Am ersten vollen Verhandlungstag im Senatsprozess gegen Donald Trump präsentierte die Anklage unwiderlegbares und anschauliches Beweismaterial für die zentrale Rolle, die der ehemalige Präsident dabei gespielt hat, den politischen Putsch vom 6. Januar vorzubereiten und zu organisieren. Trump wurde als politischer Verbrecher entlarvt, der an diesem Tag den Tod von fünf Menschen verursacht hat und nur knapp daran scheiterte, ein viel größeres Blutbad auszulösen.
Die Präsentation dokumentierte im Detail den Fall, der am Vortag in allgemeiner Form dargelegt wurde: Trump säte im Vorfeld der Wahl Zweifel an ihrer Legitimität, leugnete dann das Ergebnis, nachdem die Auszählung der Stimmen seine deutliche Niederlage gezeigt hatte, und machte schließlich den 6. Januar – den Tag der formalen Stimmfeststellung im Kongress – als seine letzte Chance aus, sich an der Macht zu halten.
In nie zuvor gezeigtem Videomaterial ist zu sehen, wie Vizepräsident Mike Pence und seine ganze Familie von Agenten des Secret Service auf der Flucht aus einem Versteck des Kapitols eskortiert werden; wie Senator Mitt Romney angesichts des entgegenkommenden Mobs von einem Polizisten des Kapitol umgeleitet wird; und wie Senator Chuck Schumer zusammen mit seinem Sicherheitsteam hastig auf dem Absatz kehrt macht, um Übergriffen zu entgehen. Die Manager des Repräsentantenhauses spielten eine Audionachricht ab, die von verängstigten Mitarbeitern von Sprecherin Nancy Pelosi in ein Handy geflüstert wurde, während sie sich vor dem wütenden Mob in einem verschlossenen Konferenzraum unter einem Tisch versteckten.
Zweifellos wird die Masse an erschütternden Details, die nun aufgrund der ununterbrochenen Medienberichterstattung von Millionen Menschen gesehen werden, einen Einfluss auf die öffentliche Meinung haben. Doch die politische Rahmenerzählung, in dem diese Beweise präsentiert werden, ist von entscheidender Bedeutung. Von den Demokraten des Repräsentantenhauses entwickelt und von den bürgerlichen Medien verstärkt, vertuscht diese vollständig den grundlegenden Charakter der Ereignisse vom 6. Januar.
Nach Ansicht der Demokraten war der 6. Januar lediglich Donald Trumps persönlicher Versuch, die Auszählung der Wahlmännerstimmen zu verhindern, die seine Niederlage in der Präsidentschaftswahl besiegeln würde. Er organisierte die Kundgebung seiner Anhänger vor dem Weißen Haus, stachelte sie an, zum Kongress zu marschieren und für seinen Sieg zu „kämpfen“, lehnte sich dann zurück und sah zustimmend zu, wie sie das Kapitol erstürmten und die Auszählung der Wählmännerstimmen stoppten. Die gesamte Verantwortung für die Ereignisse dieses Tages ruhe demnach einzig und allein auf Trump.
Die Demokraten fassen den 6. Januar nicht als politisches Ereignis auf. Die Republikanische Partei als Institution kommt darin nicht vor und wird sogar zusammen mit den Demokraten als gleichberechtigtes Opfer behandelt.
Die Demokraten sagten nichts über die mehr als 150 republikanischen Kongressabgeordneten und Senatoren, die – nur Stunden nach den Ereignissen im Kapitol – dafür stimmten, Trumps Beispiel zu folgen und die Wahlmännerstimmen der von Biden gewonnenen Staaten abzulehnen. Die Demokraten wären vollkommen im Recht gewesen, den Ausschluss der Senatoren Ted Cruz und Josh Hawley aus der Senatsjury zu fordern, mit der Begründung, sie seien Komplizen und Mitverschwörer von Trump. Und was ist mit Senator Tommy Tuberville, den Trump am Nachmittag des 6. Januar anrief, um eine weitere Verzögerung der Stimmfeststellung zu besprechen, während der Mob sich noch im Kapitol befand und versuchte, sie zu blockieren?
Die überwiegende Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus und im Senat verteidigte Trumps Weigerung, die Wahl anzuerkennen, selbst nachdem die Stimmauszählung abgeschlossen und jede juristische Anfechtung der Ergebnisse beseitigt war. Sie verliehen seinen falschen Behauptungen über eine gestohlene Wahl Glaubwürdigkeit und halfen so, die Kampagne zu befeuern, die zu den Ereignissen des 6. Januar führte.
Der von der Demokratischen Anklage vorgetragene Fall wurde auf einen pathetischen moralischen Appell reduziert, der sich an die Republikaner im Senat richtete und sie aufforderte, Trump zu verurteilen und ihn für das Jahr 2024 von einer Kandidatur für das Präsidentenamt auszuschließen. Selbst wenn dieser Appell Erfolg haben sollte, ist Trumps Ausschluss von einem zukünftigen Wahlkampf eine Nebensache im Vergleich zum Aufkommen einer mächtigen faschistischen Tendenz in der amerikanischen Politik, die jetzt die Republikanische Partei dominiert.
Die Demokraten wissen sehr wohl, dass Trump, wenn der Putsch erfolgreich gewesen wäre, die Krise als Grundlage für einen unbefristeten Verbleib im Amt genutzt und eine Präsidialdiktatur errichtet hätte. Die Republikanische Partei hätte ein solches Ergebnis gebilligt, unabhängig vom Willen der Wähler, die Trumps Wiederwahlkandidatur entschieden abgelehnt haben.
Die Demokraten vermeiden all diese Themen. Selbst die Sprache, die sie verwenden, ist entlarvend. Der Putsch wird nie als Putsch bezeichnet. Das Ziel, Trump als autoritären Herrscher zu etablieren, wird zu keinem Zeitpunkt anerkannt. Sogar die führende Rolle faschistischer Gruppen – eine unvermeidliche Frage angesichts detaillierter Schilderungen von Aktionen der Proud Boys, Oathkeepers und anderer Faschisten – wird heruntergespielt. Wie Lead Impeachment Manager Jamie Raskin am Mittwoch in seiner Eröffnungsrede erklärte: „Es ist nicht von Belang, was der ideologische Inhalt des Mobs war.“ Tatsächlich ist der „ideologische Inhalt“ von entscheidender Bedeutung: Trump wollte sich durch die Mobilisierung eines faschistisch geführten Mobs an der Macht halten, weil er sich zu einem faschistischen Herrscher aufschwingen wollte.
Selbst die Sprache des Mobs von Trump-Anhängern wurde von den Demokraten in ihren eigenen Vorträgen aufgegriffen, indem ein Impeachment-Manager nach dem anderen das Versagen „unseres Oberbefehlshabers“ beklagte, auf die Bitten der Kongressabgeordneten und Senatoren zu reagieren, die im Kapitol gefangen gehalten wurden. Trump ist schlicht und ergreifend nicht der „Oberbefehlshaber“, und er war es auch nie.
Der Begriff ist in der US-Verfassung so definiert, dass die Rolle des Militärs der zivilen Autorität untergeordnet ist: Der höchste zivile Beamte, der gewählte Präsident, dient als „Oberbefehlshaber“ über das US-Militär. Der Präsident ist nicht „Oberbefehlshaber“ des Kongresses oder anderer gewählter Beamter – weder auf nationaler noch lokaler Ebene – geschweige denn des ganzen amerikanischen Volkes. Eine solche Wortwahl würde den Präsidenten zu einem König oder absoluten Herrscher erklären und in Wirklichkeit dazu dienen, die Behauptung des Mobs zu legitimieren, dass sie den Kongress am 6. Januar auf Befehl des Präsidenten – „ihres“ Oberbefehlshabers – angegriffen hatten.
Die Bemühungen der Demokraten, Trumps Mitverschwörer zu decken, erstrecken sich nicht nur auf die Republikanische Partei, sondern auch auf Beamte in der Exekutive und insbesondere auf das Militär. Die Manager des Repräsentantenhauses präsentierten eine fast tagesgenaue Zeitleiste von Trumps Bemühungen, in den letzten sechs Monaten im Amt zu bleiben – doch eine Aktion umschifften sie völlig: Trumps Entlassung von Verteidigungsminister Mark Esper, der es abgelehnt hatte, nach dem Polizeimord an George Floyd im vergangenen Mai Truppen gegen die Welle von Protesten zu mobilisieren – und seine Ersetzung durch Christopher Miller, einen pensionierten Oberst der Special Forces, sowie weitere Trump-Loyalisten, die nach der Wahl plötzlich ins Pentagon eingezogen waren. Dabei hatte es sich um einen Versuch gehandelt, im Falle einer politischen Krise, wie sie durch die Ereignisse des 6. Januar drohte, die Kontrolle über die Streitkräfte sicherzustellen.
Dieser doppelzüngige Ansatz – Trump zu verdammen und gleichzeitig die Republikaner zu reinzuwaschen – untergrub selbst die effektivsten Präsentationen der Demokraten. So erläuterte etwa die Abgeordnete Stacey Plaskett (Virgin Islands) detailliert, welche Rolle Trump dabei spielte, den Marsch vom 6. Januar bis hin zur Festlegung des Datums des Protests und der Marschrichtung zum US-Kapitol vorzubereiten. Sie verwies darauf, dass die im Internet zirkulierenden Pläne, den Marsch in einen regelrechten Angriff auf das Kapitol zu verwandeln, von der Social-Media-Abteilung des Weißen Hauses und von Trump persönlich überwacht wurden. Sie zitierte aus Social-Media-Nachrichten, die zur Gründung der „MAGA-Miliz“ aufriefen und erklärten, dass ein „tatsächlicher taktischer Sieg wie die Erstürmung und Besetzung des Kapitols“ notwendig sei, um „den Effekt zu haben, den wir wollen“.
Doch dieser Bericht wirft die Frage auf: Wenn Trump und das Weiße Haus diese Äußerungen in den sozialen Medien überwacht haben, haben dann nicht auch das FBI und andere Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste dasselbe getan? Wenn man bedenkt, dass die Vorbereitungen für einen Angriff auf das Kapitol so öffentlich waren, dass sogar in den bürgerlichen Medien darüber berichtet wurde, wie ist es dann möglich, dass nichts getan wurde, um ihn zu verhindern? Warum war die Polizei des Kapitols derart unvorbereitet? Warum wurden keine zusätzlichen Kräfte alarmiert und eingesetzt, um die Verteidigung des Kapitols gegen den drohenden Angriff zu unterstützen?
Wenn die Demokratische Partei sich in irgendeiner Weise zur Verteidigung der Demokratie verpflichtet sehen würde, wäre es für die Biden-Regierung gerechtfertigt, Trump wegen krimineller Verschwörung zum Sturz der Verfassung strafrechtlich verfolgen zu lassen – ebenso wie seine republikanischen Anstifter und Helfer im Kongress, ihre finanziellen Hintermänner, sowie zahlreiche Beamte des Militär- und Geheimdienstapparats.
Doch sie strebten danach, genau das Gegenteil zu tun. Das achtstündige Verfahren der Demokraten gegen Trump klang am Mittwoch an mehreren Stellen wie eine Werbesendung für Vizepräsident Mike Pence. Der Impeachment-Manager der Demokraten, Joaquin Castro, erklärte: „Der Vizepräsident... ist ein Mann, der seinen Eid, seinen Glauben und seine Pflicht in Ehren hält – ganz besonders seine Pflicht gegenüber der Verfassung. Und Mike Pence ist kein Landesverräter.“
Dieses absurde Lob – gerichtet an einen bigotten Rechtsradikalen und christlichen Fundamentalisten, der Trump bei unzähligen Verbrechen unterstützt hat – zielt darauf ab, Pence innerhalb der Republikanischen Partei als Alternative zu Trump aufzubauen. Was die Demokraten vor allem wollen, ist eine „verantwortungsbewusste“ Republikanische Partei, mit der sie zusammenarbeiten können und die ihnen die Mittel gibt, angesichts einer wachsenden sozialen Opposition von unten das von der Wall Street geforderte rechte politische Programm in die Tat umzusetzen.
Es würde die Republikanische Partei zerstören, wenn ihre Komplizenschaft bei einem versuchten faschistischen Putsch festgestellt würde. Biden hat bereits deutlich gemacht, dass seine politische Priorität darin besteht, die Republikanische Partei als „starke“ Opposition zu erhalten, die durch „überparteiliche“ Zusammenarbeit die Politik mitbestimmt. Er behauptet sogar, dem Prozess im Senat keine Aufmerksamkeit zu schenken, obwohl es sich um die größte Bedrohung der Demokratie in der Geschichte der Vereinigten Staaten handelt.
Die Art und Weise, wie das Amtsenthebungsverfahren von den Demokraten geführt wird, ist Ausdruck der von ihnen vertretenen Klasseninteressen. Als Partei der Wall Street, des Militärs und der Geheimdienste lehnen die Demokraten jede echte Enthüllung der sozialen und politischen Kräfte hinter dem Putsch vom 6. Januar ab.
Die Rolle von Donald Trump im Detail aufzudecken, kann in einer Untersuchung der Ereignisse vom 6. Januar nur der erste Schritt sein. Doch wenn es nach der Demokratischen Partei geht, wird es auch der letzte Schritt bleiben. Die Arbeiterklasse muss einer solchen politischen Schönfärberei der tödlichen Bedrohung ihrer demokratischen Rechte entgegentreten und sie zurückweisen. Trump hatte das Ziel, eine autoritäre Diktatur zu errichten, und er hatte viele Komplizen und Mitverschwörer. Jeder einzelne von ihnen muss entlarvt und vor Gericht gestellt werden.