Die Drohnenangriffe auf die Städte Isfahan und Tabris sowie auf Ziele im Süden Syriens bestätigen, dass Israels verdeckter Konflikt mit dem Iran kurz davor steht, zu einem offenen Krieg zu werden.
Die Angriffe folgten auf den ersten direkten Angriff des Iran auf Israel am Samstag den 6. April mit mehr als 300 Drohnen und Raketen. Dieser war wiederum eine direkte Reaktion auf Tel Avivs Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus am 1. April, bei dem sieben hochrangige iranische Offiziere getötet wurden, darunter zwei Generäle.
Zuvor hatten iranische Regierungsvertreter geschworen, dass jeder Angriff Israels mit einem überwältigenden Gegenschlag beantwortet würde. Der iranische Generalmajor Ahmad Haghtalab warnte, dass „die Hand am Abzug“ sei für einen Vergeltungsschlag auf israelische Atomanlagen.
In der Provinz Isfahan befinden sich iranische Militäreinrichtungen, darunter ein Luftwaffenstützpunkt und Atomanlagen. Der Iran erklärte, Israel habe „nur einen kläglich gescheiterten Versuch unternommen, mit Quadrokoptern [d.h. mit Drohnen] anzugreifen, die jedoch abgeschossen wurden“. Teheran gab bekannt, es plane keine Vergeltungsmaßnahmen.
Der faschistische israelische Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte eine „vernichtende Reaktion“ auf den iranischen Raketen- und Drohnenangriff gefordert und die begrenzten Angriffe, auf denen Israels Geldgeber in Washington bestanden hatte, als „schwach“ verurteilt.
Die Spannungen eskalieren jedoch eindeutig weiter. Die arabischen Regimes beobachten diese Entwicklungen mit großer Sorge. Sie haben eine entscheidende Rolle als Unterstützer von Israels völkermörderischem Krieg gegen die Palästinenser in Gaza gespielt. Saudi-Arabien hat z.B. dafür gesorgt, dass ein Ölembargo ausgeschlossen wurde und dass die Tür für eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel offen bleib. Jordanien hat sogar eine direkte Rolle bei der Verteidigung Israels gespielt, indem seine Kampfflugzeuge bei dem Angriff am 6. April viele iranische Drohnen abgeschossen haben.
Anfang der Woche rief das saudische Außenministerium alle Parteien zu „größtmöglicher Zurückhaltung“ auf, um „die Region und ihre Bevölkerung vor der Gefahr eines Kriegs zu schützen“. Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Ägypten, Jordanien und die Türkei veröffentlichten ähnliche Erklärungen. Nur der Nordjemen, dessen faktische Regierung der Huthi dem Iran nahesteht, und der Libanon, wo die vom Iran unterstützte bewaffnete Hisbollah beheimatet ist, schwiegen.
Trotz ihrer Entschlossenheit, ein „Sicherheitsbündnis“ mit Tel Aviv – und damit mit Washington – gegen den Iran zu schließen und so ihre Macht zu verteidigen, sind sie sich alle durchaus bewusst, dass die Arbeiter, Jugendlichen und die arme Landbevölkerung der Region die Unterstützung ihrer Herrscher für Israels völkermörderischen Krieg und ihre eigene Armut angesichts der allgegenwärtigen Korruption der herrschenden Kleptokratien zutiefst hassen. Aus diesem Grund haben sich Saudi-Arabien, die VAE und Ägypten geweigert, sich an der US-Marinekoalition gegen die Huthi-Angriffe auf den Schiffsverkehr im Roten Meer zu beteiligen, die die Huthis zur Unterstützung der Palästinenser führen. Dadurch wurden die Schiffe gezwungen, den längeren Weg um Afrika zu nehmen.
Der Angriff auf das iranische Konsulat im April war der Höhepunkt einer Serie israelischer Angriffe und Anschläge auf iranische Anlagen und Mitarbeiter in Syrien, mit denen eine Reaktion provoziert werden sollte, die als Vorwand für einen offenen Krieg gegen Teheran dienen könnte. Zuvor hatte sich die faschistische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in den Augen der Weltbevölkerung zum Paria gemacht und war mit zunehmendem innerem Widerstand konfrontiert, weil es sich weigert, durch einen Waffenstillstand die Freilassung der Geiseln in Gaza zu gewährleisten. Er rechnete damit, dass ein Angriff auf den Iran diesen Druck ablenken und die USA möglicherweise direkt in den Konflikt hineinziehen würde.
Die imperialistischen Mächte haben Israels Vorgehen faktisch unterstützt. Der amerikanische UN-Botschafter Robert Wood erklärte, dass „sich in dieser Anlage Terroristenführer und terroristische Elemente aufgehalten haben sollen“. Die USA, Frankreich und das Vereinigte Königreich haben zusätzlich ihr Veto gegen eine von Russland eingebrachte Resolution im UN-Sicherheitsrat eingelegt, in der Israels Angriff verurteilt wird, und dem Iran von Angriffen auf Israel abgeraten.
Der Angriff des Iran war eine sorgfältig kalkulierte Reaktion, mit der er seine Fähigkeit zu einem Angriff auf Israel zeigen wollte, ohne zivile Opfer zu verursachen. Er bestand aus einem Angriff mit 170 billigen Drohnen, 30 Marschflugkörpern sowie 120 Raketen und richtete sich gegen den israelischen Stützpunkt Nevatim, von dem aus das Land den Angriff auf Damaskus gestartet hatte, und sein Geheimdienstzentrum am Berg Hermon. Da er 72 Stunden zuvor vor dem Angriff gewarnt hatte, hatten die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF), das Vereinigte Königreich, die USA und Frankreich sowie Israels Nachbarstaaten reichlich Gelegenheit, die Geschosse abzuschießen.
Daher landeten nur wenige Geschosse auf dem Boden; sie beschädigten ein Transportflugzeug des Typs C-130 und leere Lagerhäuser und verletzten ein siebenjähriges Beduinenmädchen aus einem der nicht anerkannten Beduinendörfer in der israelischen Wüste Negev lebensgefährlich.
Die Botschaft Teherans war dennoch klar: Es ist in der Lage, einen Großangriff auf Israel zu führen, dessen Abwehr alleine die IDF mehr als eine Milliarde Dollar kostete, und den sie nur mit der zusätzlichen und äußerst teuren Hilfe ihrer Verbündeten abwehren konnte.
Der iranische Oberbefehlshaber Generalmajor Mohammad Bagheri erklärte im Staatsfernsehen, „im Falle von Vergeltungsschlägen gegen den Iran“ drohe Israel eine „noch viel umfangreichere Reaktion“. Zuvor hatte er Washington gewarnt, jede Unterstützung für Israels Vergeltungsschläge würde mit Angriffen auf US-Stützpunkte am Golf und im Irak beantwortet. Der iranische Verteidigungsminister Mohammad Reza Ashtiani warnte zudem die arabischen Nachbarstaaten: „Jedes Land, das Israel seinen Boden und seinen Luftraum für einen potenziellen Angriff auf den Iran zur Verfügung stellt, wird unsere entschlossene Reaktion zu spüren bekommen.“
Teherans Drohung bringt sowohl Jordanien als auch Saudi-Arabien, deren Territorien in der Flugroute von Israel nach Iran liegen, in die Schusslinie. Israelische Regierungsvertreter hatten damit geprahlt, dass Jordanien der erste arabische Staat ist, der Israel aktiv militärisch unterstützt hat. Jordanien hat auch den USA und „den Kampfflugzeugen anderer Staaten“ erlaubt, in seinem Luftraum die iranischen Raketen abzufangen.
Das Wall Street Journal berichtete letzten Montag unter Berufung auf saudische, amerikanische und ägyptische Regierungsvertreter, dass mehrere Golfstaaten, darunter Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Geheimdienstdaten über die iranischen Angriffspläne gegen Israel weitergegeben, ihren Luftraum für Israels Verbündete geöffnet und Radarüberwachungsdaten geliefert hatten.
Dies war von Washington organisiert worden, das seit Jahren versucht, in der Region ein Militärbündnis gegen den Iran aufzubauen. Höhepunkt dieser Bestrebungen waren die Abraham Accords von 2020 und die Einbindung Israels in das US Central Command im Jahr 2021, das den Geheimdienst-Datenaustausch und Frühwarnungen zwischen den Ländern erleichtert. Die USA koordinieren die Reaktion von ihrer Einsatzzentrale in Katar aus.
Das Journal deutete auch an, dass andere Länder sowie Jordanien „ihre eigenen Truppen für Unterstützung zur Verfügung gestellt haben“. Doch die vollständige Rolle Saudi-Arabiens und „anderer wichtiger arabischer Regierungen“, wird verschwiegen, weil man befürchtet, dass eine Unterstützung für Israel sie in direkten und derzeit noch verfrühten Konflikt mit dem Iran bringen, die öffentliche Meinung im eigenen Land gegen sie aufbringen und möglicherweise einen offenen Bruch von Washingtons Anti-Iran-Koalition auslösen könnte. Die Öl-exportierenden arabischen Regimes fürchten außerdem, dass ihre Ölbetriebe bei einer Ausweitung des Kriegs zur Zielscheibe werden könnten, was ihre Wirtschaft stark beschädigen würde. Deshalb haben sich die Golfstaaten große Mühe gegeben, öffentlich zu erklären, sie würden nicht zulassen, dass US-Luft- und Marinestützpunkte auf ihrem Staatsgebiet, auf denen sich fast 40.000 US-Soldaten befinden, für Angriffe auf den Iran genutzt werden.
Die USA müssen vorsichtig vorgehen, um ihr langfristiges Ziel nicht zu gefährden, im Nahen Osten ein Bündnis gegen den Iran nach dem Vorbild der Nato zu schaffen. Die Golfstaaten sind nicht nur dem Iran gegenüber misstrauisch, sondern auch gegenüber den USA. Sie wissen, dass der Einfluss der USA in der Region schwindet.
In Jordanien, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung palästinensischer Herkunft ist, kommt es seit Wochen zu Protesten vor der israelischen Botschaft in Amman. Die jordanischen Behörden gehen gegen Solidaritätsproteste für den Gazastreifen vor und verbieten sogar Symbole wie die palästinensische Flagge oder Palästinensertücher auf Demonstrationen. Die Regierung versuchte, das Abfangen iranischer Raketen als „Schutz des jordanischen Luftraums“ zu rechtfertigen.
Auch die Berichte von Anfang April, die mit dem Iran verbündete irakische Widerstandsgruppe Kataib Hisbollah habe ihre Bereitschaft angekündigt,12.000 Kämpfer in Jordanien zu bewaffnen, um eine „vereinte Streitmacht zur Verteidigung unserer palästinensischen Brüder aufzubauen“, hat die Spannungen innerhalb Jordaniens verschärft.
Saudi-Arabien rief zur Vorsicht auf, um einen regionalen Krieg zu verhindern. Mit der von China vermittelten Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zum Iran im März 2023 endeten die Angriffe der Huthi, mit denen es jetzt über ein Ende des Kriegs im Jemen verhandelt.
Da in den Golfstaaten das Misstrauen gegenüber Washington gewachsen ist, wenden sie sich zunehmend an China als Alternative und Gegengewicht zu den Forderungen der USA. Dies entwickelte sich vor allem nach dem Arabischen Frühling 2011, als Barack Obama den Sturz des langjährigen ägyptischen Diktators Hosni Mubarak nicht verhindern konnte.
China hatte damals sein ehrgeiziges Projekt „Belt and Road“-Initiative ins Leben gerufen und damit sein wirtschaftliches Gewicht in Asien und Afrika zum Tragen gebracht. Sein rasantes Wirtschaftswachstum hat obendrein seine Abhängigkeit vom Nahen Osten für seine Energieversorgung verstärkt, während Exporte von Konsumgütern in die Region stark gestiegen sind. Das Gesamtvolumen des Handels zwischen China und dem gesamten Nahen Osten und Nordafrika erreichte im Jahr 2022 505 Milliarden US-Dollar und hat sich damit in zehn Jahren fast verdoppelt; alleine der Handel zwischen China und den Golfstaaten hat sich verdreifacht. Nach Präsident Xi Jinpings Besuch in Saudi-Arabien im Dezember 2022 unterzeichnete das Königreich 35 Absichtserklärungen mit chinesischen Firmen, darunter auch dem Technologiekonzern Huawei für Cloud Computing und den Aufbau von Hightech-Komplexen.
China konnte zusätzlich die wachsende Opposition gegen Israel und seine von den USA unterstützte Aggression im Nahen Osten ausnutzen, um seinen politischen Einfluss in der Region zu stärken. Auch China versucht, die Eskalation des israelisch-iranischen Konflikt in einen offenen Krieg zu verhindern, ruft zu Ruhe auf und drängt die Golfstaaten, dies ebenfalls zu tun. Peking weiß, dass es das ultimative Ziel eines Kriegs gegen den Iran ist, mit dem es 2021 einen Investitions- und Kooperationsvertrag über 25 Jahre in Höhe von 400 Milliarden Dollar unterzeichnet hat.
Die Biden-Regierung betrachtet Tel Avivs „Mehrfrontenkrieg“ auf „sieben Schlachtfeldern –Gaza, Libanon, Syrien, Judäa und Samaria [das besetzte Westjordanland], Irak, Jemen und Iran“ –, wie ihn Verteidigungsminister Yoav Gallant beschrieb, als Möglichkeit, ihre Kontrolle über den rohstoffreichen Nahen Osten zu festigen und den Einfluss Chinas und seines Verbündeten Russland in der Region auszuschalten.
Diese gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen stehen im Zentrum der eskalierenden Kriegsgefahr in der Region. Sie bestätigen, dass ein regionaler Konflikt nicht verhindert werden kann, indem die Befürworter einer „multipolaren Welt“ an China appellieren, ein Gegengewicht zu den USA zu bilden oder sogar eine neue Hegemonialmacht im Nahen Osten und international zu werden.
Die Bitten der halbfeudalen arabischen Regimes um „Vorsicht“ und „Zurückhaltung“ ist vor allem Ausdruck ihrer Angst vor einer Explosion von unten. Sie verdeutlichen die fundamentale „Polarität“ zwischen allen Fraktionen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse, auf die sich der Kampf gegen den Krieg stützen muss.
Eine globale Bewegung der Arbeiterklasse und der Jugend gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus ist notwendig, um den Massenmord in Gaza zu beenden und einen offenen Krieg zwischen Israel und dem Iran zu verhindern, in den die ganze Region einbezogen würde und der sich zum zweiten Schauplatz im US- und Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine entwickeln würde und sich letztlich gegen China richtet.
Die Millionen Menschen, die sich seit Wochen an Massenprotesten zur Unterstützung der Palästinenser und gegen den Krieg beteiligen, müssen eine bewusste politische Hinwendung zu den Fabriken und Betrieben machen, um zu Streiks und Boykotten von Rüstungskonzernen, Häfen und Flughäfen aufzurufen und den Transport von kriegswichtigen Gütern nach Israel zu stoppen.
Sie müssen die Forderung nach einem politischen Generalstreik erheben, der den Kampf gegen Krieg mit der Verteidigung von Arbeitsplätzen, grundlegenden Dienstleistung und demokratischen Rechten verbindet, die weltweit von den Regierungen zerstört werden. Für diese Perspektive kämpfen die World Socialist Web Site und das Internationale Komitee der Vierten Internationale.
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