Perspektive

1. Mai 2024: Die Arbeiterklasse und der Kampf gegen den imperialistischen Krieg

Die folgende Rede wurde von David North, dem Vorsitzenden der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site, bei der internationalen Maikundgebung gehalten, die am Samstag, den 4. Mai 2024 stattfand.

Internationale Online-Maikundgebung 2024

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale eröffnet die heutige Kundgebung zum 1. Mai mit einem Aufruf an die Arbeiterklasse, gegen die kriminelle Politik der imperialistischen Regierungen aktiv zu werden, die die Menschheit in eine globale Katastrophe führen.

Die Arbeiterklasse muss die angegriffene Bevölkerung von Gaza verteidigen und das Ende des völkermörderischen Krieges erzwingen, der mit Unterstützung des Imperialismus von Benjamin Netanjahus naziähnlicher Regierung geführt wird.

Die internationale Arbeiterklasse muss erkennen, dass der Kampf gegen den Völkermord im Gazastreifen untrennbar mit der Notwendigkeit verbunden ist, eine globale Bewegung gegen den US-Imperialismus und seine Nato-Komplizen aufzubauen, die den Krieg gegen Russland rücksichtslos eskalieren und Krieg gegen den Iran und China vorbereiten. Das brutale Opfern hunderttausender ukrainischer Menschenleben für die geopolitischen Interessen der imperialistischen Mächte muss gestoppt werden.

Die amerikanischen Arbeiter müssen Maßnahmen ergreifen, um die jungen Studierenden zu verteidigen, die in den Vereinigten Staaten an Universitäten und Colleges von Polizei-Sturmtruppen angegriffen werden. Dieselbe Verantwortung tragen Arbeiter in allen Ländern, in denen Demonstranten gegen den Völkermord angegriffen werden.

Das Internationale Komitee verurteilt die verleumderische Gleichsetzung der Proteste gegen den Völkermord mit Antisemitismus. Diese Ideologie war immer das Markenzeichen rechter kapitalistischer Politik und eine Waffe in ihrem Krieg gegen den Sozialismus, und sie ist es auch heute.

Das Internationale Komitee erneuert seine Forderung, Julian Assange sofort aus der Haft zu entlassen. Die Verschwörung gegen seine demokratischen Rechte muss beendet werden.

Das Internationale Komitee ruft außerdem zu einer weltweiten Kampagne auf, um die Freilassung des Genossen Bogdan Syrotjuk zu erzwingen – ein sozialistischer Gegner des Krieges in der Ukraine und Kämpfer für die Einheit der ukrainischen und russischen Arbeiterklasse. Er wurde letzte Woche von der faschistoiden Selenskyj-Regierung verhaftet.

Bogdan Syrotjuk

Vor zehn Jahren hielt das Internationale Komitee seine erste Online-Maikundgebung ab. Zu diesem Anlass beschrieben wir den Zustand des Weltkapitalismus wie folgt:

Die politische Ordnung der Gesellschaft erinnert mittlerweile an eine Haftanstalt für geistesgestörte Verbrecher. In diesem globalen Gefängnis sitzen allerdings die geistig Gesunden – die große Masse der Bevölkerung – hinter Gittern, während die Geistesgestörten – die kapitalistischen Politiker, die Berufskiller der Geheimdienste, die kriminellen Konzernbosse und die Betrüger der Hochfinanz – mit der Waffe im Anschlag die Tore bewachen.

Die Maikundgebung fand nur drei Monate nach dem Maidan-Putsch in Kiew statt, der von den Vereinigten Staaten und Deutschland geschürt worden war. In seiner Einschätzung dieses Ereignisses im Rahmen der Maikundgebung erklärte das Internationale Komitee:

Dieser Putsch diente dazu, eine Regierung an die Macht zu bringen, die unmittelbar vom amerikanischen und deutschen Imperialismus gesteuert werden kann. Die Verschwörer in Washington und Berlin wussten genau, dass dieses Vorgehen zu einer Konfrontation mit Russland führen würde. Weit davon entfernt, eine Konfrontation nach Möglichkeit zu vermeiden, erachten sowohl Deutschland als auch die USA einen Zusammenstoß mit Russland als notwendig, um ihren weitreichenden geopolitischen Interessen Geltung zu verschaffen.

Dem deutschen Imperialismus bietet die Konfrontation mit Russland einen willkommenen Vorwand, die Zurückhaltung abzustreifen, die er sich nach den unaussprechlichen Verbrechen des Dritten Reichs unter Hitler in Sachen Militarismus auferlegen musste.

Was die Rolle der Vereinigten Staaten betrifft, so warnte das Internationale Komitee:

Die amerikanische Außenpolitik zeichnet sich durch ein unerhörtes Maß an Skrupellosigkeit aus. Es ist durchaus möglich, dass eine der Konfrontationen, die Washington auslöst, außer Kontrolle gerät und für die USA und die ganze Welt verheerende Folgen nach sich zieht.

Die Ursache für diese Bedenkenlosigkeit Washingtons ist letztlich auf die extreme Krise des amerikanischen Kapitalismus zurückzuführen. Im Einsatz kriegerischer Mittel sehen die imperialistischen Strategen in Washington die einzige Möglichkeit, dem anhaltenden wirtschaftlichen Bedeutungsverlust der USA auf dem Weltmarkt entgegenzutreten. Washingtons Neigung, das Kräfteverhältnis durch militärische Gewalt zu seinen Gunsten zu beeinflussen, dürfte außerdem dadurch gesteigert werden, dass China jüngsten Berichten zufolge die USA bis Ende 2014 als größte Volkswirtschaft der Welt überrunden wird. 

Die Ereignisse des letzten Jahrzehnts haben die Analyse des Internationalen Komitees vollauf bestätigt. Die Bestätigung unserer Analyse ist jedoch kein Grund zur Selbstbeweihräucherung. Die vor zehn Jahren vorgenommene Analyse wurde in Form einer Warnung dargelegt. Doch das, wovor wir gewarnt haben, ist Wirklichkeit geworden. Was als vom US-Imperialismus und seinen Nato-Verbündeten absichtlich provozierter Stellvertreterkrieg begann, ist de facto zu einem offenen Konflikt mit Russland geworden. Die Biden-Regierung hat die „roten Linien“ ignoriert, deren Überschreitung zu einer raschen Eskalation in Richtung Atomkrieg führt.

Deutsche Kampfpanzer Leopard 2 auf dem Weg in die Ukraine [Photo: Bundeswehr]

Ein wahrer Kriegsrausch hat die Führer des Weltimperialismus erfasst. In einem Interview, das diese Woche im Economist veröffentlicht wurde, besteht der französische Präsident Emmanuel Macron erneut darauf, dass die Nato die Stationierung von Truppen in der Ukraine nicht ausschließen sollte, und erklärt: „Wir haben zweifellos zu zögerlich gehandelt, indem wir die Grenzen unseres Handelns gegenüber jemandem definiert haben, der keine mehr hat und der Aggressor ist.“

Die führenden Politiker und die Medien sprechen beiläufig von einem Atomkrieg als akzeptable strategische Option. In einem am 24. April veröffentlichten Artikel spekulierte die New York Times, während sie über massive Nato-Militärübungen an Russlands Grenzen berichtete, mit bemerkenswerter Nonchalance über die Folgen eines Krieges gegen Russland:

Im Falle eines Krieges zwischen der Nato und Russland würden amerikanische und verbündete Truppen zunächst in die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen – die „Ostflanke“ der Nato – eilen, um zu versuchen, das Vordringen russischer Streitkräfte zu blockieren.

Wie dieser Krieg enden würde und wie viele Menschen dabei sterben würden, ist eine andere Frage. Im Zweiten Weltkrieg wurden dutzende Millionen Menschen getötet. Dieses Mal steht mehr auf dem Spiel als je zuvor. Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine vor mehr als zwei Jahren hat Putin mehrfach die Möglichkeit eines Atomkriegs ins Spiel gebracht.

Die Biden-Regierung und die Nato tun alles andere als die Gefahr einer katastrophalen Konfrontation mit Russland zu mindern, und verschärfen den Konflikt unerbittlich. Nur einen Tag nach dem Bericht über die Militärübungen der Nato informierte die New York Times ihre Leser:

Die ukrainischen Streitkräfte werden in der Lage sein, ein neu geliefertes, begehrtes Langstrecken-Raketensystem zu nutzen, um russische Streitkräfte auf der besetzten Krim effektiver zu bekämpfen, sagten hochrangige Pentagon-Beamte am Donnerstag.

Präsident Bidens Entscheidung vom Februar, mehr als 100 der Langstreckensysteme in die Ukraine zu schicken, war eine beträchtliche politische Wende.

Die Skrupellosigkeit dieser „beträchtlichen politischen Wende“ kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Biden-Regierung möchte die Öffentlichkeit glauben machen, dass die Putin-Regierung die USA und ihre Nato-Verbündeten nicht für Angriffe der Nato auf russisches Hoheitsgebiet mit den von ihnen gelieferten Waffen verantwortlich machen wird.

Was aber, wenn Putin unter Berufung auf den von Präsident John F. Kennedy während der Kubakrise 1962 geschaffenen Präzedenzfall erklärt, dass Angriffe auf russisches Hoheitsgebiet durch die Ukraine mit Raketen der Nato „als Angriff betrachtet“ werden, der von der Nato ausgeht und „umfassende Vergeltungsmaßnahmen“ gegen die Nato-Länder erfordern?

Es ist höchste Zeit für Biden und seine Nato-Kollegen, den Menschen zu sagen, dass ihr Streben nach einem „Sieg in der Ukraine“ das Risiko eines Atomkriegs bedeutet, und ohne Aussparung der Details zu beschreiben, was mit ihren Ländern und der Welt geschehen wird, wenn die Konfrontation mit Russland die atomare Schwelle überschreitet.

Castle Bravo, der stärkste jemals von den USA getestete thermonukleare Sprengsatz [Photo: USAs føderale regjering]

Die Biden-Regierung weiß aufgrund wissenschaftlicher Studien, die die US-Regierung in den 1950er und 1960er Jahren durchgeführt hat, sehr genau, welche Folgen ein thermonuklearer Krieg haben würde. Im Februar 2015 veröffentlichte das Bulletin of the Atomic Scientists einen Artikel mit dem Titel: „Was würde passieren, wenn ein 800-Kilotonnen-Atomsprengkopf über der Innenstadt von Manhattan detonieren würde?“ Im Folgenden werden einige Passagen aus diesem Artikel wiedergegeben:

Der Sprengkopf würde wahrscheinlich etwas mehr als eine Meile über der Stadt gezündet werden, um den Schaden durch die Druckwelle zu maximieren. Innerhalb weniger Zehntelmillionstel Sekunden nach der Detonation würde das Zentrum des Gefechtskopfes eine Temperatur von etwa 200 Millionen Grad Fahrenheit (etwa 100 Millionen Grad Celsius) erreichen, also etwa das Vier- bis Fünffache der Temperatur im Zentrum der Sonne.

Es würde sich ein Ball aus überhitzter Luft bilden, der sich zunächst mit Millionen Kilometern pro Stunde ausdehnt. Er würde wie ein sich schnell bewegender Kolben auf die umgebende Luft wirken, sie am Rande des Feuerballs komprimieren und eine Schockwelle von enormer Größe und Kraft erzeugen…

Der Feuerball würde die direkt darunter liegenden Gebäude verdampfen und eine gewaltige Druckwelle und rasante Winde erzeugen, die selbst stark gebaute Betonbauten im Umkreis von einigen Kilometern um Ground Zero zerstören würden…

Auf dem Empire State Building, der Grand Central Station, dem Chrysler Building und der St. Patrick's Cathedral, etwa eine halbe bis dreiviertel Meile vom Bodennullpunkt entfernt, würde das Licht des Feuerballs den Asphalt auf den Straßen schmelzen, die Farbe von den Wänden brennen und Metalloberflächen innerhalb einer halben Sekunde nach der Detonation schmelzen. Etwa eine Sekunde später träfen die Druckwelle und die Winde mit einer Geschwindigkeit von 750 Meilen pro Stunde ein, die Gebäude dem Erdboden gleich machen und brennende Autos in die Luft schleuderten wie Blätter in einem Windsturm. In der gesamten Innenstadt gingen die Innenräume von Fahrzeugen und Gebäuden, die sich in Sichtweite des Feuerballs befänden, in Flammen auf…

Zwei Meilen vom Ground Zero entfernt würde das Metropolitan Museum of Art mit all seinen prächtigen historischen Schätzen ausgelöscht werden. Zweieinhalb Meilen vom Bodennullpunkt entfernt, in Lower Manhattan, dem East Village und Stuyvesant Town, würde der Feuerball 2.700 Mal heller erscheinen als eine Wüstensonne zur Mittagszeit…

Innerhalb weniger Minuten würde alles im Umkreis von etwa fünf bis sieben Meilen um Midtown Manhattan von einem gigantischen Feuersturm verschlungen werden. Die Brandzone würde eine Gesamtfläche von 90 bis 152 Quadratmeilen (230 bis 389 Quadratkilometer) umfassen. Der Feuersturm würde drei bis sechs Stunden lang wüten...

Diejenigen, die versuchten, durch die Straßen zu fliehen, würden von den orkanartigen Winden, die mit Feuersbrünsten und Flammen gefüllt waren, verbrannt…

Das Feuer würde alles Leben auslöschen und fast alles andere zerstören. Dutzende Kilometer windabwärts vom unmittelbaren Zerstörungsgebiet würde der radioaktive Fallout innerhalb weniger Stunden nach der Detonation eintreffen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Diese Beschreibung der Auswirkungen eines einzigen Atomsprengkopfes auf Manhattan ist keine Spekulation. Sie stellt die schrecklichen Auswirkungen einer nuklearen Explosion auf eine Stadt akkurat dar. Dennoch erklärten zahlreiche führende amerikanische und europäische Politiker und hochrangige Militärs, dass sich die Nato durch die Möglichkeit eines Atomkriegs nicht einschüchtern lassen sollte. Diese Positionen wurden von den Medien aufgegriffen und nachgebetet. Demnach ist die langjährige Annahme nicht mehr gültig, der zufolge eine Funktion von Atomwaffen darin besteht, abschreckend in Konflikten zwischen Mächten zu wirken, die sie besitzen.

Nimmt man die Erklärungen, die das Prinzip der Abschreckung leugnen, ernst – und das muss man –, kommt man nicht umhin festzustellen, dass Entscheidungen, die das Schicksal des Planeten bestimmen könnten, von Wahnsinnigen getroffen werden. Und doch ist dies keine ausreichende Erklärung. Es ist auch nicht richtig. Biden, Sunak, Macron und Scholz sind keine geisteskranken Menschen. Sie sind jedoch die Führer eines kapitalistischen Systems, das von Krisen zerrissen ist, für die sie keine fortschrittlichen, gesellschaftlich vernünftigen, geschweige denn humanen Lösungen finden können.

Der räuberische Charakter des modernen Imperialismus, der ihn zu Krieg und Diktatur treibt, ist seit langem Gegenstand der marxistischen Analyse und reicht sogar hinter den Ausbruch des ersten imperialistischen Weltkriegs von 1914 zurück. Die Delegierten des Internationalen Sozialistenkongresses von 1910 in Kopenhagen verabschiedeten eine Resolution, in der es hieß:

Kriege sind heute die Folge des Kapitalismus,
besonders des äußeren Konkurrenzkampfes der kapitalistischen Staaten auf dem Weltmarkte, und des Militarismus, der ein Hauptwerkzeug der bürgerlichen Klassenherrschaft im Innern und der wirtschaftlichen und politischen Unterjochung der Arbeiterklasse ist. Sie werden erst vollständig aufhören, wenn die kapitalistische Wirtschaftsordnung beseitigt ist.

Leo Trotzki

Der von der sozialistischen Bewegung vorhergesehene Weltkrieg brach im August 1914 aus. Die historische Bedeutung des blutigen Konflikts wurde von Trotzki in seinem brillanten Dokument Krieg und Internationale von 1915 erläutert:

Der Krieg verkündet den Zusammenbruch des nationalen Staates. Doch zugleich auch die Zertrümmerung der kapitalistischen Wirtschaftsform. Aus dem nationalen Staat heraus revolutionierte der Kapitalismus die gesamte Weltwirtschaft, indem er den ganzen Erdball zwischen den Oligarchien der Großmächte verteilte, um welche sich ihre Trabanten, die Kleinstaaten, gruppieren, die von der Rivalität der Großen leben. Die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft auf kapitalistischer Grundlage bedeutet einen unaufhörlichen Kampf der Weltmächte um neue und immer neue Gebiete der einen und selben Erdoberfläche als eines Objektes kapitalistischer Ausbeutung. Die ökonomische Rivalität unter dem Zeichen des Militarismus wechselt mit Raub und Zerstörung, die die elementaren Grundlagen menschlicher Wirtschaft auflösen. Die Weltproduktion empört sich nicht nur gegen die national-staatlichen Wirrnisse, sondern auch gegen die kapitalistische Wirtschaftsorganisation, die sich zu deren barbarischer Desorganisation umgewandelt hat.

Natürlich haben sich die Weltwirtschaft und das Kräftegleichgewicht zwischen den kapitalistischen Nationalstaaten im vergangenen Jahrhundert stark verändert. Das Wachstum und die Komplexität der Weltwirtschaft sowie der Umfang der ihr zugrunde liegenden Produktivkräfte sind um mehrere Größenordnungen größer. Doch das gilt auch für das Ausmaß der Krise des imperialistischen Systems.

Die amerikanische herrschende Klasse ist entschlossen, ihre Hegemonie gegen alle potenziellen Rivalen zu verteidigen und zu sichern. Sie verkündet arrogant, dass sie etwas verteidigt, was sie „die regelbasierte Ordnung“ nennt. Damit meint sie: „Wir machen die Regeln und die Welt folgt unserer Anordnung.“ Sie hat die Staaten, die als Bedrohung für die von den USA dominierte Weltordnung wahrgenommen werden – hauptsächlich Russland, Iran, Nordkorea und vor allem China – als „Achse des Umbruchs“ bezeichnet. Ein bedrohlicher und kriegerischer Ton durchzieht die außenpolitischen Zeitschriften, in denen die Ziele des amerikanischen Imperialismus formuliert werden. Ein typisches Beispiel für dieses Genre ist ein Artikel, der Anfang des Monats in der Zeitschrift Foreign Affairs veröffentlicht wurde und den Titel trägt: „Kein Ersatz für den Sieg: Amerikas Wettbewerb mit China muss gewonnen, nicht gemanagt werden“.

Das Streben nach Weltherrschaft wird jedoch durch die Tatsache untergraben, dass sich die wirtschaftlichen Grundlagen des amerikanischen Kapitalismus verschlechtern. Um es ganz klar zu sagen: Die USA stehen vor dem Grundproblem, mit dem ein Wirtschaftssystem im Niedergang unweigerlich konfrontiert ist: dem Staatsbankrott.

Im Jahr 1971, dem Jahr, in dem Präsident Richard Nixon die Goldbindung des Dollars auflöste, belief sich die Staatsverschuldung der USA auf 398 Milliarden Dollar. Im Jahr 1982 überstieg die Staatsverschuldung 1,1 Billionen Dollar. Bis 2001 hatte sich die Staatsverschuldung fast verfünffacht und betrug 5,8 Billionen Dollar. Im Jahr 2008, dem Jahr des Wall-Street-Crashs, stieg er auf 10 Billionen Dollar. Im Jahr 2014, dem Jahr unserer ersten Online-Maikundgebung, erreichte die Staatsverschuldung 17,8 Billionen Dollar. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Wachstum der Schulden eine krankhafte Ähnlichkeit mit einem unkontrollierbaren bösartigen Tumor angenommen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Staatsverschuldung fast verdoppelt und liegt jetzt bei 33,2 Billionen Dollar.

Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten [Photo by Wikideas1 / CC BY-ND-NC 1.0]

Noch prekärer sieht die wirtschaftliche Lage aus, wenn man die Staatsverschuldung als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts misst. Im Jahr 1971 betrug die Staatsverschuldung 35 Prozent des BIP. Bis 2001 war sie auf 55 Prozent des BIP angestiegen. Vor zehn Jahren, im Jahr 2014, war die Staatsverschuldung genauso hoch wie das BIP. Im vergangenen Jahr hat die Staatsverschuldung 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht.

Der Abstieg des US-Kapitalismus im Vergleich zu seinen globalen Konkurrenten wird durch einen Vergleich der Handelsbilanzen in aller Deutlichkeit sichtbar. Im Jahr 1971 verzeichneten die USA einen geringen Überschuss von 626 Millionen Dollar. Im Jahr 2001 hatte das jährliche Handelsdefizit der USA 377 Milliarden Dollar erreicht. Im Jahr 2014 erreichte das Handelsdefizit 509 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2022, dem letzten Jahr, für das es eine genaue Messung gibt, wurde das Handelsdefizit auf 971 Milliarden Dollar beziffert, knapp 1 Billion Dollar jährlich.

Die Vereinigten Staaten und ihre wichtigsten Nato-Verbündeten sind davon überzeugt, dass die Aufrechterhaltung ihrer Vorherrschaft letztlich von der Vernichtung ihrer potenziellen Konkurrenten durch Krieg abhängt.

Der ungehinderte Zugang des Imperialismus zu den riesigen und strategisch wichtigen Ressourcen Eurasiens kann nicht ohne Krieg erreicht werden. Wie einer der scharfsinnigsten Kommentatoren der britischen Financial Times, Gideon Rachman, kürzlich schrieb:

Die „westliche Allianz“ ist nun eine Realität, ein globales Netzwerk von Verbündeten, das sich in einer Reihe von miteinander verbundenen regionalen Kämpfen sieht. Russland ist der Hauptgegner in Europa. Der Iran ist die disruptivste Macht im Nahen Osten. Nordkorea ist eine ständige Gefahr in Asien. Chinas Verhalten und seine Rhetorik werden immer aggressiver, und es kann Ressourcen mobilisieren, die Moskau oder Teheran nicht zur Verfügung stehen.

Daher ist der Kampf gegen die unerbittliche Eskalation des militärischen Konflikts in Richtung einer nuklearen Katastrophe die größte Aufgabe, die sich der Arbeiterklasse stellt. Doch der Erfolg dieses Kampfes, von dem das Überleben der Menschheit abhängt, erfordert eine Strategie, die auf einer richtigen Einschätzung des Charakters des Imperialismus beruht. Alle Antikriegsprogramme, die auf der Hoffnung beruhen, dass die herrschenden Klassen unter Druck gesetzt und dazu gebracht werden könnten, eine gewaltfreie Lösung der Widersprüche des Weltkapitalismus zu akzeptieren, sind Mittel des Selbstbetrugs, die der Entwicklung einer echten Massenbewegung gegen den Imperialismus im Wege stehen.

Die Gleichgültigkeit angesichts von Massensterben und massenhafter Schädigung seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Januar 2020 stellt eine unwiderlegbare Absage an alle Appelle an das Gewissen der Kapitalistenklasse dar. Sie ordnete alle Erwägungen um menschliches Leben dem unerbittlichen Streben nach Konzernprofiten und der Anhäufung von Privatvermögen unter. Sie akzeptierte 27 Millionen überzählige Todesfälle als notwendige Folge der Funktionsweise des kapitalistischen Produktionsprozesses.

Ein Covid-19-Patient in Paris, 22. April 2021 [AP Photo/Lewis Joly]

Die Politik, die der britische Premierminister Boris Johnson freudig verkündete, als Covid das Land verwüstete – „Sollen sich die Leichen auftürmen“ – ist aus Sicht der herrschenden Klasse nicht weniger geeignet, ihre Interessen auf Weltebene zu verfolgen.

Die völkermörderische Gewalt des israelischen Staates gegen die palästinensische Bevölkerung hat den Zorn von Arbeitern und Jugendlichen auf der ganzen Welt geweckt. Es muss jedoch anerkannt werden, dass der Völkermord in Gaza und der Krieg gegen Russland miteinander verbundene Fronten im globalen Krieg sind, den der Imperialismus entfesselt hat. Die gleichen Interessen, die die Politik von „Genocide Joe“ Biden im Nahen Osten diktieren, bestimmen auch das Handeln seiner Regierung in Mitteleuropa und Asien.

Die Geschichte hat gezeigt, dass die tief verwurzelten Widersprüche des globalen Kapitalismus, die zu Kriegen geführt haben, auch zu sozialen Revolutionen führen. Der Prozess, die für den Krieg notwendigen Ressourcen zu mobilisieren, zwingt die herrschenden Eliten, ihre Angriffe auf die Lebensbedingungen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse zu verschärfen. Dies wird auf immer größeren Widerstand stoßen.

Doch damit dieser Widerstand den historischen Aufgaben gerecht wird, muss eine revolutionäre Perspektive entwickelt werden. Die Auswirkungen der Krise werden einen starken Impuls für weitreichende Veränderungen in der politischen Ausrichtung der Arbeiterklasse geben. Doch die notwendige Umsetzung objektiver Prozesse in revolutionäres politisches Handeln erfordert den Aufbau einer marxistischen Führung der Arbeiterklasse.

Wie kann dies erreicht werden? In seinem letzten großen Manifest, das er 1940 kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und nur drei Monate vor seiner Ermordung durch einen stalinistischen Agenten schrieb, definierte Trotzki das Wesen des revolutionären Kampfes gegen den Krieg:

Wir erfüllen unabhängig vom Verlauf des Krieges unsere Grundaufgabe: Wir erklären den Arbeitern die Unversöhnlichkeit zwischen ihren Interessen und denen des blutrünstigen Kapitalismus; wir mobilisieren die Werktätigen gegen den Imperialismus; wir propagieren die Vereinigung der Arbeiter in allen Krieg führenden und neutralen Ländern; wir rufen die Arbeiter und Soldaten innerhalb jedes Landes und die Soldaten auf beiden Seiten der Schlachtlinie zur Verbrüderung auf; wir mobilisieren die Frauen und die Jugend gegen den Krieg; wir betreiben eine beständige, ausdauernde, unermüdliche Vorbereitung der Revolution...

Nur das Internationale Komitee führt den Kampf gegen Krieg auf der Grundlage dieser sozialistischen Perspektive. Die strategische Grundlage dieses Kampfes ist die internationale Vereinigung der Arbeiterklasse, die nur durch unversöhnliche Opposition gegen den kapitalistischen Staat erreicht werden kann. Diese Strategie bestimmt nicht nur unseren Kampf gegen die räuberische Politik des Imperialismus, sondern auch gegen die reaktionäre nationalistische Politik der kapitalistischen Regime in Russland und China. Die Vierte Internationale ist, wie Trotzki betonte, die Partei der unversöhnlichen revolutionären Opposition. Wir führen den Kampf gegen den imperialistischen Krieg nicht im Bündnis mit irgendeinem kapitalistischen Staat, sondern ausschließlich durch die politische Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms.

Bogdan Syrotjuk Mitte April 2024

In einer Rede, die Genosse Bogdan Syrotjuk nur drei Tage vor seiner Verhaftung schrieb und die er auf dieser Online-Kundgebung halten wollte, erklärte er:

Am Tag der internationalen Solidarität der Arbeiterklasse rufen wir, die Mitglieder der ukrainischen Sektion der Jungen Garde der Bolschewiki-Leninisten und die gesamte YGBL, zur Vereinigung des ukrainischen und russischen Proletariats mit dem Proletariat der imperialistischen Länder auf, um diesen Krieg zu beenden!

Wir rufen auf zum Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in allen ehemaligen Sowjetrepubliken.

Und wir rufen das Proletariat der Welt auf, sich unter dem Banner seiner Führung - des Internationalen Komitees der Vierten Internationale - zu vereinen.

Lasst die Worte von Karl Marx und Friedrich Engels lauter und stärker erklingen: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Mögen seine Worte Arbeiter und Jugendliche auf der ganzen Welt inspirieren, dem Kapitalismus ein Ende zu setzen und die Zivilisation vor der Zerstörung zu bewahren, indem sie die Vierte Internationale, die Weltpartei der sozialistischen Revolution, aufbauen.

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