USA verlegen Botschaft von Kiew nach Lwiw in die Westukraine

Die USA haben ihre Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew geräumt und das diplomatische Corps nach Lwiw verlegt. Die Stadt liegt 540 Kilometer weiter westlich, nahe der polnischen Grenze. Gleichzeitig setzen die US-Medien ihre Kriegspropaganda über einen unmittelbar bevorstehenden russischen Überfall unvermindert fort. Angeblich sei eine Militäroffensive schon am heutigen Mittwoch zu erwarten.

Vor der amerikanischen Botschaft in Kiew (AP Photo/Andrew Krawtschenko)

Laut dem Wall Street Journal hat das Außenministerium die Zerstörung von Netzwerkgeräten und Computern und die Demontage des Telefonsystems in der Botschaft angeordnet. Vertrauliches Material wurde zusammen mit den 56 Beschäftigten der Botschaft am Sonntag nach Washington transportiert. US-Außenminister Antony Blinken erklärte: „Diese Sicherheitsmaßnahmen beeinträchtigen in keiner Weise unsere Unterstützung für die Ukraine.“

Zuvor hatten zahlreiche Staaten ihre Bürger aufgerufen, die Ukraine sofort zu verlassen, und viele weitere Staaten kündigten die Verkleinerung ihres Botschaftspersonals an. Die OSZE-Sondermission in der Ukraine hat am Sonntag auf Geheiß der USA und Großbritanniens begonnen, ihre Kräfte aus dem Donbass abzuziehen. Mehrere Fluggesellschaften haben den Flugverkehr in die Ukraine ausgesetzt. Andere haben große Schwierigkeiten, Versicherungen für ihre Flüge über den ukrainischen Luftraum abzuschließen.

Am Wochenende haben mehrere ukrainische Oligarchen mit etwa 20 Charterflügen und Privatjets des Land verlassen. Unter ihnen sind die zwei reichsten Ukrainer, Rinat Achmetow (Nettovermögen 11,54 Milliarden US-Dollar) und Wiktor Pintschuk (2,6 Milliarden US-Dollar), sowie viele andere, die zu den 100 reichsten Ukrainern gehören.

Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bereits die jüngsten Behauptungen der USA über einen drohenden Einmarsch Russlands bestritten. Er verurteilte die Verlegung der Botschaft als „großen Fehler“ und fügte hinzu: „Ich glaube, sie müssen zurückkehren, andernfalls müssen wir als Staat bestimmte Schlüsse ziehen. Glauben Sie mir, wir werden diese Schlüsse ziehen.“ Die Äußerung war ein weiteres Anzeichen für zunehmende Spannungen zwischen Kiew und Washington.

Eine Quelle aus Selenskyjs Partei „Diener des Volkes“ sprach am Montag mit der ukrainischen Nachrichtenseite strana.ua. Wie er ihr sagte, hat der Präsident der Parlamentsfraktion am Montag mitgeteilt, dass „sich drei befreundete Staaten eine Geschichte über einen Krieg ausdenken“. Er habe der Fraktion zu erklären versucht, „dass man mit uns spielt. Aber wir wehren uns.“

Der Vorsitzende des ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Alexei Danilow, stellte sich am Montag hinter Selenskyj und erklärte, der ukrainische Geheimdienst habe keine Beweise, die die Warnungen des Westens vor einem russischen Einmarsch in der Ukraine in naher Zukunft erhärten würden.

Am Montag erklärte Selenskyj in einer Rede an die Nation: „Uns wird gesagt, der Angriff wird am 16. Februar erfolgen, und wir machen daraus den Tag der nationalen Einheit.“ Selenskyj betonte, dass sich die ukrainische Regierung auf alle möglichen Szenarien vorbereitet, und dass das ukrainische Militär zur Verteidigung des Staats bereits sei. Er betonte auch, dass die Ostukraine und die Krim wieder an die Ukraine zurückgehen würden, aber „ausschließlich mit diplomatischen Mitteln“. Diese Aussage widerspricht direkt der militärischen Strategie zur „Rückeroberung“ der Krim und der Ostukraine, die seine Regierung Anfang 2021 übernommen hatte.

Während die CIA und das US-Außenministerium eine haltlose Behauptung nach der anderen über eine „russische False-Flag-Operation“ verbreiten, warnen der Kreml und die prorussischen Separatisten vor einer Provokation des ukrainischen Militärs in der Ostukraine. Laut russischen Medienberichten hat das ukrainische Militär etwa die Hälfte seiner 250.000 Soldaten in der Ostukraine in Frontnähe zusammengezogen. Das entspricht etwa der Größe der gemeldeten russischen Truppenstationierung nahe der ukrainischen Grenze.

Selenskyj bestreitet zwar sowohl die Kriegspläne Kiews als auch die Gefahr eines drohenden russischen Einmarschs, allerdings ist durchaus nicht sicher, ob seine Regierung in der Lage ist, das ukrainische Militär und die faschistischen paramilitärischen Kräfte im Land zu kontrollieren, die nicht unbeträchtlich sind. Letzten Sommer hatte die Militärführung dem nominellen Oberbefehlshaber Selenskyj mehrere Tage lang verboten, die Front in der Ostukraine zu besuchen. Diese höchst ungewöhnliche Entscheidung wurde bisher nicht vollständig erklärt.

Anfang des Monats behauptete das ukrainische Innenministerium, es habe die Planung von gewalttätigen Demonstrationen gegen die Regierung verhindert, die eine Offensive im Donbass und auf der Krim fordern wollten. Man kann davon auszugehen, dass bei diesen Plänen aktive oder ehemalige Angehörige der ukrainischen Sicherheitskräfte sowie extreme Rechten mitgewirkt haben.

Die USA bewaffnen und finanzieren in der Ukraine militarisierte Kräfte wie das rechtsextreme Asow-Bataillon. Diese haben in den letzten Jahren mehrfach Demonstrationen gegen Selenskyj organisiert und dabei ähnliche Forderungen erhoben. Einige dieser Forderungen hat jetzt auch der ehemalige Präsident und Oligarch Petro Poroschenko (Nettovermögen 1,5 Milliarden Dollar) übernommen.

Poroschenko war im Januar in die Ukraine zurückgekehrt und konnte einer Verhaftung wegen Landesverrat nur durch die direkte Intervention der USA und Kanadas entgehen. Seither betreibt er eine Medienkampagne, in der er Selenskyj für seine angeblich weiche Haltung gegenüber Russland attackiert. Selenskyjs ehemaliger Innenminister, Arsen Awakow, unterhält enge Beziehungen zu Washington und der extremen Rechten der Ukraine. Vor kurzem hat Awakow Neuwahlen gefordert und er droht Selenskyj, andernfalls werde man ihn durch einen weiteren „Maidan“ absetzen. Dieser Name bezeichnet die rechten Proteste im Vorfeld des Putsches vom Februar 2014.

Die New York Times behauptete, Selenskyj wirke durch seine Versuche, „vor Panik und Überreaktion zu warnen ... fast wahnhaft, denn sein Land steht vor schwerwiegenden Risiken“. Offenbar zieht die US-Regierung Selenskyjs Absetzung in Erwägung.

Ein weiterer bemerkenswerter Kurswechsel ist Selenskyjs Ankündigung vom Montag, seine Regierung werde möglicherweise das Ziel aufgeben, in naher Zukunft der Nato beizutreten. Er sagte: „Vielleicht ist die Frage der offenen Tür [zur Nato] für uns wie ein Traum.“ In seiner Rede an die Nation erwähnte Selenskyj nur die Versuche der Ukraine, der EU beizutreten, aber nicht der Nato. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte bei seinem Besuch auf der gemeinsamen Pressekonferenz in Kiew: „Die Frage der Mitgliedschaften [der Ukraine] in Bündnissen steht ja praktisch gar nicht an, und deshalb ist es schon etwas eigenwillig zu beobachten, dass die russische Regierung etwas, das praktisch nicht auf der Tagesordnung steht, zum Gegenstand großer politischer Problematiken macht.“

In Wirklichkeit war der Nato-Beitritt der Ukraine schon im Februar 2014 ein zentrales Ziel, als die USA den Putsch in Kiew inszenierten. In den letzten drei Jahren hat die Selenskyj-Regierung auf ein beschleunigtes Verfahren zur Aufnahme der Ukraine in das Bündnis gedrängt. Der Kreml verurteilt dieses Vorhaben seit langem, und Putin behauptete vor kurzem, ein Beitritt der Ukraine zur Nato würde Krieg zwischen der Nato und Russland bedeuten. Eine Garantie, dass die Ukraine der Nato nicht beitreten wird, war eine der Hauptforderungen, die der Kreml der Nato im Dezember vorgelegt hat, und die von den USA rundheraus abgelehnt wurde.

Scholz vermied am Montag zwar jede eindeutige Äußerung zu dem umstrittenen russisch-deutschen Pipelineprojekt NordStream2, von dem die USA und die Ukraine verlangen, dass es eingestellt werde. Er erklärte jedoch, Berlin arbeite gemeinsam mit den USA und der EU sehr intensiv an einem Sanktionspaket, das beträchtlichen Einfluss auf das Potenzial von Russlands weiterer wirtschaftlicher Entwicklung haben würde. Daneben kündigte Scholz außerdem 150 Millionen Dollar Finanzhilfen an die Ukraine an.

Scholz steht unter beträchtlichem Druck von Seiten der USA und seiner eigenen Koalitionspartner, der FDP und der Grünen. Am Dienstag absolvierte Scholz seinen Antrittsbesuch bei Putin in Moskau. Deutschland ist einer der größten Importeure von russischem Gas. Insgesamt kommen 40 Prozent der europäischen Gaslieferungen aus Russland, und einige Staaten wie Ungarn sind sogar völlig von diesen Gaslieferungen abhängig.

Am Montag stiegen die Gaspreise in Europa auf 1.000 Dollar für 1.000 Kubikmeter, der Ölpreis auf über 95 Dollar pro Barrel. Seit Januar hat Europa außerdem die Importe von Flüssiggas (LNG) deutlich erhöht. Der Spiegel wies vor kurzem in einem Artikel auf die amerikanische LNG-Industrie hin, die im Dezember zum größten Exporteur von Flüssiggas wurde und mit der Kriegskrise um die Ukraine hohe Profite macht.

Gleichzeitig verschärfen die USA und die Nato weiterhin die militärischen Spannungen, offensichtlich mit dem Ziel, einen offenen Krieg auszulösen. US-Präsident Joe Biden diskutierte in einem Telefonat mit dem britischen Premierminister Boris Johnson, der gemeinsam mit den USA an der Spitze der Nato-Provokationen gegen Russland steht, über weitere Verstärkungen an der Nato-Ostgrenze. Johnson und Biden betonten erneut, dass die EU ihre Abhängigkeit vom russischen Gas verringern müsse.

Am Montag betonten der russische Außenminister Sergei Lawrow und Präsident Wladimir Putin in einer öffentlichen Diskussion die Notwendigkeit weiterer diplomatischer Maßnahmen zur Lösung der Krise. Einen Tag zuvor hatte Russland Militärübungen im Schwarzen Meer begonnen, an denen mehr als 30 Kriegsschiffe teilnahmen – zusätzlich zu den anhaltenden Militärübungen mit Belarus.

Mit Blick auf die provokanten Schritte und Militärübungen der Nato im Schwarzen Meer im letzten Jahr erklärte Dmitri Schukow, ein ehemaliger Kapitän 1. Rangs, gegenüber der russischen Zeitung Gaseta.ru: „Die USA beanspruchen das Schwarze Meer für sich. Moskau kann das entweder akzeptieren oder darauf reagieren. Eine hypothetische Situation, in der Nato-Schiffe im Schwarzen Meer patrouillieren, während unser Militär an der Küste liegt und zuschaut, ist für Moskau inakzeptabel.“

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