Eröffnungsbericht an den achten nationalen Parteitag der Socialist Equality Party (US)

Wir veröffentlichen hier den einleitenden Bericht von David North, dem nationalen Vorsitzenden, zum achten Parteitag der Socialist Equality Party (US), der vom 4. bis 9. August 2024 stattfand. Auf dem Parteitag wurden zwei Resolutionen einstimmig verabschiedet, Die Präsidentschaftswahlen von 2024 und die Aufgaben der Socialist Equality Party und Freiheit für Bogdan Syrotjuk!

Zu Beginn dieses Parteitags ist es angemessen, dass wir ein Gründungsmitglied unserer Partei ehren: Genossin Helen Halyard, die am 28. November 2023 im Alter von 73 Jahren verstorben ist. Bezieht man die Geschichte der Workers League, der Vorgängerorganisation der Socialist Equality Party, mit ein, ist dies das erste Mal seit mehr als einem halben Jahrhundert, dass Genossin Helen an einem Parteitag der amerikanischen Sektion des Internationalen Komitees nicht teilnimmt.

Helen war 52 Jahre lang Mitglied unserer Partei. Während vieler Jahre hatte sie Führungspositionen inne. Von 1973 bis zu ihrem Tod war sie Mitglied des Vorstands der US-Sektion. Von 1976 bis 2008 war Helen stellvertretende nationale Sekretärin. In den Jahren 1974 und 1976 vertrat Helen die Workers League als Kandidatin für die Kongresswahlen. Im Jahr 1984 war sie die Vizepräsidentschaftskandidatin der Partei. Acht Jahre später, 1992, war Helen die Präsidentschaftskandidatin der Workers League.

Helen spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte nicht nur der Workers League und der Socialist Equality Party, sondern auch des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Ihre Arbeit war in den Grundlagen unserer Weltpartei verankert. Helen ist nicht mehr unter uns, doch alles, was sie beigetragen hat, lebt in unserer Partei fort.

Die Vierte Internationale ist eine Partei der Geschichte. Unsere Kader kämpfen gemeinsam dafür, dem kapitalistischen System ein Ende zu setzen und die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen zu schaffen, die für die Befreiung der Arbeiterklasse von Ausbeutung und Unterdrückung notwendig sind. Eine Aufgabe dieser weltgeschichtlichen Größenordnung, „der Sprung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit“, von deren Lösung das Überleben der Menschheit abhängt, erfordert einen intensiven und ständigen Einsatz. Wie Trotzki sagte: „Nie zuvor gab es auf der Erde eine größere Aufgabe. Auf jedem von uns ruht eine ungeheure historische Verantwortung.“ Und er fuhr fort:

Unsere Partei fordert jeden von uns total und vollständig. Mögen die Philister im leeren Raum ihrer Individualität nachjagen. Sich ganz der Partei hinzugeben, bedeutet für einen Revolutionär, zu sich selbst zu finden.

Helen begrüßt den sowjetischen Historiker Wadim Rogowin bei seiner Ankunft in Detroit, 2. Februar 1995

Genossin Helen ist ein Sinnbild für die Bedeutung der Kader im Kampf für den Sozialismus. Die Kader unserer Weltbewegung verkörpern eine große kollektive historische Erfahrung. Die älteste anwesende Delegierte – sie nimmt als Teil der britischen SEP-Delegation an diesem Parteitag teil – ist Genossin Barbara Slaughter, die im Alter von 96 Jahren gerade einen Entwurf ihrer Autobiografie fertiggestellt hat. Genossin Barbara wurde 1927 geboren, zehn Jahre nach der Oktoberrevolution, die auch im britischen Generalstreik vom Mai 1926 noch nachklang. Der Verrat dieses historischen Streiks durch die bürokratische Führung der Gewerkschaften, der durch die opportunistische Politik der britischen Kommunistischen Partei begünstigt wurde, führte dazu, dass breite Teile der Arbeiterklasse in den 1930er Jahren, den Jahren von Barbaras Jugend, in große Not gerieten.

Genossin Barbara nahm während des Zweiten Weltkriegs den Kampf für den Sozialismus auf. Als sie im September 1944 an die Universität von Leeds kam, trat sie der Student Labour Federation bei, die politisch von der britischen Kommunistischen Partei kontrolliert wurde. Das war vor 80 Jahren.

Barbara Slaughter bei einem Redebeitrag auf dem Parteitag der Labour Party 1962

Barbara war zehn Jahre lang Mitglied der britischen Kommunistischen Partei. Doch die Enthüllung von Stalins Verbrechen durch Nikita Chruschtschow, den Führer der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, in einer „Geheimrede“ im Februar 1956 – auf die im Oktober und November 1956 die blutige Niederschlagung der antistalinistischen ungarischen Revolution durch den Kreml folgte – führte zu Barbaras Bruch mit der britischen Kommunistischen Partei und kurz darauf zu ihrem Beitritt zur trotzkistischen Bewegung in Großbritannien, die 1959 die Socialist Labour League gründete. 1973 wandelte sich die SLL in die Revolutionary Workers Party um. Sie war damals dabei, in Richtung einer zentristischen und pablistischen Politik abzudriften.

Die Workers League äußerte in den Jahren 1982 bis 1984 Kritik an Gerry Healys subjektiv-idealistischer Verzerrung des Marxismus und am politischen Opportunismus der WRP. Diese Kritik wurde gegenüber den Mitgliedern der britischen Sektion verheimlicht. Doch als die Dokumente der Workers League während der Krise der WRP im Herbst 1985 zum ersten Mal verfügbar wurden, unterstützte Barbara die orthodoxe trotzkistische Tendenz, die mit dem IKVI verbündet war. Seit 40 Jahren und bis zum heutigen Tag spielt Genossin Barbara eine entscheidende Rolle in der Führung der britischen Sektion des IKVI.

Ein weiteres Mitglied der britischen Delegation auf unserem Kongress ist Genossin Vicky Short, die vergangene Woche ihren 90. Geburtstag gefeiert hat. Sie wurde 1934 in Spanien geboren, in einem Dorf am Rande von Madrid, nur zwei Jahre vor dem Ausbruch der spanischen Revolution. Obwohl Vicky damals noch ein kleines Kind war, sollten die tragischen Folgen des Verrats der Revolution durch den Stalinismus, der zur Errichtung der faschistischen Diktatur unter Franco führte, ihre intellektuelle und politische Entwicklung tiefgreifend beeinflussen. Sie wanderte 1959 nach Großbritannien aus.

Obwohl ihr Vater in der Kommunistischen Partei Spaniens aktiv war, wurde Vicky für den Trotzkismus gewonnen und trat 1967 der Socialist Labour League bei. 1985 unterstützte Genossin Vicky genau wie Barbara die trotzkistische Tendenz in der WRP unter der Führung von Dave Hyland, die das Programm des Internationalen Komitees, d. h. das Programm des sozialistischen Internationalismus und der permanenten Revolution, gegen die pablistischen nationalen opportunistischen Fraktionen von Healy, Banda und Slaughter verteidigte.

Die Aktivität des langjährigsten Mitglieds der US-Sektion innerhalb der trotzkistischen Bewegung erstreckt sich über inzwischen 65 Jahre. Wie jeder Leser der World Socialist Web Site weiß, steuert Genosse Fred Mazelis auch im Alter von 83 Jahren noch einige der besten Artikel bei, die auf der WSWS veröffentlicht werden. Im vergangenen Monat hat er zwei hervorragende Artikel über den deutschen linken Komponisten Hanns Eisler und vor sechs Tagen einen Rückblick auf das Leben des französischen Schriftstellers Émile Zola verfasst.

Fred ist eine historische Figur im IKVI und in der US-Sektion. Er wurde im Mai 1941 geboren. Die geschichtlichen Ereignisse, die seine Familie kulturell und politisch prägten, spielten sich in der Ukraine ab. Seine Großmutter und sein Vater kamen als Flüchtlinge in die Vereinigten Staaten. Sie waren den mörderischen Pogromen des antibolschewistischen Regimes von Symon Petljura entkommen, bei denen von 1918 bis 1921 etwa 200.000 ukrainische Juden ermordet wurden. Freds Großvater, sein Urgroßvater und sein Großonkel wurden bei einem Pogrom Anfang 1919 getötet. Dieses Regime wird nun von der derzeitigen faschistischen Regierung in Kiew verherrlicht. In den Vereinigten Staaten bewegten sich Freds Eltern – obwohl sie nicht Mitglied der Kommunistischen Partei waren – in einem sozialen Milieu, das politisch vom Stalinismus beeinflusst war.

In seiner Jugend und als Teenager in den 1950er Jahren erfuhr Fred das reaktionäre Klima des Antikommunismus im Kalten Krieg: die McCarthy-Hexenjagden, die allgegenwärtigen schwarzen Listen und die Hinrichtung von Julius und Ethel Rosenberg. Im Umfeld des Stalinismus und der radikalen Linken erlebte Fred die Auswirkungen von Chruschtschows Geheimrede und der ungarischen Revolution. Freds Hunger nach Lesestoff war unersättlich, und so kam er schließlich in Kontakt mit der Jugendbewegung, die sich unter dem Einfluss der Socialist Workers Party entwickelte, die damals noch mit dem Internationalen Komitee verbunden war.

Der Leiter der Jugendarbeit der SWP war Tim Wohlforth. Wohlforth hatte mit Max Shachtman gebrochen, der sich vom Trotzkismus abgewandt hatte und ein führender politischer Berater der antikommunistischen AFL-CIO-Bürokratie geworden war. Fred traf Wohlforth und einen anderen jungen Trotzkisten, Danny Freeman, erstmals 1958. Fred begann, eine führende Rolle in der Arbeit der Jugendbewegung zu spielen, die 1960 als Young Socialist Alliance landesweit gegründet wurde.

Zu diesem Zeitpunkt rückte die SWP jedoch von den Grundsätzen ab, die sie 1953 im Kampf gegen den Pablismus verteidigt hatte. Unter der Führung von Joseph Hansen setzte sich die SWP offensiv für eine Wiedervereinigung mit dem Internationalen Sekretariat der Pablisten ein. Wohlforth, der die Kritik der Socialist Labour League an der revisionistischen Ausrichtung der SWP unterstützt hatte, wurde aus der Führung der YSA entfernt. Er wurde durch eine Gruppe von Studenten ersetzt, die zuvor nichts mit sozialistischer Politik zu tun gehabt hatten und auf unerklärliche Weise am Carleton College in Minnesota rekrutiert worden waren. Fred wurde Teil der Pro-IKVI-Minderheit in der SWP, die sich 1963 gegen die Wiedervereinigung mit den Pablisten aussprach. Im September 1964 wurde Fred zusammen mit Wohlforth und anderen Mitgliedern der Pro-IKVI-Opposition aus der SWP ausgeschlossen, weil er eine Diskussion über den Eintritt der ceylonesischen LSSP, die mit der pablistischen Internationale verbunden war, in die bürgerliche Regierung von S. Bandaranaike gefordert hatte.

Fred wurde Gründungsmitglied des Amerikanischen Komitees für die Vierte Internationale (ACFI) und vertrat es auf dem Dritten Kongress des IKVI im April 1966. Im November 1966 war er Mitbegründer der Workers League. Als Wohlforths zunehmend opportunistisches und prinzipienloses Verhalten in einer verantwortungslosen Verletzung der Sicherheit der Workers League und des Internationalen Komitees und seinem Austritt aus der Partei gipfelte, übernahm Fred das Amt des nationalen Sekretärs, das er dann von Herbst 1974 bis Januar 1976 innehatte.

In den folgenden 45 Jahren spielte Fred weiterhin eine führende Rolle in der Workers League und der Socialist Equality Party als Mitglied des Vorstands, aus dem er sich 2014 aus Altersgründen zurückzog. Im Februar 1984 gehörte Genosse Fred zur Delegation der Workers League auf der Sitzung des IKVI, auf der ich eine detaillierte Kritik an der pablistischen Politik der WRP vortrug. Fred verteidigte mich energisch gegen die prinzipienlosen und niederträchtigen Anschuldigungen der WRP-Führer.

Die Arbeit des Internationalen Komitees wird von Genossinnen und Genossen geleitet, deren kollektive persönliche und politische Erfahrung zwei Drittel des 20. und das erste Viertel des 21. Jahrhunderts umspannt. Genossin Barbara wurde in den 1920er Jahren, Genossin Vicky in den 1930er Jahren und Genosse Fred in den 1940er Jahren geboren. Die Generation der Parteiführer, zu der ich gehöre, wurde in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren geboren. Unsere politische Entwicklung vollzog sich unter dem fortdauernden Schatten des Zweiten Weltkriegs und im Zuge der Massenradikalisierung in den 1960er Jahren. Zwar gibt es nur wenige Mitglieder der SEP, die in den 1970er und frühen 1980er Jahren geboren wurden – die begrenzte Anzahl spiegelt das Klima der politischen und kulturellen Reaktion dieser Zeit wider –, doch eine beträchtliche Anzahl jüngerer Führungskräfte wurde in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren geboren. Und auf unserem Parteitag sind auch Genossen vertreten, die im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts geboren wurden und bereits eine wichtige Rolle in der Arbeit der Partei spielen.

Es ist beeindruckend, dass zwischen der Geburt des ältesten und des jüngsten Mitglieds unserer Partei fast 80 Jahre liegen. Die älteste Genossin, Barbara, kam auf die Welt, als Trotzki zwar verfolgt wurde, aber immer noch ein Führer der Sowjetunion war. Der jüngste unserer Genossen wurde mehr als 60 Jahre nach Trotzkis Ermordung und zehn Jahre nach der Auflösung der UdSSR geboren.

Welche Bedeutung hat die Tatsache, dass das Leben der hier anwesenden Delegierten eine so große geschichtliche Bandbreite umfasst und darüber hinaus die politischen Erfahrungen, die die ältesten Genossen gemacht haben, für die Arbeit der jüngsten weiterhin immense Bedeutung haben? Es veranschaulicht den Wesenskern der Vierten Internationale. Sie ist eine „Partei der Geschichte“ in dem Sinne, dass ihre Existenz und Arbeit auf die Probleme einer ganzen historischen Epoche gerichtet ist, der Epoche der sozialistischen Weltrevolution. Die grundlegenden politischen Probleme, mit denen Barbara, Vicky, Fred und, nicht zu vergessen, die inzwischen über siebzigjährigen Jungspunde meiner Generation konfrontiert waren, sind dieselben, vor denen die Genossinnen und Genossen stehen, die jetzt Anfang dreißig, zwanzig oder sogar noch im Teenageralter sind.

Etwas mehr als ein Jahr nach Barbaras Geburt formulierte Trotzki prägnant die marxistische Perspektive:

Der Abschluss einer sozialistischen Revolution ist im nationalen Rahmen undenkbar. Eine grundlegende Ursache für die Krisis der bürgerlichen Gesellschaft besteht darin, dass die von dieser Gesellschaft geschaffenen Produktivkräfte sich mit dem Rahmen des nationalen Staates nicht vertragen. Daraus ergeben sich einerseits die imperialistischen Kriege, andererseits die Utopie der bürgerlichen Vereinigten Staaten von Europa. Die sozialistische Revolution beginnt auf nationalem Boden, entwickelt sich international und wird vollendet in der Weltarena. Folglich wird die sozialistische Revolution in einem neuen, breiteren Sinne des Wortes zu einer permanenten Revolution: Sie findet ihren Abschluss nicht vor dem endgültigen Sieg der neuen Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten. (Die permanente Revolution, Essen 1993, S. 185–186, Was ist nun die Permanente Revolution?')

Das letzte Jahrhundert ging zu Ende, ohne dass die historischen Aufgaben, die es gestellt hatte, gelöst worden waren. Es war, wie wir geschrieben haben, das unvollendete Jahrhundert. Es hinterließ dem 21. Jahrhundert die Probleme, die sich aus den Widersprüchen des Weltkapitalismus ergaben und in der Praxis nicht gelöst worden waren. Doch die Lösung dieser Probleme kann nicht mehr lange aufgeschoben werden. Wir befinden uns gegenwärtig in einem sehr fortgeschrittenen und späten Stadium der historischen Epoche, die vor genau 110 Jahren, am 4. August 1914, mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann. An dieser Stelle ist eine Warnung notwendig: Der Todeskampf des Kapitalismus kann und wird nicht ewig dauern. Es zieht bereits die Gefahr eines dritten Weltkriegs herauf, der, wenn er nicht gestoppt wird, zweifellos zum Einsatz von Atomwaffen führen wird. Der Kapitalismus muss gestürzt und durch den Sozialismus ersetzt werden, bevor er zur Zerstörung der menschlichen Zivilisation führt. Die heutige objektive Situation verleiht der Arbeit des Internationalen Komitees der Vierten Internationale und dieses Kongresses eine enorme Dringlichkeit.

Das historische Ziel, für dessen Verwirklichung sich die Socialist Equality Party einsetzt, wird durch ihr Programm definiert. Auf ihrem Gründungskongress im August 2008 verabschiedete die SEP eine Resolution mit dem Titel Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party. Darin wird die Geschichte des Kampfs für das Programm der SEP aufzeigt. Auf dem Gründungskongress wurde dieses Dokument mehrere Tage lang ausführlich diskutiert. Alle 255 Absätze, aus denen es besteht, wurden von den Delegierten diskutiert und einstimmig angenommen. Der Kongress verabschiedete außerdem ein weiteres Dokument, die Grundsatzerklärung (Statement of Principles). Jeder der 40 Absätze wurde ausführlich diskutiert und von den Delegierten einstimmig angenommen.

Diese beiden Dokumente definierten die historisch begründete politische Identität der Socialist Equality Party als trotzkistische Organisation, die „in Solidarität mit dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale steht und dessen politische Autorität anerkennt“. Die Grundsatzerklärung wendet sich gegen die Kurzsichtigkeit und Ungeduld, die für alle opportunistischen Organisationen charakteristisch sind, die für gewöhnlich auf Prinzipien verzichten und ihre Programme vulgärpragmatischen Erwägungen anpassen, um billige und flüchtige Erfolge zu erzielen:

Die sozialistische Revolution, die den gewaltsamen Eintritt der Massen in den bewussten politischen Kampf bedeutet, bedeutet die größte und fortschrittlichste Umgestaltung der gesellschaftlichen Organisationsform des Menschen in der Weltgeschichte – das Ende der Klassengesellschaft und damit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Eine so gewaltige Umwälzung ist das Werk einer ganzen historischen Epoche. (Absatz 1)

In den Augen der Gegner der Vierten Internationale ist die Sorge um Prinzipien und Programm die größte Sünde der trotzkistischen Bewegung. Ein britischer Akademiker, John E. Kelly, hat kürzlich zwei Bücher verfasst, in denen er den Trotzkismus anprangert. Beide sind bei Routledge erschienen. Das erste trägt den Titel Contemporary Trotskyism (Der Trotzkismus von heute) und wurde 2018 veröffentlicht. Das zweite, The Twilight of Trotskyism (Die Dämmerung des Trotzkismus), ist letztes Jahr herausgekommen. Man könnte die Frage stellen, warum ein großer Verlag wie Routledge beschlossen hat, innerhalb von fünf Jahren beträchtliche Mittel in die Veröffentlichung von zwei Büchern über eine bedeutungslose Bewegung zu stecken, die gerade in der „Dämmerung“ ihrer Geschichte versinkt.

Kelly, der Mitglied der britischen Kommunistischen Partei war (und möglicherweise immer noch ist), sieht den Hauptfehler des Trotzkismus in Folgendem:

Er stellt die Klassenausbeutung, den Klassenkampf, den Aufbau einer Avantgardepartei und den Kampf zwischen revolutionärer und reformistischer Politik in den Vordergrund. In programmatischen und perspektivischen Dokumenten konzentriert sich die trotzkistische Sprache über die politische Aktion immer auf diese abstrakten Akteure, die Arbeiterklasse oder die Massen, gelegentlich begleitet von einem nicht näher definierten Kleinbürgertum. [Contemporary Trotskyism, S. 237]

Die Arbeiterklasse ist also laut Kelly ein „abstrakter Akteur“. Die wichtigeren Akteure, die von den Trotzkisten entweder ignoriert oder unzureichend beachtet werden, sind durch „andere Formen der Unterdrückung, die auf dem Geschlecht, der sexuellen Orientierung und der ethnischen Zugehörigkeit beruhen, definiert…“ (S. 237) Aber unter wissenschaftlich-materialistischen Aspekten ist Kelly derjenige, der abstrakte soziale Kategorien ohne präzisen sozioökonomischen Inhalt einer konkreten Analyse der sozioökonomischen Beziehungen entgegenstellt, die sich innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise bilden und auf ihrer Grundlage wirken.

Kellys Ansicht über die Folgen der Treue zum Marxismus:

Die trotzkistische Bewegung hat eine beispiellose Bilanz des politischen Scheiterns. In den fast einhundert Jahren ihres Bestehens haben Trotzkisten nie eine Revolution angeführt, eine nationale Wahl gewonnen oder eine dauerhafte politische Massenpartei aufgebaut (mit der möglichen Ausnahme der Lanka Sama Samaja Party (LSSP) in Sri Lanka in den 1950er Jahren). (Twilight of Trotskyism, S. xi)

Weiter geifert Kelly:

Das von den Trotzkisten angeführte revolutionäre Szenario, das trotz fast hundertjähriger Bemühungen nirgendwo verwirklicht wurde, stellt eine tragische und verschwenderische Fehlleitung von politischer Energie und politischen Ressourcen weg von ernsthafter radikaler Politik dar. [Twilight of Trotskyism, S. xiii]

Die schlimmste aller trotzkistischen Sekten, so Kelly, ist das IKVI. Er schreibt:

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) wurde ursprünglich 1953 gegründet, tauchte aber nach der Implosion der WRP 1985 unter der Führung des amerikanischen Aktivisten David North, einer unbescheidenen und arroganten Person, wieder auf. Für North und seine Kollegen gibt es nur eine Strömung des Marxismus: „Der Trotzkismus ist der Marxismus des 21. Jahrhunderts“, und innerhalb des trotzkistischen Universums gibt es nur eine wahre trotzkistische Partei. (Twilight of Trotskyism, S. 96)

Zur Untermauerung seiner Anschuldigung zitiert Kelly die folgende Passage aus der Neujahrserklärung, die am 3. Januar 2019 auf der World Socialist Web Site veröffentlicht wurde:

In Theorie und Praxis hat das IKVI den Beweis erbracht, dass es die einzige revolutionäre Partei der internationalen Arbeiterklasse und der einzige Vertreter des wahren Marxismus ist. Es gibt außerhalb des IKVI keine politische Tendenz auf der Welt, die begründet behaupten kann, die Kontinuität der 1938 von Trotzki gegründeten internationalen Partei zu vertreten. (Ursprünglich veröffentlicht auf der WSWS unter dem Titel: Die Strategie des internationalen Klassenkampfs und der politische Kampf gegen die kapitalistische Reaktion im Jahr 2019)

Dies ist nicht der geeignete Zeitpunkt und Ort für eine ausführliche Antwort an Mr. Kelly, aber zwei Punkte müssen festgehalten werden. Während Kelly darüber spottet, dass die trotzkistische Bewegung noch keine sozialistische Revolution angeführt hat, ignoriert er die konterrevolutionären Taten und oftmals mörderische Gewalt, mit denen die stalinistischen und sozialdemokratischen Massenparteien und Gewerkschaftsorganisationen im Bündnis mit dem Staat versuchten, die trotzkistische Bewegung zu isolieren und zu zerstören und das kapitalistische System zu verteidigen. Kelly tut so, als hätte die trotzkistische Bewegung ihre revolutionäre Arbeit unter idealen Laborbedingungen durchgeführt.

Der zweite Punkt, eigentlich eine Frage, lautet: Welches sind die großen politischen Erfolge jener Organisationen und ihren Führern, die sich mit dem beschäftigen, was Kelly „ernsthafte“, d.h. nicht-revolutionäre Politik nennt? Mr. Kelly lässt seine Leser wissen, dass er in den 1980er Jahren Mitglied der britischen Kommunistischen Partei war. Worin bestehen die großen und bleibenden Errungenschaften dieser Partei, die in jedes Verbrechen und jeden Verrat des stalinistischen Regimes im Kreml von den 1920er Jahren bis zur katastrophalen Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 verwickelt war?

Was die Labour Party betrifft, so ist sie 118 Jahre nach ihrer Gründung ein bloßes Instrument des britischen Imperialismus, angeführt von einer Kabale rechter Kriegstreiber, die sich der Demontage selbst der begrenzten Reformen verschrieben hat, die von Labour-Regierungen in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt worden waren. Man kann davon ausgehen, dass Mr. Kelly ein getreuer Anhänger von Jeremy Corbyn ist, dem politischen Eunuchen, der die Ohnmacht der zeitgenössischen pseudolinken, antimarxistischen und antitrotzkistischen Politiker verkörpert. Corbyn wurde mit riesiger Unterstützung der Bevölkerung an die Spitze der Labour-Partei geschoben, nur um die Macht an den rechten Flügel der Blair-Partei zurückzugeben. Außerhalb Großbritanniens lieferten Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien ähnliche Beispiele für politischen Bankrott.

Die große Stärke der Vierten Internationale, angeführt vom Internationalen Komitee, besteht darin, dass ihr Programm mit der objektiven Situation und der Logik des Klassenkampfs auf internationaler Ebene übereinstimmt. Wie groß die Schwierigkeiten auch sein mögen, das Programm der Socialist Equality Party und des IKVI bringt die Interessen der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten und weltweit zum Ausdruck.

Unser achter Parteitag findet vor dem Hintergrund einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise des kapitalistischen Systems statt. In nur drei Monaten sind Präsidentschaftswahlen. Die SEP greift in diese Wahlen ein und stellt in mehreren Bundesstaaten Kandidaten auf. Zwei grundlegende Themen beherrschen diese Wahlen: die Eskalation des amerikanischen Imperialismus hin zu einem globalen Krieg und der Zusammenbruch der Demokratie innerhalb der Vereinigten Staaten.

Den Delegierten liegt eine ausführliche Resolution vor, in der die Haltung der Socialist Equality Party zu diesen beiden wichtigen und zusammenhängenden Fragen prägnant dargelegt wird. Diese Resolution ist eine Zusammenfassung der Analyse, die die SEP in den letzten zehn Jahren erarbeitet hat und die in zahlreichen Statements auf der WSWS erklärt worden ist. Die Genossen Joe Kishore und Andre Damon werden später nachzeichnen, wie unsere Partei ihre Reaktion auf den Ausbruch des US-Militarismus historisch entwickelt hat.

Vorab möchte ich schon einmal auf den wesentlichen politischen Inhalt der Kampagne gegen Krieg hinweisen, den unsere Partei im Rahmen des Wahlkampfs führt. Im Jahr 1911, als sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands auf eine wichtige Wahl vorbereitete, schrieb Rosa Luxemburg vor dem Hintergrund der Eskalation der geopolitischen Spannungen, die später in einen Krieg münden sollten:

Es war bis jetzt der Stolz und die feste wissenschaftliche Basis unsrer Partei, dass wir sowohl die allgemeinen Programmdirektiven wie auch die Losungen unsrer praktischen Tagespolitik nicht aus freien Stücken als Wünschenswertes ersannen, sondern uns in allen Dingen auf die Erkenntnis der Tendenzen der gesellschaftlichen Entwicklung stützen, die objektiven Richtlinien dieser Entwicklung zum Maßstab unsrer Stellungnahme machten. Nicht die Möglichkeit vom Standpunkt des jeweiligen Kräfteverhältnisses im Staat, sondern die Möglichkeit vom Standpunkte der Entwicklungstendenzen der Gesellschaft war uns bis jetzt immer maßgebend …

Die Weltpolitik und der ihr dienende Militarismus zu Lande und zu Wasser, in Kriegs- und Friedenszeiten, ist doch nichts andres als die spezifisch kapitalistische Methode, internationale Gegensätze zugleich zu entwickeln und zum Austrag zu bringen. Mit der Fortentwicklung des Kapitalismus und des Weltmarkts wachsen und steigern sich diese Gegensätze zusammen mit den inneren Klassengegensätzen ins Ungemessene, bis sie zur Unmöglichkeit werden und die soziale Revolution herbeiführen. An die Möglichkeit, diese internationalen Konflikte abflauen, sich mildern und verwischen zu lassen, kann nur glauben, wer an die Milderung und Abstumpfung der Klassengegensätze, an die Eindämmung der wirtschaftlichen Anarchie des Kapitalismus glaubt. Sind doch die internationalen Gegensätze der kapitalistischen Staaten nur die andre Seite der Klassengegensätze, die weltpolitische Anarchie nur die Kehrseite der anarchischen Produktionsweise des Kapitalismus. Beide können nur zusammen wachsen und zusammen überwunden werden. ‚Ein bißchen Ordnung und Friede‘ ist deshalb genauso unmöglich, genauso eine kleinbürgerliche Utopie in bezug auf den kapitalistischen Weltmarkt wie auf die Weltpolitik, auf die Einschränkung der Krisen wie auf die Einschränkung der Rüstungen. (Rosa Luxemburg, „Friedensutopien“, in: Gesammelte Werke, Bd. 2, Berlin 1986, S. 495 f.)

Wenn wir diese Worte zitieren, die vor 113 Jahren geschrieben wurden, wiederholen wir nicht nur alte Wahrheiten. Es mögen „alte Wahrheiten“ sein, aber diese „alten Wahrheiten“ gewinnen in der gegenwärtigen Situation eine neue und immense Aktualität. Die Politik der Biden-Regierung ist zweifellos von einem erstaunlichen Maß an Rücksichtslosigkeit, um nicht zu sagen Skrupellosigkeit, geprägt. Sie eskaliert den Krieg in der Ukraine gegen Russland, unterstützt gleichzeitig Israels völkermörderischen Krieg in Gaza und heizt die Konfrontation mit China immer weiter an. Aber diese Rücksichtslosigkeit und Skrupellosigkeit wurzelt in objektiven Widersprüchen, die sich aus der Wechselwirkung zwischen dem Nationalstaatensystem, dem globalen Charakter des Produktionsprozesses und den verzweifelten, in existenzieller Notwendigkeit wurzelnden Bemühungen der US-amerikanischen Unternehmens- und Finanzeliten ergeben, jede Bedrohung ihrer globalen Hegemonie abzuwehren.

Im September 1987 wurde im einleitenden Bericht zum Sommerlager der Workers League, der auf einer Diskussion auf dem Vierten Plenum des Internationalen Komitees einige Wochen zuvor basierte, auf bestimmte wesentliche Entwicklungen in der Wirtschaftsstruktur des Weltkapitalismus aufmerksam gemacht. Die erste dieser Entwicklungen war:

Die beispiellose Integration des Weltmarkts und die Internationalisierung der Produktion, die den grundlegenden Widerspruch zwischen der Weltwirtschaft und dem System der Nationalstaaten sowie zwischen gesellschaftlicher Produktion und dem Privateigentum auf historisch nie dagewesene Wiese intensiviert und konkretisiert haben. Die absolute und aktive Vorherrschaft der Weltwirtschaft über alle nationalen Volkswirtschaften, wie groß diese auch sein mögen, ist ein nicht zu bestreitender Tatbestand. (David North, „Politischer Bericht zu den Perspektiven des Internationalen Komitees der Vierten Internationale“, in: Vierte Internationale, Frühjahr 1988, Jg. 15, Nr. 1, S. 76)

Kennzeichnend für diese neue Entwicklung der kapitalistischen Produktion war die Entstehung des transnationalen Unternehmens, das einen internationalen Prozess der Warenproduktion organisiert und koordiniert. Diese Entwicklung ging über das multinationale Unternehmen hinaus, das Produktionseinrichtungen in einer Reihe von Ländern unterhielt und dabei vor allem das Ziel verfolgte, in die Märkte anderer Länder einzudringen. Das Internationale Komitee erkannte die weitreichenden und revolutionären Folgen dieser Entwicklung für die Arbeiterklasse. Erstens untergrub sie alle Formen des Klassenkampfs, die sich in erster Linie auf nationale Strategien und Organisationsformen stützten. Zweitens schuf sie die Notwendigkeit und zugleich die Voraussetzungen für die strategische Vereinigung der globalen Arbeiterklasse in einem internationalen Kampf gegen den Weltkapitalismus.

Die Analyse des Internationalen Komitees hat sich längst bestätigt. Inzwischen gibt es eine umfangreiche Literatur, in der die Dynamik der transnationalen Produktion und ihre wirtschaftlichen, geopolitischen und militärischen Auswirkungen untersucht und erklärt werden. Es ist allgemein bekannt, dass es bei dem eskalierenden Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China im Wesentlichen um die Vorherrschaft über die globalen Produktionsnetzwerke geht, die die Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts prägen.

Angetrieben durch die Revolution der digitalen Kommunikationstechnologien gibt es heute eine „vernetzte Produktionswelt“, die der Wirtschaftswissenschaftler Martin Kenney treffend beschrieben hat:

Die Waren, die wir kaufen, sind das Endergebnis einer sorgfältig choreografierten transnationalen Odyssee. Diese Objekte sind Teil einer Wirtschaft, die ihre Fühler immer weiter ausstreckt und sowohl weit entfernte als auch nahe gelegene Orte miteinander verbindet, integriert und verändert. (Zitiert in Global Production Networks: Theorizing Economic Development in an Interconnected World, von Neil M. Coe und Henry Wai-Chung Yeung, Oxford University Press, 2015, S. 2)

In einer monumentalen Studie über die neuen globalen Produktionsnetzwerke mit dem Titel Global Shift: Mapping the Changing Contours of the World Economy hat der Wirtschaftswissenschaftler Peter Dicken geschrieben, dass sich

… in den letzten drei Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts die Globalisierung der Weltwirtschaft in einer Weise entwickelt und intensiviert hat, die sich qualitativ stark von früheren Perioden unterscheidet. Dieser Prozess hat dazu geführt, dass viele Dinge, die wir im Alltag benutzen, aus einer immer komplexeren Geografie der Produktion, des Vertriebs und des Verbrauchs herrühren, deren Ausdehnung immer größer und deren Choreografie immer komplizierter wurde. Die meisten Produkte bergen eine derart komplexe Geografie – Teile werden in verschiedenen Ländern hergestellt und dann in einem anderen Land zusammengebaut –, dass die Ursprungskennzeichnung allmählich ihre Bedeutung verliert. Insgesamt wird diese Globalisierung von vielen zunehmend als „natürliche Ordnung“ wahrgenommen: ein unvermeidlicher und unaufhaltsamer Prozess zunehmender geografischer Vernetzung und zunehmender funktionaler Integration zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten. (S. 1)

Die Krise vom September 2008 führte beinahe zum Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems und war eine Bedrohung für den gesamten Globalisierungsprozess. Nach der massiven Rettungsaktion der US-Notenbank hatte die Krise allerdings zur Folge, dass die finanziellen Zwänge zur Ausweitung der globalen Produktionsnetze verstärkt wurden.

Eine unvermeidliche Auswirkung dieses Prozesses ist die extreme Verschärfung der geopolitischen Konflikte. Die World Socialist Web Site hat einen wichtigen Artikel von Genossen Gabe Black veröffentlicht, der den Kampf um wichtige Mineralien und Metalle im Zusammenhang mit den Technologien erläutert, die die operative Grundlage der transnationalen Produktion bilden. Der Kampf um die Vorherrschaft in den Produktionsnetzwerken der Weltwirtschaft geht mit dem Kampf einher, ungehinderten Zugang zu diesen Rohstoffen und die Kontrolle darüber zu erlangen.

Vor Kurzem erschien in der Fachzeitschrift Geopolitics ein wissenschaftlicher Artikel, in dem die Art und Bedeutung dieses Konflikts erläutert wird. Er trägt den Titel: „The Second Cold War: US-China Competition for Centrality in Infrastructure, Digital, Production, and Finance Networks“, und darin heißt es:

… die USA und China versuchen, eine zentrale Stellung in Netzwerken einzunehmen, über die sie geopolitische und geoökonomische Macht ausüben können. In der Praxis wird dies durch verschiedene Strategien erreicht, wie z. B. a) die Festlegung von Spielregeln, die bestimmen, wie Netze integriert werden, wer an ihnen teilnehmen kann, und wie die Einhaltung der Regeln durchgesetzt wird, b) die Umstrukturierung von Netzwerken oder, in wenigen Fällen, c) der Aufbau alternativer, konkurrierender Netzwerk. …

Indem sie sich eine zentrale Stellung in einem Netzwerk verschaffen und diese ausnutzen – insbesondere durch die Verbindung und Kontrolle wichtiger Knotenpunkte –, können die Akteure einen privilegierten Zugang zu strategischen Inputs erhalten, die Verbreitung von Informationen steuern, die Kontrolle über die größere Arbeitsteilung ausüben, Standards etablieren und Konkurrenten ausschließen (oder sicherstellen, dass sie in einer untergeordneten Position bleiben) und innerhalb der Produktionsnetzwerke den Wert abschöpfen. Zentralität in einem Netzwerk ist eine Quelle von strategischen Vorteilen, Macht und Profit, die sich in miteinander verbundenen Netzwerken auszahlen kann. (S. 1094 f)

Das Thema der globalen Produktionsnetzwerke ist komplex und erfordert eine eingehende Untersuchung. Aber es ist bereits deutlich geworden, dass das Voranschreiten der wirtschaftlichen Globalisierung die Widersprüche des kapitalistischen Weltsystems enorm verschärft hat, was entweder zu einer Eskalation der militärischen Auseinandersetzungen bis hin zu einem katastrophalen Dritten Weltkrieg oder zu einer politisch bewussten Vereinigung des internationalen Klassenkampfs auf der Grundlage der Strategie der sozialistischen Weltrevolution führen muss.

Die Aufgabe der SEP und aller Sektionen des IKVI ist es, den Einfluss der Partei in der Arbeiterklasse auszuweiten, damit die objektive Tendenz zur sozialistischen Revolution die Oberhand über die Tendenz zum Weltkrieg gewinnt.

Vor einhundert Jahren, im Herbst 1924, schrieb Trotzki eine Polemik mit dem Titel Lehren des Oktober. Darin untersuchte er die wesentlichen Fragen, mit denen die Bolschewistische Partei während der revolutionären Kämpfe von 1917 konfrontiert war. Seine freimütige Erörterung der Differenzen innerhalb der Partei – er nannte die politischen Fehler der „alten Bolschewiki' wie Sinowjew und Kamenew beim Namen – empörte Trotzkis politische Gegner. Doch Trotzki verfolgte keine fraktionellen Absichten. Er benannte die entscheidenden Lehren aus der Oktoberrevolution, die von den Kadern der internationalen revolutionären Bewegung verinnerlicht werden mussten, um der Arbeiterklasse zum Sieg zu verhelfen.

Die erste Lehre war, dass in der Epoche des Imperialismus der Kampf für Demokratie nicht vom Kampf für Sozialismus getrennt werden kann. Die Führer der Bolschewistischen Partei, die geglaubt hatten, dass der Kampf für „demokratische Forderungen“ eine separate Etappe im langwierigen Kampf für den Sozialismus darstellte, waren widerlegt worden. Die Verwirklichung der entscheidenden demokratischen Forderungen war nur möglich im Zusammenhang mit dem Sturz der bürgerlichen Herrschaft, der Eroberung der Staatsmacht durch die Arbeiter, dem direkten Angriff auf das kapitalistische Eigentum und der Einleitung des Übergangs zum Sozialismus.

Die zweite Lehre bezog sich auf die Reaktion der marxistischen Partei und ihrer Kader auf das Entstehen einer revolutionären Situation, d. h. auf die Beziehung zwischen objektiven und subjektiven Faktoren in einer Situation, in der sich das Problem der politischen Macht unmittelbar stellt. Ausgehend von der positiven Erfahrung des bolschewistischen Sieges im Oktober 1917 und der negativen Erfahrung der Niederlage der Kommunistischen Partei Deutschlands im Oktober 1923 argumentierte Trotzki, dass das Verhalten des subjektiven Faktors, d. h. der Partei, an einem kritischen Punkt des Kampfes – innerhalb eines Zeitraums, der möglicherweise nur einige Wochen oder sogar Tage andauert – das Schicksal der Revolution für die kommenden Jahre und sogar Jahrzehnte bestimmen kann. Ohne Umschweife warnte Trotzki: „Eine Partei, die mit den historischen Aufgaben ihrer Klasse nicht Schritt hält, läuft Gefahr, zum indirekten Werkzeug anderer Klassen zu werden, oder wird es auch tatsächlich.“ (Leo Trotzki, Die Lehren des Oktober, Dortmund 1978, S. 18)

Beide Lehren, die Trotzki im Herbst 1924 erklärte, sind für die Partei im Herbst 2024 von entscheidender Bedeutung. Die Verteidigung demokratischer Rechte gegen den wachsenden Autoritarismus und Faschismus und der Kampf gegen Krieg können nur im politischen Rahmen des Kampfs für den Sozialismus Erfolg haben. Außerdem muss das Niveau der Parteiarbeit angehoben werden, um den Anforderungen der objektiven Situation gerecht zu werden.

Dieser Grundsatz bestimmt unsere Herangehensweise an die Arbeit in der Arbeiterklasse. Wie Trotzki in den Diskussionen über das Übergangsprogramm sagte, könnte er ein sehr gefälliges Programm schreiben, ein sehr einfaches Programm, das leicht akzeptiert werden könnte, aber das würde nicht den Interessen der Arbeiterklasse dienen. Wir müssen den Arbeitern die Wahrheit sagen. Unser Programm basiert nicht auf subjektiven Stimmungen und Vorstellungen, die in dem einen oder anderen Moment bei den Massen populär werden könnten. Unser Programm basiert auf objektiven Notwendigkeiten. Und wie Trotzki damals sagte, wenn die Arbeiter nicht bereit sind, unser Programm zu akzeptieren, werden sie womöglich gezwungen, das Programm des Faschismus zu akzeptieren. Das sind die Alternativen, wie sie sich stellen werden.

In den Vereinigten Staaten entsteht eine solche Situation. Wir werden die Zeit des Wahlkampfs nutzen, um der Arbeiterklasse die Lehren aus den großen historischen Erfahrungen von sozialer Revolution und Konterrevolution zu vermitteln, die sich über ein ganzes Jahrhundert erstrecken. Die zentrale Herausforderung unserer Zeit ist die Entwicklung des Bewusstseins in der Arbeiterklasse, das notwendig ist, damit sie endlich ihre historischen Aufgaben im Weltmaßstab erfüllen kann. Dieses Ziel wird unsere gesamte Arbeit in den kommenden Wochen und Monaten bestimmen.

Das ist die Art und Weise, wie wir unseren Wahlkampf konzipieren. Es stellt eine enorme Herausforderung für die Kader unserer Bewegung dar. Es ist keine hohle Prahlerei, wenn wir sagen, dass nur unsere Partei den revolutionären Marxismus, den Sozialismus vertritt. Es ist eine Tatsache, dass bei diesen Wahlen keine andere Organisation antritt, die der Arbeiterklasse die immense Kriegsgefahr vor Augen führt. Die Frage des Faschismus und die Gefahr, die der schnelle Zerfall der bisherigen Formen der bürgerlichen Demokratie mit sich bringt, wird von niemandem sonst auch nur erwähnt. Man kann bereits sehen, wie die Pseudolinken ihren Karren an die Kandidatur von Kamala Harris koppeln.

Wir lehnen so etwas vollkommen ab. Wir treten mit einem Programm vor die Arbeiterklasse, das auf einer objektiven, wissenschaftlich fundierten Einschätzung der Krise des Weltkapitalismus beruht. Wir werden alle theoretischen und politischen Ressourcen unserer Bewegung nutzen, um die Aufgaben zu erklären, vor denen die Arbeiterklasse steht, um die besten Elemente unter den Arbeitern und der Jugend zu erreichen, um der wachsenden Militanz und Radikalisierung, die jetzt in diesem Land und in der ganzen Welt um sich greift, einen fortschrittlichen, revolutionären Ausweg zu bieten.

Die Schwerpunkt dieses Parteitags wird darauf liegen, unsere Partei auf die enormen Herausforderungen vorzubereiten, die vor uns liegen. Wir sehen in dieser Wahlkampagne eine intensive und wichtige Periode unserer Arbeit, die die Grundlagen für den Aufbau der Partei nicht nur während der Wahl, sondern auch danach legen wird.

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