Nach dem Ende der Sommerpause haben die Arbeiterinnen und Arbeiter des Audi-Werks in Vorst bei Brüssel am Mittwoch die Arbeit niedergelegt. Rund hundert der 3000 Arbeiter des Werks betraten am frühen Mittwochmorgen zwar erstmals den Arbeitsplatz, weigerten sich aber, die Arbeit wieder aufzunehmen. Auch die Nachmittagsschicht ging nicht an die Arbeit. Bilder des flämischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks VRT zeigen, wie Arbeiter von Audi und von Zulieferfirmen am Werksgelände zelten und Protestcamps aufgebaut haben.
„Solange wir nicht über mehr Informationen verfügen, wollen wir nicht wieder anfangen“, erklärte Franky De Schrijver von der Gewerkschaft FGTB gegenüber den Medien. Die Arbeitsniederlegung werde den Betrieb aufhalten und das Werk potenziell für die nächsten Tagen geschlossen halten. Wie die Brussels Times berichtet, hatte Audi geplant, dass die Mitarbeiter der Lackierabteilung am Donnerstag die Arbeit wieder aufnehmen und alle 3.000 Mitarbeiter am Freitag wieder arbeiten sollten.
Die Direktion hatte am Dienstag im Rahmen einer Betriebsversammlung bestätigt, dass dort weder von Audi selbst, noch von einer anderen Marke der Volkswagengruppe die Montage eines neuen Modells in Auftrag gegeben wird.
Wie VRT berichtet, soll der Standort im Südwesten Brüssels „aufgrund von mangelnder Nachfrage für dort produzierte SUV vom Typ Q8 e-tron, wegen der hohen Kosten und wegen logistischer Probleme“ auf absehbare Zeit hin aufgegeben und nach und nach alle rund 3.000 Mitarbeiter entlassen werden. Die Gewerkschaften gehen davon aus, dass bereits im Oktober 1500 Arbeitsplätze und im Mai 2025 weitere 1100 vernichtet werden.
Der bisherige Werksdirektor Volker Germann soll laut Konzernangaben Brüssel verlassen und durch Thomas Bogus ersetzt werden. Brussels Times zufolge erwartet das Unternehmen, bis zum Ende des Jahres nur 7.000 Q8 e-Tron SUVs zu produzieren – mit zwei Teams bei fünfzehn Autos pro Stunde. Laut Medienberichten soll der Nachfolger des Q8 e-tron ab 2027 in Mexiko weiterproduziert werden.
Bereits seit Tagen zelten Mitarbeiter mehrerer Zulieferfirmen vor den Audi-Werkstoren. Diese sind unmittelbar von einer Schließung der Fabrik betroffen, da sie fast ausschließlich für den Autobauer aus Ingolstadt tätig sind. Wie Gewerkschaftsvertreter angeben, werden diese Belegschaften „nicht von den Unternehmen über die laufenden Gespräche informiert“.
Am 16. September um 10:30 Uhr sind am Brüsseler Nordbahnhof ein Protestzug und eine Großkundgebung der Mitarbeiter von Audi in Brüssel geplant, die laut Gewerkschaftsangaben auch auf Beschäftigte aus den Sektoren Metall, Chemie und Textil ausgeweitet werden sollen. Neben den Auto-Arbeitern werden auch die Mitarbeiter des Busherstellers Van Hool, der Anfang des Jahres wegen Konkurs aufgelöst wurde, den Protestzug anführen. Für den darauffolgenden Tag ist eine außerordentliche Betriebsratssitzung angesetzt, bei der die Konzernleitung angeblich Informationen über künftige Investoren teilen wird.
Die Streikbewegung in Brüssel ist Teil einer wachsenden internationalen Bewegung der Autoarbeiter zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und Löhne, die an allen Fronten angegriffen werden. Im Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg protestierten auf einer Betriebsversammlung am selben Tag zehntausende Arbeiterinnen und Arbeiter gegen den Sparkurs und das geplante Jobmassaker des Konzerns.
Vom 24. Januar bis zum 19. Februar streikten tausende Arbeiter des riesigen Audi-Montagewerks im mexikanischen Bundesstaat Puebla für höhere Löhne. Nachdem das erste Angebot von 6,5 Prozent mehr Lohn von 3.090 der 4.161 Arbeiter zurückgewiesen worden war, stimmten am 9. Februar 3.139 Arbeiter gegen das zweite Angebot einer allgemeinen Lohnerhöhung um sieben Prozent.
Die vermeintlich „unabhängige“ Gewerkschaft SITAUDI fing die wachsende Kampfbereitschaft unter den Streikenden schließlich ein und setzte die Annahme eines Vertrags durch, der mit 7 Prozent – zuzüglich einer Erhöhung der Sozialleistungen des Jahres um 3,2 Prozent – kaum über dem Angebot lag, das Arbeiter zurückgewiesen hatten. Ursprünglich hatte die Gewerkschaft 20 Prozent mehr Lohn gefordert, was selbst längst nicht ausgereicht hätte, die von den Autokonzernen in Mexiko gezahlten Armutslöhne zu überwinden.
Die Angriffe auf die belgischen Audi-Arbeiter und der gleichzeitige Versuch, die mexikanischen Autoarbeiter zu disziplinieren, sind Bestandteil einer großangelegten internationalen Strategie des Volkswagenkonzerns. Dieser teilte am vergangenen Wochenende mit, die bisher geltende „Beschäftigungssicherung“ zu kündigen, laut der betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausgeschlossen sind. Auf das im letzten Jahr beschlossene berüchtigte Performance-Programm, das bis 2026 jährlich 10 Milliarden Euro einsparen soll, sollen nun Einsparungen in Höhe von vier Milliarden hinzu kommen.
Vom Standpunkt der belgischen und deutschen Gewerkschaftsbürokratien handelt es sich bei den Protesten um einen gezielten Versuch, Dampf abzulassen und nach einem Weg zu suchen, die Wut der Beschäftigten zu neutralisieren. Arbeiter sollten die Versammlungen nutzen, um den Aufbau eigener Aktionskomitees zu diskutieren, die von Betriebs- und Gewerkschaftszugehörigkeit unabhängig sind und Arbeiter über berufliche und nationale Grenzen hinweg vereinen.
In den USA wehren sich Arbeiter des VW-Konkurrenten Stellantis und des Autozulieferers Dakkota ebenfalls gegen massiven Stellenabbau und Reallohnsenkungen, und haben in Opposition zur amerikanischen Gewerkschaft United Auto Workers bereits mit dem Aufbau eigener Aktionskomitees begonnen.
Die Behauptung der Betriebsratsspitzen und Gewerkschaftsfunktionäre, keine Informationen über den geplanten Stellenabbau erhalten zu haben und vom Management „im Dunkeln gelassen“ worden zu sein, sollten von Arbeitern mit Verachtung zurückgewiesen werden.
In Wirklichkeit teilt die Bürokratie der Gewerkschaften und Betriebsräte die kapitalistische Sichtweise des Vorstands und dessen grundlegenden Ziele einer „Transformation“ auf dem Rücken der Arbeiter. Die deutsche IG Metall und die VW-Betriebsräte haben den milliardenschweren „Performance“-Kahlschlag mit ausgearbeitet und im Rahmen der sogenannten „konzertierten Aktion“ eng mit der Konzernleitung und der Bundesregierung abgesprochen.
In den Medien gibt es Anzeichen dafür, dass die Auseinandersetzung mithilfe des sogenannten Renault-Gesetzes von 1997 über einen langen Zeitraum hinweg geführt werden soll, um Arbeiter hinzuhalten und zu zermürben. Das Gesetz wurde in Folge der dramatischen Schließung des Renault-Werks in Vilvoorde bei Brüssel im Februar 1997 beschlossen, bei der über 3.000 Beschäftigte von einem Tag auf den anderen ihre Arbeitsplätze verloren. Das Gesetz sieht – ähnlich wie in Deutschland – eine enge „Konsultation“ zwischen Konzernen, Gewerkschaften und Regierung vor.
Den nationalistischen Verschwörungen zwischen Gewerkschaftsbürokratie und Unternehmensleitung müssen die VW-Beschäftigten die internationale Einheit der Arbeiterklasse entgegenstellen. Die verbündeten der belgischen Audi-Arbeiter sind die Arbeiter der Zulieferbetriebe, sowie die Audi-Kollegen in Mexiko – die mittels Produktionsverlagerung ebenfalls schärfer ausgebeutet werden sollen – und die Arbeiter des Volkswagenkonzerns in Deutschland und weltweit.
Für diese Perspektive kämpft die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees, für deren Aufbau die World Socialist Web Site eintritt. Wir rufen Autoarbeiter auf, Aktionskomitees zu bilden, die für die folgenden Forderungen eintreten:
Sofortiger Stopp aller Entlassungen und Wiedereinstellung aller Betroffenen!
Verkürzung des Arbeitstags bei gleichzeitiger Erhöhung der Löhne, um den geringeren Zeitaufwand für die Produktion von Elektrofahrzeugen zu berücksichtigen und die seit Jahrzehnten stagnierenden Löhne auszugleichen!
Vereinigt euch über alle Grenzen hinweg im Kampf gegen das globale Arbeitsplatzmassaker!
Enteignet die Autokonzerne und stellt sie unter demokratische Kontrolle der Arbeiter!
Schreibt eine Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +491633378340 und registriert euch gleich über das folgende Formular, um mit anderen Aktionskomitees in der Automobilindustrie und darüber hinaus in Kontakt zu treten.
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