In diesen Tagen jährt sich zum zehnten Mal der Wahlerfolg der pseudolinken spanischen Partei Podemos bei den Europawahlen im Mai 2014. Podemos erhielt damals 8 Prozent der Stimmen und fünf Sitze im Europaparlament. Die Partei war erst wenige Monate zuvor von der pablistischen Gruppe Anticapitalistas und mehreren stalinistischen Akademikern der Madrider Complutense-Universität gegründet worden. Vorsitzender war der 36-jährige Professor und Fernsehkommentator Pablo Iglesias.
Im Laufe des nächsten Jahrzehnts stieg Podemos zu einer führenden Partei des spanischen Kapitalismus auf, doch sie verlor die Macht wieder. Im vergangenen Dezember verließ sie die Koalitionsregierung, die sie 2020 mit der Sozialistischen Partei Spaniens (PSOE) gebildet hatte. Sie hatte bei den Wahlen in Spanien 2023 aufgrund ihrer unpopulären Sparpolitik einen Stimmenverlust erlitten. Eine Fraktion von Podemos, Sumar genannt, verbleibt weiterhin in der Regierung.
Der Zusammenbruch von Podemos vollzieht sich inmitten einer beispiellosen Krise des Kapitalismus. Spanien und andere Nato-Länder unterstützen Israels völkermörderischen Krieg gegen Gaza, und sie rüsten die Ukraine in einem Krieg gegen Russland auf. Nicht nur in Spanien, sondern auch in den Vereinigten Staaten, in ganz Europa und international nehmen die Massenproteste gegen den Völkermord in Gaza zu. Die Welt steht am Rande eines Atomkriegs, da die imperialistischen Nato-Mächte den Krieg gegen Russland immer mehr eskalieren. Unter einer neuen Generation von Arbeitern und Jugendlichen auf der ganzen Welt wächst das Bewusstsein, dass aus der vorherrschenden, korrupten Gesellschaftsordnung ein Ausweg gefunden werden muss.
Der Weg vorwärts kann nur der Aufbau einer internationalen, sozialistischen Bewegung gegen imperialistischen Krieg und Völkermord sein, die sich auf die Arbeiterklasse stützt. Eine solche Bewegung kann sich nur auf der Grundlage einer revolutionären Perspektive entwickeln, die auf der unversöhnlichen Gegnerschaft der Trotzkisten sowohl gegen den Kapitalismus als auch gegen den Stalinismus beruht. Arbeiter und Jugendliche müssen eine historische Neubewertung und einen politischen Bruch mit der prokapitalistischen populistischen Politik vollziehen, für die Podemos seit Jahren beispielhaft steht.
Im Jahr 2014 behauptete Podemos, für eine „fortschrittliche“ Politik zu stehen und die „Demokratie“ von der „Kaste“ zurückzuholen, die in Spanien regiert. In ihrem Wahlprogramm von 2014 mit dem Titel „Einen Schritt vorwärts“ versprach sie, sie werde „neue Wege in der Politik gehen, die eine echte Bedrohung für das Zweiparteiensystem der [rechten Volkspartei] PP und der PSOE und für diejenigen darstellen, die unsere Demokratie als Geisel genommen haben“. Podemos „lehnt militärische Interventionen ab, steht für einen Austritt aus der Nato und verteidigt entschieden die Solidarität zwischen den Völkern“, hieß es da.
Die griechische Schwesterpartei von Podemos, Syriza („Koalition der radikalen Linken“), kam 2015 an die Regierung und machte sich bald einen Namen als Synonym für politischen Verrat. Sie war aufgrund des massiven Widerstands der Arbeiterklasse gegen die Sparpolitik der Europäischen Union (EU) nach dem Wall-Street-Crash 2008 gewählt worden. Doch als sie an der Macht war, verhängte Syriza das bisher größte Sparpaket der EU und baute ein riesiges Netz von EU-Internierungslagern für Flüchtlinge auf. Nachdem Syriza die Wahlen 2019 mit Schimpf und Schande verlor, wird sie nun passenderweise von einem ehemaligen Goldman-Sachs-Banker, Stefanos Kasselakis, geführt.
Podemos hat ihre Wahlversprechen ebenso gründlich verraten wie Syriza zuvor. Als Podemos in einer Koalition mit der sozialdemokratischen Sozialistischen Partei (PSOE) in die Regierung kam, führte sie in der Corona-Pandemie eine Durchseuchungspolitik durch und verteilte zugleich Milliarden Euro an EU-Rettungsgeldern an die Banken. Die Inflation stieg auf der ganzen Welt und auch in Spanien stark an, und Podemos sah zu, wie die arbeitende Bevölkerung verarmte. Im Ausland rüstete die Regierung sowohl das ukrainische Regime für den Krieg gegen Russland als auch das israelische Regime für den Angriff auf das palästinensische Volk.
Die PSOE-Podemos-Regierung erwies sich den Kämpfen der Arbeiterklasse gegenüber als äußerst feindselig. Als die Arbeitenden aufgrund der Inflation verarmten, ging sie brutal gegen Lohnkämpfe vor, die in ganz Spanien ausbrachen. Sie schickte Polizeieinheiten, um streikende Metallarbeiter in der südspanischen Stadt Cádiz anzugreifen, und mobilisierte Zehntausende von Polizisten, um gegen einen landesweiten Lkw-Streik im Jahr 2022 vorzugehen.
Diese Politik entspringt der antimarxistischen Politik von Schichten der Mittelklasse, die in stalinistischer und pablistischer Tradition stehen. Im Jahr 2015, als Syriza an die Macht kam, hatte das IKVI dieses Milieu nicht als links, sondern als pseudolinks definiert. In seinem Werk „Die Frankfurter Schule, die Postmoderne und die Politik der Pseudolinken“ erklärt David North diesen Begriff:
Der Begriff „Pseudolinke“ bezeichnet politische Parteien, Organisationen und theoretische/ideologische Tendenzen, die populistische Parolen und demokratische Phrasen benutzen, um die sozioökonomischen Interessen privilegierter und wohlhabender Schichten der Mittelklasse zu fördern. Beispiele für solche Gruppierungen sind Syriza in Griechenland, Podemos in Spanien, Die Linke in Deutschland und die zahlreichen Ableger ex-trotzkistischer (z. B. pablistischer) oder staatskapitalistischer Organisationen [...]
Die Pseudolinke ist antimarxistisch. Sie lehnt den historischen Materialismus ab und stützt sich stattdessen auf verschiedene Formen des subjektiven Idealismus und des philosophischen Irrationalismus, wie sie vom Existentialismus, der Frankfurter Schule und der zeitgenössischen Postmoderne vertreten werden.
Die Pseudolinke ist antisozialistisch. Sie lehnt den Klassenkampf ab und leugnet die zentrale Rolle der Arbeiterklasse, ebenso wie die Notwendigkeit einer Revolution für die fortschrittliche Umgestaltung der Gesellschaft. Sie stellt der unabhängigen politischen Organisation und der Massenmobilisierung der Arbeiterklasse gegen das kapitalistische System einen klassenneutralen Populismus entgegen. Das Wirtschaftsprogramm der Pseudolinken ist im Wesentlichen prokapitalistisch und nationalistisch.[1]
Die Bilanz von Podemos hat diese Definition und die darin enthaltene Warnung an die Arbeiterklasse bestätigt. Podemos ist, wie ihre internationalen Verbündeten – die Demokratischen Sozialisten Amerikas, Die Linke in Deutschland, der ehemalige Labour-Parteichef Jeremy Corbyn und seine politischen Satelliten in Großbritannien oder Jean-Luc Mélenchon in Frankreich – nicht links, sondern pseudolinks. In der nationalen Regierung Spaniens hatte sie den Arbeitenden zu den großen Themen Krieg, Pandemie, Klimawandel oder soziale Ungleichheit – allesamt internationale Fragen – nichts zu bieten.
Der Weg vorwärts führt über einen bewussten Kampf für eine wirklich revolutionäre Politik. Er erfordert einen direkten Angriff auf die Kapitalistenklasse, die Konfiszierung ihres Reichtums, die Enteignung der großen Banken und die Beschlagnahme der Produktivkräfte auf internationaler Ebene, um sie unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Menschen zu stellen, sowie auch die Schaffung von Arbeiterstaaten in ganz Europa und der Welt, die eine sozialistische Politik verfolgen.
Die Akademiker, kapitalistischen Politfunktionäre und Gewerkschaftsbürokraten, die Podemos anführen, lehnen eine solche Politik und den Marxismus bewusst ab. Soweit es mit der falschen Werbung der kapitalistischen Medien für sie als „Linke“ vereinbar ist, betonen sie ihre Feindschaft gegen die bolschewistische Revolution in Russland 1917, Trotzkis Gründung der Vierten Internationale 1938 und die Lehren, die er aus dem Spanischen Bürgerkrieg 1936–1939 zog.
Um die revolutionäre Führung aufzubauen, die die Arbeiterklasse braucht, müssen wichtige politische Schlussfolgerungen über die konterrevolutionäre Rolle der Pseudolinken gezogen werden. Der Kampf für den Sozialismus erfordert den Aufbau einer internationalen trotzkistischen revolutionären Führung, die in unversöhnlichem Gegensatz zu pseudolinken Parteien wie Podemos steht. Die Grundlage dafür ist die Verteidigung des Trotzkismus gegen Stalinismus und Pablismus durch das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI), sowie auch der Kampf zum Aufbau von IKVI-Sektionen in Spanien und auf der ganzen Welt.
Die pablistischen Wurzeln von Podemos
Die Integration von Podemos in den spanischen kapitalistischen Staat, der aus dem Sturz des rechtsextremen franquistischen Regimes inmitten von Massenstreiks und Protesten in den 1970er Jahren hervorgegangen ist, ist das Ergebnis ihrer reaktionären Verteidigung der materiellen Interessen wohlhabender Schichten der Mittelklasse. Diese Orientierung wurzelt in den antimarxistischen Traditionen der pablistischen Tendenz, die aus der Vierten Internationale hervorging und nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Trotzkismus brach. Die Pablisten riefen dazu auf, die trotzkistische Bewegung in bestehenden Massenorganisationen aufzulösen, unabhängig von deren politischer und klassenmäßiger Orientierung.
Das IKVI, das heute die WSWS herausgibt, wurde 1953 gegründet, um den Trotzkismus gegen diese von Michel Pablo und Ernest Mandel angeführte Tendenz zu verteidigen. Denn diese Tendenz hatte Leo Trotzkis Analyse der sowjetischen Bürokratie als konterrevolutionäre Kraft zurückgewiesen. Der Pablismus gab den Kampf um den Aufbau unabhängiger revolutionärer Parteien auf und versuchte stattdessen, als Druckmittel in den bestehenden stalinistischen oder bürgerlich-nationalistischen Massenparteien zu wirken und gleichzeitig antimarxistische Ideologien innerhalb der Arbeiterklasse zu verbreiten.
In Spanien war Mandel der Cheftheoretiker der Revolutionären Kommunistischen Liga (Liga Comunista Revolucionaria, LCR), der Vorgängerorganisation der Anticapitalistas, aus denen später Podemos hervorging. Die LCR wurde 1971 gegründet, inmitten der Radikalisierung von Jugendlichen und Arbeitern in der Folge des Generalstreiks vom Mai–Juni 1968 in Frankreich. In der Wirtschaftskrise des Kapitalismus in den 1970er Jahren nahmen die Klassenkämpfe weltweit zu. Die LCR richtete sich sowohl an der baskischen Nationalistengruppe ETA aus, die mit Terroranschlägen Druck auf den franquistischen Staat ausübte, als auch an den katalanischen Nationalisten und der stalinistischen Kommunistischen Partei Spaniens (PCE).
Die Ausrichtung auf die PCE kam einer Billigung ihres konterrevolutionären Vorgehens gegen die Arbeiterklasse gleich. Während des Spanischen Bürgerkriegs, der durch den faschistischen Putsch von General Francisco Franco gegen die bürgerliche Zweite Republik im Jahr 1936 ausgelöst worden war, ermordete die PCE zahlreiche Trotzkisten und half der Republik bei der Niederschlagung des Arbeiteraufstands von 1937 in Barcelona. Nach Francos Sieg und dem Zweiten Weltkrieg, als Spanien von einer faschistischen Diktatur regiert wurde, rief die PCE zur „Nationalen Versöhnung“ auf, um mit den Franquisten ein parlamentarisches kapitalistisches Regime aufzubauen.
1976, inmitten der größten Streikwelle in Spanien seit den 1930er Jahren, die sich gegen das franquistische Regime richtete, verstärkten die Pablisten ihre Unterstützung des Stalinismus. Sie begrüßten die stalinistische PCE, die sich anschickte, die Streikwelle zu verraten, und die zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung beitrug. 1978 wurde der Übergang zur parlamentarischen Herrschaft vollzogen. In einem Interview mit der stalinistischen Zeitung Viejo Topo schürte Mandel die Illusion, dass die PCE sich selbst reformieren würde. Er erklärte:
Die französische extreme Linke verfügt heute – trotz ihrer Beschränkungen, ihrer Schwäche, ihrer organisatorischen Zersplitterung – über ein echtes politisches Gewicht. Sie besitzt die potenzielle Fähigkeit, der reformistischen KP-Führung eine revolutionäre Wende aufzuzwingen.
Die Genossen an der Spitze der [spanischen] Kommunistischen Partei, insbesondere ihre Arbeiterkader, müssen dieses Problem aufgreifen und lösen, und ich hoffe und vertraue darauf, dass sie sich als fähig erweisen werden, es positiv zu lösen, in dem Sinne, dass sie auf den Weg des revolutionären Marxismus zurückkehren werden.
[...] Der spanischen KP wird es schwer fallen – ich will nicht sagen, dass es unmöglich sei, aber es fällt ihnen schwer – eine offene Streikbrecher-Rolle einzunehmen, wie es die italienische KP und auch die spanische KP selbst zu bestimmten Zeiten ihrer Existenz getan haben. Das liegt daran, dass die Kräfteverhältnisse in der spanischen Arbeiterbewegung heute deutlich anders sind [aus dem Englischen].
Mandels Perspektive stand der revolutionär-marxistischen Perspektive des Trotzkismus diametral entgegen. Trotzki hatte während des spanischen Bürgerkriegs erklärt, dass der Kampf gegen den Faschismus einen revolutionären Kampf der Arbeiterklasse für eine sozialistische Revolution gegen den Kapitalismus erfordert. Die PCE und ihre Verbündeten hingegen arbeiteten mit dem faschistischen franquistischen Regime zusammen, um eine neue Rechtsgrundlage für die kapitalistische Herrschaft zu schaffen.
Als Mandel dafür plädierte, den Übergang Spaniens zu einer parlamentarischen Regierung im Jahr 1978 zu unterstützen, bekräftigte er die grundlegende Auffassung des Pablismus: dass keine trotzkistische Partei aufgebaut werden sollte. Stattdessen plädierte Mandel für das Konzept des Aufbaus einer „breiten linken Partei“, das die Grundlage für Podemos und ähnliche Parteien in ganz Europa bildete. Mandel sagte: „Meiner Meinung nach liegt die Zukunft der revolutionären Bewegung in der Art von Gruppen, die breiter sind als diejenigen, die sich trotzkistisch nennen. Diese Gruppierungen schließen sich jedoch mit Teilen der Vierten Internationale zusammen.“
Während er seine Organisation weiterhin fälschlicherweise als „Vierte Internationale“ bezeichnete, machte Mandel sehr deutlich, dass er den Trotzkismus nicht unterstützte und bereit war, innerhalb von 24 Stunden jedes Element von Trotzkis Programm öffentlich aufzugeben, um Bündnisse mit dem Stalinismus zu schließen. In einem anderen Interview im gleichen Zeitraum erklärte Mandel, dass er beabsichtige, eine Organisation ohne jegliche Verbindung zum Trotzkismus aufzubauen:
Die eigentliche Debatte dreht sich nicht um das Etikett, den organisatorischen Rahmen, die Statuten, die menschlichen Beziehungen oder um Hinweise auf einen bärtigen Gesellen namens Leo Trotzki […] Welchen Unterschied machen die Etiketten? Sollten wir in der politischen Arena Kräfte finden, die mit unserer strategischen und taktischen Ausrichtung übereinstimmen, und die nur durch den historischen Bezug und den Namen abgeschreckt werden, sind wir bereit, das letztere innerhalb von 24 Stunden loszuwerden.[2]
Die spanische pablistische LCR setzte diese Politik in den darauffolgenden Jahrzehnten in die Praxis um. Sie arbeitete mit der stalinistischen PCE in der Koalition der Vereinigten Linken (Izquierda Unida, IU) zusammen und übernahm Posten in den stalinistisch geführten Gewerkschaften der Arbeiterkommissionen (Comisiones Obreras, CC.OO), sowie auch in der PSOE-geführten Gewerkschaft UGT (Unión General de Trabajadores).
Die Auflösung der Sowjetunion durch die Stalinisten 1991 ließ Parteien wie die LCR und ihr Personal weit nach rechts rücken. Als die Professoren, Gewerkschaftsbürokraten und Experten in den pablistischen Gruppen das Einkommen verloren, das sie zuvor von der Sowjetbürokratie bezogen hatten, wandten sich ihre Sympathien immer direkter dem imperialistischen Staat und der Armee zu. Die französische Sektion der Pablisten, die Neue Antikapitalistische Partei (NPA), hat vielleicht am deutlichsten ihre Ablehnung des Trotzkismus und jeder Verbindung zum Marxismus zum Ausdruck gebracht. In ihrer Gründungserklärung von 2009 schrieb sie:
Die NPA erhebt keinen Anspruch auf eine besondere Beziehung zum Trotzkismus, sondern auf Kontinuität mit denjenigen, die in den letzten zwei Jahrhunderten dem System grundlegend die Stirn geboten haben. Die NPA ist eine pluralistische und demokratische Partei. An ihr beteiligen sich Genossen aus verschiedenen Teilen der sozialen Bewegung, der globalisierungskritischen Linken, der politischen Ökologie, Genossen der PS und der PCF, aus der anarchistischen Bewegung und der revolutionären Linken. Ohne ihre Strahlkraft zu verlieren, kann die NPA alles gewinnen, wenn sie sich noch weiter öffnet.
Für die NPA war der Trotzkismus nur ein Hindernis für Bündnisse mit sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien, die die Auflösung der Sowjetunion und die Restauration des Kapitalismus unterstützten. Gleichzeitig versuchten die Pablisten, ihre Anziehungskraft in der Mittelschicht zu erhöhen, indem sie sich dem Feminismus, der Befreiung der Homosexuellen und anderen Identitätsfragen zuwandten. Von ihrem früheren offiziellen Bekenntnis zur Klassenpolitik distanzierten sie sich immer mehr. Dies bedeutete natürlich nicht, dass sie ihr Bündnis mit der Gewerkschaftsbürokratie aufkündigten, deren Kontrolle des Klassenkampfs sie unterstützten.
Die NPA und die Antikapitalisten sollten bald darauf die imperialistischen Interventionen in Libyen, Syrien und der Ukraine als Teil einer angeblichen „demokratischen Revolution“ unterstützen. Im Jahr 2022 unterstützten sie den Krieg der Nato gegen Russland in der Ukraine. Diese Kriege haben Hunderttausende von Menschenleben gekostet und ganze Gesellschaften verwüstet.
So sahen die durch und durch verrotteten Grundlagen aus, auf denen eine Gruppe kleinbürgerlicher Anticapitalistas–Aktivisten, Journalisten, Politikprofessoren und Gewerkschaftsbürokraten Podemos als politische Falle für die Arbeiterklasse aufbauten.
Von den Indignados zu Podemos
Podemos entstand aus den Indignados-Protesten in Spanien, die 2011 ausbrachen, nachdem Aufstände der Arbeiterklasse die Diktaturen in Tunesien und Ägypten gestürzt hatten.
Diese Revolutionen widerlegten objektiv den prokapitalistischen Triumphalismus, mit dem ab 1992 das „Ende der Geschichte“ proklamiert wurde, nachdem die stalinistische Bürokratie die UdSSR liquidiert hatte. Die marxistische Auffassung von der revolutionären Rolle der internationalen Arbeiterklasse, die die Pseudolinken ablehnen, wurde im Jahr 2011 in der Tat bestätigt. Im Januar lösten Aufstände gegen die Polizei in mehreren tunesischen Städten Massenstreiks und Proteste aus, die Präsident Zine El Abedine Ben Ali in die Flucht schlugen. Kurz darauf löste die Besetzung des Tahrir-Platzes in Kairo auch in Ägypten einen Generalstreik aus, der Präsident Hosni Mubarak zu Fall brachte.
Die revolutionäre Offensive der Arbeiterklasse in Nordafrika gewann die politische Sympathie der Arbeiter und Jugendlichen in Spanien und weltweit. Nach dem Vorbild der Besetzung des Tahrir-Platzes besetzten Tausende von Jugendlichen Plätze in Madrid, Barcelona und anderen Städten Spaniens. Diese sozial heterogene Bewegung wurde „15-M (nach dem Protest vom 15. Mai 2011, mit dem sie begann) oder auch „Indignados“ (die Empörten) genannt. Sie brachte den in Spanien weit verbreiteten Widerstand gegen die drakonischen EU-Sparmaßnahmen und die Massenarbeitslosigkeit nach dem kapitalistischen Crash von 2008 zum Ausdruck.
Wenn Podemos die Partei war, die aus dieser Bewegung hervorging, dann vor allem deshalb, weil die wichtigsten politischen Kräfte, die in diese Bewegung eingriffen, die Pablisten waren. Die 15-M-Bewegung begann mit Protesten an der Puerta del Sol in Madrid am 15. Mai 2011, zu denen Vereinigungen wie Democracia Real Ya (Echte Demokratie jetzt) und Juventud Sin Futuro (Jugend ohne Zukunft) aufgerufen hatten, die eng mit Anticapitalistas zusammenarbeiteten.
Innerhalb dieser Bewegung war die Mittelschicht politisch dominierend. Die Anticapitalistas mischten sich in die Bewegung ein und forderten „keine Politik“, „keine Führung“ und eine „horizontale“ Struktur. Sie bezogen sich auf die unteren 99 Prozent und gegen das oberste Prozent der Einkommens- und Vermögensverteilung.
Damit war keine Herausforderung der PSOE, der stalinistischen Vereinigten Linken (IU) oder der Gewerkschaftsbürokratie verbunden. Der von ihnen betriebenen Umsetzung der EU-Spar– und Kriegspolitik wurde kein Widerstand entgegengesetzt. Gegen das postfranquistische, kapitalistische Establishment wurde keine revolutionäre Führung aufgebaut. Die Slogans waren in Wirklichkeit mit einem Kampf innerhalb der oberen 10 Prozent gegen das alleroberste 1 Prozent um Reichtum und Macht vereinbar und stellten die bestehende kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht in Frage.
Ohne eine Ausrichtung auf die Arbeiterklasse endeten diese Versammlungen in leeren Diskussionen, die von Kräften wie den Anticapitalistas dominiert wurden. Sie trennten die radikalisierte Jugend von den Kämpfen der Arbeiterklasse.
In den folgenden Jahren brach in ganz Europa eine Streikwelle gegen den Sparkurs der EU und der Banken aus. Warnend wies die britische Zeitung Independent darauf hin, dass der Ausbruch von Streiks und Protesten die größte Mobilisierung ankündige, „die der Kontinent seit den revolutionären Umwälzungen von 1968 erlebt hat“.
In Spanien stiegen die Streiks und Proteste auf ein Niveau, das seit den 1970er Jahren nicht mehr erreicht worden war. Offiziellen Statistiken zufolge gab es 2012–2013 durchschnittlich 123 Proteste pro Tag. 25 Prozent der Bevölkerung gaben an, sich daran zu beteiligen. Unter diesem wachsendem Druck rief die Gewerkschaftsbürokratie 2012 zu zwei landesweiten Proteststreiks auf – es war das letzte Mal. Zehntausende jubelten in Madrid einer Delegation streikender Bergarbeiter aus Asturien zu, deren Kämpfe in den Jahren 1934, 1936 und 1962 von Franco unterdrückt worden waren.
Die Anticapitalistas waren sich der wachsenden Gefahr aus der Arbeiterklasse wohl bewusst. Sie beschlossen, Podemos zu gründen, um die Wut der Arbeiterklasse gegen die PSOE und ihre jahrzehntelange Spar- und Kriegspolitik sowie gegen den Hauptverbündeten der PSOE, die stalinistisch geführte Vereinigte Linke (IU), zu kanalisieren und politisch zu kontrollieren.
In einem internen Bulletin der Anticapitalistas, das vor der Gründung von Podemos verfasst wurde, beklagten die Pablisten „den Rechtsruck der IU, die immer offener eine ‚linke‘ Regierung mit der PSOE vorbereitet“. Die Pablisten schlugen „eine Reihe von Persönlichkeiten mit Medienpräsenz als öffentliches Gesicht des [Podemos–] Projekts vor. Dies wird es ermöglichen, mit Teilen der linken Bevölkerung in Verbindung zu treten, die mit den traditionellen Organisationen unzufrieden sind.“
Mit Pablo Iglesias wählten die Anticapitalistas einen Anführer für ihre Operation: einen stalinistischen Professor, der von den „linkspopulistischen“ Theorien von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe beeinflusst war. Iglesias moderierte ein lokales TV-Programm namens „La Tuerka“. Er beteiligte sich auch an Debatten auf dem rechtsextremen Kanal „Intereconomia TV“ und gab dort den „linken“ Experten. Iglesias gehörte auch dem Zentrum für soziale und politische Studien (Centro de Estudios Políticos y Sociales – CEPS) an. Diese Einrichtung verschaffte den stalinistischen Akademikern lukrative Beraterposten bei den bürgerlich-nationalistischen Regimes in Venezuela und Ecuador.
Iglesias war mit Santiago Carrillo, dem langjährigen Führer der stalinistischen PCE, befreundet. Im Spanischen Bürgerkrieg war Carrillo an der Entführung und Ermordung von Trotzkisten durch die Stalinisten beteiligt. So war auch Andreu Nin, Führer der zentristischen Arbeiterpartei der marxistischen Vereinigung (Partido Obrero de Unificación Marxista, POUM), brutal ermordet worden. Später war Carrillo zusammen mit den franquistischen Behörden an der Ausarbeitung der spanischen Verfassung von 1978 beteiligt. Kurz vor seinem Tod prahlte Carrillo: „In den 1930er Jahren hätte kein kommunistischer Aktivist, der aufgefordert worden wäre, Trotzki zu ermorden, sich geweigert, dies zu tun.“ Iglesias reagierte darauf mit einem wohlwollenden Interview mit Carillo, und als dieser gestorben war, mit einem Nachruf auf ihn in Público, in dem er schrieb: „Trotz allem war Santiago einer von uns. Jetzt und für immer.“
Für jeden im politischen Establishment, der die Geschichte der PCE und Carrillo kannte, war dies ein klares Bekenntnis des späteren Podemos-Gründers zur blutigen Unterdrückung jeglicher Opposition gegen den kapitalistischen Staat. Dies ebnete den Weg dafür, dass Podemos kaum zehn Jahre später an der kapitalistischen Regierung war, während die Polizei Streikende und Demonstrierende angriff.
Im Jahr 2014 wurde Podemos auf stalinistischen und pablistischen Grundlagen gegründet, um in der herannahenden Krise eine reaktionäre Rolle zu spielen. Dies bestätigte die Analyse der WSWS, die in ihrem ersten Artikel über Podemos, wenige Wochen nach der Gründung, warnte, dass ihr Ziel darin bestehe, „einen Aufstand der Arbeiterklasse gegen die sozialdemokratischen Parteien und die Gewerkschaftsbürokratie zu verhindern und die Unzufriedenheit in vorgeblich radikale, in Wirklichkeit aber prokapitalistische Bahnen zu lenken“.
Zusammenbruch des seit Franco bestehendem Zweiparteiensystem in Spanien
Bei den Wahlen im Dezember 2015 brach das Zweiparteiensystem aus PSOE und rechter Volkspartei (PP), das die spanische Wahlpolitik seit dem Ende des Franquismus dominiert hatte, zusammen. Keine Partei erlangte eine Regierungsmehrheit. In keiner der fünf Wahlen, die seither in Spanien stattgefunden haben, gab es eine Partei, die eine Mehrheit erringen konnte. Die Regierungen entstanden als instabile Koalitionen zwischen Podemos, der PSOE, verschiedenen kleineren regional-nationalistischen Parteien, den rechtsgerichteten PP und Ciudadanos (Bürger) sowie der rechtsextremen Vox.
Dies bestätigt den Zusammenbruch des parlamentarischen Systems, das 1978 von den franquistischen Faschisten, der PSOE und den spanischen Stalinisten eingeführt worden war.
Die PCE hatte mit Hilfe ihrer Kontrolle über die Arbeiterkommissionen (CC.OO), dem einflussreichsten Gewerkschaftsdachverband Spaniens, die größte Streikwelle seit den 1930er Jahren unterdrückt, um eine revolutionäre Abrechnung der Arbeiterklasse mit der spanischen Bourgeoisie zu verhindern. Sie zementierte wichtige Vereinbarungen mit der PSOE und den Franquisten, darunter das Amnestiegesetz von 1977, mit dem die Verbrechen des Faschismus offiziell vergeben und vergessen waren. Sie unterstützte auch die Nato. Sie erklärte sich bereit, die PSOE bei Wahlen zu unterstützen, um zu verhindern, dass sich in der Arbeiterklasse eine unabhängige politische Bewegung links von der PSOE entwickelte.
Die PCE hatte in den 1970er Jahren verhindert, dass sich Arbeiterkämpfe gegen die franquistische Diktatur zu einer sozialistischen Revolution entwickelten. Diese Rolle der PCE war den herrschenden Kreisen durchaus bekannt. Zwischen 1976 und 1978 stieg die Zahl der durch Streiks verlorenen Arbeitstage auf 13,2 Millionen, und mehr als 5,7 Millionen Arbeitende (60 Prozent der arbeitenden Bevölkerung) beteiligten sich an Streiks.
Die Financial Times, die maßgebliche Stimme des britischen Finanzkapitals, anerkannte im Dezember 1978 die „entscheidende“ Rolle der PCE für den Übergang nach Franco. Über die PCE, „die den größten Gewerkschaftsverband CC.OO und die am besten organisierte politische Partei Spaniens kontrolliert“, heißt es dort: „Die aktive Mäßigung der Kommunisten [...] war entscheidend, um zu verhindern, dass Spanien in einen Abgrund des Bürgerkriegs stürzt.“
Podemos hat den Versuch unternommen, die Rolle zu spielen, die die PCE in den 1970er Jahren gespielt hatte, was ihr aber im 21. Jahrhundert nicht mehr gelang. Als Stütze der PSOE bei den Wahlen lenkte Podemos die wachsende Wut der Arbeiterklasse unter die Fittiche der kapitalistischen Herrschaft zurück.
Vor zehn Jahren, bei den Europawahlen im Mai 2014, erreichte Podemos acht Prozent der Stimmen und schickte fünf Abgeordnete ins Europaparlament. Ein Jahr später kam sie auf 5,2 Millionen Stimmen und 69 der 350 Sitze im spanischen Parlament. In den Straßen Madrids konnte sie 300.000 Teilnehmer zu Prosten gegen die Sparpolitik mobilisieren. Ende desselben Jahres erreichte sie regelmäßig rund 30 Prozent der Stimmen, und eine Zeit lang war sie die beliebteste Partei Spaniens.
Heute behaupten Iglesias und Podemos, dass sie die Unterstützung der Wähler verloren hätten, weil die PP-Regierung mit Duldung der PSOE eine umfassende Polizei-, Medien- und Justizkampagne gegen sie geführt habe. In Wahrheit war nicht die kapitalistische Propaganda schuld, sondern Podemos selbst. Die Partei integrierte sich in die mittlere Ebene des kapitalistischen Staates und entlarvte sich schnell selbst, als sie dadurch immer mehr in Konflikt mit der Arbeiterklasse geriet.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt kontrollierte die Partei Großstädte wie Madrid, Barcelona, Valencia, Saragossa, Cádiz und Santiago de Compostela und übte so einen direkten Einfluss auf das Leben von Dutzenden Millionen Menschen aus. Doch ihre Versprechen, dass diese „Kommunen des Wandels“ die Sparmaßnahmen beenden und „Bürgerschuldenprüfungen“ durchführen würden, um die Zahlung „unrechtmäßiger“ Schulden zu stoppen, erfüllten sich nicht. Stattdessen haben diese Städte, wie von der EU gefordert, Milliarden von Euro an die Banken erstattet.
Podemos hat auch sehr deutlich gemacht, dass sie die Kriege und Interventionen der Nato in Libyen, Syrien, Jemen und der Ukraine unterstützt. Sie hat General Julio Rodríguez Fernández als Kandidaten für die Parlamentswahlen 2015 aufgestellt; dieser hat als Generalstabschef des Verteidigungsministeriums im Jahr 2011 Spaniens Beteiligung am Nato-Krieg in Libyen geleitet, der 30.000 Tote und ein Land in Trümmern hinterließ.
In Spanien reagiert die herrschende Klasse auf ihre politische Krise nach demselben Muster wie in ganz Europa mit der Legitimierung des faschistischen Erbes, dem Aufbau der rechtsextremen Vox-Partei und mit Putschplänen in der Armee. Gleichzeitig gibt es in der spanischen und europäischen Arbeiterklasse eine tief verwurzelte Opposition gegen Faschismus, Nationalismus und Kapitalismus. Podemos weigert sich jedoch entschieden, solche Stimmungen zu verstärken, da sie eine Bewegung in der Arbeiterklasse auslösen und die verrottete Podemos-Politik mitsamt der PSOE, dem EU-Sparkurs und dem Nato-Krieg hinwegfegen könnten.
Die antimarxistischen und postmodernen theoretische Grundlagen von Podemos
Um in den großen kapitalistischen Medien bekannt zu werden und bei den Wahlen viele Stimmen zu gewinnen, musste Podemos der Bourgeoisie feste Garantien dafür geben, dass sie sich gegen den Marxismus und eine Revolution stellt. Podemos sendete diese Signale aus, indem die Partei in einem zynischen akademischen Jargon darauf hinwies, dass sie ihre Aktivitäten auf Postmoderne, Populismus und kleinbürgerliche Identitätspolitik gründete.
Im Jahr 2015 veröffentlichten die „postmarxistische“ Akademikerin Chantal Mouffe und der Podemos-Mitbegründer Professor Iñigo Errejón, heute Sprecher von Sumar im Parlament, das Buch „Podemos in the Name of the People“, das vom britischen stalinistischen Verlag Lawrence & Wishart auf Englisch herausgegeben wurde. In dem Buch rufen Mouffe und Errejón ihre Leser auf, die „Nostalgie“ nach „der Linken“ aufzugeben und stattdessen eine „breite demokratische Front“ aufzubauen. Diese „demokratische Front“ sollte sich nicht auf die Arbeiterklasse stützen, sondern auf wohlhabende Mittelschichten, deren Lebensstil und Ansprüche im Gegensatz zu den Bedürfnissen der Arbeiterklasse stehen.
Mouffe sagt, ihr Populismus habe sich aus ihrer Überzeugung entwickelt, die sie als junge Akademikerin und feministische Aktivistin in London nach dem französischen Generalstreik vom Mai–Juni 1968 gewonnen habe, dass nämlich Marxismus und Klassenpolitik abzulehnen seien:
Der traditionelle Marxismus war offenbar nicht in der Lage, die Besonderheiten der neuen Bewegungen zu verstehen, die sich seit 1968 entwickelt hatten, wozu der Feminismus, die Umweltbewegung, antirassistische Kämpfe und der Kampf gegen Diskriminierung aus Gründen der Sexualität gehörten. [...] Und bei der Diskussion über diesen Mangel an Verständnis wurde uns klar, dass das Problem theoretischer Natur war: Diese neuen Kämpfe konnten nicht in Begriffen der Klasse interpretiert werden.
Mouffe und Errejón lehnten nicht nur die marxistische Auffassung von der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse ab, sondern leugneten die bloße Existenz der Arbeiterklasse. Sie argumentierten, dass die Arbeiterklasse nur ein von Karl Marx erfundener Mythos sei, um den Marxismus zu rechtfertigen, so wie rechte Mythen über das Wesen einer Rasse oder Nation zu rassistischer oder nationalistischer Politik führten. Der Glaube des Marxismus an die objektive Existenz der Arbeiterklasse, die all jene umfasst, die ihre Arbeitskraft auf dem globalen Arbeitsmarkt verkaufen müssen, so Mouffe, führe zu Blindheit für eine notwendige Neuausrichtung auf Rassen- und Genderpolitik:
[F]ür den Marxismus resultierte dieser Mangel an Verständnis aus seiner essenzialistischen Auffassung von politischen Identitäten, die diese als ihrer diskursiven Artikulation vorausgehend ansah. Es gab viele Formen des Essenzialismus, und im Fall des Marxismus war es ein ‚Klassenessenzialismus‘, der politische Identitäten als abhängig von der Position des sozialen Akteurs in den Produktionsverhältnissen ansah, die sein Bewusstsein bestimmt.
Auf dieser Grundlage begrüßte Mouffe 1991 die Auflösung der Sowjetunion durch die Stalinisten mit dem Argument, dass dadurch die Ideen von Gleichheit und Revolution ihre Glaubwürdigkeit verlieren würden. Die wichtigsten Ereignisse seit ihrer Jugend, so Mouffe, waren
der Fall der Berliner Mauer, der Untergang der Sowjetunion und die Krise des kommunistischen Modells. All diese Ereignisse trugen dazu bei, dass das Modell, das sie vertraten, auslief. [...] Es besteht kein Zweifel, dass die Aufgabe des revolutionären Modells des totalen Bruchs eine positive Sache war, da es für Europa völlig ungeeignet war; und es war notwendig, dass die Linke die Bedeutung der pluralistischen Demokratie erkannte.
Mouffes Ablehnung des „sowjetischen Egalitarismus“ ist Trotzkis Kritik an der stalinistischen Bürokratie diametral entgegengesetzt. Trotzki warnte prophetisch, dass der Stalinismus letztlich versuchen werde, den Kapitalismus zu restaurieren und die durch die Oktoberrevolution 1917 geschaffenen verstaatlichten Produktionsverhältnisse zu zerstören. Er kämpfte dafür, die sowjetische Arbeiterklasse zu einer politischen Revolution gegen die stalinistische Bürokratie zu mobilisieren. Dies war für ihn integraler Bestandteil des Kampfs der internationalen Arbeiterklasse für eine sozialistische Weltrevolution.
Mouffe, die zu Bündnissen mit Stalinisten neigt, tat die sozialen Rechte, die Arbeitern in der Sowjetunion zustanden – sichere Arbeitsplätze, und Renten, Zugang zu öffentlicher Bildung und Gesundheitsversorgung – als „Gleichmacherei“ ab. Dies spiegelte sich auch in der Politik von Podemos wider: Sobald die Partei an der Macht war, unterstützte sie alle Sparmaßnahmen der PSOE, die auf den Lebensstandard der Arbeitenden abzielten.
Die Bilanz von Podemos an der Regierung bestätigt, dass Mouffes und Errejóns Lob für die „pluralistische Demokratie“ keiner demokratischen Gesinnung geschuldet ist, sondern ihrer Unterstützung für den kapitalistisch-imperialistischen Polizeistaat. Laut Errejón versuchen „linkspopulistische“ Parteien wie Podemos, „die traditionellen Kräfte des Regimes und die oligarchischen Mächte“ in einem „politischen Kampf zu besiegen, der letztendlich kein endgültiges Ende hat“. Mouffe fügt hinzu, dass „die radikale Demokratie, wie wir sie verstehen, keinen totalen Bruch mit der pluralistischen Demokratie bedeutet“.
Errejón ist sogar noch expliziter, wenn er dazu aufruft, den Widerstand der Arbeiterklasse an die kapitalistischen Institutionen zu binden. Er warnt vor einer „gefährlichen Form von Skepsis und Zynismus“, die die Bevölkerung gegenüber den bestehenden Institutionen des spanischen kapitalistischen Staates hege, und er sagt: „Deshalb ist es wichtig, diese Protestbewegungen in eine Richtung zu lenken, die mit dem Bestreben einhergeht, sich mit den bestehenden Institutionen auseinanderzusetzen, um sie zu verändern.“
Die Menschheit, so Mouffe und Errejón, ist dazu verdammt, einen „nicht enden wollenden Streit um die Verteilung der kollektiven Güter und Positionen“ auszuhalten. Diese pessimistische Überzeugung, die sich aus der Ablehnung der historisch-materialistischen Perspektive von Marx ergibt, hilft den wohlhabenden Professoren, Gewerkschaftsbürokraten und politischen Funktionären von Podemos sehr dabei, eine reaktionäre Politik zu betreiben, während sie sich zynisch als „linkspopulistische“ Freunde des Volkes ausgeben.
Sie verteidigen die Lifestyle-Interessen der wohlhabenden Mittelschicht und nicht die sozialen Bedürfnisse der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung. Mouffe, die ihre politische Karriere als feministische Aktivistin begann und später den argentinischen Theoretiker der Postmoderne Ernesto Laclau heiratete, befürwortet die Abkehr von der sozialistischen Revolution zugunsten sozialer Kämpfe auf der Grundlage von Gender und Ethnizität, die sich nicht gegen die kapitalistische Ausbeutung der Arbeiter richten. Laclau und sie selbst, fügt Mouffe hinzu, versuchten
das ‚sozialistische Projekt‘ im Sinne einer Radikalisierung der Demokratie neu zu formulieren. Das ermöglichte es uns, gleichzeitig mit der jakobinischen Tradition und dem ökonomischen Determinismus zu brechen; denn man kann nicht von der Radikalisierung der Demokratie sprechen, ohne anzuerkennen, dass es verschiedene Formen der Unterordnung gibt, die zu einer Vielzahl von Antagonismen führen können, und dass all diese Kämpfe nicht einfach als Ausdruck der kapitalistischen Ausbeutung betrachtet werden können.
Der betrügerische Charakter von Mouffes „demokratischen“ Theorien wird durch die Tatsache unterstrichen, dass eine Partei wie Podemos, die auf ihnen aufbaute, wenn sie einmal an der Macht war, keine demokratische Politik verfolgte. Podemos hat die allgemeine Politik der Bourgeoisie mitgetragen, sei es die Zensur des Internets, die polizeistaatliche Niederschlagung von Streiks und Protesten oder die Todesschüsse auf Migranten an der spanischen Grenze.
Mouffe prangert die Jakobiner an, deren Anführer Maximilien Robespierre und Georges Danton in der radikalen Phase der französischen Revolution (1789–1794) den Kampf für Gleichheit führten. Ihr eigentlicher Angriff richtet sich jedoch gegen den Aufbau einer marxistischen Führung in der Arbeiterklasse nach dem Vorbild der bolschewistischen Partei, die die Oktoberrevolution von 1917 anführte. Stattdessen fordert sie eine prokapitalistische, „linkspopulistische“ Partei, die Fragen des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit nutzt, um die Arbeiter zu spalten und sie an den kapitalistischen Staat zu fesseln.
Mouffe und Errejón lehnen die wissenschaftliche Perspektive des Marxismus ab. Sie schlagen vor, dass Parteien wie Podemos ihre Politik auf Mythen, Irrationalismus, Nationalismus und charismatische Führer stützen. Mouffe schimpft über die Linke, sie erklärt: „Die Linke neigt zu dem Glauben, dass die einzige Antwort darin besteht, an die Vernunft zu appellieren. Der Versuch, Leidenschaften zu wecken, bleibt der faschistischen Rechten überlassen.“
Errejón fordert dazu auf, „die Politik in Symbolen zu kristallisieren, in einem Projekt für ein neues Land, in Führungspersönlichkeiten, Mythen, volkstümlichen Ausdrücken, Liedern, Jahrestagen und Literatur“, und er argumentiert, dass Unterstützung für den Nationalismus das Wachstum der Rechtsextremen verhindern könne. Er sagte: „Es ist ein schwerer Fehler, ihnen [den Rechtsextremen] den Kampf um die Vorherrschaft im Bereich der nationalen Identifikation zu überlassen. Es ist ein Fehler, es den reaktionärsten Kräften zu ermöglichen, dass sie unangefochten ihre eigene Auffassung von dem, wofür das Land steht, durchsetzen.“ Er rief zu einem „progressiven und volksnahen Patriotismus“ auf.
Die Bilanz, die Podemos an der Regierung aufweist, zeigt die reaktionären Implikationen dieser sehr doppeldeutigen theoretischen Perspektive. Podemos behauptet, „links“ zu sein, bewundert aber den Faschismus. Tatsächlich deckt sich Errejóns Aufruf zu nationalistischer Demagogie mit der Linie von Podemos-Führer Pablo Iglesias, der den spanischen Nationalismus unermüdlich verteidigt. Im Jahr 2017 brüstete sich Iglesias damit, dass er nationalistischer sei als die extreme Rechte: „Wir werden nicht zulassen, dass sie behaupten, sie seien patriotischer als wir.“
Es gibt jedoch keinen „progressiven Nationalismus“. Karl Marx und Friedrich Engels, die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, erklärten schon vor langer Zeit, dass die Arbeiter kein Vaterland haben, und Leo Trotzki erklärte, dass der Ausbruch des Ersten Weltkriegs das Ende der Ära der nationalen Programme für die Arbeiterklasse markierte. Aber Podemos hat Arbeitern nichts zu bieten. Unter Bedingungen, in denen jedes große Problem – Kontrolle über Weltwirtschaft und Finanzwesen, Pandemie, Krieg, soziale Ungleichheit, Klimawandel – sich als Weltproblem darstellt, richtet sie all ihr Streben ausschließlich auf den Eintritt in eine nationale spanische Regierung.
Die Globalisierung der Wirtschaft und die transnationale Organisation der industriellen Produktion, die sich in den letzten 50 Jahren entfaltet haben, haben den stalinistischen und pablistischen Organisationen den Boden unter den Füßen entzogen. Diese Organisationen gründeten sich auf die Mittelschichten und waren auf Aktionen innerhalb eines Landes ausgerichtet. Der internationalen Vereinigung und Mobilisierung der Arbeiterklasse standen sie feindlich gegenüber. Als die Unternehmer drohten, auf Streiks mit Produktionsverlagerung ins Ausland zu reagieren, hatten sie dem nichts entgegenzusetzen. Über Jahrzehnte hinweg haben sie sich ganz auf die Seite der herrschenden Eliten gegen die internationale Arbeiterklasse und den Marxismus gestellt.
Das katalanische Referendum 2017 und die Rehabilitierung des Franquismus
Die Auswirkungen von Podemos’ Politik wurden 2017 deutlich, als Kataloniens bürgerliche Nationalisten ein Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien organisierten. Wie separatistische Bewegungen in ganz Europa verkörperten auch die katalanischen Nationalisten eine bankrotte, prokapitalistische Reaktion auf die Globalisierung. Sie stützten sich auf den relativen Wohlstand Kataloniens innerhalb Spaniens und strebten direktere Beziehungen zu den globalen Finanzmärkten und transnationalen Unternehmen an, was natürlich die Ausbeutung der Arbeiter in Katalonien voraussetzt.
Das Unabhängigkeitsreferendum war ein reaktionäres Manöver der katalanischen nationalistischen Parteien, die seit langem den Sparkurs, die imperialistischen Kriege und die EU unterstützten. Im Erfolgsfall hätte das Referendum die Arbeiterklasse auf der iberischen Halbinsel gespalten. Die spanische Bourgeoisie reagierte jedoch auf eine Art und Weise, welche die tiefste politische Krise in Spanien seit Bestehen der parlamentarischen Demokratie nach dem Franco-Regime auslöste.
Einflussreiche Kräfte innerhalb der herrschenden Klasse nutzten das Referendum, um die offizielle Politik weit nach rechts zu verschieben. Die PP schickte mit Unterstützung der PSOE Zehntausende von Polizisten, um friedliche Wähler anzugreifen, und über 1.000 Menschen wurden verletzt. Anschließend suspendierte sie die katalanische Regionalregierung und verhaftete ihre führenden Politiker. Der Chef der spanischen Armee bezeichnete den katalanischen Nationalismus als „größte Bedrohung für unsere Demokratie“. Die wichtigsten imperialistischen Mächte – die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich – unterstützten die Unterdrückung durch den Zentralstaat in Madrid.
Begleitet wurde dies von einer von den Medien geschürten antikatalanischen Hysterie, und die neofranquistische Vox-Partei wurde in den Mainstream der spanischen bürgerlichen Politik integriert.
Hintergrund für diese Reaktion der spanischen herrschenden Klasse war die immer schärfere Krise des Weltkapitalismus. Nach der Auflösung der Sowjetunion Ende 1991 und den imperialistischen Kriegen im Balkan und am Golf hatte die Weltwirtschaftskrise von 2008 eine jahrzehntelange strenge Sparpolitik der EU ausgelöst. Nun setzte ein rascher Zusammenbruch des europäischen Kapitalismus ein. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit und der extremen sozialen Ungleichheit wandte sich die Bourgeoisie den Methoden einer faschistischen Polizeistaatsherrschaft zu.
Die Antwort von Podemos bestand nicht darin, sich der faschistischen Kampagne zu widersetzen, sondern sich ihr anzupassen. Auch als Hunderttausende Menschen in Katalonien demonstrierten, weigerte sie sich, ihre Wählerinnen und Wähler zu Streiks und Protesten gegen die polizeistaatliche Repression in Katalonien aufzurufen. Sie fürchtete, dass eine solche Mobilisierung eine Massenbewegung in der Arbeiterklasse auslösen könnte, die sich ihrer Kontrolle entziehen würde.
Im Jahr 2018, inmitten des wachsenden Widerstands der Bevölkerung gegen die PP und deren repressive Politik in Katalonien, verdoppelte Podemos die Unterstützung für die PSOE, Spaniens wichtigste Partei der bürgerlichen Herrschaft. Dies gipfelte in einem parlamentarischen Manöver, um die PP von der Macht zu verdrängen und sie durch eine Minderheitsregierung der PSOE zu ersetzen. Mit Unterstützung von Podemos setzte die PSOE daraufhin an der Regierung den Sparkurs der PP fort, überschüttete die Armee mit Milliarden Euro und griff Migranten an. Sie führte auch die antikatalanische Kampagne der PP weiter.
Die PSOE-Regierung organisierte einen Schauprozess gegen die Anführer der katalanischen Sezessionisten und beschuldigte sie auf groteske Weise der gewaltsamen Aufwiegelung. Podemos stellte sich dabei auf die Seite der faschistoiden Justiz. Der damalige Podemos-Führer Pablo Iglesias versprach der PSOE „volle Loyalität“ in allen staatlichen Fragen, einschließlich der Außenpolitik und der staatlichen Repression in Katalonien, falls sie in eine PSOE-geführte Regierung aufgenommen würde.
Als Monate später ein Dutzend katalanischer Führer in einem Schauprozess der Aufwiegelung für schuldig befunden wurde, forderte Podemos die spanische Bevölkerung auf, ihre Verurteilung zu langen Haftstrafen zu akzeptieren. Berüchtigt wurde Iglesias Aufruf: „Jeder muss sich an das Gesetz halten und das Urteil akzeptieren.“ Hunderttausende Demonstrierende füllten damals die Straßen katalonischer Städte.
Im selben Jahr zog Vox zum ersten Mal in ein Regionalparlament ein. Bei den Wahlen 2019 hatte Vox landesweit 15 Prozent der Stimmen und 52 Abgeordnete erreicht. Sie war zur drittgrößten politischen Kraft geworden und hatte Podemos überholt. Vox setzt sich aus ehemaligen Richtern, Polizisten und Generälen zusammen und verteidigt offen Francos Erbe. Die Partei ruft im Ausland zur Eskalation der Kriege und im eignen Land zum Klassenkampf auf. Sie fordert die Erhöhung der Militär- und Polizeibudgets, kriminalisiert separatistische Parteien, lässt streikende Arbeiter inhaftieren und fördert den spanischen Chauvinismus. Gleichzeitig beschneidet sie die Gleichberechtigung der baskischen und katalanischen Sprache und macht Migranten zu Sündenböcken.
Das Wiedererstarken der extremen Rechten hat den Bankrott von Podemos offenbart. Ihr populistisches Auftreten und ihr spanischer Nationalismus boten den Neofranquisten politische Deckung.
Die Rehabilitierung des Faschismus in Spanien ist Teil der Politik der herrschenden Klasse Europas und Nordamerikas, die erneut den Faschismus hofieren. In Deutschland verteidigt die Humboldt-Universität den rechtsextreme Professor Jörg Baberowski, der Hitler öffentlich als „nicht grausam“ bezeichnet hat und die UdSSR für die Verbrechen der Nazis verantwortlich macht. In Frankreich würdigte Präsident Emmanuel Macron den Diktator Philippe Pétain, der mit den Nazis kollaboriert hatte, als „großen Soldaten“. Gleichzeitig setzte Macron Bereitschaftspolizei ein, um die „Gelbwesten“, die gegen soziale Ungleichheit kämpften, anzugreifen.
Wie immer deutlicher wird, geht die Huldigung europäischer Politiker für das faschistische Erbe des 20. Jahrhunderts mit der Todeskrise des gesamten kapitalistischen Systems einher. Die imperialistischen Mächte haben für die explosiven Kriege und Klassenkonflikte keine fortschrittliche Lösung. Deshalb setzen sie mehr und mehr auf Krieg und Diktatur. Der Völkermord in Gaza und die unerbittliche Eskalation der Nato hin zum Krieg gegen Russland und China sind nur der brutalste Ausdruck des Abstiegs des kapitalistischen Systems in die Barbarei.
Die Rechtfertigung des Faschismus ist von zentraler Bedeutung, um eine neue reaktionäre Atmosphäre zu erzeugen, die Politik und Kultur vergiftet. Dies ist für die imperialistischen Nato-Bourgeoisien notwendig, um einen globalen Krieg zu führen. Das Kiewer Regime in der Ukraine verherrlicht Faschisten wie Stepan Bandera. In Kanada hat das gesamte Parlament Jaroslaw Hunka, einem ukrainisches früheren Mitglied von Adolf Hitlers Waffen-SS, eine stehende Ovation dargebracht. Hunka hatte sich im Zweiten Weltkrieg aktiv an der Ausrottung des europäischen Judentums beteiligt.
In Spanien erklärte der Oberste Gerichtshof in einem Urteil nach der Niederschlagung des katalanischen Referendums, dass Franco „vom 1. Oktober 1936 bis zu seinem Tod im November 1975 Staatsoberhaupt“ gewesen sei. Bisher war es üblich, Franco erst ab dem 1. April 1939, nach seinem Sieg im Spanischen Bürgerkrieg über die Republik, als Staatsoberhaupt zu bezeichnen. Das höchste spanische Gericht urteilte jedoch, dass die Proklamation, mit der Franco seinen faschistischen Staatsstreich während des Bürgerkriegs rechtfertigt hatte, diesem Staatsstreich Rechtmäßigkeit verliehen habe. Das Verfassungsgericht kam daraufhin zum Schluss, dass Franco weder während des Bürgerkriegs noch während seiner blutigen, 40-jährigen Diktatur Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe.
Podemos war bemüht, die sich hier abzeichnende Gefahr des Faschismus herunterzuspielen. Im Jahr 2020 trat Podemos in eine Koalitionsregierung mit der PSOE ein. Nach Massenstreiks in Spanien gegen die Untätigkeit der Behörden in den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie wandten sich Hunderte hochrangiger ehemaliger Offiziere schriftlich an den spanischen König Felipe VI. und forderten ihn auf, einen Staatsstreich durchzuführen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie diskutierten diese pensionierten Offiziere, die mit Vox in Verbindung standen, in Chat-Gruppen über die Erschießung von „26 Millionen“ linker Wähler und ihrer Familien.
Podemos vertuschte immer wieder die Putschdrohungen innerhalb der Armee. Um die Arbeiter einzulullen, wurde Iglesias beauftragt, den Skandal in einem Fernsehinterview zur besten Sendezeit herunterzuspielen. Er sagte: „Was diese pensionierten Herren fortgeschrittenen Alters in einem Gespräch nach ein paar Drinks von sich geben, stellt keine Bedrohung dar.“
Iglesias’ Lügen wurden nur Wochen später entlarvt, als Videos auftauchten, in denen spanische Soldaten Neonazi-Lieder singen und den faschistischen Gruß zeigen. Bald darauf wurde bekannt, dass Offiziere im Aktivdienst in WhatsApp-Chats die Aufrufe der pensionierten rechtsextremen Generäle zum Mord an 26 Millionen Menschen unterstützten. Podemos forderte daraufhin die Armee auf, die faschistischen Neigungen in ihren eigenen Reihen zu untersuchen. Es überrascht nicht, dass das Verteidigungsministerium der PSOE-Podemos-Regierung sich weigerte, die Ergebnisse dieser Pseudo-Untersuchung zu veröffentlichen.
Auf diese Weise setzt Podemos die Politik der stalinistischen PCE fort, deren zentrales Merkmal darin bestand, die Arbeiterklasse angesichts der faschistischen Gefahr zu lähmen. Selbst angesichts der Bedrohung durch eine rechtsextreme Diktatur verhält sich Podemos dem revolutionären Kampf der Arbeiterklasse gegenüber entschieden feindlich.
Podemos an der Macht
Als Podemos sich mit der PSOE zusammenschloss, um im Jahr 2020 die Regierung zu bilden, wurde ihr Führer Pablo Iglesias stellvertretender Ministerpräsident. Im Wahlkampf hatte er versprochen, die jahrzehntelange EU-Sparpolitik rückgängig zu machen, eine „feministische“ Außenpolitik zu betreiben, das Wachstum des Neofaschismus zu stoppen und die Rechte von Migranten zu schützen. In der Realität setzte Podemos jedoch rasch eine Politik um, die zuvor nur unter rechtsextremen Regimen denkbar gewesen war. Nur wenige Tage nach der Bildung der PSOE-Podemos-Regierung warnte die WSWS:
Obwohl Anhänger der PSOE und Podemos versuchen, die neue Regierung als „demokratisch“ darzustellen, wird sie sich als zutiefst feindselig gegenüber den sozialen und demokratischen Rechten der Arbeiterklasse erweisen. Die PSOE ist seit dem Sturz des faschistischen Franco-Regimes 1978 die traditionelle Regierungspartei der Bourgeoisie und setzt seit Jahrzehnten imperialistische Kriege und den Austeritätskurs der Europäischen Union durch. Podemos hat sich letztes Jahr mit der PSOE verbündet und diese bei der Umsetzung der von der EU geforderten Sozialkürzungen in Milliardenhöhe sowie dem gewaltsamen Vorgehen gegen Proteste in Katalonien unterstützt.
Die Ereignisse bewiesen bald, dass die Warnungen der WSWS korrekt waren. Podemos war kaum an der Macht, da wurde sie mit der Corona-Pandemie konfrontiert. Die PSOE-Podemos-Regierung lehnte eine wissenschaftlich fundierte Politik zur Eliminierung der Pandemie und zur Rettung von Menschenleben entschieden ab. Wie die herrschende Klasse in ganz Europa stellte sie die Konzernprofite und den Reichtum einer superreichen Elite höher als alles andere.
Führende Podemos-Vertreter spielten die Risiken der Pandemie herunter und verglichen Covid-19 mit der Grippe. Nach dem vorzeitigen Ende des Lockdowns unternahm die PSOE-Podemos-Regierung keine Anstrengungen, um ein wirksames System zur Rückverfolgung des Virus einzurichten. Sie öffnete vorzeitig alle Schulen, ignorierte den Anstieg der Infektionen im Herbst 2020 und hob dann die restlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus wieder auf, als sich neue Corona-Varianten in Spanien ausbreiteten. Podemos erwies sich als willfähriges Werkzeug der herrschenden Klasse. Sie war nicht bereit, die mindesten Gesundheitsmaßnahmen zu ergreifen, wenn diese die Profite beeinträchtigt hätten.
Die PSOE-Podemos-Regierung erschrak über den massiven Widerstand, den ihre „Corona wird auf ewig bleiben“-Politik auslöste. Sie setzte Bereitschaftspolizei gegen Stahlarbeiter ein, die für das Recht streikten, zu Hause zu bleiben, und verstärkte die massenhafte Bespitzelung der Bevölkerung im Internet. Dann veranlasste sie die größte Banken- und Unternehmensrettung der Geschichte Spaniens mit 140 Milliarden Euro für die Finanzaristokratie. Der Podemos-Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident Pablo Iglesias begrüßte dies als „frischen Wind für das europäische Projekt“. Podemos hatte die Aufgabe übernommen, die Auszahlung des Fonds zu beaufsichtigen.
Um die EU-Rettungsgelder zu finanzieren, verabschiedete die PSOE-Podemos-Regierung ein reaktionäres Arbeitsgesetz, das prekäre Beschäftigungsverhältnisse festschrieb, sowie eine Rentenreform, die das Rentenalter auf 67 Jahre anhob und Kürzungen für künftige Rentner vorsah. Die PSOE-Sumar-Regierung setzt diesen Sparkurs bis heute fort.
Die Ergebnisse sind ein kolossales Verbrechen. Das Coronavirus, das weltweit über 20 Millionen Tote forderte, führte in Spanien in den letzten vier Jahren zu über 160.000 Todesfällen; mehr als 13 Millionen Menschen haben sich infiziert, und mindestens eine Million sind an Long Covid erkrankt.
In der Außenpolitik taten sich PSOE und Podemos als die militaristischste und aggressivste Regierung Spaniens seit dem Ende der Franco-Diktatur hervor. Sie nutzten den von den USA und der Nato angezettelten Krieg gegen Russland in der Ukraine, um die Verteidigungsausgaben um 26 Prozent zu erhöhen und möglichst das von der Nato geforderte Ziel von 2 Prozent-Ziel des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen. Heute liegt der Wehretat bei 27 Milliarden Euro im Jahr, das sind 74 Millionen Euro pro Tag. Spanien ist nun an 17 imperialistischen Interventionen im Ausland beteiligt, mehr als je zuvor.
OIbwohl der Krieg gegen Russland die Gefahr eines Atomkriegs mit sich bringt, wird er von Podemos aggressiv unterstützt. Die Regierung hat das rechtsextreme ukrainische Stellvertreterregime in Kiew mit Millionen von Euro an Militärhilfe ausgestattet. Ein Großteil dieser Hilfe floß an das neonazistische Asow-Bataillon. Im Rahmen bilateraler Abkommen hat Spanien der Ukraine 524 Millionen Euro an Finanzhilfe, 338 Millionen Euro an Militärhilfe und 80 Millionen Euro an humanitärer Hilfe gewährt, das sind zusammen 942 Millionen Euro. Nicht mitgezählt sind darin die 9,8 Milliarden Euro, die in den humanitären Fonds geflossen sind, der größtenteils ebenfalls dem rechtsextremen Kiewer Regime zugutekommt.
Zum Ende ihrer Regierungszeit akzeptierte Podemos die Unterstützung Spaniens für den israelischen Völkermord an den Palästinensern in Gaza. Nach dem palästinensischen Aufstand vom 7. Oktober forderte die PSOE-Podemos-Regierung zunächst heuchlerisch ein Ende des israelischen Massenmordes im Gazastreifen und kritisierte das israelische Vorgehen sogar als Völkermord. Gleichzeitig lieferte sie jedoch weiterhin Waffen und Munition an Israel. Sie entsandte auch die spanische Fregatte Méndez Núñez und das militärische Versorgungsschiff Patiño zum amerikanischen Flugzeugträger USS Gerald R. Ford, der im östlichen Mittelmeer eingesetzt wurde, um das israelische Vorgehen aus der Luft zu decken.
Krieg und Militarismus im Ausland gehen Hand in Hand mit der Eskalation der Angriffe im eigenen Land. Die PSOE-Podemos-Regierung hat in enger Zusammenarbeit mit der Gewerkschaftsbürokratie wiederholt Streiks angegriffen. Es verging kein Jahr, in dem sie nicht die Polizei einsetzte, um Streiks brutal zu brechen.
Im November 2021 setzte die Regierung gepanzerte Fahrzeuge und Bereitschaftspolizei gegen streikende Metallarbeiter in Cádiz ein; im April 2022 mobilisierte sie 23.000 Polizisten, um einen Streik von 75.000 Lkw-Fahrern gegen kriegsbedingt steigende Benzinpreise niederzuschlagen. Gegen Streiks der Beschäftigten im Gesundheitswesen und des Flugpersonals setzte die PSOE-Podemos-Regierung drakonische Bestimmungen über die Aufrechterhaltung zentraler Dienstleistungen ein, um die Streiks zu brechen.
In der Flüchtlingsfrage hat Podemos die von Vox befürwortete Politik und die faschistische EU-Politik der „Festung Europa“ umgesetzt, die bereits Tausende von Menschenleben gefordert hat. Da die spanische herrschende Elite jede legale Migrationsroute nach Spanien unterbunden hat, ist die Überfahrt zu den Kanarischen Inseln heute die tödlichste Route der Welt. Dort kommen noch mehr Menschen ums Leben als auf der Mittelmeerroute nach Italien und Griechenland. Seit dem Regierungsbeitritt von Podemos sind Zehntausende von Migranten bei dem Versuch, die Kanarischen Inseln zu erreichen, ertrunken.
Allein im Jahr 2023 starben insgesamt 6.618 Migranten, 18 Menschen pro Tag, bei dem Versuch, die spanische Küste zu erreichen. Die meisten von ihnen, 6.007, kamen auf der Kanaren-Route ums Leben. Diejenigen, die die Inseln erreichen, werden in KZ-ähnlichen Lagern interniert, in denen sie unter unhygienischen und unmenschlichen Bedingungen bis zu ihrer Abschiebung festgehalten werden.
Im Jahr 2021 verübte die PSOE-Podemos-Regierung eines der schlimmsten Massaker an Flüchtlingen in der modernen europäischen Geschichte. Am 24. Juni feuerte die spanische Grenzpolizei Tränengaskanister und Gummigeschosse ab, um Tausende verzweifelte Flüchtlinge vom Zaun von Melilla zu vertreiben. Mindestens 100 Flüchtlinge starben. Podemos hat sich seitdem einer parlamentarischen Untersuchung des Massakers widersetzt und sich der PSOE, der PP und der neofaschistischen Vox-Partei angeschlossen, um jede Untersuchung zu verhindern.
Die Hinwendung der kapitalistischen Regierungen zu einem Polizeistaat in Spanien und auf internationaler Ebene ergibt sich aus der Notwendigkeit für die herrschende Klasse, den Widerstand gegen die extreme soziale Ungleichheit und den eskalierenden imperialistischen Krieg zu unterdrücken. Die Bilanz ist eindeutig. Podemos hat gegen diese reaktionäre Entwicklung nicht gekämpft, sondern im Gegenteil die Mitverantwortung für sie übernommen. Sie hat während ihrer Amtszeit sogar zur Beschleunigung und Verschärfung dieser Politik beigetragen.
Podemos: eine strategische Erfahrung
Die Podemos-Regierung in Spanien ist nach der Syriza-Regierung in Griechenland eine weitere strategische Erfahrung für die internationale Arbeiterklasse. Sie zeigt, dass die Wahl „linkspopulistischer“ Parteien in eine kapitalistische Regierung eine Sackgasse ist. Die Arbeiterklasse kann explosive Kämpfe führen, aber ihre Kämpfe werden in dem Maße vereitelt und zurückgeworfen, in dem sie von Pseudolinken wie Podemos, die den marxistischen Internationalismus und die sozialistische Revolution ablehnen, politisch geführt oder besser: stranguliert werden.
Nur die unabhängige Intervention der Arbeiterklasse kann verhindern, dass die Menschheit im 21. Jahrhundert eine Wiederholung der Schrecken des 20. Jahrhundert in noch größerem Ausmaß erlebt. Der Nato-Krieg gegen Russland, der Völkermord im Gazastreifen, Pandemien und ökologische Probleme sind Symptome für die Todeskrise des Kapitalismus, eines Systems, das nach Jahrzehnten rigoroser Sparmaßnahmen und billionenschwerer Rettungsaktionen für Konzerne und Banken durch eine soziale Ungleichheit zerrissen wird, deren Ausmaß mit demokratischen Herrschaftsformen unvereinbar ist.
Podemos hat nicht versucht, diese Probleme zu lösen. Stattdessen hat die Partei bei jedem große Verbrechen der Bourgeoisie ihre Fingerabdrücke hinterlassen. Die Ereignisse haben objektiv die Illusionen derjenigen widerlegt, die glaubten, Podemos würde aufgrund ihrer Verbindungen zur Kommunistischen Partei oder zu den Anticapitalistas eine linke oder sogar kommunistische oder trotzkistische Politik betreiben. Die Bilanz von Podemos spiegelt die historischen Verbrechen des Stalinismus und Pablismus wider, aber keinen revolutionären Kampf für den Kommunismus oder Trotzkismus.
Die Verteidigung der Kontinuität des Trotzkismus gegen den Pablismus durch das IKVI ist die einzige Grundlage, auf der eine revolutionäre Bewegung in der Arbeiterklasse für den Sozialismus und gegen pseudolinke Parteien wie Podemos aufgebaut werden kann. Seit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 haben die stalinistischen und sozialdemokratischen Parteien ihre Massenbasis in der Arbeiterklasse verloren, und Podemos stößt bei Arbeitern und Jugendlichen auf großes Misstrauen. Sie können jedoch das reaktionäre Hindernis, das Podemos darstellt, nicht überwinden, ohne eine marxistisch-trotzkistische revolutionäre Führung gegen die Pseudolinke aufzubauen.
Die internationale Arbeiterklasse hat die Macht, imperialistische Kriege und Völkermord zu stoppen. Sie ist in der Lage, die notwendigen Maßnahmen zur Lösung von Umweltproblemen wie dem Klimawandel und gegen die Ausbreitung von Pandemien wie Corona umzusetzen. Sie kann auch den Reichtum der Welt umverteilen, um den sozialen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Die Arbeiterklasse ist heute größer, stärker vernetzt und technologisch besser ausgestattet als je zuvor. Im Jahr 2024 werden rund 56 Prozent der Weltbevölkerung (4,4 Milliarden Menschen) in urbanen Gebieten leben. Weltweit sind mindestens 770 Millionen Menschen in der Produktion und verarbeitenden Industrie beschäftigt, und die anhaltende Abwanderung von Millionen verarmter Landbewohner in die Städte und Fabriken macht die Arbeiterklasse zur Mehrheit der Menschheit.
Seit dem kapitalistischen Crash von 2008 haben die Arbeiter wiederholt Massenkämpfe und sogar, wie in Ägypten und Tunesien, revolutionäre Aufstände geführt. In den letzten Jahren hat die Zahl der Arbeiter, die sich an Streiks oder Protesten gegen Ausbeutung, Lohnkürzungen und Angriffen auf demokratische Rechte beteiligten, enorm zugenommen. Heute finden weltweit Massenproteste gegen den Genozid in Gaza statt. Die politische Situation stellt die Arbeiterklasse objektiv und dringlich vor revolutionäre Aufgaben.
Dazu müssen die Lehren aus den 1930er Jahren gezogen werden. Die spontane Entwicklung des Klassenkampfs reicht nicht aus, um die jahrzehntelange Unterdrückung der Arbeiterklasse durch die Gewerkschaftsbürokraten, Sozialdemokraten, Stalinisten und ihre Verbündeten zu durchbrechen. Eine politische Führung muss aufgebaut werden, die für die internationale sozialistische Revolution kämpft und sich nicht nur der Kapitalistenklasse, sondern auch ihren kleinbürgerlichen Verbündeten wie Podemos unversöhnlich entgegenstellt. Wie Trotzki am Vorabend der spanischen Revolution von 1931, die die spanische Monarchie stürzte, erklärte:
Das halbspontane Aufflackern von Streiks, die Opfer und Niederlagen kosteten oder ohne Erfolge blieben, ist ein absolut unvermeidliches Stadium der Revolution, die Epoche des Erwachens der Massen, ihrer Mobilisierung und ihres Eintritts in den Kampf. […] Die Spontaneität jedoch – die gegenwärtig die Stärke der Bewegung bildet – kann zukünftig die Quelle ihrer Schwäche werden. Zu glauben, die Bewegung könne sich selbst überlassen bleiben, ohne ein klares Programm, ohne ihre eigene Führung, würde heißen, dass man ihre Perspektive für hoffnungslos hält. Denn das gestellte Problem heißt klar die Eroberung der Macht. Selbst die stürmischsten Streiks lösen nicht dieses Problem – ganz zu schweigen von denen, die verloren gehen.[3]
Der endgültige Sieg der franquistischen Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, unterstützt von Hitler und Mussolini, war das Ergebnis der Unterdrückung des Klassenkampfs durch Stalinisten, Sozialdemokraten und Zentristen und ihrer kapitalistischen Volksfrontregierung. Francos Sieg war eine verheerende Bestätigung im Negativen für die dringende Notwendigkeit einer revolutionären Führung der Arbeiterklasse. Trotzki schrieb im Gründungsprogramm der Vierten Internationale von 1938: „Die politische Weltlage als Ganzes ist vor allem durch eine historische Krise der proletarischen Führung gekennzeichnet.“
Die Ablehnung dieser Auffassung durch die Pablisten fand ihren vollendeten Ausdruck in Ernest Mandels Erklärung von 1969, dass die europäische Bourgeoisie nie wieder zu einer Politik des Weltkriegs und der faschistischen Reaktion übergehen werde. Weniger als ein Jahr nach dem französischen Generalstreik von 1968 schrieb Mandel:
Das europäische Großbürgertum hat sich schon einmal tüchtig die Finger an einem faschistischen Experiment verbrannt. In einigen Teilen des Kontinents verlor es dadurch Kopf und Kragen, in anderen konnte es nur in letzter Minute seine Klassenherrschaft retten. Es wird sich umso weniger zu einer Wiederholung des Abenteuers verleiten lassen, als auch in den Volksmassen die Erfahrung tiefe Spuren hinterlassen hat, und die plötzlich aufkommende Gefahr eines neuerlichen Faschismus zu den schärfsten Reaktionen führen muss.
Im Laufe des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts ist Mandels selbstgefällige Einschätzung umfassend widerlegt worden. Die revolutionäre Führung, die heute aufgebaut werden muss, wird ein kapitalistisches System bekämpfen müssen, das sich erneut in faschistische Reaktion und einen globalen Krieg stürzt.
Das IKVI ist die einzige politische Organisation, welche die Arbeiterklasse international im Kampf für eine sozialistische Revolution gegen die extremen Gefahren des Kapitalismus vereint und führt. Es verkörpert eine enorme politische Erfahrung, die sich aus der Verteidigung marxistischer Prinzipien über 100 Jahre ergibt: von der Gründung der trotzkistischen Linken Opposition 1923 über den Widerstand gegen den Stalinismus, die Gründung der Vierten Internationale 1938 und die Gründung des IKVI 1953.
Dieses Erbe gibt den Arbeitern und Jugendlichen in Spanien und in jedem Land die notwendigen politischen Waffen an die Hand, um eine trotzkistische Partei aufzubauen und für das Programm der sozialistischen Weltrevolution zu kämpfen. Das IKVI steht in unversöhnlichem Gegensatz zu Parteien wie Podemos, Anticapitalistas und allen kleinbürgerlichen Tendenzen, die Bündnisse mit den reaktionärsten Parteien anstreben. Die entscheidende strategische Frage ist der Aufbau einer neuen revolutionären Führung: der Aufbau von Sektionen des IKVI, der internationalen trotzkistischen Bewegung, in Spanien und rund um die Welt.
David North, Die Frankfurter Schule, die Postmoderne und die Politik der Pseudolinken, Essen 2016, S. 31.
Politique Hebdo, 10.-16. Juni 1976 , aus dem Englischen.
Leo Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-1939, Köln/Karlsruhe 2016, S. 77–78.
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