Das TV –Duell vom Donnerstagabend zwischen dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden und dem republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump war ein unwürdiges Spektakel.
Der eine Kandidat konnte kaum einen Satz zu Ende führen, wiederholte aber fortwährend sein Bekenntnis zur militärischen Vorherrschaft der USA und zum Krieg gegen Russland. Der andere verteidigte offen den faschistischen Putschversuch vom 6. Januar 2021, mit dem er versucht hatte, eine Präsidialdiktatur zu errichten.
Bidens desaströser Auftritt hat bereits eine ausgewachsene Krise in der Demokratischen Partei ausgelöst. Noch bevor die 90-minütige Sendung zu Ende ging, gab es panische Telefonate von Demokraten und ihren Medienvertretern, die Bidens Rückzug aus dem Rennen forderten. Sie schlugen vor, am Demokratischen Nationalkonvent im August einen glaubwürdigeren Kandidaten aufzustellen. Das Verfahren zur Durchführung eines solchen Wechsels ist jedoch höchst umstritten und auch problematisch, da es kaum jemanden gibt, der Biden ersetzen könnte.
Im politischen Establishment der USA wächst hauptsächlich die Sorge, dass Bidens katastrophale Performance, die Trump reelle Chancen im Wahlkampf einräumt, die weit fortgeschrittenen Pläne zur Ausweitung des Ukrainekriegs, den Trump in Frage stellt, gefährden könnte. All ihre Bemühungen, einen Ersatz für Biden zu finden, zielen darauf ab, einen Präsidenten einzusetzen, der in der Lage ist, die massive Eskalation imperialistischer Gewalt der USA auch wirklich weltweit durchzusetzen.
Wäre Biden nicht so sichtbar auf offener Bühne eingebrochen, wäre Trumps Auftritt allgemein als sehr negativ gesehen worden, ja er hätte den Herausforderer sogar disqualifizieren können. Der 78-jährige faschistoide Ex-Präsident weigerte sich mehrmals, auf Fragen zu antworten, war offensichtlich auf Migranten als Ursache allen Übels fixiert und leugnete selbst elementare Fakten. Er schaffte es nicht, ohne dreiste und offensichtliche Lügen auf ein einziges Thema einzugehen.
Die politische Krise reicht jedoch viel tiefer. Es geht nicht allein darum, dass beide Kandidaten entweder altersschwach oder politisch völlig desorientiert sind. Die CNN-Moderatoren, die weder senil noch verrückt sind, stellten Fragen und Nachfragen, die vom intellektuellen Standpunkt her nicht besser waren als die mäandernden und zusammenhanglosen Antworten beider Kandidaten. Die gesamte Veranstaltung war Ausdruck der tiefreichenden und gründlichen Fäulnis, die die offizielle Politik in der reichsten und mächtigsten kapitalistischen Nation durchdringt.
Was wäre gewesen, hätten beide Kandidaten klar und kohärent geantwortet? Auch dann hätte sich gezeigt, dass das System, das sie vertreten, zunehmend irrational und von sozialen Widersprüchen geprägt ist, und dass die Konflikte innerhalb und zwischen den Nationen sich im Krieg entladen. Davon abgesehen, dass beide Protagonisten ein zerrüttetes und grauenhaftes Bild boten, was ist dann die „Wahl“, die die kapitalistische Führungselite der amerikanischen Bevölkerung anbietet?
Der eine Kandidat repräsentiert eine breite faschistische und christlich-suprematistische Wählerschaft in der Republikanischen Partei, die einen Staat anstrebt, der sich auf Religion gründet. Er ist bereit, jahrhundertealte gesellschaftliche Errungenschaften für Arbeiter, Frauen und rassische Minderheiten rückgängig zu machen. Wäre nicht Trump ihr Kandidat, wäre sein Ersatz unweigerlich ein jüngerer und vielleicht weniger anrüchiger Verfechter von Militarismus, Diktatur und sozialer Reaktion.
Der andere Kandidat repräsentiert den militärisch-geheimdienstlichen Apparat, den die Demokratische Partei kontrolliert, und der in erster Linie an der Außen- und Sicherheitspolitik interessiert ist, um die globale Vorherrschaft des amerikanischen Imperialismus aufrecht zu erhalten. Jeder Ersatz für Biden würde den Krieg in der Ukraine fortsetzen, den israelischen Völkermord in Gaza weiter unterstützen und die militärische und wirtschaftliche Konfrontation der USA mit China eskalieren.
Den sozialen und demokratischen Interessen der amerikanischen Bevölkerung stehen beide Parteien zutiefst feindlich gegenüber. Beide Parteien sind der unumstößlichen Verteidigung der Wall Street und der weltweiten Hegemonie der Vereinigten Staaten verpflichtet, sowohl gegen Russland und China als auch gegen rivalisierende imperialistische Mächte wie Japan, Deutschland und Frankreich.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Wegen solcher Erwägungen hat das TV-Duell im Establishment der Demokraten und in den Medien einen tiefen Schock ausgelöst. Bidens Auftritt hat die Kriegspolitik in Frage gestellt, der sie voll und ganz verpflichtet sind. Und dies spielt sich am Vorabend anderer wichtiger Veränderungen in der Weltpolitik ab: In den nächsten zwei Wochen finden in Frankreich und Großbritannien Wahlen statt, gefolgt von dem Nato-Gipfel in Washington, bei dem Biden den Vorsitz führen soll.
Gleichzeitig zeugen neue Ereignisse – der Massenaufstand in Kenia, der gescheiterte Militärputsch in Bolivien, das Wiederaufflammen von Corona und der Ausbruch der „Vogelgrippe“ H5N1, sowie die Feuersbrünste, Überschwemmungen und Wirbelstürme infolge des akuten Klimawandels – von der zunehmenden Instabilität des kapitalistischen Systems auf der ganzen Welt.
Zum TV-Duell sagte Joseph Kishore, der Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party:
Die explosive politische Krise in den Vereinigten Staaten, dem Zentrum des Weltimperialismus, ist der konzentrierteste Ausdruck der weltweiten kapitalistischen Krise. Zwar kann der genaue Verlauf der Ereignisse nicht vorhergesagt werden, aber eins ist absolut sicher: Für diese Krise gibt es keine fortschrittliche Lösung, solange nicht die Arbeiterklasse sich auf der ganzen Welt zusammenschließt und als internationale Kraft ein sozialistisches Programm umsetzt.
Nicht Biden oder Trump sind das Problem – und auch nicht Putin, Xi Jinping, Macron, Scholz oder irgendein anderer kapitalistischer Politiker. Das Problem ist die kapitalistische Produktionsweise und das Nationalstaatensystem, von dem sie nicht zu trennen ist.
Die Ressourcen sind vorhanden, um die Armut zu beseitigen und jedem Menschen ein menschenwürdiges und erfülltes Leben zu ermöglichen. Aber eine relative Handvoll von Konzernausbeutern und Milliardären hat sich diese Ressourcen, die durch die Arbeit der Weltbevölkerung geschaffen wurden, angeeignet. Ihrem immer wahnsinnigeren Streben nach wachsendem Reichtum ordnen sie die gesamte Gesellschaft unter.
Angesichts des Debakels der Biden-Kampagne und Trumps drohender Rückkehr ins Weiße Haus wird das Interesse an dritten Parteien wachsen. Die Mehrheit der amerikanischen Öffentlichkeit betrachtet sowohl die Demokraten als auch die Republikaner mit Feindseligkeit. Umfragen zeigen jetzt schon, dass heute doppelt so viele Personen wie bei den Wahlen 2020 den Wunsch äußern, für einen unabhängigen Kandidaten zu stimmen.
Mehr lesen
- Die Socialist Equality Party (US) kämpft für eine sozialistische Alternative zu Biden und Trump, den kapitalistischen Kandidaten für Krieg und Diktatur!
- US-Wahlen 2024: Der Generalangriff der Demokraten auf dritte Parteien und unabhängige Kandidaten
- Biden unterzeichnet Weltkriegsgesetz
- Der Krieg gegen Russland, der Völkermord in Gaza und die US-Präsidentschaftswahlen
- Der Schuldspruch für Trump und die Krisenwahl 2024