Selten korrespondierten Form und Inhalt so klar wie bei der Veranstaltung „Warum gibt es keinen Frieden“ mit Jörg Baberowski an der Universität Leipzig am 22. Oktober. Der rechtsradikale Professor referierte seine unwissenschaftlichen Thesen für einen autoritären Polizeistaat und brutale Kriege vor leeren Rängen, weil die Veranstalter nach heftigen Protesten der Studierendenschaft die kritische Öffentlichkeit ganz im Geiste einer autoritären Universität vollständig ausgeschlossen hatten.
Im Vorfeld der Veranstaltung hatte der Studierendenrat (StuRa) der Universität Leipzig einstimmig einen Antrag der International Students for Social Equality (IYSSE) gegen Baberowski verabschiedet und die Universitätsleitung aufgefordert, den rechtsextremen Professor wieder auszuladen. Begründet wurde das mit dessen „Verharmlosung der Nazi-Verbrechen, üblen Hetze gegen Geflüchtete und Gewalt gegen Andersdenkende“.
Die Universitätsleitung weigerte sich aber, den rechtsradikalen Ideologen auszuladen und schloss stattdessen die kritische Öffentlichkeit aus. Offiziell wurde dies zwei Tage vor der Veranstaltung mit den steigenden Corona-Zahlen begründet. Doch die Corona-Ampel sprang erst am Tag der Veranstaltung auf gelb und selbst danach fanden in dem gleichen Raum der Universitätskirche noch Veranstaltungen statt.
Ganz unabhängig davon wäre es für die Universität problemlos möglich gewesen, die Veranstaltung online zu übertragen und auf diesem Wege auch kritische Fragen zuzulassen. Doch selbst als das Video der Veranstaltung schließlich auf Youtube veröffentlicht wurde, sperrte die verantwortliche theologische Fakultät den Kommentarbereich der Plattform.
Diese Abschirmung einer universitären Veranstaltung von jeder Kritik ist nicht nur beschämend, sondern auch ein fundamentaler Angriff auf die demokratischen Rechte der Studierenden. Es ist das Vorgehen einer autoritären Universität, in der Studierende zu fressen haben, was ihnen intellektuell aufgetischt wird.
Baberowskis Auftritt in der Universitätskirche war in jeder Hinsicht reaktionär und menschenverachtend. Dem berüchtigten Professor, der linke Studierende selbst tätlich angreift und zur Störung ihrer Veranstaltungen aufruft, wurde ein Forum geboten, um seine kruden Thesen über die Notwendigkeit eines Polizeistaats und brutaler Kriege auszuführen und mit absurden Beispielen zu untermauern.
Im Zentrum von Baberowskis Gewalt-„Theorie“ steht die völlig unwissenschaftliche These, dass Gewalt eine ahistorische Grundbedingung des Menschen sei, die sich weder durch Zivilisation, noch Aufklärung oder gesellschaftliche Entwicklung verändern lasse. Demokratie sei deshalb ebenso unmöglich wie soziale Gleichheit. Auch Kriege seien unvermeidbar und müssten mit brutalsten Methoden geführt werden, um sie zu gewinnen.
In Leipzig erklärte Baberowski, dass „alle sozialen Verhältnisse, die Menschen eingehen..., von Macht durchzogen“ seien. Laut dem Professor hielten sich Menschen nur an Verkehrsregeln und andere Gesetze, weil sie Gewalt zu fürchten hätten. Zugleich sei die große Mehrheit der Menschen nicht an Freiheit, sondern an Sicherheit interessiert. „Die Freiheit wiegt viel weniger als die Ordnungssicherheit“, behauptete der Professor.
Es folgten Ausführungen, die schon aus Baberowskis Büchern und Texten bekannt sind und allein dazu dienen, Gewalt und Diktatur zu rechtfertigen. „Jahrhundertelang haben sich Menschen verletzt und getötet und nichts wird sie davon abhalten, es auch in Zukunft zu tun. Wir sind verletzungsmächtig und verletzungsoffen. Weil das so ist, müssen wir uns voreinander schützen. Durch Konventionen und Regeln, allerdings auch durch Waffen mit denen ihre Anerkennung jederzeit erzwungen werden kann“, dozierte der rechtsradikale Professor.
Niemand solle daher versuchen, Machtverhältnisse in Frage zu stellen, denn: „Ohne klare Machtverhältnisse gibt es leider keinen Frieden. Ist das Gleichgewicht zwischen Gehorsam und Sicherheit ersteinmal erschüttert ist es mit dem Frieden schnell vorbei“, erklärte Baberowski. „Nur wer imstande ist, auf Drohungen auch Taten folgen zu lassen, kann andere auch davon abhalten, gewalttätig zu werden.“
Diese antidemokratischen und antimodernen Vorstellungen gehören zum intellektuellen Rüstzeug der extremen Rechten. Weil der Mensch gewalttätig und entwicklungsunfähig sei, müsse er durch eine strenge Ordnung im Zaum gehalten und unterdrückt werden. Diktatur wird so zum notwendigen Garanten der Sicherheit, der militärisch hochgerüstete Staat zum Selbstschutz im Kampf ums Dasein und die schreiende soziale Ungleichheit zur natürlichen Ordnung.
Baberowski belässt es dabei nicht bei solch allgemeinen Überlegungen. Schon im September 2015 erklärte er in der Sendung Kulturzeit Aggressionen gegen Flüchtlinge zu einem natürlichen Vorgang und erklärte in Hinblick auf Brandanschläge auf Flüchtlingsheime: „Ich glaube angesichts der Probleme, die wir in Deutschland haben mit der Einwanderung, die jetzt gerade stattfindet, ist das ja noch eher harmlos, was wir haben.“
In Hinblick auf den internationalen Terrorismus erklärte er gegenüber dem rechts-koservativen Magazin Cicero im Januar 2016, dass es keine Möglichkeit gebe, diesen anders als durch Kriege zu bekämpfen. „Terror begegnet man nur mit Gewaltmitteln“, so Baberowski. Bereits zuvor hatte er an anderer Stelle konkret ausgeführt, welche Methoden notwendig seien, um die Terroristen zu besiegen. Im Rahmen einer Diskussion unter dem Titel „Interventionsmacht Deutschland?“ im Deutschen Historischen Museum am 1. Oktober 2014 sagte er:
Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen.
Baberowski ruft nicht nur zu neuen brutalen Kriegen auf, er rechtfertigt auch die Gräueltaten der Nazis. Die größten und abscheulichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, die in der industriellen Vernichtung von sechs Millionen Juden gipfelten, stellt Baberowski als Produkt der Kriegsführung der Roten Armee dar, die die Sowjetunion gegen die Invasion durch die Wehrmacht verteidigte.
„Stalin und seine Generäle zwangen der Wehrmacht einen Krieg neuen Typs auf, der die Zivilbevölkerung nicht mehr verschonte“, schrieb er 2007. Ähnliche Positionen entwickelte er in seinem 2012 erschienenen Buch „Verbrannte Erde“. Diese Entschuldung der Nazis gipfelte schließlich in seiner Behauptung im Spiegel Anfang 2014, dass Hitler „nicht grausam“ gewesen sei, weil er über die Judenvernichtung nicht an seinem Esstisch habe reden wollen.
Die Veranstalter und Diskutanten in Leipzig waren sich über Baberowskis rechtsextremistische Positionen bewusst und haben ihn gerade deshalb eingeladen. Der FAZ-Korrespondent Reinhard Bingener, der die Veranstaltung moderierte, erklärte gleich in seiner Einleitung, dass sich Baberowski im Hinblick auf den Historikerstreit der 1980er Jahre auf Seiten des Nazi-Apologeten Ernst Nolte positioniert habe. Baberowskis Entschuldung der Nazis bezeichnete Bingener allen Ernstes als „erinnerungspolitische Betätigung“. Und seine Verharmlosung von Gewalt gegen Migranten als „Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung“.
Professor Rochus Leonhardt von der theologischen Fakultät der Universität Leipzig sah seine Aufgabe darin „die von Herrn Baberowski vertretene Grundthese aus evangelisch-theologischer Sicht zu würdigen und das durchaus im affirmativen Sinne zu tun.“ Weil die Mehrheit immer unchristlich bleibe, sei es mit Luther gesprochen unmöglich, eine völlig emanzipatorische Gesellschaft zu schaffen, so der Theologe. Dies überzeuge ihn noch heute und bestätige Baberowski.
Der Vizevorsitzende des Kirchenamts der Evangelischen Kirche Deutschland, Horst Gorski, gab der Veranstaltung schließlich die Weihe der Kirche. Er übte zwar seichte Kritik an Baberowskis Gewaltvorstellungen und seinem aggressiven Ton, ging aber mit keinem Wort auf dessen Entschuldung der Nazi-Verbrechen, Verteidigung von Diktatur oder Verharmlosung fremdenfeindlicher Anschläge ein.
Die Bedeutung dieser Einmütigkeit von Veranstaltern, Kirche und Universitätsleitung geht weit über die Mauern der Universität Leipzig hinaus. Sie setzen eine Veranstaltung gegen den erklärten Willen der großen Mehrheit der Studierenden durch, die ein rechtsextremes Menschenbild verbreitet sowie Krieg und Diktatur bewirbt, und schließen jede Diskussion darüber aus. Damit soll einem Professor der Rücken gestärkt werden, dessen Verharmlosung der Nazi-Verbrechen und fremdenfeindliche Hetze an Universitäten in ganz Deutschland massive Proteste hervorgerufen hat. Zuletzt hatten sogar international Studierendenvertretungen protestiert, weil Baberowski dazu übergegangen war, kritische Studierende tätlich anzugreifen.
Die IYSSE hatten die Verteidigung Baberowskis durch Politik, Medien und Professoren schon im Jahr 2014 nach dessen Verharmlosung von Hitler in ihren politischen Zusammenhang eingeordnet. In einem offenen Brief an die Universitätsleitung, in dem sie gegen diese Position protestierten, erklärte die Jugend- und Studierendenorganisation der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP):
Die Bemühungen, ein historisch falsches Narrativ zu begründen, fallen mit einem kritischen Wendepunkt der deutschen Geschichte zusammen. Sie stehen in engem Zusammenhang mit der Ankündigung von Bundespräsident Joachim Gauck und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, es sei an der Zeit, die jahrzehntelange militärische Zurückhaltung Deutschlands zu beenden. Die Wiederbelebung des deutschen Militarismus erfordert eine neue Interpretation der Geschichte, die die Verbrechen der Nazizeit verharmlost.
Sechs Jahres später ist die Hinwendung der herrschenden Klasse zu Militarismus, Faschismus und Diktatur weit fortgeschritten. Während die Bundesregierung das größte Rüstungsprogramm seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs umsetzt und mit der Offenhaltung von Schulen und Betrieben in der Corona-Pandemie für die Profitinteressen der Banken und Konzerne buchstäblich über Leichen geht, sollen die Universitäten gegen den Willen der Studierenden in Zentren militaristischer und reaktionärer Ideologie umgewandelt werden.
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