Perspektive

Nach grünem Licht aus Washington: Israel beginnt mit Massaker von Rafah

Israel hat in der Nacht von Sonntag auf Montag einen massiven Luftangriff auf Rafah geflogen. Dabei wurden in der südlichsten Stadt des Gazastreifens über 100 Menschen getötet. Bei Sonnenaufgang sah die Welt mit Entsetzen Bilder von verstümmelten Kinderleichen – eine erschreckende Demonstration dessen, was in den kommenden Wochen auf sie zukommen wird.

In der Leichenhalle eines Krankenhauses in Rafah trauern Menschen um Angehörige, die bei der israelischen Bombardierung des Gazastreifens getötet wurden. Aufgenommen am Montag, 12. Februar 2024. [AP Photo/Fatima Shbair] [AP Photo/Fatima Shbair]

Am Wochenende kündigte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu einen umfassenden militärischen Angriff auf die belagerte Stadt an und erklärte: „Unser Ziel ... ist der totale Sieg“. Für das israelische Regime bedeutet „totaler Sieg“, so viele Palästinenser wie möglich zu töten und den Rest aus ihren Häusern zu vertreiben.

Über eine Million Menschen – fast die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens – sind in Rafah zusammengepfercht. Die meisten von ihnen leben in armseligen Zelten ohne sauberes Wasser, Lebensmittel oder funktionierende Abwassersysteme. Da das Krankenhaussystem zusammengebrochen ist, grassieren Krankheiten und das Ausmaß der Hungersnot nimmt zu. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben derzeit vier von fünf der weltweit am stärksten von Hunger betroffenen Menschen in Gaza.

Der Großangriff auf Rafah wird die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen weiter in die Höhe treiben, wo seit über vier Monaten durch das ununterbrochene Bombardement der israelischen Armee sowie durch vorsätzliche Massenhinrichtungen über 35.000 Menschen getötet wurden.

Das nächtliche Massaker ereignete sich nur einen Tag, nachdem US-Präsident Joe Biden im Namen der US-Regierung der Offensive auf Rafah grünes Licht gegeben hatte. In seinen Äußerungen ersetzte Biden die Vorgabe, dass eine Offensive „nicht stattfinden kann“, durch die Erklärung, dass die Offensive einen „Plan“ zur Evakuierung von Rafah erfordere.

Biden habe „unser gemeinsames Ziel bekräftigt, die Hamas zu besiegen und die langfristige Sicherheit Israels und seines Volkes zu gewährleisten“, heißt es in dem vom Weißen Haus veröffentlichten Statement zu einem Telefongespräch zwischen Biden und Netanjahu.

Nach einem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. am Montag wiederholte Biden seine leere Bedingung, während er sich auf „unsere Militäroperation in Rafah“ bezog – eine seiner „Verwechslungen“, die offenbaren, worin die wesentliche Wahrheit besteht.

Es handelt sich in der Tat um „unsere Militäroperation“, d. h. um eine Operation, die von Israel durchgeführt, doch vom amerikanischen Imperialismus koordiniert wird. Biden könnte die Geschehnisse ebenso gut als „unseren Völkermord“ bezeichnen.

Der „Plan“, der zwischen Israel und den Vereinigten Staaten ausgearbeitet wurde, scheint bereits konkret Form anzunehmen. Das Wall Street Journal schrieb in einem Bericht: „Der israelische Entwurf für einen Evakuierungsplan sieht laut Angaben ägyptischer Regierungsvertreter die Einrichtung von 15 Lagern mit jeweils etwa 25.000 Zelten im südwestlichen Teil des Gazastreifens vor“.

Das Wall Street Journal berichtete weiter, die Zeltstädte würden von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten im Nahen Osten finanziert und von Ägypten unter der Führung des Diktators Al-Sisi betrieben.

Mit anderen Worten: Eine Million kranke, hungrige und erschöpfte Menschen werden mit direkter Komplizenschaft, Finanzierung und Beteiligung der Vereinigten Staaten auf einen Marsch durch die Wüste gezwungen und in Zeltstädte gepfercht.

Auf die Frage, ob sich die Vereinten Nationen an der „Evakuierung“ von Rafah beteiligen würden, erklärte Stephane Dujarric, der Sprecher des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres: „Wir werden uns nicht an der Zwangsumsiedlung von Menschen beteiligen“, und fügte hinzu: „Es gibt gegenwärtig keinen sicheren Ort in Gaza.“

Dies impliziert eindeutig, dass die Vereinigten Staaten an dieser „Zwangsumsiedlung“, d. h. an Völkermord und ethnischen Säuberungen, beteiligt sind.

Die Ereignisse der letzten Tage haben deutlich gemacht, in welchem Ausmaß der US-Imperialismus direkt in den Völkermord in Gaza verwickelt ist. Israel unternimmt keine umfassenderen Aktionen ohne die Zustimmung der Biden-Regierung, die für den Massenmord an der Bevölkerung von Gaza nicht nur Geld und Waffen bereitstellt, sondern auch politisch die Fäden zieht.

Dass Biden seine Unterstützung für den Völkermord erneut bekräftigt, ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass sich die politische Krise in den USA am Wochenende erheblich verschärft hat, als die Unterstützung für den US-Präsidenten wegen seiner Rolle beim Massaker im Gazastreifen zusammenbrach.

Letzte Woche veröffentlichte die New York Times einen Bericht über ein Treffen des stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberaters Jon Finer mit einer Gruppe arabisch-amerikanischer Politiker in Dearborn (Michigan). Dort sagte er, dass die Regierung bei ihrer unbefristeten Unterstützung Israels eine Reihe von „Fehltritten“ begangen habe.

Laut New York Times sagte Finer: „Wir haben einen sehr schädlichen Eindruck hinterlassen, weil wir in der Öffentlichkeit völlig unzureichend dargelegt haben, wie wichtig das Leben der Palästinenser dem Präsident, der Regierung und dem Land ist“.

Er fügte hinzu: „Ich habe kein Vertrauen in die derzeitige israelische Regierung“ und räumte ein, dass israelische Politiker „die Menschen im Gazastreifen mit Tieren“ verglichen, ohne dass dies von US-Beamten kritisiert worden sei. Er fügte hinzu: 'Wir haben nicht ausreichend deutlich gemacht, dass wir diese Art von Ansichten völlig abgelehnt haben und damit nicht einverstanden waren.“

Doch Bidens Taten sprechen jedoch lauter als Finers Worte. Die systematische öffentliche Entmenschlichung der Palästinenser durch das Weiße Haus ergibt sich gerade daraus, dass die Biden-Regierung Netanjahus Massaker in Gaza unterstützt. Dasselbe gilt für die demonstrative „Besorgnis“ der imperialistischen Politiker in Frankreich, Deutschland und anderen EU-Ländern, die bestimmte Aspekte der israelischen Politik öffentlich kritisiert haben, während sie in Wirklichkeit den Völkermord unterstützen und finanzieren.

Für die Biden-Regierung ist die Unterstützung des israelischen Völkermordes in Gaza ein entscheidendes Element ihrer Nahost-Strategie. Der amerikanische Imperialismus nutzte die Ereignisse des 7. Oktober, um eine seit langem geplante Militäroffensive im gesamten Nahen Osten zu beginnen. Schon jetzt hat das US-Militär den Irak, Syrien und Jemen bombardiert. Letztlich führt diese Offensive zu einem direkten Zusammenstoß mit dem Iran.

Der Konflikt mit dem Iran ist selbst Teil eines globalen Kampfs um die Weltherrschaft, bei dem die USA Russland und China als Hauptgegner ansehen. Dabei bezeichnete die Biden-Administration das gegenwärtige als das „entscheidende Jahrzehnt“, in dem „die Bedingungen des geopolitischen Wettbewerbs zwischen den Großmächten“ festgelegt würden.

Biden spricht für die räuberischen Interessen des amerikanischen Kapitalismus, der sowohl von den Demokraten als auch von den Republikanern vertreten wird. Der US-Präsident wird dabei von weitaus tieferen Notwendigkeiten des amerikanischen Imperialismus angetrieben, der den Krieg als Mittel zur Sicherung der globalen Hegemonie der Vereinigten Staaten und der Tragfähigkeit des US-Dollars betrachtet.

Die Schrecken, die sich in Gaza abspielen, geben der Menschheit einen Vorgeschmack auf die Brutalität, mit der der Imperialismus einen umfassenden Krieg gegen den Iran, Russland, China oder alle drei führen würde.

Die letzten vier Monate unablässiger und eskalierender Brutalität und Barbarei gegen die palästinensische Bevölkerung haben gezeigt, dass es zwecklos ist, an irgendeinen Teil des politischen Establishments der imperialistischen Länder zu appellieren. Arbeiter und Jugendliche können sich auch nicht auf die Vereinten Nationen verlassen, die ungeachtet der Erklärungen, in denen sie das Vorgehen Israels verurteilen, den imperialistischen und kapitalistischen Mächten völlig untergeordnet sind.

Es ist die internationale Arbeiterklasse, die mobilisiert werden muss, um den bevorstehenden Angriff auf Rafah und den Völkermord selbst zu stoppen. Dazu müssen die weltweiten Proteste intensiviert und mit Streiks von Hafenarbeitern, Transportarbeitern und anderen Teilen der Arbeiterklasse zusammengeführt werden, um die Lieferung von Waffen und Nachschub an Israel zu stoppen und die Produktion stillzulegen.

Die Mobilisierung der Arbeiterklasse muss mit dem Aufbau einer sozialistischen Führung in jedem Land verbunden sein. Der Völkermord in Gaza ist imperialistische Barbarei in ihrer brutalsten Form. So wie der Kampf gegen den Völkermord notwendigerweise ein Kampf gegen den Imperialismus ist, ist der Kampf gegen den Imperialismus notwendigerweise ein Kampf gegen den Kapitalismus und für die Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse und die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft im Weltmaßstab.

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