Dem Lufthansa-Konzern steht für Donnerstag und Freitag ein 48-Stunden-Streik des Kabinenpersonals bevor. Dazu hat die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo) am Montagmittag alle Flugbegleiter aufgerufen. Betroffen sind sämtliche Lufthansa-Abflüge von allen deutschen Flughäfen.
Eine Urabstimmung unter den Flugbegleitern ergab am 1. November die Zustimmung von 86,9 Prozent zu Kampfmaßnahmen bis hin zu unbefristeten Streiks. Auch bei den Lufthansa-Töchtern hat eine überwältigende Mehrheit der Mitglieder Streikmaßnahmen zugestimmt: bei Lufthansa Cityline 77,5 Prozent, bei Eurowings 82,3 Prozent, bei Germanwings 95,1 Prozent und bei der Sun Express sogar 96,2 Prozent. Mit Kampfmaßnahmen sei auch bei den Lufthansa-Töchtern jederzeit zu rechnen, so der Ufo-Vorstand.
Die hohe Streikbereitschaft ist den Bedingungen der Flugbegleiter geschuldet, die in den letzten Jahren bei der Kranich-Linie dramatisch verschlechtert worden sind. Der Beruf einer Stewardess bei Lufthansa, der noch vor zwanzig Jahren als wohlbezahlt und abgesichert galt, verkommt seit Jahren mehr und mehr zu einem schlecht bezahlten, unsicheren Knochenjob.
Aus diesem Grund zielt ein Teil der Forderungen, die Ufo aufgestellt hat, auf einen verbesserten Zugang zu den Vollzeitstellen ab. Daneben fordert Ufo die Erhöhung der Spesen um insgesamt zehn Euro pro Tag (fünf Euro jetzt und weitere fünf Euro im Juli 2020), sowie verbesserte Purserzulagen.
Ufo verfolgt mit dem Streik in erster Linie das Ziel, von Lufthansa wieder als Gewerkschaft anerkannt zu werden. Bereits vor drei Wochen, am 20. Oktober, hatte sie mehrere Tausend Flugbegleiter der vier Tochterbetriebe zu einem Ausstand aufgerufen.
Die Gewerkschaft ist innerlich zerstritten und sieht sich heftigen Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Der Lufthansa-Konzern versucht dies zu nutzen, um die Gewerkschaft, die in der Vergangenheit wiederholt zu längeren Streiks aufgerufen hat, ganz loszuwerden und ausschließlich auf die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zu setzen. Seit Monaten weigert sich das Lufthansa-Management, mit Ufo zu verhandeln, und im Januar hat es den ehemaligen Ufo-Vorsitzenden Nicoley Baublies entlassen.
„Derzeit kann es keine Verhandlungen oder Gespräche mit Ufo geben“, zitierte die FAZ letzte Woche eine Lufthansa-Sprecherin. Auf Twitter ließ der Konzern verkünden: „Lufthansa verurteilt den Streikaufruf der Ufo auf das Schärfste und wird rechtliche Schritte dagegen prüfen.“
Nach eigenen Angaben vertritt Ufo bei Lufthansa noch mehr als die Hälfte der rund 20.000 Kabinenbeschäftigten. Die DGB-Gewerkschaft Verdi dagegen hat unter den Flugbegleitern höchstens noch ein paar hundert Mitglieder. Sie ist als Interessenvertreterin des Konzerns mit engen Beziehungen zum Vorstand verhasst. Das Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle sitzt als stellvertretende Vorsitzende im Lufthansa-Aufsichtsrat.
Mitte Oktober hatte Verdi mit der Fluggesellschaft bereits „eine fertige Tarifabsprache“ für das Kabinenpersonal getroffen. Behle verteidigte dies mit der Begründung, es müssten tarifliche Lösungen gefunden werden, um „die Unruhe in der Kabine zu beenden“. Dazu sagte ein Konzernsprecher dem Handelsblatt. „Wir haben immer gesagt, dass Gespräche mit Verdi für uns grundsätzlich eine Option sind.“
Trotz ihrem teilweise militanteren Auftreten vertritt Ufo dieselbe Perspektive der Klassenzusammenarbeit wie Verdi. Auf ihrer Homepage beschwerte sich die Spartengewerkschaft bitter über die ablehnende Haltung des Vorstands: „Jede gereichte Hand wurde ignoriert oder gebissen.“
In ihrer Videobotschaft erklärte die Gewerkschaft am Montagmittag, man habe gehofft, dass Lufthansa auf das Votum aus der Urabstimmung mit einem Gesprächsangebot reagiere. Erst als dies definitiv nicht erfolgte, habe man sich entschlossen, konkret zum Ausstand aufzurufen.
In der Videobotschaft wandte sich der Ufo-Vizepräsident Daniel Flohr persönlich an den Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr, dem er sagte: „Herr Spohr, der Ball liegt also wieder in Ihrem Spielfeld.“ An ihm sei es jetzt, „aus dieser Spirale der Eskalation und des Kampfes auf dem Rücken von Mitarbeitern, Kunden und Aktionären herauszutreten“.
Es war kein Zufall, dass Flohr in dieser Aufzählung auch die Aktionäre erwähnte. Ufo hat schon bei dem letzten Tarifabschluss Maßnahmen akzeptiert, die den Profitinteressen der Börse geschuldet waren. Als der letzte Streik der Flugbegleiter vor vier Jahren mit einer Schlichtung abgewürgt wurde, hatte Ufo sich ganz offen damit gebrüstet, dass der neue Abschluss zehn Prozent der Personalkosten einsparen werde.
Tatsächlich gab Ufo mit dem Abschluss vom Juli 2016 langjährige Errungenschaft des Kabinenpersonals preis. In der Personalstruktur wurde damals das heutige Zweiklassensystem eingeführt und ein dauerhaftes Reservoir an prekär beschäftigtem Billigpersonal geschaffen. Seither erhalten die neu eingestellten Flugbegleiter nur noch eine 83-Prozent-Stelle, mit der sie auf ein Bruttogehalt von etwa 2250 Euro kommen. Nur wenn sie eine zusätzliche, achtzehn Monate dauernde Qualifizierung absolvieren, die sie selbst bezahlen müssen, können sie zusätzliche Rechte wie zum Beispiel die Alterssicherung und ein höheres Gehalt erlangen.
Bei den Lufthansa-Töchtern haben die Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen noch niedrigere Einkommen. Sie verdienen nur noch einen Bruchteil dessen, womit Lufthansa-Flugbegleiter vor einem Vierteljahrhundert fest rechnen konnten. In dem gleichen Vertrag von 2016 wurde auch die betriebliche Alterssicherung derjenigen, die noch eine haben, auf ein „kapitalmarkttaugliches Modell“ umgestellt, was bedeutet, dass Mitarbeiter das Risiko dafür selbst tragen müssen und im Falle einer neuen Finanzkrise wie 2008 alles verlieren können.
Zu all diesen Angriffen hatte Ufo vor drei Jahren Ja und Amen gesagt. Seither verlor sie tausende Mitglieder, und es kam zu den jüngsten internen Querelen und gegenseitigen Schuldzuweisungen. Aus dem einst siebenköpfigen Vorstand sind nur die zwei Vorsitzenden Sylvia de la Cruz und Daniel Flohr übriggeblieben. Sie wurden bei der Mitgliederversammlung vom 1. November bestätigt, und für den 14. Februar wurde die Wahl einer neuen Gewerkschaftsspitze angekündigt.
Wie sich immer deutlicher zeigt, ist weder Verdi noch Ufo in der Lage, tatsächlich die Interessen der Lufthansa-Beschäftigten zu vertreten. Vor 27 Jahren aus der Wut und Unzufriedenheit über Verdi entstanden, stellt auch Ufo, wie alle Spartengewerkschaften, keine grundsätzlich Alternative dar. Ob das die Lokführergewerkschaft GdL, der Marburger Bund der Ärzte, Cockpit oder Ufo sind, sie alle vertreten die gleiche national beschränkte, kapitalistische Perspektive wie die DGB-Gewerkschaften.
Die Kabinenbeschäftigten müssen, wie alle Arbeiterinnen und Arbeiter, eigene Aktionskomitees aufbauen, die von den Gewerkschaften unabhängig sind. Auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms müssen sie sich mit den Piloten, dem Bodenpersonal und den Beschäftigen anderer Fluggesellschaften zusammenschließen, um ihre Rechte und Errungenschaften zu verteidigen. Für diese Perspektive kämpfen die World Socialist Web Site, die Sozialistische Gleichheitspartei und alle Sektionen der Vierten Internationale.