wurden. Insgesamt flossen im Jahr 2015 985 Millionen US-Dollar in das ERI-Programm. Weitere 789,3 Millionen US-Dollar sind für 2016 geplant. Für 2017 hat die Obama-Regierung eine Vervierfachung der ERI-Ausgaben auf 3,4 Milliarden US-Dollar angefragt, um so eine permanente Präsenz einer Armeebrigade in Zentral- und Osteuropa sowie zusätzlich Übungen und die Stationierung von Kampfausrüstung zu ermöglichen.

In einer bewussten Provokation gegen Russland haben die USA im Jahr 2014 die Operation Atlantic Resolve (Atlantische Entschlossenheit) aufgenommen, die vermehrte Übungen und eine stärkere Zusammenarbeit mit Polen, den Baltischen Staaten, Rumänien und Bulgarien beinhaltet. Seitdem haben mehrere US-Militäreinheiten, darunter die 173. Luftbrigade der Armee, die 1. Kavalerie-Division sowie 3 Infanterie-Divisionen an Rotierungseinsätzen in Polen teilgenommen, wo sie gemeinsam mit der polnischen Armee Militärtraining und -übungen absolvierten. Washington plant außerdem die Vorstationierung von Militärausrüstung, eingeschlossen Abrams-Panzer und Infanterie, im Baltikum und Zentraleuropa.

Der polnischen Bourgeoisie geht die Nato-Aufrüstung jedoch nicht weit genug. Gleichzeitig hat die Ukraine-Krise wachsenden Spannungen innerhalb der Nato ans Licht gebracht, insbesondere zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, der dominierenden imperialistischen Macht in der EU. Deutschland unterhält enge wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Russland. Berlin hat zwar den Sanktionen im Jahr 2014 zugestimmt, die im Wesentlichen auf eine wirtschaftliche Kriegsführung hinausliefen. Eine permanente Stationierung von Nato-Truppen in Osteuropa lehnt die deutsche Regierung jedoch strikt ab.

Die deutsche Bourgeoisie ist über die Haltung zu Russland nach wie vor gespalten. Ein Teil der Bourgeoisie, der sich insbesondere um die SPD schart, besteht sehr zum Unmut Warschaus darauf, einen „Dialog“ mit dem Kreml zu führen. Führende deutsche Unternehmen haben zudem ihre Zusammenarbeit mit Russland noch weiter ausgebaut. So hat der deutsche Chemieriese BASF im Jahr 2015 ein milliardenschweres Geschäft mit dem russischen Gasmonopolisten Gazprom abgeschlossen. Das BASF-Tochterunternehmen, Wintershall beteiligt sich an den Vorbereitungen des Ausbaus der Nord Stream Pipeline, der sowohl von den USA als auch von Polen vehement abgelehnt wird. Führende Politiker der PiS haben die Pipeline als „Gefahr für die nationale Sicherheit“ Polens und den Ausgangspunkt für eine anti-polnische Allianz zwischen Russland und Deutschland bezeichnet.

Welch starke Beunruhigung Deutschlands anhaltende Verbindungen mit Russland in Warschau hervorrufen, lässt sich an einem Bericht ablesen, der 2015 gemeinsam vom Polnischen Verteidigungsministerium und dem Washingtoner Think Tank CSIS herausgegeben wurde. In einem der Essays verweist Andrew A. Michta auf die sich vertiefenden Differenzen innerhalb der Nato-Allianz über die Russland-Politik.

„Deutschland, Großbritannien und Italien lassen sich auf nichts außer wirtschaftliche Sanktionen ein; Frankreich schwankt; und die mittelgroßen und kleinen Staaten an der Nato-Frontlinie wie Polen und die Balten haben nicht die notwendige Schlagkraft, um Europa zum Handeln zu bringen.“

Michta warnt, dass die deutsch-polnische Achse, die vor allem mit der Politik der Bürgerplattform (PO) assoziiert wird, Gefahr läuft, auseinanderzubrechen:

„Der Traum war, dass Zentraleuropa mit der voller Unterstützung Deutschlands endlich dem Dilemma entrinnen könne, Mitte oder Peripherie zu sein, und niemandes Peripherie mehr sein würde. Die Absicherung Zentraleuropas basierte auf der Annahme, dass Deutschlands interregionale Beziehungen, insbesondere seine Beziehung mit Polen, seine russische Ostpolitik als historisch dominanten Vektor ablösen würden.“

Hinter der Beunruhigung über Deutschlands Beziehung mit Russland steht der grundlegendere geopolitische Konflikt zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Imperialismus. Historisch gesehen hat Deutschland in zwei Weltkriegen versucht, die Gebiete in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion unter seine vollständige Herrschaft zu bringen, und dabei gleichzeitig gegen die USA gekämpft. Dieser grundlegende Konflikt ist nach der Niederlage Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg einigermaßen verdeckt worden, da die deutsche Bourgeoisie sehr geschwächt und für eine längere historische Periode von der Unterstützung des US-Imperialismus abhängig war, mit dem Westdeutschland im Kampf gegen die Sowjetunion eng zusammenarbeitete. Die Rückkehr des deutschen Militarismus bringt diese Differenzen jedoch wieder mit zunehmender Schärfe auf die Tagesordnung.

Das ist ein wesentlicher Grund, warum führende amerikanische Think Tanks und politische Analysten die Ukraine-Krise als Argument für die Notwendigkeit einer Wiederbelebung des Intermariums angesehen und in den vergangenen fünf Jahren intensiv diskutiert haben.

So veröffentlichte der polnisch-amerikanische politische Analyst Jan Marek Chodakiewicz, der für das Institute of World Politics, einem pro-republikanischen Ausbildungsstätte für angehende Diplomaten und Geheimdienstagenten in Washington, arbeitet, im Jahr 2013 ein Buch, in dem er sich für eine Orientierung der USA auf die Intermariums-Strategie aussprach. Das Intermarium, so Chodakiewicz, stelle den „regionalen Dreh- und Angelpunkt und das Tor für Ost und West“ dar und sei zudem der „stabilste Teil des post-sowjetischen Raums (sowie der freiste und demokratischste).“

Chodakiewicz rät daher, die Vereinigten Staaten sollten sich „darauf konzentrieren, ihren Einfluss dort zu festigen, und die Region als Sprungbrett für die Handhabung der restlichen Nachfolgestaaten nutzen, eingeschlossen den Kaukasus, Zentralasien und die Russischen Föderation selbst.“ [1] Er warnt eindringlich vor einer Allianz zwischen Berlin und Moskau und schreibt: „Im Wesentlichen ist die Förderung eines pro-amerikanischen Blockes in der Mitte Europas unerlässlich, um das zunehmend anti-amerikanische Westeuropa entweder zu ergänzen oder ein Gegengewicht dazu zu bilden, und um den amerikanischen Einfluss auf dem Alten Kontinent wiederherzustellen.“ [2]

Etwa zur selben Zeit veröffentlichte der inzwischen verstorbene Alexandros Petersen ein Buch unter dem Titel „Weltinsel: Eurasische Geopolitik und das Schicksal des Westens“ [3], in dem er für eine Rückkehr zum geopolitischen Denken des britischen imperialen Strategen Halford Mackinder argumentiert und dafür eintritt, Piłsudskis Intermarium-Politik in die US-Strategie zur Vorherrschaft in Eurasien zu integrieren.

Seit dem Coup in der Ukraine im Februar 2014 werden diese Standpunkte noch aggressiver propagiert. George Friedman, der Gründer und ehemalige Vorsitzende des privaten, CIA-nahen Nachrichtendienstes Stratfor, hat die Notwendigkeit einer solchen Strategie wiederholt betont. In einem Kommentar unter dem Titel „Von Estland bis Aserbaidschan: Amerikas Strategie nach der Ukraine” legte er seine Strategie folgendermaßen dar:

„Ähnlich wie die Eindämmungspolitik von 1945-1989 würde sie nicht im Detail, aber doch von der Grundidee her, gewaltsame und finanzielle Mittel kombinieren, um die Entwicklung Russlands als Hegemonialmacht einzuschränken, und die USA dabei nur einem begrenzten und kontrollbaren Risiko aussetzen. Diese Strategie läuft auf eine Entwicklung hinaus, die ich in zwei Büchern, „Das nächste Jahrhundert“ und „Die nächsten hundert Jahre“, vorhergesagt und als Konzept des Intermarium bezeichnet habe. Das Intermarium war ein Plan, der vom polnischen Führer Józef Piłsudski nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgt wurde und auf die Schaffung einer Föderation zentral- und osteuropäischer Länder unter polnischer Führung abzielte. Was sich nun entwickelt, ist nicht das Intermarium, aber so etwas Ähnliches. Und es verwandelt sich aus einer abstrakten Vorhersage in eine konkrete Realität, die im Entstehen begriffen ist.“

Friedman deutet an, dass eine solche Allianz neben der Nato und schließlich sogar als Ersatz für sie entwickelt werden könnte, indem er sich darüber beschwert, dass die Nato keine „funktionierende Allianz” und in der Russland-Politik gespalten sei. Deswegen sollten die USA laut Friedman die Regime in Osteuropa aufrüsten und eine militärische Allianz zwischen ihnen ermutigen.

„Die Polen, Rumänen, Aserbaidschaner und sicher die Türken können sich selbst verteidigen. Sie brauchen aber Waffen und Ausbildung. Das wird Russland eindämmen, während es seine letzten Karten als Großmacht ausspielt.“

Zwei Jahre zuvor, im Jahr 2012, hatte Friedman bereits beim Forum for New Ideas vor einem ausgewählten polnischen Publikum aggressiv für eine Rückkehr zum Intermarium geworben. Friedman erklärte, Europa sei wieder mit einem aufsteigenden Deutschland und der Gefahr einer möglichen Allianz zwischen Berlin und Moskau konfrontiert. Vor diesem Hintergrund betonte er, dass Polen eine Führungsrolle in Europa übernehmen müsse, bei seiner Verteidigung im Kriegsfall aber nicht auf die EU zählen könne. Dann fuhr er fort:

„Polen muss sich jetzt auf sich selbst verlassen. …. Ich werde Ihnen eine radikalere Idee präsentieren, eine die von General Piłsudski stammt, das Intermarium. Das Intermarium besagt im Wesentlichen: Wir stecken zwischen Deutschland und Russland fest, und das stinkt uns. …. Also müssen wir zu einem Brocken werden, der nur sehr schwer zu schlucken ist, aber das schaffen wir nicht alleine. Und er schlug das Intermarium vor. … Es gibt Nationen in Europa, die allein dadurch überlebt haben, dass es zu schwierig war, sie anzugreifen. Polen muss zu schwierig für einen Angriff werden. Aber Polen muss auch eine Freihandelszone mit Ländern formen, die auf polnische Exporte, eine Allianz mit Polen und eine Führung durch Polen angewiesen sind – der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, selbst der Türkei. … Es gibt hier ein Moment für eine Führungsrolle, die Polen übernehmen kann – in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten – um eine stabile Umgebung zu schaffen.“ (Hervorhebung im Original)

Friedmans langjähriger Mitarbeiter bei Stratfor, Robert D. Kaplan, hob in einem weiteren Kommentar vom August 2014 unter dem Titel „Piłsudskis Europa” hervor, dass „gerade Polen und Rumänien, die beiden größten Nato-Staaten im Nord- bzw. Südosten Europas entscheidend sind für ein effektives Intermarium als Gegengewicht zu Russland. Zusammen genommen verbinden sie praktisch die Ostsee mit dem Schwarzen Meer.“

Das Intermarium sei zwar noch lange nicht realisiert, aber, so Kaplan, „der Trend ist erkennbar. Hochrangige Treffen zwischen den Intermariums-Ländern sind häufiger geworden, da das Pentagon und das State Department als Hubs für die führenden Militärs, Geheimdienstler und Diplomaten dieser Länder fungieren. Mehr Unterstützung der USA für Ost- und Zentraleuropa muss ergänzt werden durch stärkere bilaterale Verbindungen dieser Länder untereinander – ganz abgesehen von den wachsenden Militärausgaben in der Region.“

Diese außenpolitischen Diskussionen innerhalb der polnischen und amerikanischen Eliten fanden vor der Regierungsübernahme durch die Partei PiS statt, die weit stärker auf die USA orientieret ist und das Prometheus-Projekt neu beleben will. Die Integration in die US-Kriegsvorbereitungen zeigt sich an drei zentralen Bestandteilen der Regierungspolitik der vergangenen Monate.

Erstens hat die PiS-Regierung die Aufrüstung der polnischen Streitkräfte dramatisch intensiviert. Sie hat die Nato-Pläne für eine Militärexpansion in Osteuropa enthusiastisch unterstützt und dabei die radikalsten Vorschläge unterbreitet. So tut sich Duda seit langem mit der Forderung hervor, Nato-Truppen dauerhaft in Polen zu stationieren.

Auch die Militärausgaben hat sie deutlich erhöht: Sie betragen inzwischen 3 Prozent des BIP, bedeutend mehr als die 2 Prozent, die von der Nato gefordert werden. Gleichzeitig hat die PiS intensiv am Aufbau von paramilitärischen Einheiten gearbeitet. Sie umfassen inzwischen etwa 80.000 Mann und haben sich zwischen dem Frühjahr 2014 und dem Herbst 2015 mehr als verdreifacht.

Dem gegenüber stehen 120.000 Soldaten, die bereits in den regulären Polnischen Streitkräften aktiv sind. Die PiS-Regierung integriert diese paramilitären Organisationen, die enge Verbindungen zur rassistischen und gewalttätigen Ultra-Rechten haben, systematisch in den Staatsapparat. (Siehe auch: Polnische Regierung verstärkt militärische Aufrüstung)

Ähnlich wie die Guerilla-Truppen, die die rechte Regierung in Kiew seit 2014 im Bürgerkrieg einsetzt, richten sich diese paramilitärischen Einheiten nicht nur nach außen, sondern auch nach Innen und werden für einen möglichen Einsatz gegen die Arbeiterklasse im Falle von Massendemonstrationen oder eines Bürgerkrieges vorbereitet.

Zweitens hat die PiS-Regierung ihre Bemühungen intensiviert, die Visegrad-Gruppe (Ungarn, Slowakei und die Tschechische Republik) für die Koordinierung von politischen Standpunkten zu nutzen, und so innerhalb der EU einen politischen Block in Opposition zur Politik Deutschlands zu bilden. Dabei war eine der wichtigsten Fragen, in denen sich die Visegrad-Staaten einig waren, die gemeinsame Ablehnung der Haltung Berlins in der Flüchtlingspolitik.

Auf der militärischen Ebene laufen Diskussionen über eine gemeinsame Militärbrigade, die Truppen aus Polen, Litauen und der Ukraine vereinigen und LITPOUKRBRIG genannt werden soll. Einige Analysten sehen darin einen Prototyp für eine gemeinsame Militäreinheit. Zudem plant Polen eine Assoziation für die Ostsee und das Schwarze Meer, an der auch Länder teilnehmen können, die wie die Ukraine oder Moldawien noch nicht Mitglieder der Nato sind.

Vor diesem Hintergrund ist auch der dritte Bestandteil der PiS-Politik zu verstehen: der Aufbau eines Polizeistaates. Die extreme Militarisierung der polnischen Gesellschaft und die Aufrüstung sind unvereinbar mit der Wahrung auch nur der grundlegendsten demokratischen Rechte. Gleich nach ihrem Amtsantritt hat die PiS-Regierung einen kalten Staatsstreich durchgeführt und die Sicherheitsdienste unter ihre Kontrolle gebracht. Das Verfassungsgericht ist seitdem praktisch blockiert und die öffentlichen Fernseh- und Radiosender sind der Regierung unterstellt worden. Mit einem neuen Anti-Terror-Gesetz und einem Überwachungsgesetz hat PiS die Strukturen für einen Polizeistaat geschaffen. Die PiS-Regierung versucht auf diese Weise, sich gegen soziale und politische Opposition gegen ihre Kriegspolitik und die wachsende soziale Ungleichheit zu rüsten.

Inwieweit die Intermariums-Allianz letztlich realisiert werden kann, ist aus mehreren Gründen eine offene Frage. Erstens hängt das Projekt vollkommen von der Unterstützung durch den Imperialismus ab, allen voran den US-Imperialismus. In den US-Eliten gibt es jedoch keine Einigkeit über diese Strategie. Zweitens ist die osteuropäische Bourgeoisie selbst über die Russland-Politik gespalten. Dies betrifft insbesondere Ungarn und die Tschechische Republik, die beide den extrem aggressiven Kurs Polens ablehnen. Drittens herrscht auch in der polnischen Bourgeoisie keine Einigkeit über die Außenpolitik. Die Unterstützer der Bürgerplattform (PO) sind zwar zutiefst anti-russisch, orientieren sich aber nach wie vor nicht nur auf die USA, sondern auch auf Deutschland. Das Intermarium-Projekt ist ihrer Ansicht nach zum Scheitern verurteilt.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Militarisierung und die Kriegsstrategie der polnischen Regierung, die dabei als verlängerter Arm der US-Regierung handelt, eine große Gefahr darstellen. Die Bourgeoisien, die aus den stalinistischen Bürokratien hervorgegangen sind, die vor einem Vierteljahrhundert den Kapitalismus restauriert haben, verwandeln die Region nun in einen militärischen Krisenherd, der Bestandteil einer nuklearen Konfrontation zwischen den USA und Russland werden könnte.

Wie schon im 20. Jahrhundert ist das Intermarium-Projekt die geopolitische Ergänzung einer Politik, die auf die Mobilisierung ultra-rechter Kräfte und den Aufbau des Militärs gegen die Gefahr einer sozialistischen Revolution der Arbeiterklasse abzielt. Die Arbeiterklasse in Polen und Europa muss der Strategie der Bourgeoisie von Krieg und Militarismus den Aufbau einer sozialistischen Antikriegsbewegung entgegenstellen und für die Vereinigung des Kontinents auf sozialistischer Grundlage in Form der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa kämpfen.

Ende

Anmerkungen:

[1] Jan Marek Chodakiewicz: Intermarium. The Land Between the Baltic and the Black Seas [Intermarium: Das Land zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer], Transaction Publishers 2013, S. 2.

[2] Ebd., S. 391.

[3] Alexandros Petersen, The World Island: Eurasian Geopolitics and the Fate of the West, Greenwood Publishing Group 2011

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