Nur sieben Wochen nach Hitlers Amtsantritt als Reichskanzler verabschiedete der Reichstag am 23. März 1933 das so genannte Ermächtigungsgesetz, das dem Nazi-Führer die Macht verlieh, per Dekret zu regieren. Die Abstimmung fand unter den Bedingungen des Terrors statt: Der Reichstag wurde von bewaffneten Mitgliedern der SA und SS umstellt, der Reichstagsbrand diente zuvor als Vorwand, um die Kommunistische Partei (KPD) zu verbieten und ihre Abgeordneten zu inhaftieren. Mit der Verabschiedung des Gesetzes wurde die Verfassung der Weimarer Republik außer Kraft gesetzt. Hitler erhielt die uneingeschränkte Macht, Gesetze ohne Zustimmung des Parlaments zu erlassen.
Etwas mehr als sieben Wochen nach seiner eigenen Wahl brauchte Trump solche Maßnahmen gar nicht erst zu ergreifen. Am Freitag fiel den Demokraten die Möglichkeit in den Schoß, Trumps Regierung den Geldhahn zuzudrehen. Stattdessen sorgten sie dafür, dass diese Regierung voll handlungsfähig blieb. Die Abstimmung widerlegt den Mythos, dass die Demokratische Partei ein Gegner der Trump-Regierung sei, und zeigt stattdessen, dass sie deren Helfer und Kollaborateur ist.
Mit den Stimmen der führenden Demokraten verabschiedete der US-Senat ein Ausgabengesetz der Republikaner, mit dem die Regierung für die nächsten sechs Monate, also bis September, finanziert wird. Das Gesetz hebt alle Ausgabenrichtlinien des Kongresses auf und stellt Trump und Elon Musk einen Blankoscheck für die Kürzung von Sozialprogrammen, die Entlassung von Bundesbediensteten und die Errichtung eines Polizeistaats aus.
Der Gesetzentwurf wurde am späten Freitagabend verabschiedet. Zuvor hatte eine Abstimmung stattgefunden, um eine absichtlich stundenlange Rede („Filibuster“) als Verschleppungstaktik zu verhindern, die zu einem Shutdown der Regierung geführt hätte. Zehn Demokraten stimmten mit den Republikanern gegen eine Filibuster-Rede. Nachdem er zu Beginn der Woche noch seine vermeintliche Opposition zur Schau getragen hatte, vollzog der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Charles Schumer, eine komplette Kehrtwende, und die Anzahl von Demokraten, die zur Verabschiedung des Gesetzes notwendig waren, wurde entsprechend zugeteilt.
Schumer rechtfertigte das Vorgehen der Demokraten mit den Worten: „Ich halte es für eine weitaus schlechtere Option, Donald Trump durch einen Shutdown der Regierung noch mehr Macht zu geben.“ Er erklärte, es gäbe im Falle eines Shutdowns keine „Exit-Strategie“. Die Trump-Regierung würde einen Regierungsstillstand vielmehr nutzen, um „die Verwaltung des Bundes zu dezimieren“.
Dies ist eine absurde Lüge. In Wirklichkeit gibt der Gesetzentwurf selbst Trump die Macht, Sozialleistungen zu „dezimieren“, ohne dass an diese Macht irgendwelche Bedingungen geknüpft wären. Wenn Schumer von einer „Exit-Strategie“ spricht, ist seine eigentliche Sorge, dass ein Stillstand der Regierung Massenopposition gegen Trumps Regierung befeuern könnte, was die Demokraten unbedingt verhindern wollen.
Der Hintergrund, vor dem die Abstimmung im Senat stattgefunden hat, ist der umfassende Angriff der Trump-Regierung auf die Arbeiterklasse und die demokratischen Rechte.
Diese Woche entließ das US-Bildungsministerium 1.300 Beschäftigte – die Hälfte seines Personals. Dieser Schritt ist eine Vorbereitung darauf, es ganz aufzulösen. Der nächste Punkt auf der Prioritätenliste des Kongresses ist die Verabschiedung eines Haushalts, der Steuersenkungen für die Reichen in Höhe von 4,5 Billionen Dollar und 2 Billionen Dollar an Kürzungen bei Sozialprogrammen vorsieht. Allein 880 Milliarden Dollar werden bei Medicaid gestrichen, dem Programm, das die Gesundheitsversorgung für 80 Millionen Menschen sicherstellt. Elon Musk, der diese Kürzungen mit seinem Department of Government Efficiency (DOGE) beaufsichtigt, hat deutlich gemacht, dass die staatliche Rentenversicherung Social Security und andere sogenannte „Anspruchs“-Programme als nächstes dran sind.
Trump verstößt systematisch gegen Gesetze und grundlegende Verfassungsrechte. Er regiert per Dekret und setzt diese ein, um Regierungsangestellte zu entlassen, die Polizeiverfolgung auf Bundesebene auszuweiten und Massenabschiebungen durchzuführen.
Die Regierung nimmt politische Gegner fest, darunter Mahmoud Khalil, den Studenten von der Columbia University, weil er gegen den Völkermord in Gaza aufgetreten ist. Sein Fall ist ein Test für das, was noch kommen wird. Trump bereitet sich darauf vor, den Alien Enemies Act zu benutzen, ein Gesetz, das während des Zweiten Weltkriegs eingesetzt wurde, um Amerikaner japanischer Herkunft zu inhaftieren. Trump will damit die massenhafte politische Unterdrückung und die Überstellung Zehntausender nach Guantanamo Bay rechtfertigen.
Das sind die Maßnahmen, die die Demokraten finanzieren wollen.
Ihre Marschbefehle erhalten die Demokraten dabei von der Finanzoligarchie. Schumer, genannt „Der Senator von der Wall Street“, verkörpert die Rolle der Demokratischen Partei als Partei der Finanzoligarchie. Er war es, der auf Anweisung der gigantischen Banken und Hedgefonds in die Vorgänge um das Ausgabengesetz eingriff, damit es verabschiedet wird.
Laut der Transparenz-Website Open Secrets war Schumers größter Geldgeber von 2019 bis 2021 „Securities & Investment“, ein Verband von Wall-Street-Investoren und Hedge-Fonds-Managern. Die größte Einzelspende kam von dem Private-Equity-Riesen Blackstone Group. Blackstone wird von Stephen A. Schwarzman geführt und war im November 2024 53,3 Milliarden Dollar wert. Schwarzman, ein enger Verbündeter von Trump, der während dessen erster Amtszeit als Vorsitzender des Beratergremiums „Strategic and Policy Forum“ fungierte, bezeichnete Trumps Wirtschaftspolitik kürzlich als „eine gute Sache für die Welt“.
Ein wesentliches Element im Kalkül der Demokraten besteht in der Sorge, dass ein Shutdown der Regierung zu einem weiteren Ausverkauf an den Finanzmärkten führen würde, nachdem die Kurse in der vergangenen Woche aufgrund der Auswirkungen der eskalierenden globalen Konflikte und der Handelskriegsmaßnahmen Trumps bereits geschrumpft sind. Davon abgesehen fordert die Wall Street einen Angriff auf das Finanzministerium, um dafür zu sorgen, dass ihre Spekulationen finanziell abgestützt werden und die enorme Anhäufung jener Schulden finanziert wird, die durch die endlosen Rettungsaktionen für die Banken entstanden sind. Das ist genau die Politik, die Trump umsetzt.
Es ist unmöglich, das Verhalten der Demokratischen Partei allein mit Feigheit zu erklären. Die Demokraten sind schlicht keine Oppositionspartei. Sie stimmen mit den wesentlichen Elementen von Trumps Sozial- und Innenpolitik überein. Wenn es Differenzen gibt, so drehen sich diese größtenteils um taktische, nicht grundsätzliche Fragen – vor allem in der Außenpolitik, bei der die Demokraten eine weitere Eskalation des Kriegs in der Ukraine befürworten.
In den Medien wird das Abstimmungsverhalten der Demokraten im Kontext eines vermeintlich erbitterten inneren Konflikts dargestellt. Darin stehen sich, in den Worten der New York Times, angeblich eine „alte Garde“, die sich dem „Zweiparteiensystem“ verschrieben hat, und eine „jüngere Generation“ gegenüber, die einen konfrontativeren Ansatz vertritt.
Das ist Betrug. Die Rolle von Personen wie Alexandria Ocasio-Cortez, Mitglied der Democratic Socialists of America (DSA), besteht darin, den Demokraten einen „linken“ Deckmantel umzuhängen. Ocasio-Cortez verbrachte den Tag der Abstimmung in den sozialen Medien und forderte ihre Anhänger auf, die demokratischen Abgeordneten im Senat zu kontaktieren und sie anzuflehen, das Gesetz nicht zu verabschieden. Das war nichts als politisches Theater, da sie genau wusste, dass die Demokraten dafür sorgen würden, dass das Gesetz durchkommt.
Ocasio-Cortez und die DSA mobilisieren keine Arbeiter und Studierenden zum Massenwiderstand. Sie sind bemüht, die wachsende Wut einzudämmen, sie im Käfig der Demokratischen Partei gefangen zu halten und zu verhindern, dass eine unabhängige Bewegung gegen Krieg, Diktatur und Kapitalismus entsteht.
Die Abstimmung der Demokraten bestätigt die Einschätzung der Sozialistischen Gleichheitspartei (Socialist Equality Party) und der World Socialist Web Site. Nur einen Tag vor der Verabschiedung des Gesetzes schrieb der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS, David North: „Weit entfernt davon, sich gegen Trump zu stellen, kollaboriert [die Demokratische Partei] mit ihm. Unabhängig von ihren Oppositionsbekundungen in Worten teilt die Demokratische Partei große Teile von Trumps Agenda. Diese Partei wird von denselben Oligarchen finanziert, ist ihnen hörig und hat sich der Verteidigung des Kapitalismus verschrieben.“
Am Freitag haben die Demokraten selbst bewiesen, wie korrekt diese Einschätzung ist.
Der Widerstand wird nicht von der Demokratischen Partei, dem Kongress, den Gerichten oder den von Unternehmen kontrollierten Medien kommen. Die Arbeiterklasse – die große Mehrheit der Bevölkerung und die Quelle allen Wohlstands – ist die einzige Kraft, die Trumps Diktatur stoppen kann.
Dies muss in Form von Kämpfen an den Arbeitsplätzen geschehen. Die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party rufen dazu auf, in Betrieben und Stadtvierteln im ganzen Land unabhängige Aktionskomitees aufzubauen. Diese Komitees werden als Zentren des Widerstands dienen und Arbeiter und Jugendliche im Widerstand gegen Trumps autoritäre Herrschaft, die Komplizenschaft der Demokratischen Partei und die umfassenderen Angriffe auf demokratische Rechte und den Lebensstandard vereinen. Sie werden den Rahmen für die Organisation von Massenaktionen, einschließlich Streiks und Protesten, bieten, um die immense gesellschaftliche Kraft der Arbeiterklasse gegen die Wirtschafts- und Finanzoligarchie zu mobilisieren.
Der Kampf an den Arbeitsplätzen muss von einem sozialistischen politischen Programm durchdrungen sein. Der Kampf gegen Trumps Diktatur ist untrennbar mit dem Kampf gegen das System verbunden, aus dem sie hervorgegangen ist – den Kapitalismus. Die Socialist Equality Party setzt sich für ein sozialistisches Programm zur Enteignung der Finanzoligarchie ein. Die imperialistische Kriegsmaschinerie muss demontiert werden, die von den USA geführten Kriege beendet und die Militärausgaben für den Wiederaufbau der Gesellschaft eingesetzt werden. Es muss eine Arbeiterregierung aufgebaut werden, die die politische und wirtschaftliche Macht in die Hände der Arbeiterklasse legt und nicht in die der kapitalistischen Oligarchie.
Das ist die notwendige und einzig praktikable Antwort auf die Trump-Regierung. Wir rufen diejenigen, die damit übereinstimmen, dazu auf, der Sozialistischen Gleichheitspartei beizutreten.