Die Leitung des Volkswagen-Konzerns bereitet in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat einen gewaltigen Umbau der Produktion, den massiven Abbau von Arbeitsplätzen und ein knallhartes Sparprogramm vor.
30.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Ganze Werksteile sollen stillgelegt und die Personalkosten drastisch gesenkt werden, um die Profitrate zu verdreifachen. Für jeden Prozentpunkt zusätzlicher Rendite seien Einsparungen von etwa einer Milliarde Euro notwendig, erklärte ein Konzernsprecher.
Viele Arbeiter sind über das gewaltige Ausmaß des Angriffs, der im Raum steht, schockiert. Der Bericht der World Socialist Web Site darüber wurde fast hunderttausend Mal gelesen. Um den Widerstand dagegen zu organisieren, sind zwei Dinge wichtig.
Erstens ist der Kahlschlag bei Volkswagen Teil eines internationalen Angriffs auf die Arbeiterklasse. Um die gewaltigen Kosten für Krieg und Handelskrieg zu finanzieren und die Aktienkurse weiter in die Höhe zu treiben, greifen Kapital und Regierungen alle sozialen Errungenschaften und Rechte an.
Die Auto-Bosse nutzen die Umstellung auf E-Mobilität, um die Profite drastisch zu erhöhen. Studien und Strategiepapiere der internationalen Automobilkonzerne planen den Abbau von bis zu 40 Prozent der Arbeitsplätze in der weltweiten Autoindustrie. Dieses Arbeitsplatzmassaker soll genutzt werden, um Löhne und Sozialleistungen drastisch zu senken. Die einzelnen Standorte werden dabei gnadenlos gegeneinander ausgespielt, wie dies Ford mit dem sogenannten „Bieterwettbewerb“ zwischen Saarlouis und Valencia vorgeführt hat.
Der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne muss daher von Anfang an als internationaler Kampf vorbereitet und geführt werden.
In den USA und Kanada laufen Mitte September die Tarifverträge für 170.000 Autoarbeiter der „Big Three“ (Ford, General Motors und Stellantis) aus. Die Auseinandersetzung bei VW kommt mit einer der größten Tarifkämpfe seit Jahrzehnten in Amerika zusammen. Dazu kommt eine wachsende Streikbewegung in vielen europäischen Ländern. In der Türkei finden im Herbst Tarifverhandlungen für 150.000 Arbeiter in der Auto- und Metallindustrie statt. Arbeiter haben bereits angekündigt, dass sie die Lohnsenkungs-Verträge, die die Gewerkschaft in der Vergangenheit vereinbart hat, nicht länger hinnehmen werden.
Zweitens muss die Kontrolle der IG Metall und ihres Betriebsrats gebrochen werden, die als Teil der Konzernleitung eine regelrechte Diktatur über die Beschäftigten ausüben. Das erfordert den Aufbau eines unabhängigen Aktionskomitees, in dem sich alle VW-Arbeiterinnen und Arbeiter zusammenschließen, die ernsthaft kämpfen wollen. Das Aktionskomitee muss sich der Profitlogik widersetzen und die Bedürfnisse und Rechte der Beschäftigten höherstellen als die Rendite der Milliardäre und Investoren.
Solche Aktionskomitees haben sich bereits in mehreren Autowerken gebildet und zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Es ist Teil der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC), die den wachsenden Widerstand weltweit koordiniert. Die Gründung eines Aktionskomitees bei VW wird entscheidend dazu beitragen, eine Achse des Widerstands zwischen Wolfsburg und Detroit aufzubauen und den Kampf gegen den Kahlschlag bei VW zum Bestandteil einer systematischen, internationalen Offensive in der Auto- und Zulieferindustrie zu machen.
Die Ankündigung des sogenannten „Performance-Programms“, das von Konzernleitung, Betriebsrat, IG Metall und SPD-Landesregierung gemeinsam ausgearbeitet wurde, ist eine gezielte Provokation. Arbeiter sollen eingeschüchtert und überrumpelt werden. Wenn es in der Auto-Stadt Wolfsburg möglich ist, einen derart umfassenden sozialen Kahlschlag durchzusetzen, wird dasselbe auch in allen anderen Auto- und Zulieferbetrieben sowie in anderen Industriebetrieben stattfinden.
Volkswagen ist der größte europäische Autohersteller. Mit rund 60.000 Beschäftigten ist das Wolfsburger-Stammwerk die größte Fabrik der Welt. In 122 Fabriken auf allen Kontinenten arbeiten 670.000 Arbeiterinnen und Arbeiter, allein Deutschland sind es 120.000. Weitere Hunderttausende sind in der Zulieferindustrie beschäftigt. Zählt man die Familienmitglieder hinzu, so ist das Schicksal mehrerer Millionen Menschen direkt von dem Konzern abhängig.
Zusammenarbeit zwischen Management und Gewerkschaft
An der Spitze des Konzerns stehen zwei Oligarchen-Clans, die über ihre Aktienmajorität den Vorstand und Aufsichtsrat dominieren: die Porsches und die Piëchs. Sie verdanken ihre Macht dem Umstand, dass sie Nachkommen von Ferdinand Porsche und dessen Schwiegersohn Anton Piëch sind, die als Günstlinge Adolf Hitlers das Volkswagenwerk für die Nazis aufbauten. Der Grundstein für das Milliardenvermögen der Porsches und Piëchs legten 20.000 Zwangsarbeiter, die während des Zweiten Weltkriegs im VW-Werk unter unmenschlichen Bedingungen Rüstungsgüter für die Wehrmacht produzierten.
Der zweite Machtfaktor im Konzern sind die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat. Der 1. Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, ist stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats und sitzt zusammen mit der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Daniela Cavallo im Präsidium, in dem alle wichtigen Entscheidungen abgesprochen werden.
In keinem anderen deutschen Unternehmen ist die Zusammenarbeit zwischen Management und Gewerkschaft so ausgefeilt wie bei Volkswagen. IG Metall und Betriebsrat sorgen mit einem Heer vollamtlicher Funktionäre dafür, dass die Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat reibungslos umgesetzt werden, und versuchen jeden Widerstand im Keim zu unterdrücken.
Wie in einem Brennglas zeigen sich bei VW alle Probleme, vor denen die Arbeiter in der Auto- und Zulieferindustrie stehen.
Über Jahrzehnte hinweg war VW in der Lage, seine Produktion immer weiter auszudehnen, hohe Profite zu machen und für die Stammbelegschaften überdurchschnittliche Löhne zu zahlen. Als sich der weltweite Konkurrenzkampf verschärfte, in Japan, Korea und China neue Konkurrenten auftraten und Abgas-Normen verschärft wurden, griff das VW-Management zu kriminellen Methoden und musste für den Diesel-Skandal viele Milliarden Euro Strafe zahlen.
Ausgeglichen wurde das durch eine aggressive Ausdehnung des China-Geschäfts. Seit den 1980er Jahren war Volkswagen mit seiner Kernmarke VW Marktführer in China. In den vergangenen Jahren verkaufte der Konzern rund 40 Prozent seiner Fahrzeuge in China und erzielte dort einen großen Teil seiner Gewinne. Doch inzwischen geht der Absatz deutlich zurück. Chinesische Hersteller wie SAIC, BYD, Geely und Xpeng treten als Konkurrenten auf und expandieren nach Europa.
Der chinesische Produzent BYD, der ausschließlich Elektro-Fahrzeuge herstellt, konnte seinen Marktanteil auf elf Prozent im ersten Quartal ausbauen und sich vor Volkswagen und Toyota an die Spitze stellen. Auch andere chinesischen Hersteller wie Nio, Geely oder Great Wall verkaufen weit mehr E-Autos als Volkswagen.
Der erbitterte Konkurrenzkampf wird auf dem Rücken der Arbeiter in China und in Deutschland ausgetragen. Auf den steigenden Marktanteil chinesischer Produzenten reagiert VW mit Milliarden-Investitionen in Beteiligungen an chinesischen Firmen und Start-ups, die das technische Knowhow für die E-Mobilität mitbringen. Im vergangenen Monat hat Volkswagen eine langfristige Partnerschaft mit dem chinesischen Autobauer Xpeng in den Bereichen Elektromobilität, Software und selbstfahrende Autos bekannt gegeben. Auch mit dem Start-up Zhejiang Leapmotor Technology führt der Wolfsburger Autokonzern Gespräche über eine weitgehende Zusammenarbeit.
Im Vordergrund stehen dabei nicht nur der Zugang zu Technologien und zu Rohstoffen wie Lithium, Nickel, Kobalt, Graphit und seltenen Erden, die für den Bau von E-Autos erforderlich sind, sondern die drastische Steigerung der Profite und die Verschärfung der Ausbeutung. Während die Löhne weit hinter der Inflation zurückbleiben und Zehntausende um ihren Arbeitsplatz bangen, geben sich Eigentümer und Investoren nur noch mit zweistelligen Profitraten zufrieden.
Bei dieser Umstrukturierung und Profitsteigerung und den damit verbundenen Angriffen auf die Belegschaft arbeiten Vorstand, Aktionäre, IG Metall, Betriebsrat und Landesregierung eng zusammen. Sie sprechen jeden Schritt ab, um Widerstand zu unterdrücken und die Belegschaft nach Ländern und Standorten, zwischen Festangestellten und Leiharbeitern usw. zu spalten.
Der Wechsel an der Unternehmensspitze im vergangenen Herbst von Herbert Diess zu Oliver Blume war vor allem darauf ausgerichtet, die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der IG Metall noch enger zu gestalten. Blume wird von den Betriebsräten hoch gepriesen, weil er sie eng in seine Planungen einbezieht. Blume genieße mit seinem Team „die vollste Unterstützung“ des Betriebsrats, betont Betriebsratschefin Cavallo. Man arbeite „vertrauensvoll und auf Augenhöhe“ zusammen. Wir haben bereits in einem früheren Artikel gezeigt, was diese „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ bedeutet.
Deshalb ist der erste wichtige Schritt im Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Sozialstandards der Aufbau eines unabhängigen Aktionskomitees. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees bietet dabei ihre Unterstützung an. Sie stellt Verbindungen zu Aktionskomitees in anderen Ländern und Betrieben – General Motors, Stellantis, Ford, UPS u.a. – her, vernetzt Arbeiter und bietet ihnen die Möglichkeit, Informationen auszutauschen und eine gemeinsame Gegenoffensive vorzubereiten und zu koordinieren.
Ein Programm, das die Bedürfnisse der Arbeiter erfüllt
Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Netzwerk der Aktionskomitees der Autoarbeiter in den USA ein Programm, das auch für den Kampf bei VW als Vorbild dienen kann. Es richtet seine Forderungen „nicht danach, was nach Ansicht der Unternehmensvorstände bezahlbar ist, sondern danach, was Arbeiter für einen würdigen Lebensstandard brauchen“. Als Grundlage für alle neuen Vereinbarungen in der Autoindustrie stellt es folgende Forderungen auf:
- Keine einzige Entlassung oder Werksschließung! Die Entwicklungen in den Bereichen Automation und Technologie müssen benutzt werden, um die wöchentliche Arbeitszeit zu verkürzen, nicht um Arbeitsplätze abzubauen oder die Profite zu erhöhen. Wenn der Bau von Elektrofahrzeugen weniger Arbeitsstunden erfordert, kann die Wochenarbeitszeit von anstrengenden 40, 50 oder sogar 60 Stunden, die Arbeiter routinemäßig schuften, auf 30 Stunden gesenkt werden – ohne Einkommensverluste und mit gleichmäßiger Verteilung auf alle Arbeiter.
- Eine 40-prozentige Lohnerhöhung und die Wiedereinführung der Lebenshaltungskostenangleichung (COLA) als Ausgleich für die jahrelangen Nullrunden und die verheerenden Auswirkungen der hohen Inflation.
- Abschaffung aller Lohnstufen- und Lohnprogressions-Systeme. Die unteren Lohnstufen müssen sofort auf die obersten Löhne und Leistungen angehoben werden.
- Die Umwandlung aller befristeten- und Teilzeitstellen in Vollzeitstellen mit vollem Lohn und Zusatzleistungen.
- Vollständige Finanzierung der Renten und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für alle aktuellen und ehemaligen Arbeiter.
- Die Wiedereinführung des Achtstundentags mit Löhnen, mit denen wir uns und unsere Familien versorgen können.
- Kontrolle der Arbeiter über die Geschwindigkeit der Produktionsstraßen und die Produktionsstandards. Sie müssen von lokalen Aktionskomitees ausgehandelt werden, um sicherzustellen, dass die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter an erster Stelle stehen.
Wir rufen alle VW-Beschäftigten auf: Meldet euch per Whatsapp-Nachricht unter +491633378340 oder füllt das Formular aus.
Wir werden im Aktionskomitee darüber diskutieren, wie die Diktatur der IG Metall und ihrer Betriebsräte überwunden werden kann und wie der Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze und aller Sozialstandards geführt werden muss. Wir werden auch über die Kämpfe und Erfahrungen der Autoarbeiter in den USA und anderen Ländern berichten und die internationale Zusammenarbeit entwickeln.