Die Frontlinien im Kampf der Autoarbeiter: Die UAW steht auf Seiten der Regierung

In weniger als drei Wochen, am 14. September, laufen die Tarifverträge bei den „Big Three“, den drei großen Autokonzernen (GM, Ford, Stellantis) aus. Autoarbeiter müssen daher eine Bestandsaufnahme der Situation machen und sich bewusst auf den bevorstehenden Kampf vorbereiten.

Am Sonntag hat die Belegschaft des Autozulieferers Lear in Hammond (Indiana) mit 75 Prozent einen Tarifvertrag abgelehnt. Es war schon der zweite Vertrag, den die UAW ihnen zur Zustimmung vorgelegt hatte. Diese Entscheidung macht erneut deutlich, dass die Autoarbeiter nicht bereit sind, weitere Zugeständnisse hinzunehmen. Sie sind bereit, den Kampf aufzunehmen, um die jahrzehntelangen Zugeständnissen der UAW an die Konzerne rückgängig zu machen.

Arbeiter des Stellantis-Lastwagenwerks Warren verlassen das Werk nach der Frühschicht

Gleichzeitig beharren die Autokonzerne auf ihren Positionen und lehnen es rundheraus ab, die verheerenden Zugeständnisse der letzten zehn Jahre rückgängig zu machen. Diese Zugeständnisse haben die Arbeiter arm gemacht, den Konzernen jedoch allein in den letzten zehn Jahren Profite in Höhe einer Viertelbillion Dollar beschert. Laut Medienberichten bereitet sich Ford darauf vor, im Fall eines Streiks Büroangestellte einzusetzen, um den Betrieb beispielsweise in den Teilelagern aufrechtzuerhalten.

UAW-Präsident Shawn Fain hat eine Reihe von populären Vorschlägen für einen Tarifvertrag veröffentlicht, um die zunehmend unruhigen und entschlossenen Belegschaften unter Kontrolle zu halten. Diese Forderungen beinhalten eine massive Lohnerhöhung, die Wiedereinführung der COLA-Klausel („Cost-of-Living-Adjustment“, die das Einkommen an die Inflation anpasst), gleicher Lohn für gleiche Arbeit, arbeitgeberfinanzierte Renten für alle und ein Ende des missbräuchlichen Einsatzes von Zeit- und Leiharbeit.

Aber Fain und der Rest der UAW-Bürokratie sind fest entschlossen, den Kampf der Arbeiter für diese Forderungen zu verraten. Die Kluft zwischen Fains Worten und den Taten der UAW-Bürokratie hat sich bereits darin gezeigt, dass sie einen 40-tägigen Streik im Batteriewerk Clarios (Ohio) ausverkauft haben. Das Ergebnis dieses Verrats war eine Lohnerhöhung unterhalb der Inflationsrate und ein Zwölf-Stunden-Tag (die Überstunden nicht gerechnet). Darüber hinaus wurde versucht, bei Lear (Indiana) einen ähnlichen Ausverkauf durchzusetzen.

Viel wichtiger als das, was Fain und die UAW-Apparatschiks versprechen, ist das, was sie wirklich tun. Die UAW-Führung befindet sich in ständiger lebhafter Diskussion mit der Biden-Regierung und den Demokraten über die Frage, wie der Widerstand der Autoarbeiter gebrochen und die Diktate der Konzerne durchgesetzt werden kann.

Fain und die Gewerkschaftsbürokraten sind Teil einer regelrechten Verschwörung mit Biden und den Demokraten. Angesichts dieser Tatsache müssen Arbeiter sich jetzt organisieren, um eine Niederlage zu verhindern, die zu beispiellosen Zugeständnissen und Stellenstreichungen führen würde. Nicht nur die Autoindustrie, sondern große Teile der Arbeiterklasse wären davon betroffen.

Immer wieder hat die Geschichte gezeigt, dass Arbeiter nur dann siegen können, wenn sie ihre Stärke unabhängig mobilisieren. In allen Fabriken, Lagerhäusern und Betrieben müssen Aktionskomitees gegründet werden, damit die Arbeiter wirklich miteinander kommunizieren können. Diese Komitees werden es den Arbeitern ermöglichen, Verbindungen zwischen unterschiedlichen Werken und Unternehmen herzustellen. Sie werden die notwendigen organisatorischen Strukturen herstellen, um den Verrat abzuwehren, den die UAW-Bürokratie vorbereitet.

Joe Biden und der Präsident der United Auto Workers, Shawn Fain (AP Photo/Joe Lamberti/Mike Householder) [AP Photo/Joe Lamberti/Mike Householder]

Am 20. August trat die US-Abgeordnete Haley Stevens bei der UAW-Kundgebung „Solidarity Sunday“ in Warren (Michigan), am Hauptsitz der UAW-Region 1, als Sprecherin auf. Ihre Rede verdeutlichte die Verschwörung, die zwischen dem UAW-Apparat und der Demokratischen Partei zugunsten des Konzerns besteht. Stevens war Mitglied von Präsident Obamas Auto Task Force im Weißen Haus, die von den UAW-Mitgliedern massive Zugeständnisse verlangte. Damals wurden als Gegenleistung dafür, dass der Staat GM und Chrysler rettete, die Löhne für neu eingestellte Arbeiter halbiert, die COLA-Klausel abgeschafft und der Einsatz von Leiharbeit deutlich ausgeweitet.

UAW-Chef Fain war damals eins der Mitglieder des nationalen UAW-Chrysler-Verhandlungsteam, das den massiven Zugeständnissen zugestimmt hatte. Als Belohnung für diese Kollaboration hatte die Obama/Biden-Regierung dafür gesorgt, dass der UAW-Apparat GM- und Chrysler-Aktien im Wert von mehreren Milliarden Dollar erhielt. Außerdem wurde der UAW die Kontrolle über die arbeitgeberfinanzierte Rentner-Krankenkasse VEBA übertragen.

In ihrer Rede auf der UAW-Kundgebung lobte Haley Stevens die Gewerkschaftsfunktionäre für die „damals gemachten Zugeständnisse“. Sie versicherte Fain und Co. dass Biden weitere Schmiergelder an den UAW-Apparat für dessen Kooperation beim Übergang zu Elektrofahrzeugen in petto halte. Dieser Übergang wird zu einer weiteren Runde massiver Angriffe auf Arbeitsplätze und den Lebensstandard führen.

Stevens erklärte: „Jetzt stehen wir vor einem weiteren großen Übergang. Aber, meine Freunde, der Deal ist, dass wir diesen Übergang nicht ohne die UAW durchführen und nicht ohne ihren gerechten Anteil.“

Stevens und die anderen Demokraten, die bei der UAW-Kundgebung aufmarschierten (zum Beispiel die US-Senatorin Debbie Stabenow) sind zwar offensichtlich die engsten Verbündeten von Fain & Co. Der Arbeiterklasse stehen sie jedoch skrupellos feindlich gegenüber. Letzten November gehörten sie zu den Hunderten von Demokraten und Republikanern im Kongress, die den Streik von 110.000 Eisenbahnern verboten und ihnen denselben wirtschaftsfreundlichen, von der Biden-Regierung vermittelten Tarifvertrag aufzwangen, den die Arbeiter zuvor abgelehnt hatten.

Haley Stevens, US-Abgeordnete der Demokraten, bei der UAW-Kundgebung Solidarity Sunday am 20. August 2023 [Photo: UAW]

Fain diskutiert praktisch täglich mit der Biden-Regierung darüber, wie man die Kontrolle über die zunehmend rebellischen Autoarbeiter behalten könne. Das Weiße Haus verwendet viel Energie darauf, das Image der UAW-Bürokratie, die bis zum Hals in Korruption, Bestechung und Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern steckt, zu verbessern. So hat das Arbeitsministerium die jüngste Wahl des UAW-Präsidenten für rechtmäßig erklärt, obwohl nachweislich 90 Prozent der UAW-Mitglieder davon ausgeschlossen waren. Tatsächlich hat Shawn Fain den UAW-Vorsitz gestützt auf gerade mal drei Prozent der Arbeiterstimmen übernommen.

Seit Wochen streiken in den USA die Drehbuchautoren und Schauspieler, und UPS-Fahrer und Hafenarbeiter leisten massiven Widerstand gegen einen Ausverkauf ihrer Tarifkämpfe. Auch im Gesundheits- und Bildungswesen wächst die Militanz. In dieser Situation setzt Biden darauf, dass die UAW-Bürokratie den Kampf der Autoarbeiter abwürgt und jede weitere Störung der Profite der amerikanischen Wirtschaft verhindert. Auch soll die Arbeiterklasse für den Militarismus der Regierung bezahlen, die dabei ist, den Krieg gegen Russland auszuweiten und einen dritten Weltkrieg gegen China vorzubereiten.

Autoarbeiter müssen dieses Komplott durchschauen und ihre eigene, unabhängige Reaktion darauf vorbereiten. Es reicht nicht aus, weitere Zugeständnisse abzulehnen, sondern der Widerstand muss organisiert werden. Arbeiter dürfen nicht „abwarten“, sonst werden Fain und die UAW-Bürokratie sie mit einem neuerlichen Ausverkaufsvertrag überrumpeln. Um den illegitimen Entscheidungen der UAW-Bürokratie den Willen der Arbeiter entgegenzusetzen, müssen sich Arbeiter unabhängig organisieren.

Will Lehman, der Mack-Trucks-Arbeiter und sozialistische UAW-Präsidentschaftskandidat, hat im ersten UAW-Wahlgang fast 5.000 Stimmen erhalten, weil sein Programm die Abschaffung der UAW-Bürokratie und die Übertragung der ganzen Macht an die Arbeiter in den Betrieben vorsah. Die Unterstützung für Lehmans Wahlkampf zeigt, dass es eine starke Basis für die Ausweitung der Aktionskomitees gibt. Diese Komitees werden unter der Kontrolle der Arbeiter – nicht der Gewerkschaftsbürokraten – stehen. Sie werden alle Arbeiter zusammenschließen, unabhängig davon, ob sie Voll- oder Teilzeitverträge haben und ob sie in der ersten oder zweiten Lohnstufe oder für die Zuliefererindustrie arbeiten.

Wie Teilzeitarbeiter im Stellantis-Jeep-Werk in Toledo (Ohio) erklärte: „Wir müssen die Autokonzerne mit allen 18 Rädern angreifen.“

Um einen solchen Kampf vorzubereiten, sollten die Aktionskomitees folgende Maßnahmen fordern und  dafür kämpfen:

  1. Das Streikgeld muss auf 750 Dollar pro Woche erhöht werden. Die Streikkasse, die aus den Mitgliedsbeiträgen der Arbeiter gefüllt wird, muss dafür eingesetzt werden, den Konzernen die Bereitschaft der Arbeiter zu einem langen Kampf zu verdeutlichen.
  2. Alle Verhandlungen müssen von den Arbeitern selbst kontrolliert werden, und alle Mitglieder müssen täglich detaillierte Berichte erhalten. Kein Vertrauen in Fains vage „Updates“! Sie verschleiern nur, was hinter dem Rücken der Arbeiter besprochen wird.
  3. Vorbereitungen für einen unbefristeten Streik müssen getroffen werden, der die ganze Auto- und Zuliefererindustrie lahmlegt. Die Arbeiter müssen alle Versuche zurückweisen, sie auf „Hollywood“-Streiks in einigen Zulieferbetrieben zu begrenzen, da diese nur das Vorspiel zu einem weiteren Ausverkauf wären. Durch die Ausweitung des Netzwerks der Autoarbeiter-Aktionskomitees werden die streikenden Arbeiter in der Lage sein, sich mit den Arbeitern der Unterhaltungsbranche, bei UPS, in den Häfen und mit anderen Teilen der Arbeiterklasse zusammenzuschließen und den Kampf gemeinsam zu führen.
  4. Der Kampf muss auf ganz Nordamerika und darüber hinaus ausgeweitet werden. Gegen die transnationalen Konzerne können die Arbeiter unmöglich gewinnen, wenn ihr Kampf auf die USA beschränkt bleibt.

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten laufen die Tarifverträge bei den kanadischen Arbeitern der „Big Three“ nur wenige Tage nach denen in den USA aus. Auch haben Arbeiter in Mexiko (GM in Silao, sowie Lear und andere Betriebe in Matamoros und Ciudad Juárez) schon mehrmals versucht, sich mit ihren Kollegen in den USA zusammenzutun, um Widerstand gegen Armutslöhne und die tödliche Ausbreitung von Covid-19 in den Fabriken zu leisten. Weltweit sind Autoarbeiter überall mit der Zerstörung von Arbeitsplätzen und Löhnen sowie den geheimen Absprachen zwischen den Gewerkschaftsbürokraten und den kapitalistischen Regierungen konfrontiert. Dies betrifft beispielsweise auch die VW-Arbeiter in Deutschland und 150.000 türkische Metallarbeiter, deren Tarifverträge im September auslaufen.

Die UAW-Bürokratie hetzt gegen China und Mexiko, um ihre Zusammenarbeit mit den Autokonzernen und der Kriegspolitik der Biden-Regierung zu vertuschen. Dieser schmutzigen Hetze setzt die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) den koordinierten Kampf der Arbeiter über alle Grenzen hinweg entgegen. Dies wird die Grundlagen für eine mächtige Gegenoffensive der internationalen Arbeiterklasse schaffen. Sie wird soziale Ungleichheit, Krieg und das kapitalistische Profitsystem beenden und das Wirtschaftsleben umgestalten. Die Interessen der Produzenten der Welt, der arbeitenden Bevölkerung aller Länder, werden an erster Stelle stehen.

Der WSWS Autoworker Newsletter und das Autoworkers Rank-and-File Committee Network veranstalten am 27. August um 21 Uhr (15 Uhr amerikanische Ostküstenzeit EST), eine gemeinsame Online-Versammlung. Sie werden über die Frage diskutieren, wie Autoarbeiter ihre Forderungen im Tarifstreit 2023 durchsetzen können.

Loading