Der Autoarbeiter Newsletter der WSWS wird Autoarbeiter und andere Arbeiter unterstützen, wenn sie eigene Sicherheitskomitees bilden. Meldet euch unter auto@gleichheit.de (Autoarbeiter Newsletter).
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Unter Autoarbeitern wächst die Wut über unsichere Arbeitsbedingungen und die Vertuschung von neuen Fällen durch das Management und die Metallgewerkschaften. Aus Sorge um die Ausbreitung des tödlichen Coronavirus haben Arbeiter von zwei Fiat-Chrysler-Montagewerken im Raum Detroit die Arbeit niedergelegt.
Die Arbeiter der Fertigungswerke Jefferson North (JNAP) und Sterling Heights (SHAP) wählten aus ihrer Mitte Sicherheitskomitees, um das Leben der Arbeiter in den Werken zu schützen und ihr Vorgehen mit den Arbeitern im Rest der Autoindustrie und in andern Betrieben zu koordinieren. Als Reaktion auf diese mutige Aktion wandten sich Arbeiter aus dem ganzen Land an diese Komitees, um Informationen zu erhalten, wie sie in ihren eigenen Werken Sicherheitskomitees gründen können.
Eine Anfrage kam von einem Ford-Arbeiter aus Kansas City. Er schrieb, die Arbeiter in seinem Werk würden „dem Unternehmen und der Gewerkschaft bei dieser Coronavirus-Sache“ nicht trauen, und sie wollten wissen, „wie wir ein Sicherheitskomitee in unserem Werk gründen können. Weder Ford noch die UAW haben uns über den neuesten Stand informiert, als wir Gerüchte hörten, dass Arbeiter nach Hause geschickt wurden, weil sie das Virus hatten. Wir brauchen dieses System so schnell wie möglich.“
Die Sicherheitskomitees in Jefferson North und Sterling Heights haben sechs Forderungen veröffentlicht. Diese beinhalten die sofortige Meldung aller Covid-19-Fälle, die Schließung der Fabrik für mindestens 24 Stunden nach jedem bestätigten Fall, um eine Tiefenreinigung des ganzen Werks durchzuführen, soziale Distanzierungsmaßnahmen beim Betreten und Verlassen des Werks und während aller Pausen, und die Unterbrechung der Produktion für zehn Minuten nach jeder vollen Stunde, damit Arbeiter ihre Masken abnehmen, ausruhen und sich abkühlen können. Sie forderten auch regelmäßige allgemeine Tests und ein Recht auf Arbeitsverweigerung, wenn die Bedingungen unsicher sind, ohne Vergeltungsmaßnahmen durch das Management oder die UAW befürchten zu müssen.
Als Reaktion auf diese wachsende Initiative der Arbeiter haben die Manager von Fiat Chrysler (FCA) und die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) Gegenmaßnahmen ergriffen. Sie drohen Arbeitern mit Entlassung, falls sie die Produktion anhalten, um ihr Leben zu schützen.
Überall in den Vereinigten Staaten hatten Vorgesetzte am Montag in den FCA-Werken kurzzeitig die Produktion angehalten und an jeder Arbeitsstation den provokanten Brief eines Topmanagers verlesen. Der Autoworker Newsletter der WSWS erhielt eine Aufzeichnung von einer solchen Versammlung, in der es hieß: „Unbefugte Arbeitsunterbrechungen in unseren Werken sorgen sowohl für Störungen als auch für potenzielle Sicherheitsprobleme; sie können daher nicht toleriert werden.“
Weiter hieß es: „FCA wird alle unbefugten Arbeitsunterbrechungen untersuchen und angemessen, sofort und entschlossen gegen den Arbeitnehmer vorgehen, der solche Aktivitäten unnötigerweise in die Wege geleitet hat … Abgesehen von angemessenen Disziplinarstrafen werden unbefugte Arbeitsniederlegungen auch zu Gehaltsausfall führen. Diese Protokolle gelten für alle Beschäftigten, egal ob sie in einer Gewerkschaft sind oder nicht, und egal wo sie arbeiten.“
In dem Brief hieß es wahrheitswidrig, FCA und die UAW hätten „eine Reihe von Prozessen in Gang gesetzt, um auf Sicherheitsbedenken zu reagieren“. Die Arbeiter wurden angewiesen, sich bei unsicheren Bedingungen an „ihre Vorarbeiter, Gruppenführer, Gesundheits- und Umweltbeauftragten, Personalvertreter und die Ethik-Hotline der FCA“ zu wenden. Mit anderen Worten: sie sollen sich auf genau die Leute verlassen, die die Wahrheit verheimlicht und gefordert haben, dass die Arbeiter ihre Gesundheit und die ihrer Familie für die Profite des Unternehmens riskieren.
Eine dieser neuen Maßnahmen ist ein „Trinksystem“. Es soll angeblich das Problem beheben, dass Arbeiter bewusstlos umfallen, weil sie in den extrem heißen Fabriken mit Masken arbeiten müssen. FCA wird in ihrer grenzenlosen Großmut jeden Arbeiter mit zwei Flaschen Wasser pro Schicht versorgen!
Nach der Verlesung des Briefs wiesen die Aufseher die Arbeiter an, durch ihre Unterschrift auf einer Liste zu bestätigen, dass sie über diese neue Politik informiert worden seien. Wer nicht unterschrieb, sollte neben seinen Namen schreiben: „hat Unterschrift verweigert“. Die Vorgesetzten behaupteten, sie wüssten nicht, ob dies zu Vergeltungsmaßnahmen gegen widerspenstige Arbeiter führen werde.
Mehrere Arbeiter fragten, ob sie sich eine Kopie machen oder das Schreiben per Handy fotografieren könnten. Die Manager erklärten, das Unternehmen habe dies ausdrücklich verboten. Deshalb verweigerten viele Arbeiter die Unterschrift. Ein Arbeiter in Jefferson North berichtete: „Das Management hat gerade versucht, irgendeinen Brief über Covid zu verlesen, und wir sollten was unterschreiben. Mehrere haben erklärt, sie hätten bei dem Lärm der Maschinen nicht mal gehört, was gesagt wurde. Andere weigerten sich zu unterschreiben, ohne eine Kopie zu bekommen, und gingen weg.“
Die UAW schweigt zu den Drohungen von FCA und reagiert auch nicht auf eine Anfrage der WSWS nach diesem Brief. Das entspricht völlig dem Wesen der UAW, die längst zum gekauften Werkzeug der Autoindustrie verkommen ist.
Das Sicherheitskomitee von Jefferson North hat dieses Schreiben sofort verurteilt. Es ist ein Angriff auf die Rechte der Arbeiter, die kollektiv und völlig zu Recht gehandelt haben, um ihr Leben zu schützen. „Wenn die Bedingungen in den Fabriken wirklich sicher wären, würden Unternehmen und UAW nicht zu solchen Drohungen greifen. Das Management und die Gewerkschaft verheimlichen nach wie vor die Ausbreitung des Virus und die ungesunden Bedingungen im Werk. Wenn irgendein Arbeiter bestraft wird, weil er sich wehrt, dann müssen alle Arbeiter im Werk und in der ganzen Autoindustrie und in allen anderen Branchen die Arbeit niederlegen, bis sie wieder eingestellt werden.“
Johnny, ein Arbeiter aus dem Montagewerk Toledo North, wo den Arbeitern die gleiche Mitteilung verlesen wurde, erklärte: „Wow. Anstifter entlassen, das ist ganz einfach Einschüchterungstaktik … Das ist ein offener Verstoß gegen das Arbeitsrecht und die Regeln der Betriebssicherheitsbehörde [OSHA], die Arbeitsverweigerung aus Sicherheitsbedenken zulässt.“ Er fügte hinzu, deshalb hätten die Manager auch nicht erlaubt, dass Arbeiter Kopien machen.
Ein Arbeiter des Fertigungswerks Jefferson North (JNAP) erklärte: „Dem Management und der UAW geht es nur darum, die Bänder am Laufen zu halten. Sie haben keine ernsthaften Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Sie sagen uns, wir bekommen Fieber gemessen, aber die Mehrheit der Infektionen wird von Leuten ohne Symptome übertragen. Sie wollen, dass wir diese Papiere unterzeichnen, um von ihrer Verantwortung abzulenken.
Trump und dem Kongress geht es nur um die Wall Street. Ihnen ist es egal, wenn ein Haufen alte Arbeiter sterben, dann muss man ihnen keine Rente zahlen. Aber wir haben Rechte, die in der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung festgeschrieben sind. Das Wichtigste ist, dass unser Recht auf Leben nicht verhandelbar ist.“
Weiter erklärte er: „Die UAW ist nicht unsere Stimme. Die OSHA hilft uns nicht.“ Die Bundesbehörde hatte nur eine Mahnung ausgesprochen, obwohl sie mehr als 5.000 Beschwerden von Arbeitern im Zusammenhang mit Covid-19 erhalten hatte.
„Wir, die Arbeiter, müssen die verantwortungsvollen Erwachsenen im Raum sein. Es ist unsere Aufgabe, gegen dieses Virus kämpfen. Die Arbeiter wollen nicht sterben oder ihre Familien in Lebensgefahr bringen. Jetzt soll die Arbeitslosenhilfe gestrichen werden, um die Leute zurück an die Arbeit zu zwingen. Das ist Klassenkrieg. Es ist ein Krieg, nicht um so etwas Lächerliches wie das irakische Öl, sondern um unser Leben.“
Ein anderer Arbeiter eines Autozuliefererbetriebs in Tennessee war ähnlicher Ansicht. Er schrieb an den Autoworker Newsletter: „Einfache Arbeiter wie ich stehen an vorderster Front als ersetzbares Kanonenfutter.“ Die Manager der mittleren und oberen Ebene, die von zu Hause aus arbeiten können, würden „geschützt wie die Offiziere, und die Konzerne sind die Generäle, die nichts zu riskieren haben als ihren Ruf am Aktien- und Finanzmarkt“.
Arbeiter des FCA-Motorenwerks in Trenton, 48 Kilometer südlich von Detroit, haben berichtet, dass sich die Nachricht über die Arbeitsniederlegung in Jefferson North und Sterling Heights wie ein Lauffeuer in ihrem Werk ausgebreitet haben.
Ein Arbeiter verurteilte die verlogenen Sicherheitsmaßnahmen: „Sie behaupten vor der Presse, sie würden alles saubermachen, aber die Arbeitsplätze und -bereiche werden nicht geputzt. Die Aufkleber auf dem Boden sind nichts als Show. Es wird so getan, als müssten alle im Werk genau auf diesen X-en stehen, damit wir soziale Distanzierung haben. Aber das tun sie nicht. Das ist alles Lüge und Betrug.“
Am Montagmorgen wurde bekannt, dass ein Arbeiter im südlichen Teil der Fabrikanlage in Trenton positiv getestet wurde. Aus Angst, die Arbeiter könnten die Produktion lahmlegen, schickte das Management vier Arbeitergruppen in den Pausenraum und organisierte unterdessen eine schnelle Säuberung des Areals. Ein Arbeiter berichtete: „Statt uns heimzuschicken, haben sie vier Teams im Werk unter Quarantäne gestellt. Man müsste hier für 72 Stunden alles schließen, denn so lange bleibt das Virus auf den Oberflächen! FCA braucht nicht noch mehr Geld! Hier zu arbeiten, ist wie im Gefängnis.“
Der Arbeiter erklärte, er stimme mit der Forderung der Komitees in den Werken Jefferson North und Sterling Heights überein: „Wir brauchen eine Kampforganisation, die sich für die Sicherheit der Arbeiter einsetzt.“
Die Socialist Equality Party und der Autoworker Newsletter der WSWS werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um Arbeiter bei der Bildung von solchen Aktionskomitees zu unterstützen und den Kampf zur Mobilisierung der Arbeiter in allen Branchen und Betrieben gegen die Pandemie und für die Rettung von Menschenleben auszuweiten.
Siehe auch:
Neue Streikwelle amerikanischer Autoarbeiter gegen Covid-19-Pandemie
[30. Juni 2020]
Weitet den Kampf der Autoarbeiter aus, um das Coronavirus zu stoppen und Leben zu retten! Bildet Aktionskomitees in allen Werken!
[30. Juni 2020]
Für ein internationales Vorgehen der Arbeiterklasse gegen die Covid-19-Pandemie!
[24. Juni 2020]
Verhindert die Ausbreitung von Covid-19 und rettet Leben!
Baut Aktionskomitees in den Betrieben auf!
[23. Juni 2020]