Werksschließungen und Entlassungen bei VW

Belegschaften müssen sich auf Arbeitskampf vorbereiten

Die Spitzen des Volkswagenkonzerns, der IG Metall und des Betriebsrats bereiten sich auf Werksschließungen und Entlassungen vor. Das Unternehmen teilte gestern mit, dass es die bisher geltende „Beschäftigungssicherung“ kündige, laut der betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausgeschlossen sind. Das berüchtigte, im letzten Jahr beschlossene Performance-Programm, das bis 2026 jährlich 10 Milliarden Euro einsparen soll, ist schon wieder überholt. Weitere 4 Milliarden sollen gekürzt werden.

Massiver Arbeitsplatzabbau

Der belgische Standort der VW-Tochter Audi in Brüssel steht praktisch vor der Schließung. Die belgischen Gewerkschaften gehen davon aus, dass bereits im Oktober 1500 Arbeitsplätze und im Mai 2025 weitere 1100 vernichtet werden. Das hätte auch zur Folge, dass 1000 Jobs bei den Zulieferern verloren gehen.

Laut Medienberichten soll der Nachfolger des SUV Q8 e-tron ab 2027 in Mexiko weiterproduziert werden. Die Audi-Beschäftigten sind kampfbereit, aktuell stehen die Bänder still. Die Gewerkschaften rufen zu Protesten auf, um Druck abzulassen. Am 16. September werden Zehntausende Auto- und andere Industriearbeiter in Brüssel erwartet.

Der Autoanalyst von Metzler, Pal Skirta, bringt es auf den Punkt: „Das ist nur ein Vorgeschmack darauf, was VW als Ganzes in den nächsten Jahren bevorstehen dürfte.“

Denn die weltweite Krise der Autoindustrie beschränkt sich nicht auf Elektroautos, bei denen die deutschen Hersteller insbesondere gegenüber den chinesischen Herstellern weit zurückliegen. Auch der Absatzmarkt von Verbrennerfahrzeugen in China, der für VW von großer Bedeutung ist, bricht regelrecht ein.

Das Handelsblatt schreibt: „Mit dem nun kollabierenden Benzingeschäft im Reich der Mitte wird die Lage jedoch besonders für Massenhersteller wie Volkswagen immer brenzliger.“ Seit 2020 ist der Marktanteil aller Submarken des VW-Konzerns von 19 auf 14 Prozent gesunken und fällt rasant weiter. Gegenüber 2018 warfen die beiden VW-Joint-Ventures in China, Saic und FAW, drei Milliarden weniger Betriebsgewinn ab.

VW-Werk in Zwickau [Photo by christophrudolf / wikimedia / CC BY-SA 3.0]

Als erste Reaktion auf die zurückgehenden Verkaufszahlen ist in den deutschen Werken in Wolfsburg, Zwickau und Emden (VW), Neckarsulm und Ingolstadt (Audi) die technische Kapazität um ein Viertel reduziert worden.

Die im E-Autowerk in Zwickau gebauten VW-Modelle ID.3, ID.4 und ID.5 sowie jeweils ein E-Modell der VW-Töchter Audi und Cupra finden immer weniger Abnehmer. Statt ca. 250.000 produzierten Fahrzeugen jährlich werden es im Jahr 2024 nur noch rund 200.000 sein.

Die Zahl der Beschäftigten betrug 2022 an die 11.000, Ende des Jahres werden es vermutlich weniger als 9.000 sein. Seit letzten Sommer ist die Belegschaft mit der Umstellung von Drei- auf Zwei-Schicht-Betrieb, Kurzarbeit, der Aufkündigung von befristeten Stellen und der Entlassung von Leiharbeitern konfrontiert. Nach neuesten Berichten sollen weitere 1.000 Arbeiter, deren Arbeitsverträge Ende 2025 auslaufen, keine Verlängerung erhalten.

Derweil geht der Stellenabbau im Wolfsburger Stammwerk weiter. In der Verwaltung werden die Personalkosten bis 2026 um 20 Prozent gesenkt. Bis Juni sollen sich laut Schätzungen bereits rund 3.000 Beschäftigte – 75 Prozent der in Frage kommenden Angestellten – für die Aufgabe ihres Arbeitsplatzes über Altersteilzeit entschieden haben. Weitere, vermutlich weit über tausend Arbeitsplätze werden durch Aufhebungsverträge und Abfindungen unwiderruflich vernichtet.

Über diesen „sozialverträglichen“ Weg haben IGM und Betriebsräte in der deutschen Autoindustrie bereits zehntausende Arbeitsplätze vernichtet. Meist war es nur der Auftakt zu immer weiteren Sparmaßnahmen, bis hin zur Schließung ganzer Werke, wie bei Opel in Bochum oder jüngst bei Ford in Saarlouis.

Mit dem Scheitern des angekündigten Trinity-Projektes in Wolfsburg-Warmenau wurden auch die letzten Hoffnungen nach neuen, alternativen Arbeitsplätzen in der Region zunichtegemacht. Die Pläne für die Produktion einer High-Tech-Elektrolimousine sind genauso ersatzlos gestrichen worden wie ein neues Zentrum für die Forschung und Entwicklung auf dem Werksgelände.

Die Wirtschaftswoche meldete, dass bei der Wolfsburg AG und der AutoVision tausende Arbeitsplätze abgebaut und Standorte geschlossen werden. Die Wolfsburg AG wurde 1999 als Infrastruktur-Agentur in einem Gemeinschaftsprojekt von Volkswagen und der Stadt Wolfsburg gegründet. Das Tochterunternehmen AutoVision wurde von VW als Zeitarbeitsfirma gegründet, um über ein Heer von flexiblen und günstigeren Arbeitskräften zu verfügen. Jetzt müssen viele der Beschäftigten – allein 3600 Leiharbeiter bei der Autovision – um ihre Jobs fürchten.

Zudem will VW auch sein Design Center in Potsdam schließen. Was mit den hochqualifizierten hundert Beschäftigten geschehen soll, teilte VW nicht mit.

Angriff auf die Löhne

In den letzten Wochen gaben sowohl VW-Chef Oliver Blume als auch der VW-Marken Chef Thomas Schäfer weitere Sparmaßnahmen bekannt. Die Aktionäre, v. a. die Familien Porsche und Piëch, verlangen steigende Renditen und Profite. Nach Bekanntgabe der Geschäftszahlen zum ersten Halbjahr sagte Schäfer: „Wir müssen unsere Fixkosten noch weiter senken, um in diesem schwierigen Marktumfeld nachhaltig auf Kurs zu bleiben.“ VW-Chef Blume warnte: „Jetzt geht es um Kosten, Kosten, Kosten.“

Selbst die von der IG Metall ausgehandelten moderaten Lohnerhöhungen des vergangenen Jahres, die nicht annähernd die Teuerungsraten ausglichen, sind dem VW-Vorstand zu hoch. VW-Finanzvorstand Patrik Mayer ließ im VW-Intranet Anfang August verlautbaren: „Strukturell sind durch die letzten Tariferhöhungen in der Volkswagen AG die Personalkosten deutlich gestiegen. Diesen Trend dürfen wir nicht fortschreiben. Unsere Kostenbasis muss sehr zügig auf ein wettbewerbsfähiges Niveau sinken, gerade in den deutschen Werken, in der Entwicklung und in der Verwaltung.“

Wo veranschlagt Mayer dieses „wettbewerbsfähige Niveau“? Die Lohnkosten für einen Audi-Arbeiter in Ungarn sind nur halb so hoch wie die für einen VW-Kollegen in Wolfsburg. In China betragen die Lohnkosten sogar nur ein Fünftel.

Schäfer beschwerte sich zudem darüber, dass Sondereffekte wie die veranschlagten Kosten für Abfindungen in Höhe von 900 Millionen Euro – vor allem für die Beschäftigten in Brüssel – den Gewinn belastet hätten. Ansonsten hätte man die angezielte Renditesteigerung bei der Marke VW auf über sechs Prozent bereits geschafft.

Mit anderen Worten: Die Abfindungen, mit denen die Betriebsräte den Arbeitsplatzabbau durchsetzen wollen, und die Tariferhöhungen der letzten Jahre werden auf Umwegen wieder bei den verbliebenen Beschäftigten herausgepresst.

Dazu passt, dass die IGM mit einer niedrigen 7-Prozent-Lohnforderung in die gegenwärtige Haus-Tarifrunde bei Volkswagen gegangen ist. Vieles deutet darauf hin, dass sich die IG-Metall im Herbst nicht nur wie üblich mit der Hälfte zufriedengibt. Vielmehr wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit versuchen, den vom Vorstand geforderten Lohnstopp den Arbeitern als alternativlos zu verkaufen.

Die Rolle der IG Metall und ihrer Betriebsräte

Die IG Metall und die VW-Betriebsräte haben den milliardenschweren „Performance“-Kahlschlag mit ausgearbeitet und bereiten sich darauf vor, auch die kommenden Angriffe gegen den Widerstand der Belegschaft durchzusetzen.

Die Ansage der VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Daniela Cavallo in der Betriebsratszeitung Mitbestimmen, mit ihr werde „es keine VW-Standortschließung geben“, ist eine Warnung. Cavallo wird ihren riesigen Apparat einsetzen, um die geforderten Angriffe auch ohne Standortschließung durchzusetzen. Die IGM Wolfsburg zitiert sie mit den Worten: „Anstatt sich einseitig zulasten der Belegschaft kaputtzusparen, muss jetzt ein strategischer Befreiungsschlag her mit Schub für die eigentlichen Baustellen: Produkt, Komplexität, Prozessabläufe, Synergien. Das ist der Plan, den wir brauchen.“

Damit ist sie eine würdige Nachfolgerin von Bernd Osterloh. Der hatte vor genau zehn Jahren dem Konzernvorstand 400 Seiten Sparvorschläge überreicht, die das Unternehmen in die Lage versetzen sollten, die Kosten innerhalb von drei Jahren um 5 Milliarden Euro jährlich zu senken.

Doch nun sind alle bisherigen Mechanismen ausgereizt – Altersteilzeit und Abfindungen, Rauswurf der Zeitarbeitskollegen, Auslagerung von Aufgaben. VW hat angekündigt, in allen sechs VW-Werken in Deutschland eigene Transfergesellschaften, so genannte „Perspektivwerkstätten“, aufzubauen. Sie sind Verschiebebahnhöfe in die Arbeitslosigkeit.

In der Vergangenheit haben Konzerne, IG Metall und ihre Betriebsräte so Hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet. Für VW ist dieser Weg ein Novum. Mit der Aufkündigung des Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen sollen VW-Arbeiterinnen und -Arbeiter in diese Transfergesellschaften gezwungen werden.

Baut unabhängige Aktionskomitees auf

Ein konsequenter und gemeinsamer Kampf aller VW-Beschäftigten gegen diesen drohenden Kahlschlag ist absolut zwingend. Doch dieser kann nur geführt werden, wenn die Macht der Gewerkschaftsbürokratie gebrochen wird. Dazu müssen von der IG Metall unabhängige und international kooperierende Aktionskomitees gegründet werden.

Der Kahlschlag ist Teil einer internationalen Offensive des Kapitals gegen die Beschäftigten. Um die gewaltigen Kosten für Krieg und Handelskrieg zu finanzieren und die Aktienkurse weiter in die Höhe zu treiben, greifen Kapital und Regierungen überall soziale Errungenschaften und Rechte an.

Der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne muss daher von Anfang an als internationaler Kampf vorbereitet und geführt werden.

Die VW-Arbeiter sind nicht allein. Gewerkschaftsunabhängige Aktionskomitees haben sich bereits in mehreren Autowerken gebildet und in der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees zusammengeschlossen, die den wachsenden Widerstand weltweit koordiniert.

Die Gründung eines Aktionskomitees bei VW wird entscheidend dazu beitragen, eine Achse des Widerstands zwischen Wolfsburg, Detroit und anderen Autometropolen aufzubauen und den Kampf gegen den Kahlschlag bei VW zum Bestandteil einer systematischen, internationalen Offensive in der Auto- und Zulieferindustrie zu machen.

Wir rufen alle VW-Beschäftigten auf: Beteiligt euch an der Gründung des Aktionskomitees. Meldet euch per Whatsapp-Nachricht unter +491633378340 und füllt das untenstehende Formular aus.

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