Auf einer Sitzung des Akademischen Senats der Humboldt-Universität stellte sich Universitätspräsidentin Sabine Kunst am Dienstag hinter den rechtsradikalen Professor Jörg Baberowski, der einen linken Studenten auf dem Campus vulgär bedroht und tätlich angegriffen hatte. Der Senat ist das höchste Leitungsgremium der Universität, in dem Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter, sonstige Beschäftigte und Studierende vertreten sind.
Baberowski hatte Wahlplakate der Hochschulgruppe der IYSSE zu den Wahlen des Studierendenparlaments von einem schwarzen Brett gerissen. Als er bemerkte, dass der StuPa-Abgeordnete der IYSSE, Sven Wurm, die Tat dokumentierte, schlug er ihn und bedrohte ihn mit den Worten: „Soll ich dir was in die Fresse hauen?“ All das ist in einem Video festgehalten, das Wurm der Universitätsleitung vor einer Woche zusammen mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde übersandt hatte.
Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des akademischen Senats erklärte Kunst nun, dass die Universitätsleitung die Gewalttat nicht öffentlich verurteilen werde. Es werde lediglich eine offizielle Untersuchung eingeleitet, zu deren genauem Zweck sich Kunst nicht äußerte. Mehrere Mitglieder des Senats berichteten der WSWS unabhängig voneinander, dass Kunst Baberowskis Übergriff sogar als menschlich verständliche Tat bezeichnet habe.
Mit dieser Sympathiebekundung und der Weigerung einer klaren Verurteilung des Übergriffs stellt Kunst rechtsextremen Gewalttätern einen Freibrief aus, ihre politischen Gegner an der Universität einzuschüchtern und anzugreifen. Jeder Student, der rechtsradikale Positionen kritisiert oder sich im Studierendenparlament engagiert, muss mit solchen Attacken rechnen.
Baberowskis tätlicher Angriff auf einen linken Studenten und sein Eingriff in den studentischen Wahlkampf waren keine Spontanreaktionen, sondern ergeben sich direkt aus seiner rechtsextremen Ideologie. Der Professor für osteuropäische Geschichte gehört zu den zentralen Figuren der extremen Rechten in Deutschland. Im Jahr 2015 gründete er den „Salon Baberowski“ (Die Zeit), in dem sich mindestens halbjährlich alles trifft, was in der neu-rechten Szene Rang und Namen hat.
Erst im Januar dieses Jahres wiederholte Baberowski gegenüber der FAZ die zentrale Lüge vieler Holocaust-Leugner, dass Hitler „nichts von Auschwitz habe wissen wollen“. Damit versuchte er seine frühere Aussage zu rechtfertigen, dass Hitler „nicht grausam“ gewesen sei. Die Verharmlosung der Nazi-Verbrechen zieht sich wie ein roter Faden durch sein akademisches Werk.
Zugleich hetzt Baberowski in Rundfunk und Presse regelmäßig gegen Flüchtlinge und trommelt für brutale Kriege. Bei ihm verschmelzen „wissenschaftliches Œuvre und tagespolitische Äußerungen zu einem Amalgam rechtsradikaler Kritik“, wie der Jura-Professor Andreas Fischer-Lescano in der Frankfurter Rundschau bemerkte.
Dass ein solcher Nazi-Apologet und Rechtsextremist an der Humboldt-Universität nicht nur lehren kann, sondern ungestraft studentische Plakate vernichtet und auf andersdenkende Studierende einschlägt, ist die Verantwortung der Universitätsleitung. Sie hat nicht nur seine letzte Gewalttat verteidigt, sondern stellt sich schon seit Jahren bedingungslos hinter Baberowski und verteidigt seine rechtsradikalen Tiraden.
Dabei hat Baberowski kritische Studierende und politische Gegner schon häufig bedroht. Vor drei Jahren beschimpfte Baberowski Sven Wurm in einer offiziellen Vorlesung als „rotlackierten Faschisten“ und „widerwärtigen Denunzianten“. Der Universitätsleitung warf er vor, sie sei „feige“ und lasse „diese Kriminellen tun und lassen, was sie wollen“, statt ihnen „einfach den Zugang zum Hörsaal [zu] untersagen“ oder ein „Hausverbot aus[zu]sprechen“.
Die IYSSE informierten die Unileitung ausführlich über diesen Vorfall. Anstatt den Brief zu beantworten, veröffentlichte Kunst ein offizielles Statement, in dem sie behauptete, dass Baberowski ein „hervorragender Wissenschaftler“ und „nicht rechtsradikal“ sei. „Mediale Angriffe“ auf ihn erklärte sie für „inakzeptabel“.
Mit diesem Blankoscheck in der Hand ging Baberowski dazu über, auch Kollegen zu beleidigen und zu bedrohen. Er attackierte andere Professoren der Humboldt-Universität, weil sie die Unterstützung der flüchtlingsfeindlichen „Erklärung 2018“ durch Wilhelm Hopf kritisiert hatten. Baberowski beleidigte die Kollegen als „Denunzianten“ und als „satte Professoren, die in ihrem ganzen Leben noch niemals ein Widerwort gegeben haben“, und drohte ihnen unverhohlen: „Die Gedemütigten und Ausgeschlossenen werden sich daran erinnern, wer sie an den Pranger gestellt hat.“
Im letzten Jahr erhielt Baberowski dann bereits von Vertreterinnen zweier anderer StuPa-Listen eine Strafanzeige und Dienstaufsichtsbeschwerde, weil er die beiden Studentinnen als „linksextreme Fanatiker“ und als „unfassbar dumm“ beleidigt hatte. Anlass war, dass sich die beiden sachlich gegen ein von Baberowski geplantes Zentrum für Diktaturforschung ausgesprochen hatten. Die Universitätsleitung stellte sich erneut hinter Baberowski und bekräftigte ausdrücklich ihr Statement von vor drei Jahren.
Doch es war nicht nur die Unipräsidentin und frühere SPD-Ministerin Kunst, die Baberowski ein ums andere Mal ermutigte. Auch Vertreter sämtlicher im Bundestag vertretenen Parteien und die Bundesregierung hatten sich in der Vergangenheit bereits hinter den rechtsradikalen Professor gestellt und Kritik an seinen Standpunkten als „Rufmord“ diffamiert. Mit dem Spiegel, der FAZ, der Welt und vielen anderen Zeitungen hatte sich auch die Mehrheit der Medien dieser Kampagne gegen die IYSSE angeschlossen.
Am Mittwoch veranstaltete die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin ein Symposium zur „Freiheit der Wissenschaft“, das vom Chef des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, und der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) eingeleitet wurde. Unter anderem war als Diskutant zum Thema „Hochschulen als Orte des gesellschaftlichen Diskurses“ Jörg Baberowski angekündigt. Am 4. Mai ist Baberowski eingeladen, neben Staatssekretär Peter Tauber vom Verteidigungsministerium auf der Festveranstaltung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zum Ende des Zweiten Weltkriegs zu sprechen.
Der Fall Baberowski ist symptomatisch für die politische Lage in Deutschland. Obwohl sie in der Mehrheit der Bevölkerung verhasst ist, kann die extreme Rechte immer aggressiver auftreten, weil sie von oben aufgebaut und unterstützt wird. Zuletzt hatten sich FDP und CDU in Thüringen in ein Bündnis mit der AfD begeben und erstmals seit dem Ende des Nazi-Regime eine Regierungsmehrheit mit Faschisten gebildet.
Doch die Opposition dagegen ist enorm. Das Video von Baberowskis Gewaltakt ging innerhalb weniger Stunden viral und wurde fast 20.000 mal aufgerufen. In den sozialen Medien meldeten sich zahlreiche Studierendengruppen und Asten sowie hunderte Einzelpersonen zu Wort, die den Übergriff verurteilten und Konsequenzen forderten.