Betriebsrat und IG Metall besiegeln Werksschließung bei Ford Saarlouis

Am letzten Donnerstag luden Betriebsrat und IG Metall die verbliebenen 3750 Beschäftigten von Ford Saarlouis zu einer Betriebsversammlung ein, die nur einen Tagesordnungspunkt hatte: Die Abstimmung über einen von ihnen ausgehandelten Sozialtarifvertrag.

Ford-Areal in Saarlouis [Photo by Ford Media Center]

Die Abstimmung diente einzig und allein dazu, die vor rund zwei Jahren vom Konzern beschlossene Werksschließung zu besiegeln. Damals arbeiteten noch rund 6000 Menschen im Ford-Werk und den umliegenden Unternehmen im Zulieferpark.

Welche Rolle die IG Metall und ihr Betriebsrat unter Markus Thal in diesen Jahren spielten, zeigt die Mitteilung im Anschluss an die Abstimmung mehr als deutlich. Unter der Überschrift „Saarlouis muss Leben! – Gigantische Zustimmung von 93,28 Prozent“ schreibt die IGM, „dass sich unser Kampf der letzten Monate und Jahre gelohnt hat“.

„Lohnen“ wird sich die Werksschließung ohne einen nennenswerten Arbeitskampf für die Betriebsratsspitzen. Für die Belegschaft, ihre Kinder und die gesamte Region ist sie eine Katastrophe. Die Autoproduktion läuft bis Ende November 2025 aus, rund 5000 Arbeitsplätze sind dann vernichtet. Ford sichert ab Dezember 2025 noch 1000 Arbeitsplätze bis 2032 zu. Das Ergebnis des „Kampfs“ von Betriebsrat und IG Metall ist: Ford Saarlouis ist tot!

Wovor die World Socialist Web Site und das von ihr initiierte Ford-Aktionskomitee schon zu Beginn des brutalen Bieterwettbewerbs gewarnt hatten, hat sich bestätigt. Nicht mit, sondern nur gegen Betriebsrat und IG Metall können Werk und Arbeitsplätze verteidigt werden. Sie stehen auf der Seite des Konzerns.

Im Bieterwettbewerb hatten sie die Beschäftigten in Saarlouis und im spanischen Almussafes gegeneinander ausgespielt und dem Management gewaltige Lohnzugeständnisse angeboten, deren Details bis heute verheimlicht werden.

Als dann vor nun fast zwei Jahren mitgeteilt wurde, dass das Werk in Saarlouis geschlossen werden soll, demobilisierten Betriebsrat und Gewerkschaft die Belegschaft systematisch, um die Stilllegung zu ermöglichen. Anfangs hatten sie die Beschäftigten zurückgehalten, beschwichtigt und gelegentlich zu zahnlosen Protesten in wohldosierten Mengen vor das Tor beordert, um die Wut der Belegschaft aufzufangen.

Dann vertrösteten Thal, die IG Metall und die saarländische Regierung die Belegschaft auf einen Investor, der angeblich das gesamte Werk übernehmen wolle. Alle Beteiligten bewahrten Stillschweigen darüber, wer dieser ominöse Investor sei. Auf keinen Fall durfte sein Name in der Öffentlichkeit preisgegeben werden. Nun gibt der Saarländische Rundfunk preis, der chinesische Staatskonzern Chery Automobile sei der Groß-Investor gewesen.

Der hat diese Meldung bislang nicht dementiert. Offensichtlich war weniger der Wunsch des Investors der Grund für die Geheimhaltung, wie behauptet, sondern die gezielte Verunsicherung der Belegschaft. Im Oktober 2023 wurde bekanntgegeben, dass sich die Hoffnung auf einen Investor in Luft aufgelöst habe.

In Vorbereitung auf die endgültige Bekanntgabe der Schließung veranstalteten Betriebsrat und IG Metall dann noch Mitte Januar kurze Warnstreiks. Angeblich ginge es darum, die Bedingungen für einen Sozialtarifvertrag zu verbessern.

In Wirklichkeit diente dieses Spektakel dazu, die Werksschließung vorzubereiten und den letzten Sargnagel ins Werk zu schlagen. Der Sozialtarifvertrag, mit dem die Schließung abgeschlossen werden soll, sollte als Ergebnis eines „Kampfs“ dargestellt werden können – der in Wahrheit niemals stattgefunden hat.

Was die IG Metall nun als großen Erfolg feiert, die Werksschließung und Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen, ist das Ergebnis dieses abgekarteten Spiels, das Betriebsrat, Gewerkschaft, SPD-Landesregierung und Konzern seit über zwei Jahren betreiben.

Um in der Abstimmung über den Sozialtarifvertrag dennoch auf Nummer sicher zu gehen, benutzten sie den Trick mit der Streikurabstimmung. Die vermeintlichen Alternativen waren ein unbefristeter Streik, den Betriebsrat und Gewerkschaft nicht wollten, oder ein Vertrag, den die Belegschaft nicht zu Gesicht bekommen hat. Für eine Ablehnung des Vertrags hätte die Belegschaft demnach zu 75 Prozent dagegen stimmen müssen.

Dennoch waren Betriebsrat und IGM offensichtlich so nervös, dass sie selbst darauf nicht vertrauten. Die Zustimmung von über 93 Prozent zum Sozialtarifvertrag überraschte viele. Denn nicht wenige Kolleginnen und Kollegen haben mit „Nein“ gestimmt und wissen, dass sie nicht allein waren.

Eine Überprüfung ist nicht möglich, da die IG Metall keine überprüfbare demokratisch legitimierte Abstimmung durchführte. Es gab kein Verzeichnis der Abstimmungsberechtigten, mit dem die tatsächlich Abstimmenden abgeglichen wurden. Jeder, der eine von der IG Metall gedruckte und per Post versandte Berechtigungsmitteilung für die Abstimmung vorlegen konnte, durfte abstimmen.

Es gab dementsprechend keine Übersicht über ungültige oder ablehnende Stimmen, über 2-, 3- oder Mehrfach-Abstimmungen, über die Abstimmungsbeteiligung usw. Die Urnen für die Stimmzettel wurden vorher nicht öffentlich überprüft, so dass nur der Betriebsrat weiß, was schon vor der Abstimmung darin lag.

Der IGM-Betriebsrat hat lange Erfahrung mit innerbetrieblichen Wahlen und Abstimmungen. Das hohe Abstimmungsergebnis vom Donnerstag unterscheidet sich nicht sonderlich von den letzten Betriebsratswahlergebnissen, die an die Ergebnisse der SED-Diktatur in der DDR erinnern.

Dennoch muss man davon ausgehen, dass eine Mehrheit in der Belegschaft, wenn auch nicht eine so deutliche wie veröffentlicht, nach zwei Jahren ständiger Zukunftsängste ein „Ende mit Schrecken“ einem „Schrecken ohne Ende“ vorgezogen hat.

Kollegen berichteten von einer bedrückten Friedhofsstimmung auf der Betriebsversammlung. Sie fühlten sich– von Gewerkschaft und Betriebsrat – gezwungen, ihren eigenen Arbeitsplatzverlust abzusegnen.

Und das, ohne dass sie wussten, worüber sie genau abstimmten. Erst im Laufe dieser Woche sollen die Beschäftigten die konkreten individuellen Auswirkungen auf sie erfahren. Sie sollen ein konkretes Abfindungsangebot erhalten und gleichzeitig mitgeteilt bekommen, ob sie für einen der 1000 Arbeitsplätze nach 2025 in Frage kommen.

Viel mehr als diese Arbeitsplätze werden auf längere Sicht nicht geschaffen werden, da mögen Betriebsrat, Gewerkschaft und SPD noch so laut von Ersatzarbeitsplätzen und Investoren faseln. Das wurde bereits direkt nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses über den Sozialtarifvertrag deutlich. Da erläuterte Wirtschaftsminister Jürgen Barke Journalisten hochtrabende Pläne für das Ford-Werk und das gesamte 120 Hektar große Werksgelände mit seinen riesigen Hallen und Flächen.

Bei näherer Betrachtung sind das Luftschlösser, ähnlich wie der lange bemühte Großinvestor.

Ab 2025 soll der zehn Hektar große „Winterparkplatz“ saniert werden. Dort werden bislang die im Winter produzierten Pkw abgestellt, bevor sie an die Händler gehen. Ab 2026 – das Werk ist dann schon geschlossen – sollen weiter 15 Hektar saniert und bebaut werden. Ziel sei es, kleinere Unternehmen mit je 100 bis 300 Mitarbeitern anzusiedeln. Die Nachfrage danach sei sehr hoch, so Barke. Wieviele Betriebe sich dann aber tatsächlich dort niederlassen werden, ist bislang völlig offen. Angeblich lägen entsprechende Absichtserklärungen („Letter of Intent“) von Firmen vor. Wie gewohnt werden deren Namen nicht genannt.

Aber klar ist: 2026 liegen – abgesehen von dem Gelände, auf dem Ford 1000 Arbeitsplätze finanziert, zig Hektar des 120 Hektar großen Firmengeländes brach. Lediglich auf einem Fünftel – insgesamt 25 Hektar – wird gebaut und „saniert“. Die angeblichen Ersatzarbeitsplätze werden auf sich warten lassen, wenn sie überhaupt kommen.

SPD-Minister Barke gab sich jedoch genauso wie IG Metall und der Betriebsratsvorsitzende Thal euphorisch. Für die weitere Planung im Ford-Gelände sei der Sozialtarifvertrag „ein Befreiungsschlag“.

Der Sozialtarifvertrag ist nichts dergleichen, er besiegelt die Werksschließung. Aus den Erfahrungen der letzten zwei Jahre müssen grundlegende Lehren über Ford und die Autoindustrie hinaus gezogen werden.

Vor der Abstimmung bei Ford in Saarlouis hatte die WSWS klargestellt: „Es gibt keinen individuellen Ausweg aus der Krise. Ein gemeinsamer Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze ist notwendig und darf nicht länger aufgeschoben werden. Deshalb ist der Aufbau des unabhängigen Aktionskomitees so wichtig.“

Die Entlassungen und Werksschließungs-Pläne bei Ford seien erst der Anfang. „In der Autoindustrie entwickelt sich ein Arbeitsplatzmassaker, wie es die Branche seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt hat.“ Große Klassenkämpfe seien vorprogrammiert, „die weit über die gegenwärtigen Warnstreiks hinausgehen und die Kontrolle der Gewerkschaftsapparate durchbrechen“.

Die Schlussfolgerung daraus ist klar: Es ist notwendig, den Verschwörungen von Konzernen, Betriebsräten und Gewerkschaften entgegenzutreten. Viele Arbeiter in vielen Betrieben warten darauf, dass jemand den Anfang macht.

Wir rufen Arbeiterinnen und Arbeiter von Ford, der Autoindustrie und darüber hinaus auf, sich bei uns zu melden und den Aufbau von Aktionskomitees konkret anzugehen. Meldet euch entweder per Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340 oder über das folgende Formular!

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