Perspektive

Weltklimakonferenz: Eine Brutstätte imperialistischer Intrigen

Rund 110 Staats- und Regierungschefs sowie 45.000 Delegierte aus 200 Ländern nehmen an der 27. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen (COP 27) teil, die Anfang dieser Woche im ägyptischen Scharm el-Scheich begann. Es handelt sich um eine der größten internationalen Zusammenkünfte der jüngeren Zeit.

Doch anders als bei früheren Klimagipfeln bemühen sich die Teilnehmer noch nicht einmal mehr, den Eindruck zu erwecken, sie würden etwas gegen die Klimakatastrophe unternehmen. Die angereisten Regierungschefs lasen einige hohle Phrasen über Umweltschutz vom Zettel ab, um dann in den Hinterzimmern zu verschwinden, wo sie schmutzige Deals mit Delegationen aus Afrika, Asien und anderen Regionen vereinbarten.

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht auf der Weltklimakonferenz [Photo by UNFCCC / CC BY-NC-SA 2.0]

Der Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland in der Ukraine und die Vorbereitung einer militärischen Konfrontation mit China haben eine neue Runde der Neuaufteilung der Welt zwischen den imperialistischen Mächten eingeleitet, die auf sämtlichen Kontinenten, einschließlich der Polarregionen, und mit allen verfügbaren ökonomischen, politischen und militärischen Mitteln ausgefochten wird. Der „Klimaschutz“ wird in den Dienst dieser imperialistischen Machenschaften gestellt – und in sein Gegenteil verkehrt.

Der ägyptische Diktator Abdel Fatah al-Sisi sorgt als Gastgeber der Konferenz für den ungestörten Ablauf der imperialistischen Intrigen. Das luxuriöse Touristenressort Scharm el-Scheich an der Spitze der Halbinsel Sinai lässt sich außer mit dem Flugzeug kaum erreichen. Es wird von einem Heer schwer bewaffneter Soldaten bewacht, die jeden Protest unterdrücken. Für Umweltaktivisten, die es trotzdem zum Konferenzort schafften, wurde eine spezielle Zone eingerichtet, in der sie abseits der Öffentlichkeit unter den wachsamen Augen der Sicherheitskräfte protestieren dürfen.

Al-Sisi, der 2013 durch einen blutigen Staatsstreich an die Macht gelangte, herrscht mit eiserner Hand über Ägypten. Eine ernsthafte politische Opposition oder Meinungs- und Pressefreiheit lässt er nicht zu. 60.000 politische Häftlinge sitzen in den Kerkern seines Regimes, viele davon in Todeszellen. Folter und außergerichtliche Tötungen sind an der Tagesordnung. Unmittelbar vor Beginn der Konferenz wurden in verschiedenen ägyptischen Städten rund 150 weitere Menschen aus politischen Gründen festgenommen.

Doch während die imperialistischen Mächte nicht müde werden, die „Menschenrechte“ gegen China oder andere Rivalen zu beschwören, verzichteten sie in Ägypten darauf. Schließlich zählt al-Sisi zu ihren wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten.

„Auf dem Highway zur Klimahölle“

In einer seltenen Anwandlung von Ehrlichkeit eröffnete UN-Generalsekretär António Guterres die Klimakonferenz mit der Warnung, die Welt befinde sich „auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“. Das war keine verbale Übertreibung, sondern eine nüchterne Feststellung von Tatsachen.

Alle verfügbaren wissenschaftlichen Daten zeigen, dass der Ausstoß von Treibhausgas – die Hauptursache der globalen Erwärmung – auch 30 Jahre nach der ersten Weltklimakonferenz in Rio de Janeiro unaufhörlich steigt. Erhöhte sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zwischen 1850 und 1960 linear von 285 auf 320 Anteile pro Million, ist sie seither exponentiell auf 418 gestiegen. Die Kurve zeigt immer steiler nach oben.

Das Ziel, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, auf das sich die Weltklimakonferenz in Paris 2015 festgelegt hatte, wurde längst aufgegeben. Das UN-Klimasekretariat UNFCC hat ausgerechnet, dass die Emissionen bis zum Jahr 2030 selbst dann um weitere 10,6 Prozent steigen werden, wenn sich alle Länder an die von ihnen eingereichten nationalen Reduktionspläne (NDCs) halten. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, wäre dagegen eine Senkung um 43 Prozent notwendig. Im besten Fall beschränken die derzeitigen Planungen die Erderhitzung bis 2100 auf 2,5 Grad, so das UNFCC. Dabei haben bisher nur 26 von knapp 200 Staaten überhaupt NDCs eingereicht.

Die Apokalypse, die sich hier anbahnt, wird bereits sichtbar. Obwohl sich die Erde seit Ende des 19. Jahrhunderts erst um 1,15 Grad erwärmt hat, zerstören Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen und Wirbelstürme die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Der Anstieg des Meeresspiegels infolge des Abschmelzens von Gletschern und Polarkappen wird zu noch größeren Katastrophen führen.

Die Überschwemmungen in Pakistan, die in diesem Sommer 1.700 Menschen getötet, mehr als 12.000 verletzt und mindestens 33 Millionen vertrieben haben, geben einen Eindruck der kommenden Dramen. Inzwischen breiten sich in dem zerstörten Land Seuchen wie Malaria, Dengue und Cholera ungebremst aus und fordern weiter Todesopfer.

Ähnliche Katastrophen spielen sich, weitgehend ignoriert von den internationalen Medien, in Afrika ab. Große Teile der zentralen Sahelzone stehen derzeit unter Wasser. Nach jahrelangen Dürren spülen die Fluten den letzten fruchtbaren Boden weg und überschwemmen ganze Städte. Im Tschad, Nigeria, Südsudan und Sudan sind Millionen Menschen betroffen. Gleichzeitig hält die jahrelange Dürre in Äthiopien, Somalia, Teilen Kenias sowie im Süden Madagaskars an und bedroht weitere Millionen mit Hunger und Tod.

Auch in Europa und den USA haben sich die Zahl und das Ausmaß von Waldbränden, Überschwemmungen und Tornados in den letzten Jahren spürbar erhöht.

Doch die imperialistischen Machthaber eilen mit offenen Augen dem Abgrund entgegen. Dem Gipfel von Scharm el-Scheich liegen keine Vorschläge vor, um das Steuer herumzureißen. Im Gegenteil, die völlig unzureichenden Beschlüsse früherer Weltklimakonferenzen sind seither weitgehend kassiert worden.

Krieg und Klima

Einer der Hauptgründe dafür ist die imperialistische Offensive gegen Russland und China.

Die Sanktionen gegen russisches Gas und Öl haben zu einem explosionsartigen Anstieg der Energiepreise geführt. Viele Länder sind deshalb dazu übergegangen, wieder Kohle und andere emissionsreiche Energieträger zu verfeuern und bereits beschlossene Ausstiegsprogramme auf Eis zu legen. Vor allem ärmere Länder sind wegen der hohen Energiepreise und steigender Kreditzinsen kaum mehr in der Lage, den Umstieg auf umweltschonende Energien zu finanzieren.

Das Ausbleiben russischen Gases hat zudem zu einer „aggressiven Expansion“ von Flüssiggaskapazitäten geführt, wie der Climate Action Tracker, ein internationales Team von Klimaforschern, in seinem aktuellen Bericht in Scharm el-Scheich feststellt. Auf allen Kontinenten zusammen werde die LNG-Kapazität bis 2030 um 235 Prozent gesteigert, sodass am Ende des Jahrzehnts bei voller Auslastung der Kapazitäten doppelt so viel Flüssiggas verbraucht werde, wie Russland im vergangenen Jahr exportiert habe. Die klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen stiegen damit auf knapp zwei Milliarden Tonnen, was „inkompatibel“ mit der Begrenzung der Erderwärmung sei.

Hauptprofiteure dieser Entwicklung sind Länder wie die USA und Katar, die dank der LNG-Technologie in der Lage sind, ihre Gasüberschüsse über große Distanzen hinweg zu verkaufen.

Die Bemühungen der imperialistischen Mächte, in Vorbereitung eines Kriegs gegen China ihre Abhängigkeit vom chinesischen Markt und seinen Produkten und Rohstoffen zu verringern, hat einen erbitterten Kampf um Ersatz ausgelöst, der in Scharm el-Scheich teils offen, teils verdeckt ausgefochten wurde.

Besonders dreist ging dabei die deutsche Regierung vor, die unter dem falschen Banner des Klimaschutzes schamlos ihre wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen verfolgt. Die Grünen, die das Außen-, das Wirtschafts- und das Umweltministerien leiten, spielen dabei eine führende Rolle.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nutzte seinen zweitägigen Besuch in Scharm el-Scheich, um den Auftrag für das größte Bauprojekt in der modernen Geschichte Ägyptens, ein zweistelliges Milliardenvorhaben, an Land zu ziehen. Ein Konsortium um Siemens Mobility wird ein 2000 Streckenkilometer langes Hochgeschwindigkeitsnetz errichten und die Personenzüge und Güterlokomotiven dafür liefern. Betrieben wird das Netz von einer Tochter der bundeseigenen Deutschen Bahn.

Mit Senegal vereinbarte der Bundeskanzler, in offensichtlichem Widerspruch zu den offiziellen klimapolitischen Zielen seiner eigenen Regierung, die Erschließung neuer Gasfelder. Auch auf den Kongo hat Deutschland ein Auge geworfen. Das Land sei „mit Rohstoffen wie Diamanten, Gold, Kupfer, Kobalt, Zinn und Lithium reich gesegnet,“ schreibt die FAZ in einem schmeichelhaften Artikel über die kongolesische Aktivistin Neema Namadamu, die am Klimagipfel teilnahm. „Neuerdings ziehen neue Öl- und Gasvorkommen großes Interesse auf sich. Vor allem seit die westlichen Staaten verzweifelt nach alternativen Lieferanten zu Russland suchen.“

Nicht alle anwesenden Regierungschefs trugen ihre imperialistischen Ambitionen so offen zur Schau wie Scholz. Aber es steht außer Zweifel, dass Emmanuel Macron, Rishi Sunak, Giorgia Meloni, Ursula von der Leyen und Joe Biden, der der Klimakonferenz am Freitag auf dem Weg zum G20-Gipfel in Bali einen verspäteten Besuch abstattete, andere Delegationen in Scharm el-Scheich in ähnlicher Weise mit „unwiderstehlichen Angeboten“ unter Druck setzten.

Die Klimakrise erfordert eine sozialistische Lösung

Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass die Klimakatastrophe nicht durch Druck auf bürgerliche Regierungen und Politiker gestoppt werden kann, so hat ihn der Gipfel von Scharm el-Scheich geliefert. Der Grund für den Bankrott dieser Perspektive, die von Fridays for Future und anderen Umweltbewegungen vertreten wird, ist nicht einfach der böse Wille einzelner Regierungen oder Politiker, sondern der Charakter des kapitalistischen Systems, das sie verteidigen.

Es ist offensichtlich, dass sich die Klimakrise nur global lösen lässt. Die Treibhausgase machen an den nationalen Grenzen nicht halt, und eine umweltverträgliche Organisation der Energieversorgung ist nur im Weltmaßstab möglich. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die technischen Mittel und die materiellen Ressourcen für eine solche Lösung sind vorhanden; auf diesen Gebieten wurden in den vergangenen Jahrzehnten enorme Fortschritte erzielt.

Doch eine solche globale Lösung ist in einem Gesellschaftssystem nicht möglich, das auf Nationalstaaten beruht, die erbittert um die globale Vorherrschaft kämpfen, und das jeden Aspekt des wirtschaftlichen Lebens dem Profit und der Bereicherung einer kleinen Minderheit unterordnet.

Laut einer neuen Studie von Oxfam sind 125 Milliardäre und ihre Investitionen für den Ausstoß von mehr Treibhausgas verantwortlich, als Länder wie Frankreich, Ägypten oder Argentinien. Auf einen dieser Milliardäre entfallen im Jahr Emissionen von 393 Millionen Tonnen CO2, eine Million Mal mehr als auf jedes Mitglied der unteren 90 Prozent der Gesellschaft.

Um ihren Reichtum und ihre Privilegien zu verteidigen, sind die Kapitalisten und ihre Regierungen zu allem fähig. Ihre Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben haben sie bereits in der Pandemie bewiesen, als sie den Profit über Leben stellten. Fast 7 Millionen Menschen sind deshalb weltweit am Corona-Virus gestorben, die hohe Dunkelziffer nicht eingerechnet. Und die Pandemie breitet sich weiter aus. Dieselbe Rücksichtslosigkeit legen sie an den Tag, wenn sie einen Atomkrieg mit Russland und China riskieren, der die menschliche Zivilisation bedroht, und wenn sie den Klimawandel weiter vorantreiben.

Es gibt, wie eine von der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie belegt, sogar einen engen Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Klimakrise. Die Studie gelangt zum Schluss, dass der fortschreitende Klimawandel das Potenzial für die Ausbreitung von Viren, die bereits in Tierpopulationen vorkommen, auf den Menschen dramatisch erhöhen wird, wie dies bereits bei SARS-CoV-2, HIV und Ebola der Fall war.

Die Klimakrise erfordert eine sozialistische Lösung. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs schrieb Leo Trotzki, der führende Sozialist und Marxist seiner Zeit:

Bei dem gegenwärtigen Stand der Technik und der Qualifikation der Arbeiter ist es durchaus möglich, angemessene Bedingungen für die materielle und geistige Entfaltung der gesamten Menschheit zu schaffen, Es wäre nur nötig, das Wirtschaftsleben in jedem Land und auf unserem ganzen Planeten richtig, wissenschaftlich und vernünftig, nach einem allgemeinen Plan zu organisieren. So lange sich aber die Hauptproduktivkräfte der Gesellschaft im Besitz von Trusts, d.h. vereinzelten Kapitalistencliquen befinden, und so lange der nationale Staat ein fügsames Werkzeug in den Händen dieser Cliquen bleibt, muss der Kampf um Märkte, um Rohstoffquellen, um die Weltherrschaft unvermeidlich einen immer verwüstenderen Charakter annehmen. Die Staatsmacht und die Herrschaft über die Wirtschaft kann diesen raubgierigen imperialistischen Cliquen nur von der revolutionären Arbeiterklasse aus den Händen gerissen werden. („Der imperialistische Krieg und die proletarische Weltrevolution“)

Das gilt heute genauso wie damals. Die Überwindung der Klimakrise ist – ebenso wie der Kampf gegen Krieg und Sozialabbau – nur durch den Aufbau einer unabhängigen, sozialistischen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse und den Sturz des Kapitalismus möglich.

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