Vor dem Nato-Gipfel in Washington vom 9. bis 11. Juli, auf dem das Militärbündnis eine massive Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland beschließen wird, treibt die Bundesregierung die Aufrüstung Deutschlands systematisch voran. Ein milliardenschweres Rüstungsvorhaben jagt das nächste und Politik und Medien überschlagen sich mit Forderungen nach einer noch schnelleren Militarisierung, um – in den Worten von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) – wieder „kriegstüchtig“ zu werden.
Am Mittwoch brachte der Haushaltsausschuss des Bundestags in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause weitere milliardenschwere Rüstungsvorhaben auf den Weg. In einem Pressestatement nach der Sitzung brüstete sich Pistorius damit, dass „auch heute wieder zahlreiche großvolumige Vorhaben aus dem Verteidigungsministerium auf dem Programm des Ausschusses“ gestanden hätten. Insgesamt blicke man auf „ein erfolgreiches erstes Halbjahr zurück“. Man habe „gezeigt, dass wir anpacken und dass wir die Zeitenwende gestalten“. Schließlich seien die „Entwicklungsvorhaben der Bundeswehr das Herzstück der Zeitenwende“.
Laut Pistorius sind allein in den letzten sechs Monaten 42 sogenannte 25-Millionen-Euro-Vorlagen mit einem Volumen von 27 Milliarden Euro vom Parlament gebilligt worden. An diesem Mittwoch stand die Beschaffung von 105 Leopard-2A8-Kampfpanzern im Wert von knapp 3 Milliarden Euro im Zentrum. Berichten zufolge sollen die Panzer bis spätestens 2030 an das Heer geliefert werden. 35 Stück sollen sogar schon bis 2028 verfügbar sein, um die geplante deutsche Kampfbrigade in Litauen zu verstärken.
Mit anderen Worten: die Panzeraufrüstung richtet sich direkt gegen Russland. In einer als Verschlusssache eingestuften Vorlage für den Haushaltsausschuss, aus der das Nachrichtenmagazin Der Spiegel zitiert, heißt es u.a., die Brigade werde „eines der ersten Elemente der Vorneverteidigung im Nato-Bündnis“. Deshalb sei die „bestmögliche und einheitliche Ausstattung“ der Brigade essenziell. Dabei habe die Modernisierung und Verstärkung der deutschen Panzerstreitkräfte des Heeres insgesamt „hohe Priorität“ für die Bundeswehr.
Für die deutsche Armee bedeutet die Bestellung eine signifikante Vergrößerung ihrer Panzerflotte. Aktuell verfügt die Bundeswehr über etwas mehr als 300 Leopard-Kampfpanzer. Mit der neuen Beschaffung würde der Bestand um mehr als ein Drittel aufwachsen. Und das wäre nur der Anfang. In Politik und Medien wird regelmäßig darauf verwiesen, dass die Bundeswehr zur Zeit des Kalten Kriegs noch über mehr als 3000 Kampfpanzer verfügte – bevor sie „kaputtgespart“ worden sei.
An welche Kriegspläne und verbrecherischen Traditionen die herrschende Klasse mit ihren Panzerplänen wieder anknüpft, zeigt ein Blick auf die offizielle Website der Bundeswehr. Dort preist eine Artikel über die „Panzertruppen“ der Bundeswehr offen Hitlers „Panzer-General“ Heinz Guderian, der eine Schlüsselrolle im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion gespielt hat, als „Vordenker für die Gestaltung einer modernen Panzertruppe“.
Guderian habe bereits nach dem Ersten Weltkrieg erkannt, wie wirksam „der massive Einsatz von Panzern“ sei. „Mit der Aufrüstung im nationalsozialistischen Deutschland“ habe Guderian dann „seine Ideen zu Organisation und Einsatz der Panzertruppe umsetzen“ können. „Sie waren Grundlage für die Blitzkriege der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg“, so der Text weiter. Sein „Konzept“ habe vorgesehen, „den Panzerverbänden beim Vorrücken alle notwendige Unterstützung mitzugeben. Dazu gehörten Pioniere, Artillerie, Instandsetzung und eben auch Infanterie.“
An all diesen Elementen arbeitet die Bundesregierung und entwickelt eine regelrechte Kriegswirtschaft, die von den gleichen Rüstungsunternehmen getragen wird, die bereits die Wehrmacht hochrüsteten. Anfang dieser Woche erhielt Rheinmetall von der Bundeswehr den größten Auftrag der Unternehmensgeschichte im Segment logistischer Fahrzeuge. Der unterzeichnete Rahmenvertrag umfasst die Lieferung von bis zu 6.500 LKW im Wert von bis zu 3,5 Milliarden Euro.
Nur wenige Tage zuvor hatte der Rüstungsriese mit der Bundeswehr den größten Auftrag seiner Geschichte überhaupt abgeschlossen. Es geht um die Lieferung von 155mm-Artilleriemunition im Wert von bis zu 8,5 Milliarden Euro. Der ursprüngliche, seit Juli 2023 bestehende Rahmenvertrag im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro, wurde damit um 7,2 Milliarden Euro aufgestockt. Die genaue Stückzahl der bestellten Geschosse wurde nicht genannt, aber es handelt sich um mehrere Millionen. Klar ist auch, dass ein Teil davon direkt an das Kriegsregime in Kiew gehen wird. „Abnehmerin wird in erster Linie die Bundesrepublik Deutschland sein, die einen Teil der Lieferungen der Ukraine zur Verfügung stellen wird“, sagte Rheinmetall-Chef Armin Papperger nach der Vertragsunterzeichnung.
Neben dem Heer werden auch die Marine und die Luftwaffe umfassend aufgerüstet. Mitte Juni hatte der Haushaltsausschuss die Finanzierung von zwei weiteren Fregatten 126 auf den Weg gebracht. Die Kosten belaufen sich auf rund 3,18 Milliarden Euro, die ausschließlich aus dem Verteidigungshaushalt kommen sollen. „Mit insgesamt sechs Fregatten dieses Typs werden wir nicht nur einsatzfähig, sondern auch durchhaltefähig sein“, prahlte Pistorius bei der Kiellegung der ersten Fregatte 126 am 3. Juni in Wolgast.
Anfang Juni hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Eröffnung der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) eine schnellere Verstärkung der Luftwaffe angekündigt. Man werde „noch in dieser Legislaturperiode 20 weitere Eurofighter bestellen – zusätzlich zu den 38 Flugzeugen, die derzeit noch in der Pipeline sind“, erklärte er. Legt man den durchschnittlichen Preis von 130 Millionen zu Grunde, belaufen sich die Gesamtkosten für die dann 58 Eurofighter, auf ca. 7,5 Milliarden Euro.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Zudem prüft die Bundeswehr laut Informationen des Spiegel den Kauf acht weiterer F35-Kampfjets. Bereits Ende 2022 hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags rund 10 Milliarden Euro für die Beschaffung von 35 nuklearwaffenfähigen US-Tarnkappenbombern vom Typ F-35 Lightning II freigegeben. Die ersten sollen ab 2026 ausgeliefert werden. „Eine weitere Tranche von acht Jets würde derzeit ungefähr eine Milliarde Euro kosten“, schreibt der Spiegel.
Eine weitere milliardenschwere Vorlage, die vom Haushaltsausschuss abgesegnet wurde, zielt auf die Beschaffung von vier weiteren Flugabwehrsystemen vom Typ Patriot für insgesamt 1,35 Milliarden Euro. Laut Pistorius sollen damit die Batterien ersetzt werden, die die Bundeswehr an Kiew abgegeben hat, und der Bestand der Luftwaffe, die aktuell über neun Patriot-Systeme verfügt, weiter aufgestockt werden.
Die massiven Aufrüstungsprojekte sind in doppelter Hinsicht eine Kriegserklärung an die Bevölkerung. Sie unterstreichen, wie aggressiv die herrschende Klasse daran arbeitet, die deutsche Armee wieder auf einen großen europäischen „Landkrieg“ vorzubereiten – wie es der selbsternannte „Rüstungsindustrieminister“ Robert Habeck (Grüne) jüngst formulierte. Und sie geben einen Eindruck davon, in welchem Ausmaß der Kriegsetat, der bereits in diesem Jahr bei über 90 Milliarden Euro liegt, weiter explodieren wird, um die Aufrüstung zu finanzieren.
In seinem Statement nach der Sitzung des Haushaltsausschusses verkündete Pistorius das neue Rüstungsprinzip der Regierung: „Wir werden werden jetzt den Spieß umdrehen. Wir melden jetzt nicht an, was wir uns anhand der Kassen leisten können, sondern wir wir melden das an, was wir für die Verteidigungsfähigkeit des Landes brauchen.“ Die neuen Kampfpanzer, Fregatten und Raketensysteme sind weder durch das bereits aufgebrauchte 100-Milliarden-Sondervermögen der Bundeswehr noch durch den aktuellen Haushalt gedeckt. Man habe „auf der Grundlage von sogenannten Verpflichtungsermächtigungen“ bestellt.
In der Konsequenz bedeutet das: die jüngst bekannt gewordenen Pläne für Milliarden–Kürzungen beim Bürgergeld sind nur die ersten Anzeichen für den größten Kriegs- und Sparhaushalt in der bundesrepublikanischen Geschichte, den die Ampel-Parteien aktuell hinter den Kulissen aushecken.