Perspektive

Einsatz von Langstreckenraketen der Nato gegen Russland könnte unkontrollierte Eskalation eines globalen Kriegs auslösen

Nachdem hochrangige Vertreter der Nato öffentlich gefordert hatten, die Ukraine solle Nato-Waffen einsetzen, um tief in russisches Kernland einzudringen, hat der russische Präsident Wladimir Putin offiziell einen Vorschlag zur Aktualisierung der russischen Nuklearpolitik vorgelegt, der die Bedingungen erweitern würde, unter denen Moskau Atomwaffen einsetzen könnte.

Britische Langstreckenrakete vom Typ Storm Shadow [Photo by Rept0n1x / CC BY-SA 3.0]

Vor einer Sitzung des russischen Sicherheitsrats am Mittwoch erklärte Putin: „Eine Aggression gegen Russland durch einen Nicht-Atomwaffenstaat, aber unter Beteiligung oder mit Unterstützung eines Atomwaffenstaates, sollte als gemeinsamer Angriff auf die Russische Föderation betrachtet werden.“

Er fügte hinzu: „Wir behalten uns das Recht vor, im Falle einer Aggression gegen Russland und Belarus Atomwaffen einzusetzen.“

Dies ist die bisher unverblümteste und konkreteste Drohung Putins, das russische Atomwaffenarsenal – eines der beiden größten der Welt – einzusetzen, um auf die anhaltenden und immer umfangreicheren Angriffe der Ukraine auf russische Städte und Infrastruktur zu reagieren, die von den Nato-Mächten unterstützt werden.

Anfang dieses Monats hatte US-Außenminister Antony Blinken Kiew besucht, wo er stark andeutete, dass die USA den Plan vorantreiben würden, der Ukraine den Einsatz von Langstreckenwaffen der Nato gegen Russland zu gestatten. „Wir haben uns angepasst und umgestellt, da sich die Bedürfnisse und das Schlachtfeld geändert haben“, sagte er auf Fragen zu dem Plan, „und ich habe keinen Zweifel daran, dass wir dies auch weiterhin tun werden.“

Nach dem Treffen in Kiew berichtete The Guardian, dass „Quellen der britischen Regierung angaben, dass bereits eine Entscheidung getroffen wurde, der Ukraine den Einsatz von Storm-Shadow-Marschflugkörpern auf Ziele in Russland zu gestatten“. The Economist und die Washington Post haben Leitartikel veröffentlicht, in denen sie Angriffe auf Russland mit Nato-Waffen unterstützen, während der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson diesen Schritt in einem Gastbeitrag im Wochenmagazin Spectator befürwortet hat.

Die Kampagne in den US-Medien und im politischen Establishment, mit der die Ukraine aufgefordert wird, russische Städte mit Nato-Waffen anzugreifen, konzentriert sich auf die Behauptung, Russlands erklärte Politik, Atomwaffen zur Verteidigung seines Territoriums einzusetzen, sei ein Bluff.

Diese Behauptung, die in jeder einzelnen amerikanischen Zeitung wiederholt wird und dem politischen Establishment der USA erklärtermaßen als Evangelium gilt, ist absurd. In Wirklichkeit wissen diejenigen innerhalb des politischen Establishments der USA und Europas, die diese Behauptung aufstellen, dass sie falsch ist, und belügen die Öffentlichkeit einfach. Sie wissen, dass Putin nicht blufft.

Dies wurde in einem am Donnerstag in der New York Times veröffentlichten Artikel mit dem Titel „US-Geheimdienste betonen Risiken bei der Erlaubnis von Langstreckenangriffen durch die Ukraine“ deutlich gemacht.

Die Times berichtet:

US-Geheimdienste glauben, dass Russland wahrscheinlich mit größerer Wucht gegen die Vereinigten Staaten und ihre Koalitionspartner zurückschlagen wird, möglicherweise mit tödlichen Angriffen, wenn sie den Ukrainern die Erlaubnis erteilen, von den USA, Großbritannien und Frankreich gelieferte Langstreckenraketen für Angriffe tief in Russland einzusetzen, wie US-Vertreter sagten.

Der Artikel fährt fort: „Die Geheimdienstbewertung beschreibt eine Reihe möglicher russischer Reaktionen auf eine Entscheidung, Langstreckenangriffe mit von den USA und Europa gelieferten Raketen zuzulassen“, darunter „möglicherweise tödliche Angriffe auf Militärstützpunkte der USA und Europas.“

Mehrere US-Präsidenten haben in der Vergangenheit wiederholt erklärt – während die Nato erweitert wurde, um beinahe alle Länder Osteuropas einzubeziehen –, jeder russische Angriff auf das Territorium eines Mitgliedslandes werde als Angriff auf die gesamte Nato angesehen. Gemäß Artikel 5 der Nato-Charta wäre jedes Mitglied der Allianz verpflichtet, gegen Russland in den Krieg zu ziehen.

Bedeutende Teile des politischen Establishments der USA akzeptieren nicht nur die Möglichkeit einer größeren militärischen Reaktion Russlands, sondern versuchen sogar, Russland zu diesem Vorgehen zu provozieren.

Unabhängig davon, wie Russland auf die Entscheidung reagiert, wird seine Vergeltung dazu genutzt werden, das Engagement der USA im Krieg massiv zu verstärken. Das Datum der russischen Reaktion wird als „der Tag, an dem sich alles änderte“ bezeichnet werden, an dem „Putin seinen unprovozierten und ungerechtfertigten Angriff startete“, oder als „der Tag, an dem Putin das Tabu des Einsatzes von Atomwaffen für immer gebrochen hat.“

Der US-Imperialismus, der den Krieg auf der ganzen Welt verschärfen will, arbeitet mit Provokationen, sei es in Russland, im Nahen Osten oder im Pazifik. In seinem Buch The Strategy of Denial aus dem Jahr 2021 erklärt Elbridge Colby, Verfasser der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA von 2018, wie wichtig es für die US-Propaganda ist, die Länder im Fadenkreuz des US-Militärs dazu zu zwingen, „den ersten Schuss abzugeben“ und dadurch als Aggressoren dazustehen:

Die vielleicht deutlichste und manchmal wichtigste Methode, um sicherzustellen, dass [ein Gegner] als solcher wahrgenommen wird, besteht einfach darin, dafür zu sorgen, dass er derjenige ist, der zuerst zuschlägt. Nur wenige moralische Intuitionen des Menschen sind tiefer verwurzelt als die, dass derjenige, der angefangen hat, der Aggressor ist und dementsprechend derjenige, der mutmaßlich einen größeren Teil der moralischen Verantwortung trägt.

Mit anderen Worten: jede Vergeltungsmaßnahme Russlands würde benutzt, um eine massive Eskalation des Krieges in Gang zu setzen, begleitet von umfassenden Angriffen auf demokratische Rechte, ähnlich wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, aber in noch größerem Ausmaß.

Die Teile des politischen Establishments in den USA und Europa, die auf eine größere Eskalation gegen Russland drängen, befürchten, dass ihnen die Zeit davon läuft.

Erstens steht das ukrainische Militär, das „bis zum letzten Ukrainer“ gekämpft hat, vor einer Katastrophe. Russland scheint kurz vor einem bedeutenden militärischen Durchbruch im Donbass zu stehen. Angesichts der zunehmenden innenpolitischen Opposition in der Ukraine gegen den Krieg droht die gesamte Ostfront ohne ein substanzielles Eingreifen der Nato zusammenzubrechen.

Sie befürchten, dass eine Niederlage in der Ukraine katastrophale Folgen für die Position des US-Imperialismus hätte, und zwar nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich, was die Rolle des Dollars als Weltreservewährung erheblich untergraben würde.

Zweitens könnte die Wahl im November durchaus den ehemaligen Präsidenten Donald Trump an die Macht bringen und mit ihm einen Teil des politischen Establishments der USA, der den Ukraine-Krieg als Ablenkung von dem betrachtet, was sie als höchste Priorität des US-Imperialismus ansehen: einen Krieg mit China. Trump, der den verheerenden Krieg in der Ukraine als Belastung für Vizepräsidentin Harris ansieht, appelliert demagogisch an die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Krieg, um seine faschistische Bewegung aufzubauen, obwohl seine Regierung durch die Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine im Jahr 2019 selbst eine wichtige Rolle bei der Auslösung des Krieges spielte. Um den außenpolitischen Konsequenzen eines möglichen Sieges von Trump zuvorzukommen, versucht das Weiße Haus, „Fakten vor Ort“ zu schaffen, die eine Eskalation des Krieges unvermeidlich machen.

Diese beiden Elemente der objektiven Situation veranlassen die dominierenden Teile des politischen Establishments der USA, in den nächsten zwei Monaten auf eine massive und rasche Eskalation des Krieges zu drängen, mit potenziell katastrophalen Folgen für die gesamte Menschheit.

Es ist offensichtlich, dass es innerhalb der Regierung und des Staates erhebliche Meinungsverschiedenheiten über das politische Vorgehen gibt. Der Kampf gegen den Krieg darf jedoch nicht auf Spekulationen über die Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse basieren, geschweige denn das unabhängige Handeln der Arbeiterklasse den Hoffnungen auf die Entwicklung einer Opposition gegen eine solche Eskalation durch den einen oder anderen Teil der herrschenden Klasse unterordnen.

Die große Gefahr besteht darin, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung keine Vorstellung von den immensen Risiken hat, die in der gegenwärtigen Situation bestehen. Es ist dringend notwendig, Alarm zu schlagen und die Arbeiterklasse vor den weitreichenden Kriegsplänen des politischen Establishments der USA zu warnen.

Überall auf der Welt und in den gesamten Vereinigten Staaten treten die Arbeiter in den Kampf. Tausende von Arbeitern bei Boeing, Amerikas größtem Flugzeughersteller und einem bedeutenden Rüstungsunternehmen, führen einen entschlossenen Streik, um ihre Arbeitsbedingungen und ihren Lebensstandard zu schützen. Dies ist Teil einer breiteren Welle des Widerstands der Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Ausbeutung, der durch die massiven Ressourcen, die in die Eskalation des Krieges fließen, noch verstärkt wird.

Die zentrale strategische Aufgabe besteht darin, innerhalb der Arbeiterklasse ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass der Kampf gegen den Krieg der kapitalistischen Oligarchen gegen die eigene Bevölkerung mit dem Kampf gegen den imperialistischen Krieg verbunden werden muss, und dass beide untrennbar mit dem Kampf gegen das kapitalistische Profitsystem und für den Sozialismus verbunden sind.

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