Vor knapp einer Woche hat die Ukraine eine Militäroffensive gegen die russische Region Kursk gestartet. In dieser Zeit sind mehrere tausend Soldaten bis zu einem Dutzend Kilometer über die russische Grenze hinaus vorgedrungen. Russland war bisher nicht in der Lage, die Offensive abzuwehren, und anrückende russische Verstärkungskolonnen wurden durch Langstreckenangriffe vernichtet. Am Montag begann Russland mit Evakuierungen aus Belgorod, einer weiteren nahe gelegenen Grenzregion, da ukrainische Streitkräfte angeblich die Grenze überschritten haben.
Die Kursk-Offensive ist militärisch nur von begrenzter Wirksamkeit, aber politisch von großer Bedeutung. Es ist eine gewaltige politische Demütigung des Putin-Regimes und eine Demonstration, dass die Nato keine „Roten Linien“ in ihrer Eskalation gegen Russland kennt.
Die Vereinigten Staaten, Deutschland und die Europäische Union haben die ukrainische Offensive gebilligt, auch wenn sie behaupten, an ihrer Planung und Koordinierung nicht beteiligt gewesen zu sein.
Solche Behauptungen über die Nichtbeteiligung der Nato sind absurd. Der Angriff erfolgte nur einen Monat nach dem Nato-Gipfel in Washington und dort wurde die Aufsicht über die Bewaffnung und Ausbildung der ukrainischen Armee offiziell direkt der Nato übertragen. Die ukrainische Kursk-Offensive, bei der amerikanische und deutsche Panzer und Langstreckenraketen zum Einsatz kommen, wird in Wirklichkeit von Washington, Berlin und London aus im Minutentakt koordiniert.
Vor dreiundachtzig Jahren, zu Beginn der Operation Barbarossa im Juni 1941, stürmten deutsche Panzer die Grenze zur Sowjetunion. Heute fahren wieder deutsche gepanzerte Fahrzeuge nach Russland, bemannt mit ukrainischen Truppen, die oft dieselben Abzeichen tragen, darunter Hakenkreuze und die von Himmlers SS verwendete Runenzeichen.
Zwei Jahre nach Beginn der Operation Barbarossa wurden die nationalsozialistischen Streitkräfte in der größten Landschlacht der Geschichte in der Region Kursk in Russland entscheidend geschlagen.
Jetzt hat der Economist, die führende Publikation des britischen Imperialismus, den Beginn der „Zweiten Schlacht von Kursk“ verkündet. Die Zeitschrift begrüßt eine Offensive, die genau in den Monat des 80. Jahrestages von Hitlers Niederlage in derselben Region fällt.
Der Angriff auf Kursk hat nach den Worten von Mychajlo Podoljak, einem Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, gezeigt, dass „ein bedeutender Teil der Weltgemeinschaft [Russland] als ein legitimes Ziel für alle Operationen und Waffentypen betrachtet“.
Wenn es der Ukraine erlaubt ist, Russland mit Nato-Waffen anzugreifen, so folgt daraus zwangsläufig, dass auch ein direkter Angriff von Nato-Truppen auf Russland zulässig ist.
Die von der Biden-Regierung zunächst selbst deklarierten Beschränkungen der direkten Beteiligung am Krieg wurden systematisch abgebaut. Im Jahr 2017, vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine, lieferten die USA der Ukraine erstmals offiziell tödliche Waffen. Im Jahr 2023 folgten gepanzerte Fahrzeuge und Panzer und 2024 F-16-Kampfflugzeuge und Langstreckenraketen. Dann kam die Genehmigung, diese Waffen innerhalb Russlands einzusetzen. Jetzt hat die Ukraine mit amerikanischen und deutschen Panzern einen direkten Bodenangriff auf Russland gestartet.
Die nächste „Rote Linie“, welche die Nato überschreiten wird, könnte die Entsendung eigener Truppen sein, auch für eine Militäroffensive auf der Krim.
Das ukrainische Regime, das sich ideologisch auf den Nazi-Kollaborateur und Holocaust-Täter Stepan Bandera bezieht, hat den Ausgangspunkt für die Legitimierung eines Krieges zur Unterwerfung Russlands geschaffen. Als im vergangenen Jahr die Botschafter der großen Nato-Mächte, einschließlich Deutschlands, gemeinsam mit dem gesamten kanadischen Parlament dem Nazi-Kriegsverbrecher Jaroslaw Hunka applaudierten, brachten sie den grundlegenden politischen Inhalt des Nato-Krieges gegen Russland zum Ausdruck.
Das oligarchische Regime im Kreml, das aus der Zerstörung der UdSSR durch die stalinistische Bürokratie und der Restauration des Kapitalismus hervorgegangen ist, hat keine praktikable, geschweige denn fortschrittliche Antwort auf das Bestreben der Nato, Russland zu unterjochen.
Am Sonntag veröffentlichte die Denkfabrik Atlantic Council einen Blogbeitrag, in dem sie die Reaktion des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf den Anschlag bewertet:
Die ukrainische Offensive wirft nun ernsthafte Fragen über die Glaubwürdigkeit des russischen Säbelrasselns und die Vernunft hinter dem Übermaß an Vorsicht des Westens auf. Schließlich ist der aktuelle Einmarsch der ukrainischen Armee in Russland sicherlich die roteste aller Roten Linien. Wenn es Russland mit einer möglichen nuklearen Eskalation überhaupt ernst wäre, wäre dies der Moment, die zahlreichen Drohungen wahr zu machen. Putin hat daraufhin versucht, die Invasion herunterzuspielen und so zu tun, als ob alles noch nach Plan verlaufen würde.
In der Tat ist die Nato entschlossen, jede „Rote Linie“ zu überschreiten, die sie zuvor festgelegt hatte, um ihre eigene Beteiligung an einem direkten Krieg mit Russland zu begrenzen; dazu gehört nun auch die „roteste aller Roten Linien“: direkte Angriffe auf russisches Hoheitsgebiet.
Die Rücksichtslosigkeit dieser Politik kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die russische Regierung hat öffentlich verkündet, dass ein Angriff auf russisches Territorium mit dem Einsatz von Atomwaffen beantwortet werden würde. Die Nato-Mächte fordern Russland geradezu heraus, diese Drohung wahr zu machen, was nicht nur einen umfassenden Krieg zwischen Russland und der Nato auslösen könnte, sondern auch einen thermonuklearen Schlagabtausch, der die gesamte Menschheit vernichten könnte.
Der Angriff auf Kursk hat die Schwäche des bürgerlichen Staates offenbart, der aus der Auflösung der Sowjetunion hervorgegangen ist.
Immer wieder hat Putin darauf bestanden, dass die russische Oligarchie ein braves, antikommunistisches „bürgerliches“ Regime ist, das verzweifelt versucht, seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu retten, wo es nur kann.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Wie Putin in seinem Interview mit Tucker Carlson Anfang des Jahres klagend erklärte:
Wir haben versucht, sie zu überreden. Wir haben gesagt: „Bitte nicht. Wir sind jetzt genauso bürgerlich wie ihr. Wir sind eine Marktwirtschaft, und es gibt keine Macht der Kommunistischen Partei. Lassen Sie uns verhandeln.“
Die imperialistischen Mächte sind jedoch nicht an Verhandlungen interessiert. Vielmehr sind sie entschlossen, Russland zu dominieren und zu zwingen, das amerikanische Diktat zu akzeptieren. Alle Appelle Putins an die imperialistischen Mächte, „vernünftig“ zu sein, erhöhen nur deren Rücksichtslosigkeit. Sie sind entschlossen, Russland militärisch zu zerschlagen, seine Regierung zu stürzen und das Land schließlich nach dem Vorbild Jugoslawiens in eine Gruppe sich bekriegender Kleinstaaten aufzulösen, die vom Imperialismus ausgebeutet werden können.
Putin selbst steht unter dem enormen Druck eines beträchtlichen Teils der russischen Oligarchie, welcher ein Abkommen mit der Nato anstrebt, das ihnen den Zugang zu ihren westlichen Bankkonten und Yachten ermöglicht. Viel mehr als die Nato fürchtet diese soziale Schicht die Radikalisierung der Arbeiterklasse.
Gleichzeitig kann die kontinuierliche Eskalation seitens der Nato-Mächte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die Regierung Putin gezwungen sieht, ihre Drohungen mit militärischen Vergeltungsmaßnahmen wahr zu machen.
Putin ist zweifellos der Meinung, dass eine mögliche Präsidentschaft Trumps den Umfang der direkten Beteiligung der USA und der Nato am Krieg gegen Russland verringern würde. Aber es war die Trump-Regierung, die erstmals direkte US-Nato-Waffenverkäufe an die Ukraine genehmigte, die für die Vorbereitung des gegenwärtigen Krieges so entscheidend waren. Unabhängig vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen ist der US-Imperialismus entschlossen, die gesamte ehemalige Sowjetunion zu unterwerfen, Menschenleben spielen dabei keine Rolle.
Die Kursker Offensive ist Teil eines globalen Ausbruchs imperialistischer Gewalt in der ganzen Welt, die sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China und den Iran richtet. Am Montag kündigten die USA die Entsendung einer Gruppe von Kriegsschiffen in den Nahen Osten an, die den Iran bedrohen. Die USA machen damit deutlich, dass die derzeitige globale militärische Eskalation weltweit stattfindet.
Der eskalierende Nato-Krieg gegen Russland zeigt einmal mehr die vollen und katastrophalen Folgen der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion, die den endgültigen Verrat der stalinistischen Bürokratie an der russischen Revolution von 1917 darstellt. Damals behaupteten die Befürworter der Auflösung der Sowjetunion, dass dies die Voraussetzungen für eine „friedliche Koexistenz“ mit den USA und der Nato schaffen würde. Der Imperialismus sei ein von Lenin erfundener Mythos. Drei Jahrzehnte später ist klar geworden, dass der Imperialismus in der Tat sehr real ist und Russland als Ziel für seine Zerstörung ausgewählt hat.
Es gibt keine andere Lösung für die massive Eskalation des imperialistischen Krieges als den Aufbau einer massenhaften Antikriegsbewegung. Diese muss sich auf die Traditionen der Oktoberrevolution stützen und die Arbeiter Europas, Asiens, Amerikas und der ganzen Welt in den Kampf zum Sturz des kapitalistischen Systems einbinden, das die Hauptursache für den imperialistischen Krieg ist.