Perspektive

Stoppt die Bürgerkriegsvorbereitungen der Bundeswehr!

Am gestrigen Dienstag begann die erste gemeinsame Übung von Polizei und Bundeswehr in der Geschichte der Bundesrepublik. Bis Donnerstag werden im Rahmen von „GETEX“ („Gemeinsame Terrorismusabwehr-Exercise“) hunderte Polizisten und mindestens 360 Soldaten in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Schleswig-Holstein den Einsatz des Militärs im Inneren trainieren. Koordiniert wird die Übung vom Innen- und Verteidigungsministerium.

Die Übung markiert einen gefährlichen Wendepunkt in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Aufgrund der Erfahrungen im Kaiserreich, der Weimarer Republik und vor allem der nationalsozialistischen Diktatur, wo Militär, paramilitärische Kampfverbände, Geheimdienste und Polizei als brutale Unterdrückungsinstrumente im Innern dienten, sieht das Grundgesetz eine strikte Trennung zwischen Polizei und Bundeswehr vor. Dieser Grundsatz ist zwar seit der Verabschiedung der Notstandgesetze im Mai 1968 immer weiter ausgehöhlt worden. Der Einsatz schwerbewaffneter Soldaten zur „inneren Sicherheit“ auf den Straßen ist jedoch nach wie vor illegal.

Darüber setzt sich die Bundesregierung mit „GETEX“ hinweg! Vorbereitet wurde dies bereits durch das „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr”. Dort heißt es im Abschnitt „Einsatz und Leistungen der Bundeswehr im Innern“, dass „die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte bei der wirksamen Bekämpfung des Unglücksfalls unter engen Voraussetzungen auch hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Eingriffs- und Zwangsbefugnissen wahrnehmen können“.

Am Dienstag begründete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Einsatz des Militärs im Inneren mit den Worten: „Die Bundeswehr ist stark in ihren Einsätzen gefordert, aber sie verfügt auch hier im Grundbetrieb über besondere Kapazitäten und Fähigkeiten, etwa im Aufspüren und Entschärfen von Sprengsätzen, geschützten Transportern oder zur Versorgung einer größeren Zahl von Brandopfern“.

Das Zusammenwirken von Militär und Polizei sei angesichts der hohen Bedrohungslage dringend notwendig, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). „Die Räder müssen ineinander greifen. Die Meldewege müssen funktionieren. Die Stäbe müssen wissen voneinander, was zu tun ist. Und das wird von jetzt an bis Donnerstagmittag geübt.“

Offiziell wird ein Szenario geprobt, bei dem die Polizei mit einem großflächigen Terrorangriff im Land überfordert ist und Unterstützung von der Bundeswehr anfordert. Angeblich sollen für die Übung weder Straßen gesperrt werden, noch Panzer auffahren. Laut Innenministerium handelt es „sich um eine so genannte Stabsrahmenübung, bei der es vor allem um die Einübung der Verfahrens- und Kommunikationswege zwischen den für die Einsatzkoordination verantwortlichen Stäben und Lagezentren geht“.

Der Wehrbeauftragte des deutschen Bundestags, Hans Peter Bartels (SPD), sprach offener über die weitreichenden Maßnahmen, die hinter dem Rücken der Bevölkerung vorbereitet werden. „Der Einsatz von Hubschraubern und Fahrzeugen, das Entschärfen von Sprengsätzen, die Aufklärung aus der Luft und am Boden, die Unterstützung durch Ärzte und Rettungssanitäter und die ABC-Abwehr – das alles könnte der Polizei in extremen Lagen helfen.“

Auch „das Durchsuchen, Festnehmen und Schießen wäre nach der Verfassungs-Rechtsprechung... als absolute Ultima Ratio erlaubt“, so der Wehrbeauftragte. „Unsere Soldaten stellen keine operative Polizeireserve dar.“ Aber es verstehe sich von selbst, dass die Bundeswehr einspringe, wenn die Polizei flächendeckend die Kontrolle verlöre und alle Stricke reißen würden. „Aber eben erst dann!“

Bartels verrät damit mehr über die Pläne der herrschenden Klasse als ihm möglicherweise lieb ist. In Wirklichkeit dient der Einsatz der Armee im Innern nicht der Verhinderung von etwaigen zukünftigen Terroranschlägen, sondern der Unterdrückung der Bevölkerung.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) warnte bereits in einer Erklärung zum massiven Polizeiaufmarsch in München nach dem Amoklauf des 18-jährigen Schülers David S. im vergangenen Sommer: „Wirkliches Ziel der Staatsaufrüstung, die im Namen des ‚Kampfs gegen den Terror‘ betrieben wird, ist die Arbeiterklasse und jegliche soziale und politische Opposition. Unter Umständen, unter denen sich die sozialen Gegensätze verschärfen, die Europäische Union auseinanderbricht und sich die nächste Finanzkrise ankündigt, bereiten sich die herrschenden Eliten auf heftige Klassenkämpfe vor. Der wachsende Militarismus nach außen geht mit der Militarisierung der Innenpolitik einher.“

Die herrschende Klasse bereitet sich darauf vor, notfalls das Militär zur Verteidigung der bürgerlich-kapitalistischen Ordnung einzusetzen. Ein Dokument des Instituts für Sicherheitsstudien der Europäischen Union mit dem Titel „Perspektiven für die Europäische Verteidigung 2020“ sieht die Aufgabe künftiger Militäreinsätze unter anderem im „Schutz der Reichen dieser Welt vor den Spannungen und Problemen der Armen“. „Da der Anteil der armen, frustrierten Weltbevölkerung weiterhin sehr hoch sein wird, werden sich die Spannungen zwischen dieser Welt und der Welt der Reichen weiter verschärfen – mit entsprechenden Konsequenzen“, heißt es zur Erklärung.

Und weiter: „Durch die Technologie schrumpft die Welt zu einem globalen Dorf, das sich allerdings am Rande einer Revolution befindet. Während wir es mit einer immer stärker integrierten Oberschicht zu tun haben, sind wir gleichzeitig mit wachsenden explosiven Spannungen in den ärmsten Unterschichten konfrontiert.“

Damit das Militär die Niederschlagung sozialer Aufstände trainieren kann, baut die Bundeswehr auf dem Gelände des „Gefechtsübungszentrums Heer“ (GÜZ) nördlich von Magdeburg seit 2012 die Stadt Schnöggersburg, einen „urbanen Ballungsraum“ mit mehr als 500 Gebäuden, einer U-Bahn, Sportanlagen, Brücken, Straßen und einem Industriegebiet. Auf dem mehr als 140 Millionen Euro teuren Objekt sollen Soldaten ab 2018 den Häuserkampf und auch die Vorbereitung auf Einsätze der Bundeswehr im Inland „in möglichst realitätsnaher Umgebung“ (Verteidigungsministerium) trainieren.

Die Vorbereitung auf Bürgerkrieg gegen die Bevölkerung wird von allen Bundestagsparteien unterstützt. CDU/CSU, SPD und Grüne sind als Regierungsparteien in den jeweiligen Bundesländern direkt in die Durchführung von „GETEX“ eingebunden. Die Linkspartei fordert eine massive Aufrüstung der „kaputtgesparten Polizei“ (Sahra Wagenknecht) und hat im vergangenen September ein gemeinsames Treffen mit dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses Harald Kujat abgehalten, der seit langem für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren wirbt.

Die Aggressivität mit der die herrschende Klasse auf Kriegskurs nach Außen und Innen geht, ist eine Warnung. Mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Ende des nationalsozialistischen Terrors werfen die deutschen Eliten alle demokratischen Grundsätze über Bord, zu denen sie sich in der Nachkriegsperiode zähneknirschend bekennen mussten. Die SGP kämpft dafür, der weit verbreiteten Opposition gegen Krieg, Diktatur und Sozialabbau eine politische Perspektive zu geben. Nur eine internationale, sozialistische Bewegung gegen den Kapitalismus kann die Bürgerkriegsvorbereitungen der herrschenden Klasse stoppen und einen Rückfall in Diktatur und Barbarei verhindern.

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