UN-Bericht: Rekordpreise für Lebensmittelimporte gefährden Ernährung von Hunderten Millionen Menschen

Die Vereinten Nationen warnen vor erheblichen Risiken für die Ernährungssicherheit weltweit. Die steigenden Lebensmittelpreise erschweren es insbesondere ärmeren Ländern, die Versorgung ihrer Bevölkerung zu sichern. Die Preise für Lebens- und Düngemittel dürften 2022 auf ein Rekordniveau steigen, und Hunderte Millionen Menschen sind von Hunger bedroht.

Frauen stehen im Slum Jardim Gramacho in Rio de Janeiro um Lebensmittel an, die von der Organisation „COVID Without Hunger“ gespendet wurden, 22. Mai 2021 [AP Photo/Silvia Izquierdo]

In ihrem soeben veröffentlichten Bericht „Food Outlook“ geht die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) davon aus, dass die weltweiten Kosten für die Einfuhr von Lebensmitteln wie Getreide, Ölfrüchte, Zucker, Fleisch, Milchprodukte und Fisch im Jahr 2022 auf ein Allzeithoch von 1,94 Billionen Dollar steigen werden, was einem Anstieg von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Diese Prognose wird auf die Abwertung der meisten Währungen gegenüber dem US-Dollar zurückgeführt, in dem ein Großteil des Welthandels abgewickelt wird. Ein weiterer Faktor ist der Stellvertreterkrieg, den die USA und die Nato in der Ukraine gegen Russland führen.

Außerdem werden Klimaschwankungen und geopolitische Spannungen als Haupt-Risikofaktoren für die Ernährungssicherheit genannt. „Besorgniserregend ist, dass viele wirtschaftlich schwache Länder trotz erhöhter Ausgaben weniger Nahrungsmittel erhalten“, so die FAO in ihrem Bericht.

Die Reaktion auf die Corona-Pandemie wird im UN-Bericht nicht ausdrücklich erwähnt. Dennoch haben die Regierungen mit ihrer kriminellen Reaktion auf die Pandemie die Inflation geschürt und die Lieferketten für die Lebensmittelversorgung zusätzlich gefährdet. Dies hat wesentlich zur Verschärfung der Nahrungsmittelkrise und damit von Armut und Hunger beigetragen.

Prognosen zufolge werden die weltweiten Importe von Agrarprodukten im Jahr 2022 einen neuen Höchststand von 424 Mrd. Dollar erreichen. Dies entspräche einem Kostenanstieg von 48 Prozent im Vergleich zu 2021, wovon wiederum 86 Prozent auf höhere Energie- und Düngemittelpreise zurückzuführen sind.

Der Krieg in der Ukraine hat die ärmeren Länder im Nahen Osten und in Nordafrika am härtesten getroffen. Diese Länder sind sehr stark von Importen abhängig und wurden durch die Abwertung ihrer Währungen gegenüber dem Dollar zusätzlich geschwächt.

Vor dem Krieg entfielen auf Russland und die Ukraine 30 Prozent der weltweiten Weizenlieferungen und 78 Prozent der Exporte von Sonnenblumenöl. Der Krieg in der Ukraine hat den Getreideanbau und die Düngemittelversorgung in der Schwarzmeerregion erheblich geschädigt. Verschlimmernd kam hinzu, dass der Schiffsverkehr stark beeinträchtigt wurde. Der weltweite Weizenhandel dürfte aufgrund fehlender Exporte aus der Region im Vergleich zum Vorjahr um 1 Prozent zurückgehen.

Für das kommende Jahr wird eine weltweite Rekordernte im Umfang von 784 Millionen Tonnen Weizen prognostiziert. Grundlage hierfür sind erhebliche Steigerungen nach dem vorangegangenen Einbruch in Kanada und Russland. So werden die weltweiten Weizenvorräte zwar auf ein Rekordniveau ansteigen, doch dies vor allem in China und Russland, während die Vorräte in der übrigen Welt voraussichtlich um 8 Prozent sinken werden.

Die ärmeren Länder werden die gestiegenen Kosten für Agrarimporte am stärksten zu spüren bekommen. Da sie weniger Düngemittel ausbringen können, werden die Erträge und die Gesamtproduktion von Nahrungsmitteln weiter zurückgehen. Die UN FAO erklärt, dass „die hohen Weltmarktpreise für Düngemittel wahrscheinlich bis ins Jahr 2023 anhalten werden, was sich negativ auf die weltweite landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherheit auswirken wird“.

Den Prognosen zufolge werden 85 Prozent der weltweiten Ausgaben für Lebensmitteleinfuhren auf Länder mit hohem und mittlerem Einkommen entfallen. Hauptgrund sind die gestiegenen Kosten: Länder mit hohem Einkommen importieren weiterhin ein breites Spektrum an Lebensmitteln, während die so genannten Entwicklungsländer gezwungen sind, sich auf den Kauf von Grundnahrungsmitteln zu konzentrieren.

Bei weitgehend konstanten Gesamtkosten für Länder mit niedrigem Einkommen wird ein Rückgang ihrer Lebensmittelimporte um 10 Prozent prognostiziert. Es wird für diese Länder immer schwieriger, die Ernährung ihrer Bevölkerung zu finanzieren. Damit droht eine alarmierende Verschlimmerung der Ernährungsunsicherheit.

Ein Beispiel sind die afrikanischen Länder südlich der Sahara, die bereits stark von Unterernährung betroffen sind. Sie werden im Jahr 2022 schätzungsweise 4,8 Mrd. Dollar mehr für Lebensmittelimporte ausgeben, und trotzdem werden die Einfuhren von Lebensmitteln um eine Menge im Wert von 0,7 Mrd. Dollar sinken. Die Entwicklungsländer, die Nettoimporteure von Lebensmitteln sind, werden voraussichtlich 21,7 Mrd. US-Dollar mehr aufbringen müssen, um zusätzliche Lebensmittel im Wert von lediglich 4 Mrd. US-Dollar zu importieren.

Die Klimakrise hat unmittelbare Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion und die Preise. Die jüngsten Hitzewellen in Europa haben die Getreideernte stark geschädigt. Infolge der Dürre fiel die Maisproduktion so gering aus wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat die US-Regierung Biden zugesagt, Dutzende Milliarden Kubikmeter Flüssiggas nach Europa zu liefern. Dies wird zu einem entsprechenden Anstieg der Treibhausgasemissionen führen, die Klimakrise weiter verschärften und damit die Agrarkrise verschlimmern.

Auch die katastrophalen Überschwemmungen, die im Juni in Pakistan einsetzten, sind ein Ausdruck der Klimakrise. Das Wasser aus der Gletscherschmelze im Himalaya hat in Verbindung mit ungewöhnlich starken Regenfällen mindestens 1.700 Menschen das Leben gekostet. Tausende wurden verletzt und mindestens 33 Millionen in die Flucht getrieben.

Mehr als 3,4 Millionen Kinder in Pakistan leiden unter chronischem Hunger. Nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children haben schätzungsweise 760.000 Kinder in den überschwemmten Gebieten nicht genug zu essen und sind von schwerer Unterernährung bedroht. Seit den Überschwemmungen ist die Zahl der Hungernden um 45 Prozent gestiegen: von 5,96 Millionen auf 8,62 Millionen.

In Lateinamerika und der Karibik ist Haiti das Land, das aufgrund seiner Topographie, Armut, Landnutzungspraktiken und schwachen Infrastruktur am stärksten vom Klimawandel betroffen ist. Nach Angaben der FAO und des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen „hält eine unerbittliche Reihe von Krisen die gefährdeten Haitianer in einem Kreislauf wachsender Verzweiflung gefangen, ohne Zugang zu Nahrungsmitteln, Treibstoff, Märkten, Arbeitsplätzen und öffentlichen Dienstleistungen“.

Die weit verbreitete Abholzung und die schlechte Entwässerungsstruktur haben die Anfälligkeit Haitis für Wirbelstürme, Sturmfluten und Überschwemmungen erhöht. Die steigenden Temperaturen in den Trockenmonaten, die tropische Stürme verstärken, haben die Klimaauswirkungen verschlimmert.

Nicht weniger als 4,7 Millionen der 11,5 Millionen Menschen in dem verarmten Land sind derzeit von Hunger betroffen. Davon befinden sich 1,8 Millionen nach dem offiziellen Hunger-Index der UN in einer „Notlage“. Laut demselben Index sind erstmals in Haiti 19.000 Menschen von einer „Katastrophe“ betroffen.

Das Land importiert die Hälfte seiner Lebensmittel, darunter 80 Prozent des Reisverbrauchs. Jeder Anstieg der Lebensmittelkosten oder Rückgang der Lebensmittelmenge, wie im FAO-Bericht prognostiziert, wird unzählige weitere Haitianer zum Hungern verurteilen.

Hunger und Unterernährung sind nicht auf Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika beschränkt. Das Vereinigte Königreich importiert fast die Hälfte seiner Lebensmittel, und die Versorgung hat sich durch die Pandemie und den Brexit, der die Lieferketten unterbrochen hat, weiter verschlechtert.

Fast 10 Millionen Erwachsene und 4 Millionen Kinder der 67,5 Millionen Einwohner des Vereinigten Königreichs sind unterernährt. Jeder vierte Haushalt mit Kindern ist von Ernährungsunsicherheit betroffen, und die Nachfrage bei den Hilfsorganisationen ist größer als je zuvor.

In den USA und in Europa werden Arbeiterfamilien von einer Inflation heimgesucht, die durch die mörderische Reaktion der Regierungen auf die Pandemie und den US-Nato-Krieg in der Ukraine noch verschärft wird. Die Arbeiter werden für diesen Krieg zur Kasse gebeten, in Form von steigenden Lebensmittelpreisen, Gaspreisen und Mieten. Außerdem drohen Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen. Gegen diese brutale Politik der herrschenden Klasse entwickelt sich eine Welle von Widerstand.

Der „Food Outlook“-Bericht der FAO veranschaulicht die tödlichen Folgen einer Weltwirtschaft, die dem privaten Profit untergeordnet ist. Die globale soziale Ungleichheit in Form von Armut und Hunger ist ebenso wenig ein natürliches Phänomen wie die Todesfälle durch imperialistische Kriege und das durch die Pandemie verursachte Elend.

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